Tal der verlorenen Seelen - U.H. Wilken - E-Book

Tal der verlorenen Seelen E-Book

U. H. Wilken

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Beschreibung

Nun gibt es eine exklusive Sonderausgabe – Die großen Western Classic Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Dieser Traditionstitel ist bis heute die "Heimat" erfolgreicher Westernautoren wie G.F. Barner, H.C. Nagel, U.H. Wilken, R.S. Stone und viele mehr. Baby Mason lebte am Rande von Deadwood, kaum zwei Meilen von der Stadt entfernt. Baby Mason war Sam Bass' Freundin. Und hinter der Sam-Bass-Bande war der Texaner seit einem Monat her. Fünftausend Dollar standen auf Sam Bass' Kopf. Fünftausend Dollar, die ihn reizten. Zuletzt war er dem Gesindel in den Black Hills begegnet, wo er mit Vigilanten Bass' Bande jagte. Aber der gerissene Fuchs verschwand in den zerklüfteten Bergen, und die Vigilanten gaben die Jagd auf. Doch er, der Texaner, war von härterem Holz. Er war zäh und ausdauernd, und er fand die Fährte der Bass Bande südlich der Berge. Er folgte ihr und stieß in Deadwood auf einen Mann, der ihm bei einer Brandyrunde erzählte, daß Sam Bass' Freundin in der Nähe wohnte. Baby Mason hatte gleich Gefallen an ihm gefunden und ihm bereitwillig einen Platz in ihrem Bett eingeräumt. Sie verbrachten eine Woche voller Leidenschaft miteinander. Doch dann wurde Texen, wie er sich nannte, unruhig. Er ritt tagsüber zu den Hügeln und spähte umher. Texen hörte das schwache Ge­räusch, das nicht in die Umgebung paßte. Flaches Schaben, so als schleife Metall über Holz hinweg. Er lächelte über den Tisch hinweg Baby Mason an und ließ den Sektkorken knallen, er hatte aus der Stadt einige Flaschen mitgebracht. Aber auch noch etwas anderes: Sam Bass war in der Nähe von Deadwood gesichtet worden. Diese Information mahnte ihn zu größter Aufmerksamkeit und Vorsicht. »Füll noch einmal unsere Becher, Baby«

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Die großen Western Classic – 24 –

Tal der verlorenen Seelen

U.H. Wilken

Baby Mason lebte am Rande von Deadwood, kaum zwei Meilen von der Stadt entfernt.

Baby Mason war Sam Bass’ Freundin. Und hinter der Sam-Bass-Bande war der Texaner seit einem Monat her. Fünftausend Dollar standen auf Sam Bass’ Kopf. Fünftausend Dollar, die ihn reizten. Zuletzt war er dem Gesindel in den Black Hills begegnet, wo er mit Vigilanten Bass’ Bande jagte. Aber der gerissene Fuchs verschwand in den zerklüfteten Bergen, und die Vigilanten gaben die Jagd auf.

Doch er, der Texaner, war von härterem Holz. Er war zäh und ausdauernd, und er fand die Fährte der Bass Bande südlich der Berge. Er folgte ihr und stieß in Deadwood auf einen Mann, der ihm bei einer Brandyrunde erzählte, daß Sam Bass’ Freundin in der Nähe wohnte.

Baby Mason hatte gleich Gefallen an ihm gefunden und ihm bereitwillig einen Platz in ihrem Bett eingeräumt.

Sie verbrachten eine Woche voller Leidenschaft miteinander. Doch dann wurde Texen, wie er sich nannte, unruhig. Er ritt tagsüber zu den Hügeln und spähte umher. Schließlich ritt er in die Stadt, um Neuigkeiten zu hören…

*

Texen hörte das schwache Ge­räusch, das nicht in die Umgebung paßte. Flaches Schaben, so als schleife Metall über Holz hinweg. Er lächelte über den Tisch hinweg Baby Mason an und ließ den Sektkorken knallen, er hatte aus der Stadt einige Flaschen mitgebracht. Aber auch noch etwas anderes: Sam Bass war in der Nähe von Deadwood gesichtet worden.

Diese Information mahnte ihn zu größter Aufmerksamkeit und Vorsicht.

»Füll noch einmal unsere Becher, Baby«, sagte er lächelnd, »wir wollen auf die Nacht trinken. Es wird vielleicht unsere letzte sein.« Dabei wanderte seine Hand unauffällig den Schenkel hoch. Noch während er die Tür fest im Auge behielt, löste Texen die Sicherungsschlaufe vom Hammer seines Colts.

Baby Masons Hand zitterte leicht, als sie den Champagner in die Blechbecher sprudeln ließ, denn ihr war die leichte Veränderung des Mannes nicht entgangen. Obwohl er lächelte, lag wachsames Lauern in seinen grauen Augen. Sie blickte unwillkürlich über die Schulter zur Tür.

»Was hast du, Texen?« fragte sie unruhig und lauschte vergebens nach einem Geräusch, das Texens Aufmerksamkeit geweckt haben könnte.

»Nichts von Bedeutung, Darling«, Texens Linke hob prostend den Becher, während die Rechte unauffällig den Colt im Holster lockerte. »Es wird eine Ratte sein, die über die Veranda huscht.« Sein Lächeln wirkte wieder friedlich, als Baby Mason nähertrat und sich zu ihm niederbeugte. Ihre Lippen suchten die seinen, und ihre Arme umschlangen leidenschaftlich seinen Nacken. Texen küßte die Frau mit offenen Augen. Er spähte dabei über die Fülle ihres schwarzen Haares hinweg und sah, daß der Türhebel in Bewegung geriet und mit einem Ruck die Tür aufsprang.

Groß und mächtig, mit schwarzem wallendem Bart, stand ein Hüne auf der Schwelle.

In der Rechten lag ein langläufiger Colt, und Texen hörte das harte, metallische Geräusch, als der Hammer zurückschlug.

In diesem Augenblick stieß der Texaner Baby Mason beiseite. Hart, fast brutal, daß sie bis zur Feuerstelle flog.

Mit einer blitzschnellen Bewegung riß er die Tischkante hoch, daß Sam Bass’ Geschoß nur gegen die derbe Platte prallte und heulend in die Decke fuhr. Laut klirrend zersprang am Boden die Lampe und erlosch gleich.

In die Finsternis hinein donnerte Sam Bass’ Revolver auf, begleitet vom hysterischen Aufschrei Baby Masons, die sich irgendwo im Dunkeln in eine Ecke verkroch.

Der Tisch schlug zu Boden, und während Bass abermals zornig seinen Revolver abfeuerte, glitt Texen lautlos aus der Schußrichtung. Er hätte Bass eine Kugel in den Leib jagen können, denn der Flammenfächer zeigte ihm den Weg zu Bass. Aber er wollte ihn lebend. Bass schoß noch einmal, ehe er zu fluchen begann.

»Komm her, du Mistkerl, und wehre dich. Ich werde dir zeigen, was es heißt, sich Sam Bass’ Mädchen an den Hals zu werfen.«

Texen lächelte gelassen in die Dunkelheit. Seine tastende Hand fand Trümmerstücke der Lampe, die er in die Ecke schleuderte. Bass jagte zwei Kugeln in die Richtung. Als Texen sich aufrichtete, wußte er, daß Bass’ Revolver leergeschossen war. Trampelnde Schritte auf der Veranda mahnten Texen zur Eile. Mit zwei Sprüngen war er heran und jagte dem Riesen den Revolverlauf in den Bauch.

»Und nun Schluß mit den Späßen, Bass«, sagte er hart, »und erzähle deinen Leuten, daß sie verschwinden sollen.«

Der Bandit keuchte vor Schmerz, aber er spürte die Gefahr, die von dem Fremden ausging. Der machte keine großen Faxen. Und vor allem glaubte er dem Kerl, dessen Visage er nun für den Bruchteil einer Sekunde gesehen hatte, schon einmal begegnet zu sein. In den Black Hills.

»Carney, Barnes…, verdammt, bleibt draußen. Der Kerl schießt mir sonst eine Ladung Blei in den Bauch.«

Die Schritte verstummten. Texen hörte ihren schweren Atem und Baby Masons Wimmern in der Ecke.

»Hole ein Talglicht, Baby«, rief Texen ins Dunkel, »und stelle es auf den Tisch.« Texen traute Bass nicht. Wenn der Überraschungseffekt vorbei war, konnte Bass aggressiv werden.

Baby kroch zögernd aus der Ecke, und gleich darauf erhellte fahles Licht den Raum.

Texen stieß seinen Mann zum umgestürzten Tisch. »Richte ihn auf und setz dich auf den Stuhl.« Er nahm Bass’ leergeschossene Waffe und zog ihm das Messer aus dem Stiefelschaft. Als er den schweren Riegel vor die Tür schob, rief draußen eine dunkle Stimme:

»Was ist los, Bass? Was will der Kerl von dir? Sollen wir die Bude in Brand stecken?«

Bass wurde aschfahl, als Texen näher kam.

»Verdammt, Barnes«, schrie er heiser, »der Kerl ist dieser verfluchte Sam Conelly, der Bill Boone an den Galgen geliefert und ein paar anderen zum Begräbnis verholfen hat. Das Übelste, was uns begegnen konnte. Und mit dem legt sich mein Mädchen ins Bett.« Sam Bass’ Körper bebte, und Texen spürte die Angst, die von ihm ausging.

»Sag ihnen, sie sollen verduften.« Texen oder Conelly, wie ihn Bass nannte, zog einen Stuhl heran und schob grinsend den Langläufigen über die Lehne. »Sag’s ihnen schnell, Bass. Der Marshal zahlt Kopfgeld auch für einen toten Sam Bass.«

Bass warf Baby einen wütenden Blick zu, ehe er zornig seine Befehle nach draußen schrie.

Kurz darauf hörte Conelly sich entfernenden Hufschlag, aber er wußte, daß Sam Bass’ Bande nicht weit reiten, sondern in Lauerstellung gehen würde. Er hoffte nur, daß die Schüsse in der Stadt gehört wurden und daß der Marshal neugierig würde.

Baby Morgan stand bleich am Ofensims und schleuderte Conelly zornige Blicke zu.

»Ich wußte nicht, daß du ein mieser Kopfgeldjäger bist, Tejano. Sonst hätte ich dich schon vor einer Woche vom Hof gejagt.«

»Das hätte wenig genützt, Baby«, meinte Conelly kalt, »denn ich wußte, daß Bass dein Freund ist und daß es ihn irgendwann hertreiben würde. Du hast mir nur die Wartezeit verkürzt. Ich will es nicht vergessen.«

Bass starrte wütend auf die Tischplatte. »Was hast du vor, Conelly? Willst du mich umlegen?«

»Wozu? Wenn du vernünftig bleibst, übergebe ich dich morgen früh dem Marshal. Der besorgt dir dann einen Strick. Mir geht es um das Geld und nicht um deinen Hals. Das ist Sache des Gesetzes.«

Bass schwieg. Als Baby Morgan einmal nähertrat, stieß er sie wütend beiseite. Baby Morgan setzte sich schließlich stumm in eine Ecke.

Conelly blieb wachsam und ließ Sam Bass keine Chance. Dabei lauschte er die ganze Zeit nach draußen. Aber es kamen weder Behan noch seine Deputys, um nach dem Grund der Schießerei zu sehen. Als der Morgen graute, stand der Texaner auf und löste die Blenden von den Fenstern. Fahlgrau lagen die Hügel in der Morgendämmerung. Nur Bass’ gesatteltes Pferd stand am Brunnen. Aber Conelly wußte, daß sie draußen zwischen den Büschen auf ihre Chance lauerten.

»Gehen wir, Bass«, sagte Conelly schließlich, denn einmal mußte er den Schritt nach draußen wagen. Er griff nach einer Schnur an der Wand und band die Hände seines Gefangenen zusammen. Baby Morgan kauerte schweigend am Boden, als Conelly seinen Gefangenen durch die offene Tür trieb.

Er brachte Bass zur Koppel und sattelte seinen Schwarzen. Als Bass selbst im Sattel saß, erfaßte Conelly dessen Zügel und drängte den Hengst dicht neben den Mann. Er schob ihm den Langläufigen unters Kinn.

»Sie lauern dort draußen, Bass. Ich spüre es. Aber du hast keine Chance, wenn ein Schuß fällt.«

Sam Bass hörte das häßliche ­Knacken des Hammers, als Conelly die Waffe spannte.

»Sie werden das Risiko erkennen, Conelly«, keuchte er.

»All right«, Sam Conelly gab die Zügel frei.

*

John H. Behan stand lässig am Türpfosten, als Conelly mit seinem Gefangenen die Straße hochritt. Sein Gesicht zeigte keine Überraschung, als er den Bärtigen erkannte. Er rief nur einige Worte ins Office. Zwei Deputys tauchten neben ihm auf.

»Sam Bass«, sagte der Texaner und stieß seinen Gefangenen vom Pferd. »Ich hoffe nicht, daß ich allzu lange auf die Prämie warten muß, Marshal.«

Behan sah den harten Glanz in den grauen Augen des Sprechers. »Kennst du den Mann, Bass?« sagte er, als Sam Bass taumelnd auf die Beine kam.

»Natürlich kenne ich den Hundsfott. Er nennt sich Sam Conelly und ist scharf auf jeden Hals, an dem eine Prämie hängt«, grollte der Riese.

»Conelly«, sagte Behan nachdenklich, als seine Deputys den Rustler ins Office führten. »In Wyoming und Montana haben Sie einen verdammt harten Ruf, Mann. Aber ich will meine Stiefel fressen, wenn ich Sie nicht unter anderem Namen kenne. Wo stecken die Leute von Bass?«

»Irgendwo in der Nähe, Marshal. Draußen zwischen den Hügeln.«

»Hm«, Behan nickte. »In einer Stunde können Sie sich Ihre Prämie holen.«

»All right«, erwiderte Conelly und lenkte sein Pferd über die Straße zum »Aloma«, das gerade aufmachte.

Der Clerk machte ein verschlafenes Gesicht, als Conelly einen Brandy bestellte, und setzte sich in die Ecke, als der Gast das Orchestrion in Betrieb setzte.

Als Conelly nach einer Stunde auf die Straße trat, formierten sich vor dem Office ein Dutzend Männer der Bürgerwehr, die Behan in aller Eile zusammengetrommelt hatte.

Behan winkte Conelly, ihm ins Office zu folgen. Dort lag gestapelt ein Bündel Geldscheine. »Es stehen noch dreißigtausend für den Rest der Bande aus, Conelly. Sie können mit der Posse reiten.«

»Es lohnt nicht, Marshal«, erwiderte der Texaner und schob das Geldbündel in den Hemdausschnitt. »Es sind zu viele, und der Lohn ist zu mager. Ich habe einen anderen Mann im Auge.« Conelly deutete mit einer Kopfbewegung zu den Anschlägen an der Wand. »J. K. Fisher soll sich an der North Platte herumtreiben.«

»King Fisher«, Behan musterte abschätzend den Sprecher. »Fisher ist härter zu nehmen als Sam Bass.«

»Aber es lohnt schon, Marshal«, lächelte der Mann gelassen. Behan starrte auf die Zahl unter Fishers Steckbrief.

»Fünftausend Dollar, Conelly. Drunter tun Sie’s wohl nicht…«

Sam Conelly hatte sich nun abgewandt. Er hörte zwar Behans spöttische Worte, aber er ignorierte sie einfach. Er bestieg seinen Gaul und ritt davon.

Am vergitterten Fenster stand Sam Bass und schrie wütend die

Mainstreet hoch. »Grüße King von Sam Bass, Conelly. Ich hoffe nur, mein alter Freund schießt dich Bastard in tausend Stücke.«

John H. Behan war nach draußen getreten. Er sprach mit seinen Leuten, und als er in den Sattel stieg, blickte er hinter dem Reiter her, der bereits den Ortsausgang erreicht hatte.

»Verdammt«, fluchte er wütend, ehe er seinen Gaul antrieb. »Er heißt nicht Conelly, und ich bin ihm schon mal begegnet. In Hays war es oder in Dodge City in Texas.«

Behan gab das Zeichen zum Aufbruch, und ein Dutzend Reiter sprengte den Hügeln entgegen, hinter denen Baby Morgans armselige Hütte lag.

*

Dee Catton lauschte den harten Abschüssen der Gewehre. Instinktiv zog sie den Zylinder von der Lampe und löschte den brennenden Docht. Einen Atemzug später stand sie am Gewehrschrank und riß eine Winchester aus der Halterung.

Wieder dröhnte das harte Stakkato der Abschüsse durch die stürmische Nacht. Dee Catton stand an der Tür und stieß sie auf.

Als die Frau ins Freie trat, spürte sie die Kälte eines aufziehenden Winters, und sie sah die kurz aufflammenden Lichtfächer, welche die Detonationen begleiteten. Es waren drei, nein, vier Schützen, die ihr Blei in die morsche Fassade der Scheune jagten. Dorthin, wo von Zeit zu Zeit ein einzelner Flammenstrahl aufblitzte.

Der Wind trieb das Echo trampelnder Rinderhufe über die Hügel, und Dee Catton wußte, daß Raubgesindel in der Herde eingebrochen war. Wie so oft in den vergangenen Monaten.

»Geh ins Haus zurück«, hörte sie ihren Bruder Benny von der Scheune her schreien. »Die Aasgeier kennen keine Rücksicht. Sie schießen dich in Stücke.«

Dee repetierte ihre Waffe. Die Dunkelheit verdeckte den harten Ausdruck ihres Antlitzes, denn sie dachte an ihren Vater, den die Banditen vor vier Monaten am Belling Tobbs förmlich in Stücke geschossen hatten. Und an ihren Bruder Landsey, den sie eine Woche später im Devils Ground mit ein paar 45er Kugeln im Rücken fanden. Das Land am Neches Lake war wild geworden, und zunehmende Gesetzlosigkeit hatte die Schranken der Ordnung gesprengt. Männer hatten sich zu Banden zusammengerottet und zogen brandschatzend durch das Land.

Zornig hob Dee die Winchester und schoß auf den hellen Punkt, der sekundenlang im Busch aufleuchtete.

Irgendwer schrie seinen Schmerz heraus. Doch schon im nächsten Augenblick klatschte Blei gegen die Hauswand, und Dee hörte die Geschosse gefährlich nahe am Gesicht vorbeizischen.

Ein Schatten tauchte bei der Balustrade auf. Dee schwenkte ihre Waffe. Doch da hörte sie die Stimme ihres Bruders Benny.

»Verdammt, du verrücktes Luder. Willst du wie Daddy, Ma und Landsey drüben bei den Kiefern liegen?« Benny Catton schwang sich schwer atmend über die Geländerbrüstung und riß die Schwester zu Boden.

Im gleichen Augenblick schlugen gleich ein Dutzend Geschosse ins Holz. Holzsplitter regneten nieder und Dee, deren Hand Bennys Schulter berührte, spürte die feuchte Wärme des Blutes, das aus einer Wunde sickerte.

»Sie holen sich wieder eine Herde«, flüsterte Dee in ohnmächtigem Grimm.

»Und wenn schon. Wir können sie nicht aufhalten. Tex, Davis und Calhoun verbringen ihr Wochenende in der Stadt, und Casey, der hinter den Hügeln bei der Herde wacht, haben sie sicher längst aus dem Sattel geschossen. Zurück ins Haus.« Benny rutschte an der Schwester vorbei in den dunklen Eingang.

Dee folgte zögernd. Sie dachte an die fünfhundert Rinder, die in der Elmhornschlucht lagerten und daran, daß sich ihr Viehbestand in den letzten Monaten um die Hälfte reduziert hatte.

Sie hörte im Aufrichten den krachenden Schlag, als Benny die Tür laut zuschlug, und das Knirschen des Querbalkens. Benny eilte durch die Dunkelheit und verschloß dann beide Fenster mit den schußsicheren Läden.

Dee dachte daran, daß ihr Bruder verletzt war. Sie entzündete die Lampe und drehte den Docht tiefer, daß nur ganz schwacher Lichtschimmer blieb.

»Sie haben dich erwischt, Benny«, sagte sie und suchte Verbandszeug auf dem Bord.

»Nicht der Rede wert, Schwester. Ein glatter Durchschuß, der bald verheilt.« Benny schob sein Gewehr durch den schmalen Schlitz und lauschte dem prasselnden Regen, der auf das Schindeldach niederschlug. Er grinste nur. »Ausräuchern können sie uns nicht. Dafür sorgt das Wetter.«

»Dagegen verwischt der Regen auch die Spur der gestohlenen Herde. Los, zeig mir den Arm«, forderte Dee.

Sie war eine resolute Frau. Groß, schlank und hübsch, mit kurzem Blondhaar, das in wirren Strähnen über der Stirn hing. Mit einem Ruck riß sie den blutbefleckten Hemdärmel auf und drehte Bennys Arm ins schwache Licht. Sie sah den schwar­zen Einschuß im Fleisch des Oberarmes und den größeren Ausschuß, der stark blutete.

Draußen fielen in schneller Reihenfolge Schüsse, die den Eingeschlossenen anzeigten, daß das Gesindel noch in der Nähe weilte. Benny starrte durch die Scharte in die Nacht.

»Halte still«, sagte Dee und kippte eine halbe Flasche Brandy über die Wunde.

Benny schrie heiser auf. »Willst du mich umbringen?«

»Sei ruhig«, erwiderte die Frau, »ich muß die Wundränder reinigen. Oder willst du an einer Bleivergiftung sterben?«

Dee war nicht gerade zimperlich, und Benny vergaß für einen Augenblick die Gefahr, die draußen lauerte. Er fluchte wild drauflos. Erst als er den sauberen Verband sah, grinste Benny.

»Das war eine Roßkur, Schwester. Du hättest verdammt Erfolg als Viehdoktor.«

»Wenn es so weitergeht, wird es in dieser Gegend bald kein Vieh mehr geben.«

Dee löschte die Lampe und griff nach ihrem Gewehr. Sie stellte sich hinter die Barriere des zweiten Fensters und starrte in die Finsternis, aus der von Zeit zu Zeit Mündungsblitze aufleuchteten.

»Sie halten uns fest, um der Herde einen Vorsprung zu sichern«, sagte Dee einmal in die Stille und fluchte plötzlich. »Weiß der Teufel, wo sie das Vieh hintreiben.«

*

Am Morgen regnete es mit unverminderter Heftigkeit.

Als Benny vorsichtig den Türriegel zurückschob und ins Freie blickte, wußte er, daß die Nachhut der Bande verschwunden war.

Mit schußbereitem Gewehr eilte er zum Stall hinüber, um gleich darauf zurückzukehren.

»Sie haben unsere Gäule genommen. Verdammt, damit ist uns die letzte Möglichkeit genommen, den Aasgeiern zu folgen.«