Westwärts zieht der Tod - U.H. Wilken - E-Book

Westwärts zieht der Tod E-Book

U. H. Wilken

0,0

Beschreibung

Der Autor steht für einen unverwechselbaren Schreibstil. Er versteht es besonders plastisch spannende Revolverduelle zu schildern und den ewigen Kampf zwischen einem gesetzestreuen Sheriff und einem Outlaw zu gestalten. Er scheut sich nicht detailliert zu berichten, wenn das Blut fließt und die Fehde um Recht und Gesetz eskaliert. Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Tod und Verderben kam zur kleinen Ranch. Trommelnder Hufschlag hallte durch die Nacht und erstickte im Unterholz am Fluß, wo Jay Hawk horchend auf dem Pferd verhielt. Die Hufe dröhnten weit abseits vorbei und wirbelten eine Staubfahne hoch. »Sie sind wieder da«, flüsterte der große Mann. Er zog die Volcanic aus dem Scabbard, lud durch und starrte entschlossen und verbissen über die silbern funkelnde Wasserfläche hinweg. »Du mußt was tun, sonst…« Schon trieb er das Pferd ins Wasser hinein und peitschte es vorwärts. Doch Jay Hawk sollte zu spät kommen. Er konnte das Reiterrudel nicht mehr einholen. Sie kamen wie ein bösartiger Sturm über die kleine Ranch, umzingelten Haus und Stall und schossen durch die Fenster ins Haus hinein. Drinnen flackerte das Licht im Luftzug der Kugeln. Klirrend zerbarst der gläserne Zylinder der Lampe. Flammen züngelten über den Tisch und zuckten im Luftzug gegen die alten zerschlissenen Gardinen. Ein junger Bursche rannte durch den flackernden Lichtschein und versuchte, das Feuer zu ersticken, er riß die Gardinen herunter und trampelte darauf herum. Draußen jagten die Reiter in Uniform vorbei. Wieder kam ein Kugelhagel herein, prasselte gegen die Wände und durchlöcherte Töpfe und Pfannen. Zu spät hatte sich der junge Bursche vom Fenster wegbewegt. Mit starren, geweiteten Augen stierte er hinaus auf den mondhellen Hof und knickte jäh ein, kippte gegen den Tisch und stieß ihn um. Leblos fiel er zu Boden. Seine Augen waren starr zur Decke gerichtet. »Kommt raus!« brüllte jemand drau­ßen auf dem Hof. »Rauskommen, oder wir machen euch fertig! Hier spricht Major Donahue von der US Army!

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 160

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Die grossen Western – 216–

Westwärts zieht der Tod

U. H. Wilken

Tod und Verderben kam zur kleinen Ranch. Trommelnder Hufschlag hallte durch die Nacht und erstickte im Unterholz am Fluß, wo Jay Hawk horchend auf dem Pferd verhielt. Die Hufe dröhnten weit abseits vorbei und wirbelten eine Staubfahne hoch.

»Sie sind wieder da«, flüsterte der große Mann. Er zog die Volcanic aus dem Scabbard, lud durch und starrte entschlossen und verbissen über die silbern funkelnde Wasserfläche hinweg. »Du mußt was tun, sonst…«

Schon trieb er das Pferd ins Wasser hinein und peitschte es vorwärts.

Doch Jay Hawk sollte zu spät kommen. Er konnte das Reiterrudel nicht mehr einholen.

Sie kamen wie ein bösartiger Sturm über die kleine Ranch, umzingelten Haus und Stall und schossen durch die Fenster ins Haus hinein.

Drinnen flackerte das Licht im Luftzug der Kugeln. Klirrend zerbarst der gläserne Zylinder der Lampe. Flammen züngelten über den Tisch und zuckten im Luftzug gegen die alten zerschlissenen Gardinen.

Ein junger Bursche rannte durch den flackernden Lichtschein und versuchte, das Feuer zu ersticken, er riß die Gardinen herunter und trampelte darauf herum.

Draußen jagten die Reiter in Uniform vorbei. Wieder kam ein Kugelhagel herein, prasselte gegen die Wände und durchlöcherte Töpfe und Pfannen.

Zu spät hatte sich der junge Bursche vom Fenster wegbewegt. Mit starren, geweiteten Augen stierte er hinaus auf den mondhellen Hof und knickte jäh ein, kippte gegen den Tisch und stieß ihn um. Leblos fiel er zu Boden. Seine Augen waren starr zur Decke gerichtet.

»Kommt raus!« brüllte jemand drau­ßen auf dem Hof. »Rauskommen, oder wir machen euch fertig! Hier spricht Major Donahue von der US Army! Jeder Widerstand ist sinnlos.«

Es gab keinen Widerstand. Die Flammen loderten am Fenster hoch und fraßen sich ins Holz hinein. Rauch wehte hervor und wirbelte im Wind über den Hof. Viele Hufe stampften umher und übertönten das Knarren von Sattelleder.

Der junge Boy hörte nicht mehr den Befehl und das Poltern harter Armeestiefel, den Krach der aufspringenden Tür und die blindlings ins Dunkel abgefeuerten Schüsse. Er sah auch nicht mehr die Männer, die hereinkamen und blitzschnell durch alle Räume rannten.

»Der Alte ist nicht mehr hier«, tönte eine heiser rasselnde Stimme durchs Haus. »Major, der Kerl ist weg!«

»Er wird in die Stadt geritten sein. Alles auf die Pferde!«

Schritte dröhnten durchs Haus, Türen klappten – dann stampften draußen die Pferde, liefen am Haus vorbei und trugen die Reiter davon.

Es war totenstill.

In diese Stille ritt Jay Hawk hinein. Der Staub wehte ihm entgegen und ließ die Augen tränen. Er riß am Zügel, als er den Rand des sandigen Hofes erreicht hatte, sprang ab und kam mit der Volcanic heran.

»Jerry!« Die Stimme verklang ohne Echo. Keine Antwort kam aus dem Haus. Je näher er der Tür kam, um so langsamer wurden seine Schritte – und dann stapfte er über die Schwelle hinweg und in den Qualm hinein. »Jerry! Junge, wo bist du?«

Das Feuer wütete am Fenster und leckte im Raum umher. Flackernder Flammenschein fiel auf den leblosen Jungen.

»Mein Junge!« Hawk fiel auf die Knie, spürte die Hitze der Flammen und strich mit zitternder Hand über das Totengesicht. »Sie haben dich umgebracht, weil du ein Texaner bist. Großer Gott, diese Yankees haben gemordet…!«

Wie von einem eisigen Wind gelähmt erhob er sich halb, nahm den Jungen auf die Arme und trug ihn aus dem brennenden Haus, legte ihn weit abseits auf den kühlen Boden der Heimat und blickte über das weite Land.

»Major Donahue…« Seine Stimme war wie ein Hauch von kalten, schneebedeckten Bergen.

Donahue, ich werde das nicht vergessen. Du wirst mich sehen, Donahue, und mich hören. Ich werde zu dir kommen, Donahue…

Sein Blick kehrte zurück zum brennenden Haus, das ihm gehörte und das er in langen mühsamen Jahren erbaut hatte. Es war eine kleine, mehr jämmerliche Ranch mit ein paar Rindern, aber er hatte die wilden ungebrannten Rinder zusammentreiben wollen. Die herrenlosen Rinder standen zwischen den Hügeln, und er war zurückgekommen, um Jerry zu holen.

Jetzt lag Jerry tot vor ihm, gnadenlos erschossen von einer Meute Yankees, die in diesen Wochen im Süden wüteten und die letzten Texaner in die Knie zwangen. Sie griffen selbst zu dieser kleinen Ranch und wollten ihn, Jay Hawk, enteignen und vertreiben.

Es gab für ihn nur den Weg in den fernen Westen. Doch noch mußte er einmal in den Sattel steigen und in jene Stadt reiten, in der über allen Häusern die Yankee-Flagge wehte.

Feuerschein fiel zuckend auf Jerrys Gesicht. Der große hagere Mann mit den steingrauen Augen und dem strähnigen sandfarbenen Haar stand neben dem Jungen und krampfte die Hand um seine Volcanic Rifle.

Das Haus brannte lichterloh und erhellte Stall, Corral und Weide.

Mit langsamen Schritten ging Jay Hawk zum Stall und holte eine Schaufel. Er hob ein Grab neben Jerry aus und legte ihn sanft hinein. Immer wieder verharrte er und blickte in die Grube. Funkten tanzten herüber und versengten sein Haar, erloschen auf seiner derben Kleidung.

»Mein Junge…«

Hawk ahnte in dieser Nacht noch nicht, daß er am Anfang eines langen Weges stand, daß ihn das Schicksal durch den Westen treiben würde.

Als er Erde auf den Jungen häufte, war ihm nach Schreien oder Weinen, nach Fluchen oder Beten zumute – doch kein Wort kam über die Lippen. Er formte mit der Schaufel einen kleinen Grabhügel und ließ die Schaufel dann fallen. Blechern schlug sie auf den zerstampften Boden. Das leise Geräusch leitete eine Jagd von grenzenloser Härte ein. Jay Hawk stand einen Atemzug lang völlig still. Der lederne Kinnriemen schwang schwach hin und her, vom Nachtwind bewegt. In den grauen Augen war es leer und leblos. In diesem Mann war viel gestorben.

»Adios, Junge…«

Brüchig klingende Worte des Abschieds für immer – und dann müde Schritte zum Pferd, vom Feuer rot erhellt, vom Rauch umgeben.

Das Vieh stand auf der Weide und brüllte ihn an.

Er stieg aufs Pferd und schob die Volcanic zurück. Ausdruckslos blickte er ins wütende Feuer hinein und spürte die Hitze im Gesicht.

Der Wind fauchte.

»Donahue…«

Major der US-Truppen im besetzten und besiegten Süden. Der Mann, der Jerry hatte töten lassen. Hawk ritt an, am brennenden Haus vorbei und der Spur des Reiterrudels nach.

Weiße Wolken zogen am Sternenhimmel entlang, und die Bäume am Fluß rauschten geheimnisvoll und düster. Der Pecos River floß unbesiegt in seinem ewigen Bett entlang.

Der Mann sprach in den Wind. Er mußte reden, weil er nun allein war. Er sagte sich, daß es Wahnsinn wäre, in die besetzte Stadt zu reiten, aber er wendete auch nicht das Pferd, sondern ritt geradewegs auf die Stadt zu, deren ferne Lichter ihn zu rufen schienen.

Hoch über ihm zog schnell ein Stern fallend hernieder und erlosch im weiten Raum.

Lange war er allein, hörte den Hufschlag seines Pferdes und das dumpfe Schnauben, den Wind und das trockene Rascheln der Strauchgruppen an seinem Weg. Dann erblickte er die Lichter, die wie winzige kleine Punkte im Dunkel der Nacht glühten.

Das war die Stadt. Und dort würde er Major Donahue treffen.

Er folgte den buschumsäumten Pfa­den durchs herrenlose Rinderland und erreichte die leeren und öden Corrals vor der Stadt. Wie ein einsamer Wolf witterte er in den Wind, roch Herdrauch und Lagerfeuerqualm, hörte viele Stimmen, die zu einem wirren Gemurmel zusammenschlugen, Wagen quietschend über die Straße rollen und Reiter im klirrenden Trab die kleine Zeltstadt abseits passieren. Er sah die Flaggen im Wind träge schwappen, das ferne Aufblitzen von Säbeln an Reitern und die Scharen von herumlungernden arbeitslosen Cowboys und Farbigen. Die Stadt war angefüllt von Menschen mit und ohne Waffen, mit Yankees, Besiegten und Hungernden.

»Geh, Pferd…«

Er ritt neben den Stangencorrals entlang und verhielt hinter einem der Häuser, richtete sich in den Steigbügeln auf und spähte durch die dunkle Hofeinfahrt zur hellen Straße hinüber. Dort ritt die Pecos-River-Patrouille vorüber und verließ die Stadt. Angetrunkene Schwarze lallten am auslaufenden Gehsteig und umtanzten einander.

Wie ein Puma streifte Hawk um die Stadt und beobachtete das Treiben auf der Straße. Durch die Fenster fielen Lichtbahnen, und er erkannte die Yankees in den Saloons. Dorthin durfte kein Einheimischer, kein Texaner.

Plötzlich zog er am Zügel und starrte zum großen Hotel hinüber, wo die Flagge über dem Eingang hing und Posten patrouillierten. Sie machten träge kehrt, begegneten einander und wiederholten die Wendungen in abstumpfender Monotonie.

Hinter den Stallungen saß Hawk ab, ließ den Zügel fallen und nahm die Volcanic mit. Viele Umwege führten ihn an die Rückseite des Hotels. Dunkel lagen die Ställe da, und ein Anbau lehnte am Haus. Daneben stand ein Armeewagen.

Hawk stieg hinauf und von dort auf den Anbau. Tiefgeduckt schlich er zum Fenster und zog es leise auf, schob sich in den dunklen Raum und horchte.

»Jawohl, Sir, weitersuchen!«

Eine rauhe Stimme tönte durch die Wände, und Hacken schlugen aneinander. Ein Säbel klirrte hell, Schritte entfernten sich – dann schlug die Außentür.

Mit wenigen Schritten war Hawk an der Tür und öffnete sie. Vor ihm lag der Gang mit den Türen zu den Hotelzimmern. Er hörte Stufen knarren und schwere Schritte, das Scheppern des Säbels und das Husten eines Mannes. Dann sah er den riesengroßen Schatten des Mannes über die Wand des Ganges huschen und Sekunden später einen Offizier mit den Rangabzeichen eines Majors. Er wußte, wie Major Donahue aussah. Er hatte dieses strenge Gesicht schon ein paarmal in der Stadt gesehen.

Donahue kehrte ihm den Rücken, folgte dem Gang und trat in ein Zimmer ein. Licht fiel heraus, die Tür krachte zu.

Entschlossen verließ Hawk den Raum und schlich den Gang hinauf. Kurz vor der abwärts führenden Treppe verharrte er und spähte hinunter. Unten in der Halle standen ebenfalls zwei Posten mit geschultertem Gewehr, blickten hinaus zur Straße und wechselten ein paar Worte. Er glitt an der Treppe vorbei und verharrte wenig später vor der Tür, hinter der Donahue verschwunden war.

Sein Blick verlor sich – er sah wieder den Jungen vor sich im brennenden Haus liegen, blaß und leblos. Er sah wieder die Grube und wieder das Gesicht des Jungen…

*

Ein Luftzug wehte durchs Zimmer, bewegte die Gardine und ließ das Licht flackern.

»Was, zum Teufel, soll die Störung?«

Wütend drehte Donahue sich um und blickte zur Tür. Er holte schon Atem, um den vermeintlichen Soldaten hinauszujagen, als er Jay Hawk erkannte und wie von einem Peitschenhieb getroffen zusammenzuckte. Seine Uniformjacke war weit geöffnet, der Army Colt steckte noch in der Halfter. Unwillkürlich fuhr er mit der Hand zur Waffe, stockte aber mitten in der Bewegung, als er die Volcanic auf sich gerichtet sah.

»Noch ist es zu früh, Major Dona­hue«, sagte Hawk frostig. »Ich muß Ih­nen eine kleine Geschichte erzäh­len.«

»Sie sind verrückt – wahnsinnig!« flüsterte Donahue. »Ich brauche meine Leute nur zu rufen, und Sie kommen nicht mehr lebend aus diesem Haus heraus!«

»Diesmal wird es anders sein.« Hawk starrte ihn düster an. »Ich bin nicht der junge Bursche, den Sie umbringen ließen, Donahue. Er wäre verbrannt, wenn ich nicht rechtzeitig gekommen wäre. Ja, ich weiß, daß Ihre Leute mich überall suchen, nur nicht hier.«

Donahue wurde blaß, das Gesicht schien abzusterben. Doch noch war diese elende Vermessenheit in seinen Augen zu erkennen, diese Sucht nach militärischem Ruhm, nach Unterdrückung und Macht. Noch war Donahue nicht gebrochen.

»Sie werden sterben, Hawk!« sagte er krächzend. »Sie sollten die Abgaben längst liefern, aber Sie haben es nicht getan. Jedesmal, wenn meine Leute kamen, haben Sie sich mit dem jungen Kerl versteckt. In dieser Nacht war der Bursche im Haus. Jetzt sind Sie hier. Ich weiß, was Sie hergetrieben hat. Sie schaffen es nicht!«

»Abwarten, Major.«

Jay verengte die Augen und atmete flach. Von draußen kamen verworrene Geräusche herein, das Fenster war weit geöffnet, Insekten tanzten um die Lam­pe. Draußen war die texanische Nacht, die Jay sonst immer so geliebt hatte.

»Es war Krieg, Major«, sprach er klanglos, »und alles brannte, war zerstört und vernichtet. Es gab Leute, die sich in der eingeschlossenen Stadt von Ratten ernährten, um nicht jämmerlich vor die Hunde zu gehen. Ich bin auch drin gewesen. Es war Nacht, so wie heute, als ich einen heruntergekommenen Burschen fand, der weinend in einem Granatloch lag und einen alten Mann umarmte, der längst tot war. Ich nahm den Jungen mit, und wir schlugen uns durch. Das ist schon Jahre her, Major. Der Junge hieß Jerry, und heute habe ich ihn begraben…«

Ein eisiger Hauch wehte durch den Raum und ließ Donahue erstarren.

Im Haus klappte eine Tür, und Schritte entfernten sich. Der Rauch der Lagerfeuer drang durchs Fenster herein. Donahue ächzte und bewegte die Hände, als müßte er nach einem festen Halt suchen. Hawk stand reglos und wie aus Stein. Nichts von Haß war in seinem Gesicht zu erkennen.

»Der Junge war mir wie ein Sohn, Major Donahue. Wir saßen gemeinsam am Tisch, aßen und sprachen von der Zukunft. Wir redeten auch über den Krieg und die texanische Niederlage, und wenn wir über das Land ritten, sahen wir die verbrannten Häuser in der Ferne. Oft hat er mir nachts von seinen Sorgen und Problemen erzählt. Yeah, Major Donahue, Jerry war wie ein Sohn…«

Jay Hawk hatte mit leiser Stimme gesprochen, die seltsam verloren und traurig klang. Nun straffte er sich, und alles Graue und Bittere fiel von ihm ab.

»Ich wollte Ihnen das sagen, Donahue. Jerry war ein junger Bursche, viel zu jung zum Sterben, viel zu anständig und tapfer. Sie haben ihn erschießen lassen.«

Donahue bewegte den Unterkiefer und kaute nervös auf der Lippe. Graue Flecken waren in seinem Gesicht und verrieten das Wechseln seiner Gefühle. Vielleicht bereute er sogar in diesen Sekunden, aber Hawk glaubte nicht daran.

»Was wollen Sie tun, Hawk?« flüsterte Donahue mit halb erstickter Stimme. »Sie können mich nicht einfach wie einen Hund abknallen! Das bringen Sie nicht fertig. Und beim ersten Schuß werden meine Leute das Hotel umstellen. Da kommen Sie nicht hindurch. Sie werden in die Kugeln meiner Männer laufen.«

»Ich will Sie nicht erschießen, Donahue«, erwiderte Hawk kalt. »Ich wollte es, aber jetzt nicht mehr. Sie ziehen sich jetzt bis auf die Unterhose aus und verlassen das Hotel, gehen auf die Straße und bleiben dort stehen. Ich werde Sie genau beobachten, Major.«

Donahue wurde noch blasser und unruhiger. Er begriff, daß Hawk ihn auf diese Art fertigmachen wollte. Ein Armee-Major in Unterhosen auf der nächtlichen Straße – das würde ihn unmöglich machen. Die Leute würden lachen, die Texaner in Hohngeschrei ausbrechen. Am Ende bliebe ihm nur der Griff zum Army Colt, und er müßte sich selber eine Kugel in den Kopf jagen.

»Das tue ich nicht, Hawk«, keuchte er, »alles, nur das nicht! Schießen Sie doch, wenn Sie mich fertigmachen wollen! Drücken Sie endlich ab!«

»Nein, Donahue – das wäre zu schnell.« Hawk blickte ihn kalt und durchdringend an. »Wenn Sie es nicht tun, dann werfe ich Sie vorn aus dem Fenster.«

»Sie sind ein hundsgemeiner Schuft!« fauchte Donahue haßerfüllt. »Irgendwann werden meine Männer Sie erwischen und umlegen, vielleicht auch aufhängen!«

»Schon möglich«, erwiderte Jay eisig. »Fangen Sie an, Major!«

»Ich kann es nicht! Meine Ehre…«

»In Ihrer Ehre haben Sie auch einen jungen Mann umbringen lassen und nicht davor zurückgeschreckt, eine ganze Meute auf ihn zu hetzen. Nein, Donahue, es gibt keine Chance für Sie.«

Die Hände des Majors zitterten wie im Fieber. Er atmete schnell und blickte zum Fenster, als überlegte er, ob er sich hinausstürzen sollte.

In diesem Moment polterten Schritte näher, stapften die Treppe empor und kamen zur Tür. Schon klopfte es.

»Sir?«

In Donahues Gesicht zuckte es verräterisch. Er glaubte, daß seine Chance gekommen wäre. Mit flackernden Augen stierte er zu Hawk hinüber.

»Fragen Sie, was er will!« zischte Hawk und bewegte das Gewehr.

»Was wollen Sie?« ächzte Donahue.

»Sir, wir finden den Halunken nicht in der Stadt! Sollen wir weitersuchen?« Wieder blickte Donahue zu Hawk hin und wartete auf Antwort.

Hawk nickte knapp. »Ja, suchen Sie weiter, Sergeant!« rief Donahue heiser. »überall, haben Sie verstanden?«

»Ja, Sir!«

Die Schritte entfernten sich laut und schwer. Donahue erschlaffte und sank gegen den Tisch. Der gläserne Zylinder klirrte leise.

»Überall, wie?« dehnte Hawk grimmig. »Auch hier im Hotel, das haben Sie doch damit gemeint, Donahue.«

»Ja!« schrie Donahue wütend auf. »Ja, auch hier!«

»Schreien Sie nur, Major – das rettet Sie nicht.« Hawk wich von der Tür weg und bewegte sich durch den Raum. Er ging um den Tisch herum und wollte zum Fenster, um einen Blick hinauszuwerfen – da knallte die Tür auf, der Sergeant stand mit gezogenem Colt auf dem Gang, das Licht flackerte und Major Donahue griff zur Waffe, warf sich herum und schoß auf Hawk, verfehlte ihn nur knapp und wollte wieder abdrücken, als die Volcanic aufbrüllte. Die Kugel stieß ihn zurück und zur Tür hin. Der Sergeant versuchte, auf Hawk zu schießen, im Nu war der Major dazwischen. Dann fiel Donahue zu Boden und die Volcanic war auf den Sergeant gerichtet.

»Weg mit dem Colt!« sagte Jay scharf und drohend.

Der Sergeant ließ die Waffe fallen und starrte auf den Major. Langsam hob er dann den Blick und stierte Hawk an.

»Sie haben ihn erschossen!«

»Richtig«, knurrte Hawk grimmig. »Sonst würde ich jetzt dort liegen.«

»Das wird Sie umbringen!« verkündete der Sergeant mit rauher Stimme. »Die Armee wird Sie hetzen bis an Ihr Lebensende! Niemand entkommt uns!«

Draußen vor dem Hotel riefen Soldaten. Für Hawk war jede Sekunde lebenswichtig. Er rannte auf den Gang, packte den Sergeant und stieß ihn zur Treppe, gab ihm einen Stoß und kehrte um, rannte ins Zimmer zurück und schlug die Tür hinter sich zu, eilte zum Fenster und blickte auf den Hof. Ohne zu zögern kletterte er hinaus und ließ sich einfach fallen. Der Aufprall war gewaltig und gab Jay das Gefühl, als wären die Beine in den Körper gerammt worden. Ächzend kippte er weg, hielt die Volcanic eisern fest und humpelte über den Hof, lief schneller und rannte schließlich zu seinem Pferd.

Hinter ihm ertönten die wilden heiseren Rufe der Soldaten und hartes Hufgetrappel. Im Nu war die Hölle los, kamen von allen Seiten die Verfolger, suchten nach Hawk und begannen schon blindlings zu schießen.

Auf kürzestem Weg rannte Hawk zu seinem Pferd und warf sich hinauf, jagte los, an den Stauungen entlang. Kugeln umfauchten ihn und zerrten an seiner Kleidung, jaulten schräg über die Ställe hinweg und stießen auch den Staub vom Boden hoch. Wiehernd lief das Pferd durch den Kugelregen und entkam unverletzt. Doch schon waren die Yankees hinter Hawk her. Er sah sie als dunkles zusammengeballtes Rudel, das sich schnell auseinander zog. Helle Flammen zerrissen das Dunkel der Nacht und stießen ihm nach…

Von diesem Moment an war Jay der meistgehaßte und meistgesuchte Südstaatler in Texas. Von nun an mußte er immer damit rechnen, Verfolger auf der Spur zu haben. Überall würde die Armee nach ihm suchen. In den vielen weitverstreuten Forts selbst im fernen Westen würde schon bald seine Personenbeschreibung bekannt sein. Jay dachte aber jetzt nicht daran und suchte nach einem Weg im Dunkel. Der Himmel war zu hell, als daß er sich irgendwo verkriechen und die Verfolger vorbeireiten lassen könnte. Sie folgten ihm wie sein eigener Schatten und feuerten pausenlos hinter ihm her. Der Gluthauch der Kugeln war selbst im Reitwind zu spüren. Vor ihm erhob sich eine sanfte Bodenwelle, doch sie konnte ihm zum Verhängnis werden. In wenigen Sekunden würde er aus dem Gestrüpp auftauchen und deutlich oben zu erkennen sein. Sie könnten ihn und sein Pferd treffen, doch er hatte keine andere Wahl – er mußte hinüber!