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Über das Buch Fast jeder hat sie, manchmal werden sie bemerkt, oft bleiben sie unbemerkt und stören auch nicht weiter, selten habe sie Krankheitswert. Doch dann gibt es Menschen, die werden immer wieder geplagt davon sind, die körperlich und seelisch leiden und einen Umgang damit finden müssen. Die Rede ist von Herzrhythmusstörungen. Ganz subjektiv wird von Erfahrungen und dem Umgang mit diesen Störungen berichtet, in der Hoffnung vielleicht dem Einen oder Anderen einen Umgang damit zu zeigen.
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Seitenzahl: 87
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Fast jeder hat sie, manchmal werden sie bemerkt, oft bleiben sie unbemerkt und stören auch nicht weiter, selten habe sie Krankheitswert. Doch dann gibt es Menschen, die werden immer wieder geplagt davon sind, die körperlich und seelisch leiden und einen Umgang damit finden müssen. Die Rede ist von Herz-rhythmusstörungen.
Ganz subjektiv wird von Erfahrungen und dem Umgang mit diesen Störungen berichtet, in der Hoffnung vielleicht dem Einen oder Anderen einen Umgang damit zu zeigen.
Jutta Vähning ist Diplom Pädagogin, arbeitet seit vielen Jahren in der Erwachsenenpsychiatrie und berichtet als Betroffene aus eigener Erfahrung.
Bereits im Alter von 14 Jahren zeigten sich erste Herzrhythmusstörungen, die zunächst als Kreislaufprobleme abgetan wurden. Ab dem Alter von 19 Jahren wurden sie dann zu einem häufigen Begleiter. Daher ist ihr deutlich bewusst, wie belastend ein Leben mit diesen unberechenbaren Vorkommnissen sein kann.
Mit ihrem Buch möchte sie das Gefühl, für sich selbst und andere eine Belastung zu sein beleuchten, Verständnis wecken für eine oft unberechenbare Störung und deren Folgen und nicht zuletzt Mut machen, das Leben trotzdem als so lebenswert zu betrachten, wie es ist.
Vorwort
Das Kind hat Kreislauf
Teilzeitrythmus
Blaulichtalarm
Therapie und Co.
Achtsamkeit Adé
Landesliga zwischen Zusammenbruch und Diagnose
Zwischen Angst und Erleichterung
Mein neuer Freund heisst Katherterablation
Das Herz funktioniert – und jetzt?
Wieder alles offen
Ablation Teil drei
Reha 2.0
Wo ich hingehöre?
Abgrenzen und so
Auf ein Schloss oder mehr kommt es nicht an
Reha Alltag
Einschwarzer Tag
Ich wär´so gerne anders
Akzeptanz, die doofe Motte
Von Glaubenssätzen, Hausaufgaben und Veränderungen
Bewegung braucht jeder, auch das Herz
Halbes Schwein auf Toast
Momentfreunde und ein bisschen mehr
Was mir hilft und gut tut
Fachbegriffe und Legende
Lektüre zum Nachlesen
Nachwort
Danksagung
Stellen Sie sich vor, Sie wollen zur Arbeit fahren, setzen sich in ihr Auto und starten den Motor.
Er ruckelt und zuckelt und prustet, vielleicht kommt eine schwarze Wolke aus dem Auspuff und dann lässt er sich endlich fahren. Auf dem ganzen Weg zur Arbeit stottert der Motor immer wieder und Sie denken genervt „Hoffentlich fällt das blöde Ding nicht gleich aus!“ Dann lässt er sich einige Kilometer ohne Probleme fahren, doch in dem Moment, als Sie aufatmen, schnellt plötzlich die Drehzahl hoch, begleitet von einem jaulenden Geräusch, dass sich Ihnen die Nackenhaare aufstellt und sie befürchten lässt, dass in jedem Moment der Motor ausfallen könnte.
Unangenehm? Gar beängstigend? Ja! Auf jeden Fall! Und selbst wenn sie noch so gelassen sind, ist eine solche Situation erstmal einfach nur verunsichernd.
Jährlich werden etwa 400.000 Menschen in Deutschland auf Grund von Herzrhythmusstörungen in die Notaufnahme einer Klinik eingeliefert. Die meisten Herzrhythmusstörungen sind unangenehm, aber harmlos. Dauern sie an oder zeigen sie sich häufiger, sollten sie dennoch ärztlich abgeklärt werden.
Ca. 1,8 Millionen Menschen leiden unter der häufigsten Herzrhythmusstörung, dem Vorhofflimmern, oft unbemerkt, nie aber unbedeutend, denn es können daraus Folgeerkrankungen, wie z. B. Schlaganfälle entstehen.
Neben dem medizinischen Aspekt spielen psychische bzw. psychosoziale Faktoren eine nicht unerhebliche Rolle.
Der Verlust von Sicherheit und Kontrolle, die Unberechenbarkeit der Erkrankung, die auch das „Wenn – dann – Prinzip“ aushebelt. Denn wann die Störungen auftreten, kann nicht genau vorausgesagt, vorausgefühlt werden.
„Wenn ich Alkohol trinke – dann meldet sich mein Herz“ – Oder eben auch nicht!
„Wenn ich Kaffee trinke – dann meldet sich mein Herz“ – Oder eben auch nicht!
„Wenn ich Stress habe – dann meldet sich mein Herz“... und so kann es auf der Suche nach vermeintlichen Auslösern endlos weiter gehen.
Denn das Herz kann auch völlig unvorbereitet aus dem Takt geraten. Bei der Arbeit, beim Einkaufen oder bei der Radtour mit Freunden. Genauso aber auch, wenn man ganz in Ruhe auf dem Sofa sitzt und entspannt ein Buch liest.
Eine gewisse Zeit lassen sich die Episoden tolerieren, doch irgendwann beginnt eine Phase, die sich aus Anfällen, Unsicherheit und Angst, aus Rückzugstendenzen und Verlust von Kontrolle und Selbstvertrauen zusammensetzt. Aus Selbstbeobachtung und der Angst, dem Partner, den Kindern und Freunden auf die Nerven zu gehen oder sie zu belasten. Durch die abnehmende Leistungsfähigkeit kann häufig ein Berufsleben nicht mehr vollständig geleistet werden.
Spätestens jetzt werden die psychosozialen Auswirkungen einer im Prinzip gut zu behandelnden Störung deutlich. Ist man zudem noch mit nicht nur einer, sondern mit unterschiedlichen Herzrhythmusstörungen belastet, multiplizieren sich die Unberechenbarkeiten ebenfalls.
Jetzt kann argumentiert werden, dass ja das Leben selbst nicht berechenbar wäre, was auch stimmt.
Doch mit Herzrhythmusstörungen wird es eben noch ein Stück unberechenbarer, mit Folgen für einen selbst und das Umfeld. Folgen, die es zu bewältigen heißt.
Ich selbst lebe seit etwa 40 Jahren mit Herzrhythmusstörungen. Ganz genau kann ich das natürlich nicht sagen, weil es mir oft gar nicht bewusst war. So wie es mir, trotz aller Erfahrungen, auch später nicht immer gleich bewusst war, dass es mein Herz ist, das wieder einmal meldet.
Oft wurden alle möglichen Diagnosen gestellt, von Kreislaufproblemen, über Magen – Schilddrüsen oder Hormonprobleme, Probleme mit den Elektrolythen – bis hin zu Stress, Überarbeitung und sogar „Übernervosität“ und psychischen Störungen. Das Härteste, was ich hörte, war Hypochondrie.
Irgendwann hat ein guter Kardiologe dann herausgefunden, dass ich wirklich unter Herzrhythmusstörungen leide. Unter einer so genannten Reentrytachykadie, dann kam auch noch eine Isthmustachykardie oder auch Vorhofflattern genannt und einige Jahre später Vorhofflimmern dazu.
Zwischendurch begleiteten mich dann auch immer wieder die supraventrikulären und ventrikulären Extrasystolen.
Dieses elektrische Herz habe ich offenbar von meiner Großmutter geerbt (wissenschaftlich ist das allerdings nicht nachgewiesen), sie wurde 1914 geboren und ihr elektrisches Herz wurde der damaligen Zeit entsprechend einfach als Hysterie bezeichnet.
Ich habe es dann an meine Tochter weitervererbt, die zwar bereits mit 26 abladiert wurde, sich aber nicht davon abhalten ließ, eine erfolgreiche Dressurreiterin in den USA zu werden ein paar Jahre später zu studieren und einen anstrengenden Beruf in einer Klinik zu ergreifen, oder mit ihrem Mann und den Hunden Wandertouren durch die Nationalparks der USA zu unternehmen.
Oma ging allerdings einfach nie ohne ihr Digitalispräparat, Traubenzucker und später ihre Nitroskapseln aus dem Haus. Diese hatte sie von ihrem alten Hausarzt bekommen. Bei einem Kardiologen war sie meines Wissens nach nie. Mit ihren Präparaten bewaffnet, ging sie allerdings auch Bergtouren oder erkundete mit den Hurtigrouten die Fjorde Norwegens. Ging es ihr nicht gut, blieb sie eben stehen …und machte dann weiter.
Meine Oma Charlotte, auch liebevoll Lottchen oder Lotte genannt, starb im hohen Alter von 97 Jahren, ganz ruhig, nach einem Kaffee im Mittagsschlaf.
Dieses Alter zu erreichen habe ich übrigens auch vor, mit allen Überraschungen, die mir mein elektrisches Herz so bietet.
Am Ende des Buches benenne ich Quellen und auch Bücher, die vielleicht zum Stöbern und Recherchieren anregen, die Trost spenden und Zusammenhänge beleuchten, um mit den Folgen eines sehr aktiven Herzens besser umgehen zu können.
Das erste Mal umgekippt auf Grund der Herzrhythmusstörungen bin ich mit 14 Jahren, denke ich. Ich stand beim Schlachter und sollte für den Grünkohl (typisch norddeutsches Wintergericht) die nötigen Fleischzutaten kaufen. Mein Herz war schon die ganze Zeit ziemlich schnell, ich dachte, das käme vielleicht davon, dass ich zu schnell mit dem Fahrrad gefahren war, denn ich war noch mit meiner Freundin Ute verabredet.
Es schlug und klopfte und sprang in meiner Brust und als ich an die Reihe kam, hatte ich kaum noch Luft zum Sprechen und mir war ziemlich schwindelig. Das lag sicher nicht an der Kohlpinkel, die ich kaufen sollte und deren Namen auszusprechen für mich fast unmöglich war.
Jedenfalls hörte ich wie durch einen Nebel die Fleischereiverkäuferin sehr freundlich fragen „Was darf`s denn sein,“ und bevor ich etwas sagen konnte, wurde es dunkel und ich plumpste wie ein nasser Sack zu Boden. Zu mir gekommen bin ich auf einem Stuhl in der Ecke der Schlachterei, der da eigentlich für die älteren Herrschaften stand.
„Geht`s wieder Kleine?“, die Verkäuferin blickte mich ganz besorgt an und hielt mir ein Glas Wasser vor die Nase. „Geht wohl,“ murmelte ich und nahm dankbar das Glas Wasser. Ich hatte mächtig Durst und musste gleichzeitig dringend auf die Toilette.
„Is wohl der Blutdruck,“ sagte eine andere Kauflustige weise und nickte zum Nachdruck mit dem Kopf. „Ist ja auch ganz schön groß, die junge Frau.“ Ich lächelte entschuldigend und wusste jetzt nicht genau, was mir peinlicher sein sollte. Dass ich umgekippt war, oder dass ich mit 14 bereits 1.80 groß war.
Jedenfalls fuhr ich nach erledigtem Einkauf nach Hause. Meiner Mutter sagte ich zunächst nichts davon, sie war ohnehin was Störungen anging eher angespannt und nicht unbedingt hilfreich.
Das nächste Mal passierte es direkt nach dem Sport. Ich war damals begeisterte Leichtathletin, Kurzstrecke, Weitsprung und Staffel und wir waren zum Ausdauerlauf mit unserem Trainer in Wald. Bestes Wetter, 20 Grad, kein Wind, ideale Trainingsbedingungen also. Beim Laufen selbst ging auch alles gut, mein Herz funktionierte bestens. Nach dem Lauf, ich wollte gerade Wasser trinken, ging es wieder los. Mein Herz machte einen Riesensatz, fing dann an zu rasen und wollte sich weder durch hüpfen noch tief Luft holen beruhigen lassen.
Ich sagte wieder nichts, wurde aber wohl ordentlich blass, denn mein Trainer fragte besorgt: „Jutta, alles in Ordnung?“ „Ich, ich weiß nicht, mein Herz“ stotterte ich. Er fühlte meinen Puls und sah mich besorgt an. „Na, ganz schön schnell für ein trainiertes Mädel,“ sagte er. „ich fahre dich besser nach Hause.“
Er fuhr mich nach Hause und sprach dann natürlich mit meinen Eltern. Die zeigten sich dann doch einigermaßen besorgt und nötigen mich zu einem Besuch bei unserem Hausarzt.
Meine Mutter nahm sich am Tag des Termins sogar Zeit, mich zu begleiten. Unser Hausarzt begutachtete mich von Kopf bis Fuß, vermessen, gewogen und nach allen Blutbefunden, sowie einem EKG beschloss er, dass ich wohl „Blutdruck“ haben müsste. Okay, der war auch ein bisschen niedrig, aber für eine 14jährige, hoch aufgeschossene und sportliche Jugendliche durchaus okay. Jedenfalls bekam ich dann „Effortil Tropfen“. Die habe ich dann auch brav eingenommen. Geholfen haben sie nicht wirklich.
Allerdings blieben die „Herzrasattacken“ für längere Zeit aus, was meine Mutter den Tropfen zuwies. Und tatsächlich hatte ich einige Zeit wirklich Ruhe.
Hatte ich dann und wann dieses Herzrasen war es entweder die Pubertät, die aufregende Klassenreise, der Schulabschluss der Mittelstufe oder das aufregende Abitur, der erste Freund oder eben etwas Anderes. Jedenfalls dachte keiner daran, dass es das Herz sein könnte. Wie auch, bei einer so jungen Person.