Die großen Western 127 - U.H. Wilken - E-Book

Die großen Western 127 E-Book

U. H. Wilken

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Beschreibung

Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Feuerbündel stachen durch die düstere Regennacht. Im Aufflammen der Schüsse geisterte fahles Licht über die Planen der abgestellten Wagen hinweg. Das war die Nacht, in der die Zeit stillstand.Erbarmungslos schlug der Tod in das Wagencamp hinein - und während Menschen aufschrien, Planen in Brand gerieten und ein Mädchen aus tiefstem Schlaf gerissen und von der Mutter noch geistesgegenwärtig vom Wagen gestoßen wurde, grollte fernab das Unwetter, zuckten grelle Blitze über dunklen Bergen und prasselte der Regen auf die öde Ebene

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Die grossen Western –127–

Der Höllenmarshal

Roman von U.H. Wilken

Feuerbündel stachen durch die düstere Regennacht. Im Aufflammen der Schüsse geisterte fahles Licht über die Planen der abgestellten Wagen hinweg. Das war die Nacht, in der die Zeit stillstand.

Erbarmungslos schlug der Tod in das Wagencamp hinein – und während Menschen aufschrien, Planen in Brand gerieten und ein Mädchen aus tiefstem Schlaf gerissen und von der Mutter noch geistesgegenwärtig vom Wagen gestoßen wurde, grollte fernab das Unwetter, zuckten grelle Blitze über dunklen Bergen und prasselte der Regen auf die öde Ebene.

Reiter jagten aus der Finsternis hervor, trieben die Pferde rücksichtslos über die Wagendeichseln hinweg und schossen auf die schattenhaft umherhetzenden Gestalten.

Das Mädchen verbarg sich zitternd unter dem Wagen, sein Weinen ging unter im Krachen der Schüsse. Es sah nicht, wie seine Eltern starben, wie der Tod so grausam wütete und wie einer der Angreifer mit einem gurgelnden Aufschrei vom Pferd stürzte, im Steigbügel hängen blieb und aus dem Wagencamp gerissen wurde.

Flammen erstickten im Regen, Planenfetzen bewegten sich nass und träge im Nachtwind – und die letzten Schüsse verloren sich ohne Echo auf der Ebene.

Das war die Nacht des Todes.

»Wo ist Banner? Zum Teufel, wo ist mein Bruder? Banner, antworte, verflucht noch mal …«

Eine heisere Stimme …

Pferde stampften und wieherten, Hufe polterten dicht am Mädchen vorbei. Männer sprangen von den Pferden aus auf die zwei Wagen, fluchten und schrien, schleuderten alles aus den Wagen, begannen zu plündern.

Die Angst trieb das Mädchen in die Nacht hinaus, in Regen und Wind. Es irrte davon, irgendwohin – erst zehn Jahre alt, hilflos einer Welt ausgesetzt, die nach dem Bürgerkrieg alle menschlich guten Gefühle verloren zu haben schien …

Die Fremden fanden nicht viel. In ihrer Wut darüber begannen sie, alles zu zerstören. Und immer wieder rief eine heisere Stimme durch die Nacht: »Banner!«

Schließlich besannen die Fremden sich, liefen auseinander und suchten, tappten durch die Dunkelheit und entdeckten endlich das abseits stehende Pferd und fanden den Komplizen bewusstlos im nassen Gras, noch immer hing sein Fuß im Steigbügel.

Ein Mann, der große Ähnlichkeit mit dem Bewusstlosen hatte, löste vorsichtig den Fuß aus dem Steigbügel und beugte sich kniend über ihn.

»Bruder«, sagte er mit spröder, kratzender Stimme, »einmal musste es ja einen von uns beiden erwischen.«

Blitze erhellten das Land. Regenwasser lief über das blasse Gesicht des Ohnmächtigen, sickerte in die Kleidung, verdünnte das Blut, das aus der Schulter kam.

»Wenn der nicht schnellstens zum Doc kommt«, sagte einer der Männer in der Runde, »dann geht er vor die Hunde.«

»Verfluchter Mist! Woher sollen wir jetzt einen Doc bekommen?«

»Wir müssen hin zu ihm. In irgendeiner Stadt wird es doch wohl einen Doc geben!«

»Er ist mein Bruder«, flüsterte der kniende Mann, »und er darf nicht sterben. Der Krieg ist aus, er ist heil herausgekommen – und jetzt soll er verrecken? Niemals! Los, fasst mit an!«

Sie hoben den Bewusstlosen aufs Pferd, schnürten ihn fest und kehrten zum Wagencamp zurück.

Immer wieder grollte das Unwetter, prasselte der Regen in Schauern auf die Wagen. Zusammengesunken hockte der Schwerverwundete im Sattel, sah nicht, wie die Komplizen all das, was ihnen als wertvoll erschien, zusammenrafften, hörte nicht ihre Stimmen, die der Wind zerfetzte, spürte nicht, wie sie mit ihm langsam losritten – hinein in die Nacht.

Ein Kind wusste nicht, wohin. Es taumelte durch Gestrüpp und verschrammte sich die Beine, blieb mit dem blonden Haar im Geäst hängen, riss sich weinend los.

Wenn in der Ferne die Blitze flammten, blickte das Mädchen suchend umher – doch es sah nicht mehr die Wagen. Es wollte zurück, aber es fand den Weg nicht mehr. So irrte es weiter, schluchzte und schrie nach seiner Mutter.

Tot war die Frau, tot der Mann, tot die anderen. Das Kind war allein.

Und bald begann es zu schwanken, konnte nicht mehr laufen, verlor immer mehr Kraft, kroch den Hang eines Höhenzuges empor, rutschte auf dem durchnässten Boden immer wieder aus, zerriss das Kleid, erreichte völlig entkräftet die Kammhöhe und sank zu Boden, lag schutzlos im Regen, durchnässt und zitternd vor Kälte und Angst.

Es hatte vom Krieg nicht viel mitbekommen. Der Vater war heimgekehrt, sie hatten ihre Habe auf den Wagen geladen und waren mit dem Nachbarn aufgebrochen nach Westen. Zwei Familien, die vor den zurückkehrenden besiegten Soldaten und vor den Yankees geflüchtet waren. Und hier im Westen hatten sie den Tod gefunden, waren von einer dieser Banden aus ehemaligen Soldaten überfallen worden. Es gab so manche Bande, die mordend und plündernd durch das verbrannte Land ritt …

Für das zehnjährige Mädchen schien es keine Zukunft mehr zu geben.

Endlich brach der neue Tag an, der Regen ließ nach, das Unwetter zog weiter nach Norden – und unter der heißen Sonne begann der Boden zu dampfen, irrte das Kind weiter. Kojoten kläfften auf Anhöhen, und heißer Wind fuhr durch das Dornengestrüpp und über Grasbüschel hinweg. Der Himmel war auf einmal von seidiger Bläue, und weiße Wolken wanderten im Wind.

Irgendwo vor dem Mädchen lag eine Stadt, noch verborgen hinter Hügeln. Und schon wieder trieben Staubwolken über das weite Land und legten sich auf die Spuren in der Einsamkeit …

*

»Marshal, die beiden Kerle sind wirklich ganz sture Hunde, die wollen meinen ganzen Laden zusammenhauen!«

»So?«, dehnte Marshal John Lonnigan, verengte die grauen Augen und starrte den Saloonbesitzer an, wippte auf dem Stuhl und verschrammte mit den Sporen die Tischplatte.

»Verdammt, tu was, Marshal, sitz hier nicht rum! Hast du nicht gehört, Marshal – sie schlagen auch alle Flaschen in Trümmer!«

»Whisky?« Lonnigan zog die Füße vom Tisch und beugte sich interessiert vor. »Auch Whiskyflaschen?«

»Ja, damn’d!«

»Dann muss man was dagegen tun«, nickte Lonnigan und richtete sich auf, stand groß und sehnig im Marshal’s Office und blickte auf die sonnenhelle Straße hinaus. »Das ist natürlich was anderes, denke ich …«

Er packte das Gewehr, stieß den Mann hinaus und stapfte über die Straße, betrat den Saloon und sah, wie die beiden ehemaligen Soldaten im Rausch die Hocker zu Kleinholz machten und Stuhlbeine durch den Saloon schleuderten.

Wortlos ging er durch den verdreckten Raum, rammte dem ersten Mann den Gewehrkolben in den Leib und knallte dem anderen den Lauf über den Kopf. Beide stöhnten und brachen zusammen. Schon warf er das Gewehr auf den Tresen, packte beide Männer im Nacken und schleifte sie hinaus, stieß sie über den ausgedörrten Plankenweg hinweg und ließ sie auf die heiße Straße fallen.

»Miese Vögel«, knurrte er, kehrte in den Saloon zurück und betrachtete das Trümmerfeld. »Haben die beiden allein gesoffen?«

Der Saloonbesitzer zögerte, fuhr sich über das schweißglänzende Gesicht und zuckte wie entschuldigend die Achseln.

»Nein …, dein Deputy war dabei … und Old Arrow. Lucky ›Whisky‹ Perkins ist schon ausgegangen.«

»Mein Deputy …« Lonnigan schüttelte seufzend den Kopf. »Den Kerl hau ich zusammen.«

Im halbdunklen Hintergrund des Saloons kicherte jemand, und Metall rasselte.

»Du nicht schlagen Whisky, Lonnigan. Du nur Maul aufmachen wie gähnender Büffel.«

Lonnigan drehte sich halb um und starrte in die Ecke.

»Das hätte ich mir denken können, Opa! Wo gesoffen wird, fehlst du nicht.«

»Kiowa-Häuptling Old Arrow immer denken, dass Feinde vernichten müssen. Whisky Feind sein von Old Arrow.«

Ächzend stand Old Arrow auf. Eine uralte Ritterrüstung klirrte und rasselte um seinen ausgemergelten Körper. Mit steifen Bewegungen kam er heran und schlug auf die Eisenbrust, dass es dröhnte.

»Viele Flaschen Feuerwasser – viele Feinde! Old Arrow alle vernichten.«

»Du bist besoffen. Geh raus, schlaf deinen Rausch aus.«

Schwankend stützte der alte Kiowa sich auf einen Tisch und kicherte. Mit glasigen Augen stierte er umher.

»Old Arrow nie besoffen, nur – wie sagt weißer Mann? – angeheitert!«

»Dann heitere dich ab, großer Krieger der Kiowas.«

Old Arrow rülpste laut, schleppte sich torkelnd hinaus und brach draußen in seiner Rüstung zusammen, fluchte und kam klappernd und rasselnd wieder hoch. Er stierte auf die beiden Männer, die sich gerade aufrafften, warf sich stolz in die Brust und sagte laut und vernehmbar: »Scheiße.«

»Das ist ein hartes Wort für eine weiche Sache, Opa«, knurrte Lonnigan an der Saloontür. »Lass dich nicht aufhalten.«

Verächtlich winkte der Kiowa ab und torkelte die Straße hinauf. Am Rande der Stadt verlor er das Gleichgewicht und ging in der Rüstung mit lautem, schepperndem Geräusch zu Boden.

Lonnigan grinste flüchtig, beobachtete die beiden ehemaligen Soldaten, die auf ihre Pferde kletterten und davonritten, drehte sich um und warf die Spencer in die linke Hand.

»Ich nehme nichts an, savvy?«

»Natürlich nicht, Marshal.« Der Saloonbesitzer eilte um die Theke und reichte ihm eine Flasche Whisky. »Ist schon bezahlt …«

»Wirklich?«, dehnte Lonnigan und tat erstaunt. »Wenn es so ist? Bis bald.«

Er verließ den Saloon und setzte sich im Office hinter den Tisch. Wieder schrammten die Radsporen über die Tischplatte. Seufzend setzte er die Flasche an die Lippen und nahm einen Schluck.

Draußen war es still und heiß. Die Stadt lag am Rande des großen Trails nach Westen. Vor Jahren waren hier die Trecks vorbeigezogen – und jetzt wartete die Stadt auf die zurück­kommenden Soldaten, auf die ehemaligen Cowboys, die ohne Job sein würden.

Gähnend lehnte Lonnigan sich zurück, schloss die Augen und entspannte sich.

Am Stadtrand schnarchte Old Arrow. Die Rüstung nahm die Hitze der Sonne auf, und der Kiowa kam zu sich, glotzte benommen umher und richtete den Oberkörper mühsam auf.

Er glaubte nicht richtig zu sehen. Ein Mädchen stand vor ihm. Das blonde Haar war völlig zerzaust, das einst weiße Kleid verstaubt, verschmutzt und zerrissen. Die Kleine sah ihn leer an. Auf dem zarten Gesicht lag Staub. Die Beine waren verschrammt. Dornen hatten die Hände verletzt.

Der Anblick dieses armen Mädchens ernüchterte den alten Kiowa. Stöhnend kam er hoch und schwankte, dann schleppte er sich davon.

John Lonnigan hörte das Rasseln von Blech und heftiges Keuchen. Gelassen blieb er sitzen. Draußen erschien Old Arrow und schwankte herein.

»Weißes Mädchen vor Stadt, Lonnigan! Allein!«

»Sicher«, nickte Lonnigan ruhig und lächelte sanft und verständnisvoll. »Leg dich wieder aufs Ohr, Alter.«

»Ich nicht sehen weiße Mäuse!«, ächzte Old Arrow. »Wirklich weißes Mädchen, ganz klein.«

Misstrauisch betrachtete Lonnigan das faltige Gesicht des Kiowas. Langsam zog er die Beine an.

»Du bist noch dick, Opa. In dieser Stadt gibt es ein paar kleine Mädchen.«

»Weißes Mädchen noch nie gesehen! Sie verletzt, sie lange gelaufen, ganz hungrig.«

Lonnigan erhob sich, drückte Old Arrow sanft zur Seite, und der Kiowa verlor den Halt und knallte mit der Rüstung gegen die Wand. Einen Atemzug lang verharrte Lonnigan auf dem Gehsteig und blickte die Straße hinauf. Er sah das zehnjährige Mädchen, senkte das Gewehr und wurde plötzlich sehr ernst. Schon ging er mit großen Schritten los und näherte sich dem Mädchen.

Es konnte vor Schwäche nicht weglaufen, stand wie geistesabwesend in der Sonne und bot einen jämmerlichen Anblick.

Niemand sah, wie Lonnigans sonst so hartes Gesicht weich wurde, wie sich der harte Glanz in den grauen Augen verlor. Sein Schatten fiel auf die Kleine. Er lächelte sanft und ging in die Hocke, sah in die trüben blauen Augen des Kindes und legte den Arm um den geschwächter Körper.

»Keine Angst, ich werde dir helfen. Wie heißt du denn?«

Das Mädchen schwieg.

Da nahm er es auf die Arme und trug es zum Haus des Arztes, trat die Tür auf und legte es auf das Lager.

»Kümmer dich um die Kleine, Doc.«

Doc Chill Wills trat an das Lager heran, betrachtete das Mädchen ernst und holte einen Blechbecher mit Wasser. Die Kleine trank hastig, er stützte sie im Rücken, und als sie genug getrunken hatte, fiel sie sofort zurück, schloss die Augen und schlief vor Erschöpfung ein.

»Wo hast du sie gefunden, John?«

»Vor der Stadt. Sieht es schlimm aus? Wenn ein Kerl vor mir liegt, dann weiß ich, dass er entweder tot oder besoffen ist. Bei dieser Kleinen weiß ich nicht, was mit ihr los ist.«

»Sie ist lange gelaufen. Das Kleid ist von Dornen zerrissen, auch die Knie und Hände. Es muss durch das Unwetter gelaufen sein, das Kleid ist wieder getrocknet. Und es muss einen Schock bekommen, was Schreckliches erlebt haben.«

Grübelnd stand Lonnigan am Lager. In seinem wettergebräunten Gesicht arbeitete es. Ihm war anzumerken, dass er den Zorn über das Schicksal dieses kleinen Mädchens unterdrückte.

»Ein Kind kommt allein in die Stadt«, murmelte er, »ohne Eltern. Halb verhungert und verletzt … Die Kleine ist arm dran. Du bist Arzt, du bringst sie wieder auf die Beine. Das andere erledige ich!«

»Dann viel Glück«, sagte Chill Wills ernst. »Wo willst du suchen?«

»Sie ist ein paar Meilen gelaufen. Ich werde mich in einem Umkreis von ein paar Meilen umsehen.«

Schon verließ er das Haus. Seine Schritte dröhnten schwer und hohl über den Gehsteig. Er trat ins Office ein und sah Old Arrow schnarchend am Boden liegen. In kalter Ruhe verstaute er Munition in der Tasche der langen alten Lederjacke, dann stand er wieder auf den Planken. Grimmig verzog er das raue Gesicht, achtete kaum auf die Einwohner, stieß sich vom Vordachpfosten ab und näherte sich mit wuchtigen Schritten einem Hinterhof. In der Einfahrt verharrte er sekundenlang und atmete tief ein …

Die Blätter der Bäume rauschten im heißen Wind. Zwischen zwei Bäumen war eine Hängematte aufgespannt. Darauf lag ein schwarzhaariger junger Mann. Unter der Hängematte lag eine leere Flasche Whisky. Durchdringend langes Schnarchen tönte herüber.

»Mein Deputy«, knurrte Lonnigan grimmig, »Lucky Whisky Perkins … Der Teufel soll ihn holen!«

Er ging hin und trat seinem Deputy durch die Hängematte hindurch in den Hintern, und das war bestimmt nicht sanft. Wie von einer Klapperschlange gebissen fuhr Perkins hoch, verlor den Halt und stürzte aus der Hängematte. Noch halb benommen, lag er vor Lonnigan am Boden, schüttelte den Kopf und fasste sich an die Stirn.

»Ah, geht es mir schlecht …«

»Los, hoch mit dir, wir reiten aus der Stadt! Nimm deine Knarre mit!«

Deputy Perkins richtete sich auf, stolperte über die Flasche und fluchte, lief zum Pferdestall und steckte den Kopf in das Wasser der Tränke. Prustend kam er hoch.

»Was ist denn los?«

»Das wirst du noch hören! Hol deinen Gaul!«

»Mann, bist du heute sauer.« Perkins winkte beruhigend zum Marshal hinüber. »Ich geh ja schon …«

*

»Das also ist es …«

Düster brannte es in Lonnigans Augen. Kaltes Flirren kam auf. Im Gesicht zuckte es. Er sah den Tod auf der Ebene.

»Mein Gott!«, flüsterte Perkins. »Alle sind tot …«

Sie ritten näher und verhielten bei den Wagen. Erschossen lagen Pferde zwischen den Wagen. Steif saß Lonnigan ab und ging um die Toten herum. Alles, was auf den Wagen gelegen hatte, war wild verstreut worden. Er erblickte das Kleid eines kleinen Mädchens, Schuhe, zerbrochene Fässer, aufgerissene Kisten und zerschlitzte Bohnensäcke. Das Regenwasser war vom Boden aufgesogen worden, die Planen waren getrocknet. Schon lag ein feiner Staubteppich auf den Toten. Patronenhülsen schimmerten in der Abendsonne. Von Kugeln durchschlagen, flatterten die Planen im Wind.

Mit finster brütendem Gesicht stand Lonnigan inmitten des Wagencamps. Es gab keine Spuren mehr.

»Sie wurden in der Nacht überfallen, Lucky. Sie wurden völlig überrascht. Nur einer von ihnen hat noch schießen können, er hat noch den Colt in der Hand.«

Lucky Perkins war etwas grau im Gesicht. Er schluckte würgend und starrte auf die Ebene hinaus.

»Banditen … Eine Bande von Mördern und Plünderern. Es gibt zu viele in diesem Land. Was sollen wir tun, John?«

»Wir begraben sie, das ist alles, was wir tun können.«

Sie suchten auf den Wagen nach einer Schaufel. Der Deputy begann zu graben. Lonnigan lehnte am Pferd und starrte in die schweigende Runde. Tiefe Falten hatten sich in seinem Gesicht eingegraben. Er dachte an das kleine Mädchen, das diesem Massaker hatte entkommen können, und er presste die Hand um die Spencer und schloss hart den trockenen Mund.

Perkins grub und schwitzte. Er hielt nicht inne, arbeitete wie besessen.

Die Sonne sank langsam jenseits von Ebene und Hügelkette. Blutroter Schein floss über das weite Land.

»John?«

Die heisere Stimme seines Deputys riss Lonnigan aus den Gedanken.

»Ich bin so weit.«

John nickte, und dann hoben sie die Toten an und legten sie in die offenen Gräber. Als sie die blonde Frau anhoben, bemerkten sie die zerrissene Halskette am Boden. Erst als die Toten ihre ewige Ruhe gefunden hatten, griff Lonnigan zur Kette und betrachtete sie.

»Hier hat irgendetwas drangehangen«, murmelte er, »vielleicht ein Goldstück oder ein Medaillon. Die Halunken haben sie in der Dunkelheit nicht wiedergefunden.«

»Diese Schweinehunde!«, flüsterte Lucky Perkins erschüttert. »Beinahe hätten sie auch noch das Mädchen umgebracht! Was sind das für Menschen, John!«

»Menschen«, antwortete John Lonnigan bitter, »keine Tiere. Tiere tun das nicht. Yeah, es sind Menschen, Lucky – bösartig und skrupellos. Wenn ich sie nur vor den Lauf bekäme! Aber wir kennen keinen einzigen. Vielleicht kann uns das Mädchen weiterhelfen, aber ich glaube nicht daran. Es war dunkel, als es geschah …«

Er sah zum Himmel, wo schwarze Vögel erschienen waren. Erst jetzt hatten die Totenvögel die Kadaver der Pferde entdeckt.

»Aaskrähen«, sagte er dumpf. Schwer lehnte er sich an sein Pferd und hörte das Krächzen der Vögel über sich.

Perkins ging suchend umher, doch er fand nichts, was sie auf die Spur der Mörder bringen könnte. Achselzuckend und hoffnungslos kam er zurück.

Noch umgab sie die Hitze des Tages, wehte es trocken über das Land und rieben die Wagenplanen aneinander. Eine Wolkenbank zog sich längs des Horizonts. Die messingfarbenen Hitzeschleier lösten sich in der heranziehenden Dämmerung auf. Die Erde auf den Gräbern trocknete …

*

Das Unheil kam zur Cabot-Ranch.

Halb verwilderte Rinder standen im fast zerfallenen Stangenkorral, und Staubwirbel tanzten über den Boden hinweg.

Dumpf und leise schlugen die Hufe der Pferde durch das Tal, tauchten Reiter wie graue Schatten in der Dämmerung auf.