Tal des Lichts - Rita de Monte - E-Book

Tal des Lichts E-Book

Rita de Monte

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Beschreibung

Kevin - genannt der Schöne - lebte und wirkte im 5. und 6. Jahrhundert. Es gibt kaum Aufzeichnungen über ihn. Fakt ist jedoch, dass er als jüngster Sohn des Königs von Leister/Irland geboren und ins Kloster gegeben wurde. Nach einer Zeit der Mißhandlungen im Kloster, verliebt sich Kevin in den jungen Liam. Zusammen mit einigen Anhängern brechen sie gemeinsam auf und gründen das Kloster Glendalough in den Wicklow Mountains im Tal der zwei Seen. Die Liebe zu Liam wird auf die Probe gestellt, als dieser die schöne Roisin kennenlernt. Rund um Kevin und das Kosterleben ist ein spannender, fiktiver Roman entstanden.

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INHALT

VORWORT

Die Prophezeihung

Die kleine Aeryn

Kevin der Schöne

Kloster Kilnamanagh

Ora et labora

Eogans Liebe

Die Priesterweihe

Der Aufbruch

Liam

Die schöne Roisin

Loch Na Péiste

Rom

Audienz beim Papst

Keeva und Liam

Hochzeitsfeier

Baby Aislinn

Das Unglück

Junge Liebe

Brautvater

Die kleine Amsel Beag

VORWORT

Über Kevin von Glendalough ist nicht sehr viel überliefert worden. Angeblich wurde er bereits im 5. Jahrhundert geboren und soll einhundertzwanzig Jahre alt geworden sein. Dies ist aber nirgends belegt und auch eher unwahrscheinlich.

Fakt ist, dass seiner Mutter Coemalla vor seiner Geburt von einem Engel prophezeit wurde, dass er einmal ein großer Anführer werden würde. Später gründete er das Kloster Glendalough, welches sich zu einem spirituellen Zentrum entwickelte und zeitweise bis zu dreitausend Besucher anzog.

Auch überliefert ist, dass Kevin später in einer Höhle lebte und oft auf einem speziellen Stein saß den man „Kevins Chair“ nannte. Auch soll er ein großer Tierfreund gewesen sein und ganz besonders liebte er Amseln.

Sein Todesdatum ist allerdings bekannt, nämlich der 03. Juni 618 in Glendalough.

Ich habe mir erlaubt, die Geschichte dieses mystischen Ortes und seines Gründers als Vorlage für einen fiktiven Roman zu verwenden. Die Personen bzw. ihre handlungsweise ist rein fiktiv. Mein Bestreben war es einen spannenden Roman über diesen ganz besonderen Ort zu schreiben.

Bei meinem Besuch im Jahr 2018 habe ich mich hoffnungslos in die grüne Insel verliebt und als ich an diesem mystischen Ort im Tal der zwei Seen stand, lief mir eine Gänsehaut über den Rücken.

Wenn Sie einmal nach Irland kommen sollten, besuchen sie das Kloster Glendalough, in den Wicklow Mountains. Ich bin gespannt, was Sie dabei fühlen.

Nun wünsche ich Ihnen viel Spaß beim Lesen

Ihre Rita de Monte

www.ritademonte.de

www.devon-rex-vom-nebelsee.de

DIE PROPHEZEIHUNG

Die Herrin des Hauses stand am offenen Fenster der großen imposanten Burg und schaute auf die hügelige Landschaft der Provinz Leinster hinaus. Sanfte Hügel wechselten sich mit saftigen, grünen Wiesen ab. Man hatte das Vieh bereits auf die Weiden getrieben und die Schafe hatten schon die ersten Lämmer bekommen die fröhlich auf den Weiden herumsprangen. Auch große Eiche im Vorhof hatte begonnen die ersten Blätter zu treiben. Im Rosengarten trieben die ersten Knospen aus und bald würde alles wieder in den verschiedensten Farben blühen. Spatzen, Rotkehlchen und Amseln zwitscherten und flogen aufgeregt hin und her. Sie sammelten bereits kleine Ästchen und Blätter. Manche zupften sogar den Schafen die Wolle direkt aus ihrem dichten Fell, um ihre Nestchen ganz weich damit auszupolstern. Die Natur war im Begriff zu erwachen und sich fortzupflanzen. Auch Coemalla trug ein neues Leben unter ihrem Herzen.

Heute trug sie ein einfaches blaues Gewand aus feinem Leinen. Es hatte Schnürungen an der Seite und passte farblich genau zu ihren saphirblauen Augen. Die strohblonden Haare hatte ihr die Zofe kunstvoll aufgesteckt, doch wenn sie die beinernen Kämme herauszog, die in der aufwändig gearbeiteten Frisur steckten, gingen sie ihr bis zur Taille.

Die Burgherrin war die einzige Tochter ihres Vaters und stammte aus der nördlichen Provinz Dubh Linn zu der auch die Provinzen Waterford, Cork und Limerick gehörten die ihr Vater Hochkönig Ulster in einem blutigen Kampf eroberte hatte. Somit war sie eine gute Partie für den Hochkönig der Provinz Leinster der sich mit dieser Verbindung auch eine angrenzende Provinz und ein recht dicht besiedeltes und wohlhabendes Gebiet angeeignet hatte. Nach einer prunkvollen Hochzeit an König Ulsters Hof war sie mit ihrem Ehemann Erin nach Belgard Castle oberhalb des kleines Dorfes Tallaght übergesiedelt. Tallaght lag nur einen halben Tagesritt von Dubh Linn entfernt und immer, wenn Coemalla Heimweh nach ihren Eltern bekam, verband sie eine Reise an den Hof von König Ulster auch mit einem Marktbesuch in Dubh Linn. Natürlich war dies nicht ohne die Begleitung von berittenen Soldaten möglich. Doch ihr Mann liebte sie sehr und erfüllte ihr jeden Wunsch. Manchmal begleitete er sie auch.

Inzwischen zählte Coemalla dreiundzwanzig Lenze und hatte ihrem Mann bereits den fünf-jährigen Sohn Callan und die dreijährige Tochter Aeryn geboren. Alle beiden Kinder hatten überlebt, denn die Geburten waren leicht gewesen und sie hatte großartige Hilfe gehabt. Im Moment jedoch fühlte sie sich dick und unförmig. Sie konnte sich kaum mehr allein ausziehen. Durch die Geburten hatte ihre Figur schon etwas gelitten und sie war mollig geworden. Ihr Mann Erin beteuerte allerdings, dass er ihre Rundungen sehr mochte, und sie wollte ihm einfach glauben. Jede Nacht schlüpfte er in ihr Bett und liebte sie leidenschaftlich. Er konnte nicht genug bekommen von seiner Angetrauten und trotz der arrangierten Ehe hatte sich zwischen ihnen eine tiefe, gegenseitige Liebe entwickelt.

Hochkönig Erin war schon vor seiner Hochzeit mit seiner Frau Coemalla sehr reich gewesen. Sein riesiger Grundbesitz reichte weit in die Wicklow Mountains hinein. Die kargen Berge des Wicklow Mountains bewirtschaftete er mit Schafen, die den Bewuchs niedrig hielten und sich zahlreich vermehrten. Darüber hinaus gehörte ihm viel grünes, saftiges Weideland, auf dem viele Rinder grasten, die ihnen Fleisch und Milch schenkten. Seinen Bauern war er sehr zugetan, denn er wusste, dass er ihrem Wirken letztendlich seinen Reichtum zu verdanken hatte. Letztes Jahr hatte er jeder Bauersfamilie ein eigenes weibliches Rind geschenkt und die Milch dieses Tieres durften sie für ihre eigenen Familien behalten. Deshalb schätzten sie ihren Hochkönig sehr. Auch seine Clans waren ihm treu ergeben. Momentan schien ein goldenes Zeitalter angebrochen zu sein, denn es herrschte Frieden in den Provinzen Irlands. Hie und da gab es ein paar kleinere Streitigkeiten um Land und Vieh, doch die wurden in der Regel gütlich mittels Richterspruchs beigelegt.

Auch wenn zurzeit Frieden herrschte, mussten die Waffenfertigkeiten täglich geübt werden, denn man konnte nie wissen, wie lange solch eine friedliche Zeit andauerte. König Erin war diesbezüglich sehr streng und sein kleiner Sohn Callan musste bereits daran teilnehmen. Der fünfjährige Callan – mit wilden schwarzen Locken gesegnet und einem temperamentvollen Gemüt - übte fleissig mit dem Holzschwert den Ausfallschritt. Sein alter Lehrer Connan verbesserte immer wieder seine Haltung, schalt oder lobte ihn. Connan war zwar schlachtenerprobt, doch auch er genoss die Zeit des Friedens und hatte in der Burg eine sinnvolle Anstellung gefunden. Es machte ihm große Freude den kleinen Callan zu trainieren. Jeden Morgen nach dem Frühstück kam der kleine Bursche mit seinem Übungsschwert angerannt und machte eifrig beim Training mit. „Dein Schwert wird ja schon wieder zu klein für Dich Callan,“ lachte er. Als er bemerkte, dass Hochkönig Erin auf ihn zu ging blickte er diesem aufmerksam entgegen, denn er hielt die kleine dreijährige Aeryn an der Hand.

„Gott zum Gruß Eure Majestät. Wen bringt ihr mir denn da mit?“ fragte Connan. Erin schmunzelte. Er wusste, dass seine Kinder bei Connan gut aufgehoben waren, denn er hatte ein ganz besonderes einfühlsames Händchen für Kinder. „Meine Tochter Aeryn wollte heute unbedingt zuschauen. Ich denke es wird Zeit, dass ich ihr einen eigenen kleinen Bogen und einige Pfeile anfertigen lasse. Was denkst Du Connan?“ Der alte Haudegen nickte. „Ja das wäre sicher eine gute Idee. Ich werde sie sehr gerne unterrichten und es wäre mir wirklich eine große Ehre, wenn ihr mir Eure Tochter anvertrauen würdet. Ich werde eine richtige, kleine Amazone aus ihr machen.“

„Eigentlich könntet ihr den Bogen für Aeryn gleich selbst in Auftrag geben. Ihr als Waffenmeister wisst am besten Bescheid wie er aussehen muss. Hier habt ihr zwei Goldstücke. Das müsste reichen.“

Connan nahm das Gold und verbeugte sich vor seinem König. „Ich werde sofort nach dem Unterricht nach Dubh Linn reiten. Ich kenne dort einen Mann, der wundervolle Bögen schnitzt. Danke für Euer Vertrauen, Herr.“ Dann wendete er sich wieder seinem Schützling Callan zu und die Beiden übten weiter. Aeryn schaute verzückt dem Unterricht zu.

Etwa zwei Stunden später als der Unterricht beendet war, ließ Connan vom Stallmeister ein Pferd satteln. Er wollte den Auftrag seines Herrn gleich erledigen. Also saß er auf und ließ sein Pferd in einen flotten Galopp fallen.

DIE KLEINE AERYN

Aeryn – deren Name Tochter Irlands bedeutete, hatte die saphirblauen Augen und die Stupsnase ihrer Mutter geerbt. Ihr Haar war jedoch nicht strohblond, sondern hatte einen Stich ins rötliche und ihre helle Haut war von Sommersprossen übersät. Für ihre drei Jahre war sie sehr aufgeweckt und neugierig. Sie freute sich sehr über das neue Baby, das im Bauch ihrer Mutter heranwuchs. Sie hoffte, dass sie eine Schwester bekommen würde. Ihr Bruder Callan dachte immer nur ans Reiten und Kämpfen und war manchmal gar nicht nett zu ihr. Außerdem mochte er nicht immer mit ihr spielen und verstand ihre Spiele auch oft gar nicht.

„Mama, wann bekommst Du denn endlich Dein Baby?“ fragte sie deshalb ihre Mutter Coemalla fast jeden Tag. „Bald mein Liebes. Du musst nur noch ein paar Mal schlafen. Aber Morgen hast Du ja Geburtstag und ich bin sicher, dass Du den erst einmal gebührend feiern möchtest. Ich habe Dir ein hübsches Kleid nähen lassen. Willst Du es sehen und gleich anprobieren?“

Entzückt rief die Kleine: „Oh ja Mama.“ Coemalla schickte ihre Zofe nach dem Kleidchen, welches sie bei ihrer hauseigenen Näherin in Auftrag gegeben hatte. Diese kam kurze Zeit später mit einem wunderschönen blauen Kleid über dem Arm zur Tür herein. Zu dem kleinen Mädchen gewandt sagte sie: „Aeryn schau, Du musst es noch anprobieren. Falls es nicht passt, muss es noch geändert werden.“ Die Kleine ließ sich bereitwillig das alte Kleid ausziehen und das Neue über den Kopf streifen. Es saß perfekt. „Wie wunderhübsch Du aussiehst mein Schatz“ meinte ihre Mutter. „Dazu noch eine hübsche Schleife ins Haar und Du wirst aussehen wie ein kleiner rotblonder Engel.“ Aeryn lachte und freute sich und Mama Coemalla freute sich mit ihr.

Nachts konnte das kleine Mädchen kaum schlafen. Sie war voller Vorfreude, denn sie würde am morgigen Tag endlich vier Jahre alt werden und war schon sehr gespannt auf ihre Geschenke.

Als ihr Kindermädchen an ihre Tür klopfte, konnte sie es kaum erwarten, bis sie fertig gewaschen und angezogen war. Endlich hatte die Zofe auch die passende blaue Schleife in ihrem Haar festgesteckt. Dann endlich holte sie ihre Mama ab und sie gingen gemeinsam hinunter in den Speisesaal.

Papa Erin und ihr Bruder Callan warteten bereits mit dem Frühstück. Heute gab es nicht nur den üblichen Haferbrei mit Obst, sondern es waren noch viele verschiedene Törtchen aufgetragen worden. Aeryn strahlte übers ganze Gesicht. „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag von uns allen liebes Kind“ sagte ihr Vater. Jetzt frühstücke bitte erst einmal. Du bekommst nachher Deine Geschenke.

Aeryn zappelte auf ihrem Stuhl herum und konnte vor Aufregung kaum etwas essen. Doch sie wusste, dass ihr Papa die Tafel nicht auflösen würde, wenn sie keinen Bissen zu sich nahm. Da war er sehr streng. Als ihre Familienmitglieder endlich satt und zufrieden waren und die Tafel endlich aufgelöst wurde rannte das Mädchen zu ihrem Vater. Dieser nahm sie an die Hand und ging mit ihr hinunter zu Connan. Der alte Haudegen wartete bereits mit einem kleinen, wunderschönen Bogen in der Hand auf sie. „Herzlichen Glückwunsch kleine Dame. Schau diesen Bogen habe ich Dir besorgt und im Köcher sind einige Pfeile dazu.“ Aeryn freute sich sehr. Ab sofort würde sie jeden Vormittag mit Connan und Callan üben dürfen.

Erin bedankte sich bei Connan, nahm seine Tochter wieder an die Hand und schlug den Weg zum Stallgebäude ein. „Wohin gehen wir denn Vater“ wollte sie von ihm wissen. „Warts ab. Ich habe noch eine Überraschung für Dich.“

Auf der Koppel vor dem Stall wartete bereits einer der Stallknechte. Er führte ein kleines schwarz-weiß geschecktes Pony am Zügel. Erin lächelte. „Das ist Deine kleine Stute Grineas. Sie gehört ab sofort Dir und mit ihr wirst Du reiten lernen. Wenn Du magst, darfst Du gleich die erste Reitstunde nehmen.“ Er öffnete das Gatter und setzte die begeistere Aeryn auf den Rücken des kleinen Pferdes. Langsam führte er sie über die Koppel. Seine Tochter juchzte vor Freude und ihm ging das Herz auf. Wie sehr Kinder sich doch noch freuen können, dachte er etwas wehmütig.

Nach einer Weile hatte sie genug und rannte über den Innenhof zu Callan. „Ätsch Callan, ich bin jetzt vier und hab ein Pony.“ Sie streckte ihrem Bruder die Zunge heraus und machte schleunigst, dass sie wegkam.

Als abends alle wieder am Tisch versammelt waren und das Abendessen einnahmen bemerkte Erin, dass sich Coemalla immer wieder den Rücken stützte. Sie schien sich nicht richtig wohlzufühlen. Er war schon gespannt auf das neue Familienmitglied und freute sich schon sehr darauf. Sicher war es bald so weit. Natürlich hoffte er auf einen weiteren Sohn.

An diesem Abend gingen er und seine Frau bald zu Bett. Noch immer teilte er das Bett gerne mit ihr. Sie war immer noch eine sehr leidenschaftliche Frau und er liebte sie sehr. Doch zu seinem Bedauern wollte sie seit ein paar Tagen lieber alleine schlafen und ihre Ruhe haben.

Während Töchterchen Aeyrin bereits selig schlummerte nach ihrem großen Tag konnte ihre Mutter Coemalla nicht sofort einschlafen. Sie wusste kaum noch, wie sie sich hinlegen sollte. Irgendwann war sie dann wohl doch eingeschlafen und erwachte durch ein grelles Licht, das sie blendete. Eine Lichtgestalt stand in ihrem Zimmer. Coemalla rieb sich die Augen, aber die weiß-goldene Engelsgestalt verschwand nicht. „Wer bist Du und was willst Du von mir?“ fragte sie.

Der Engel sprach: „Dein Kind wird ein Junge sein und große Taten vollbringen. Als Anführer geboren wird er vielen Menschen den richtigen Weg weisen. Er wird einmal „multorum millium animarum duces – vieler tausend Seelen Führer“ genannt werden. Sorgt für eine geistliche Ausbildung.“ Dann verschwand das Lichtwesen und Coemalla war sich nicht mehr sicher, ob es nur ein Traum gewesen war. Doch sie konnte nicht mehr einschlafen und da sie wach war, konnte es kein Traum gewesen sein.

Immer noch verwirrt berichtete sie am nächsten Morgen ihrem Mann Erin davon. Dieser schaute etwas ungläubig, beschloss aber die Aussagen seiner Frau nicht anzuzweifeln. Sie kam ihm völlig normal vor, wie immer.

Einige Tage später, Coemalla spazierte gerade durch den wunderschön angelegten Rosengarten, spürte sie wieder ein leichtes Ziehen im Rücken. Dieser Schmerz war ihr bereits wohlbekannt und so ging sie zurück zur Burg und rief nach einer Magd. Wie der Wind eilte eines der jungen Mädchen heran und fragte nach Myladies Wünschen. „Holt schnell die Hebamme und lasst genügend Wasser aufsetzen. Ich denke das Baby kommt bald. Ich werde mich in meine Gemächer zurückziehen.“ Hastig ging die junge Magd auf die Suche. Währenddessen schleppte sich Coemalla die gewundene steinerne Treppe nach oben in ihre Räumlichkeiten und legte sich auf ihr weiches Bett.

Nach einigen Minuten klopfte die Heilerin, die auch als Hebamme fungierte, an ihre Tür. Die werdende Mutter verkündete, dass die Wehen bereits in regelmäßigen Abständen kommen würden. Geschäftig eilte die Hebamme an ihr Lager und begann den Leib der jungen Frau abzutasten und mit einem Hörrohr nach den Herztönen zu lauschen. Sie redete beruhigend auf Coemalla ein. Das Baby lag richtig und die Herztöne waren kräftig. Auch dieses Mal würde es wohl keine Komplikationen geben. Danach ging die Frau hinunter, um frische Tücher und das vorbereitete heiße Wasser zu holen.

Als sie zurückkam hatten bei Coemalla bereits die Presswehen eingesetzt und es ging nicht mehr lange bis die Hebamme der Burgherrin ihren Sohn in die Arme legen konnte. Dann ging sie erneut hinunter und suchte den Hausherrn Erin. Dieser hielt sich in der Bibliothek auf und schaute überrascht, als die Hebamme ihm von dem kleinen Neuankömmling berichtete. „Mutter und Kind sind wohlauf Herr. Geht nur nach oben. Eure Frau erwartete Euch bereits.“ Strahlend vor Glück rannte Erin die Treppe nach oben und stürmte ins Zimmer seiner Frau.

„Mein Liebling, Du hast es geschafft. Und, ist es ein Junge wie der Engel prophezeit hat?“ fragte er. „Ja Erin, ein wunderschöner Junge. Schau mal, er lächelt schon.“ Zärtlich streichelte sie ihrem Sohn über das hellbeflaumte Köpfchen. „Es sieht so aus, als ob er auch rote Haare bekommt. Ein waschechter Ire,“ grinste Erin. Er küsste Frau und Sohn und ging wieder nach unten und zur Küche. Dort befahl er der Köchin heute Abend besonders gut und viel aufzutischen, auch genügend Met und Wein sollte sie bereitstellen. Er wollte heute ein richtig lautes Saufgelage veranstalten, denn die Geburt eines Sohnes musste gebührend gefeiert werden.

Coemalla konnte bald wieder aufstehen und spazierte mit ihrem Sohn durch den Rosengarten. Sie wusste, dass dem Kleinen die Sonne guttun würde und setzte sich mit ihm auf ihre Lieblingsbank. Sie schloss die Augen, genoss die Sonnenstrahlen und den Duft der Rosen, die laue Luft und das fröhliche Gezwitscher der Vögel.

Beim Frühstück hatten Erin und sie über einen Namen gesprochen und sich für Kevin entschieden. Kevin – im Gälischen Caoimhìn – bedeutete der Schöne oder der Anmutige. Und ihr Junge war jetzt schon eine kleine Schönheit.

Das Christentum hatte seit etwa einhundertfünfzig Jahren die alten keltischen Religionen abgelöst und es hatten sich unzählige kleine irische Klöster gebildet. Der Burgherr und seine Frau waren ebenfalls dem christlichen Glauben verbunden. Deshalb sandte Erin bald nach Kevins Geburt einen berittenen Boten zum nächsten Kloster und bat einen der Priester sich auf den Weg zur Burg zu machen. Dort sollte Kevin in der hauseigenen Kapelle getauft werden.

Nach einigen Tagen ritt ein älterer, sehr asketisch wirkender Priester mit schütterem Haar auf einem kleinen hellgrauen Esel auf den Innenhof der Burg und bat darum, dass dem Hausherrn seine Ankunft mitgeteilt werde. Erin ging sofort hinunter und führte den Gast höchstpersönlich in den Speisesaal, wo er ihn zunächst bewirten ließ. Gut gestärkt führte eine Magd den Geistlichen in ein für ihn bereits hergerichtetes Zimmer. Sie hatten vereinbart, dass die Taufe am darauffolgenden Sonntag stattfinden sollte.

Als am Sonntag die Sonne schon fast im Zenith stand, gingen Coemalla – die dem Anlass entsprechend, ein seidenes, hellviolettes Kleid trug - und ihr Mann Erin – der ausnahmsweise keine Lederbekleidung, sondern grüne Leinenhosen und ein braunes mit Goldfäden besticktes Wams trug - mit dem kleinen Bündel im Arm zur Kapelle. Callan und Aeryn waren ebenfalls dabei und wie kleine Kopien ihrer Eltern festlich gekleidet. Der kleine Kevin hatte ein mit wunderschöner handgemachter Spitze besetztes Taufkleidchen an. Dieses Kleidchen hatten bereits alle anderen seiner Geschwister vor ihm getragen. Doch dem Baby war das natürlich egal. Gemeinsam schritten sie zum Taufbecken und der Priester begann mit der Zeremonie. Dreimal schüttete er dem kleinen Jungen etwas geweihtes Wasser über die Stirn. Kevin machte keinen Mucks. Nein, er lächelte sogar.

KEVIN DER SCHÖNE

Der kleine Kevin machte seinem Namen alle Ehre. Je älter er wurde, desto klarer wurden seine Gesichtszüge. Er hatte rote, wellige Haare und wunderschöne, tiefgründig blickende, smaragdgrüne Augen. Seine Wangenknochen waren hoch und seine geschwungenen, fast schon sinnlichen Lippen gaben ihm ein etwas feminines und feingezeichnetes, zartes Aussehen. Jedes Mädchen wäre neidisch gewesen, so hübsch war er.

Er schien ein kleiner Träumer zu sein. Oft spielte er im Rosengarten an einem der kleinen Wasserbecken, oder fütterte seine kleinen Freunde die Spatzen und Amseln. Sie hatten keine Angst vor ihm, denn er stibitzte immer etwas Brot aus der Küche und brachte es ihnen mit. Tief versunken war er in sein Spiel und bemerkte oft gar nicht wenn sein Bruder Callan oder seine Schwester Aeryn direkt hinter ihm standen. Das kleine Mädchen war ziemlich enttäuscht gewesen als sie noch einen Bruder als Geschwisterchen bekommen hatte und interessierte sich nicht wirklich für ihren kleinen Bruder.

Auch Kevin konnte mit den Beiden nicht viel anfangen. Sie waren laut und rannten ständig durch den Innenhof. Außerdem neckten und stritten sie sich oft. Kevin mochte die Stille und war kein Raufbold. Jede Art von Gewalt war ihm zuwider. Er mochte es auch nicht, wenn Tiere getötet wurden, denn er sah in ihnen seine Freunde und empfand ein tiefes Mitgefühl und Verständnis für sie. Einmal saß eine kleine Amsel an einem der Wasserbecken und wollte trinken. Kevin hatte ein paar Brotkrümel dazu gelegt und das Vögelchen saß ganz still da und pickte. Sein Bruder Callan – der inzwischen neun Jahre alt war und schon sehr geübt im Umgang mit der Steinschleuder - hatte den kleinen Vogel auch gesehen. Er stand etwas weiter weg und Kevin konnte ihn nicht sehen. Erst als der Stein die kleine Amsel traf und ins Wasserbecken katapultierte wurde Kevin bewusst, dass sein Bruder auf das Tier geschossen hatte. Schnell lief er zum Wasserbecken und fischte die Amsel heraus. Der Vogel bewegte sich nicht mehr. Behutsam nahm Kevin das Vögelchen in seine kleinen dreijährigen Hände und fing an zu singen. Wie durch ein Wunder erhob es sich und flatterte davon. Callan fing an zu schreien und rannte davon. Von diesem Moment an war ihm sein kleinerer Bruder unheimlich.

Es gab noch einige solcher Begebenheiten. Auch Aeryn wurde Zeuge von solch einem kleinen Wunder. Es betraf allerdings eine junge Ziege. Sie gehörte zu einer Ziegenherde, die in einem Gehege nahe dem Pferdestall gehalten wurde. Normalerweise bekamen sie nur Gras, Heu und Wasser zu fressen. Doch aus Versehen hatte ein Knecht die untere Stange des Gatters wohl nicht richtig eingehängt. Die Ziege fand das schnell heraus, drückte mit dem Kopf gegen das Gatter und marschierte hinaus.

Im Pferdestall fand sie einen Korb, der mit Hafer gefüllt war. Sie fraß so viel sie konnte und ihr Magen überblähte sich. Normalerweise ein Todesurteil für eine Ziege, denn so etwas endet in der Regel mit einem qualvollen Tod.

Kevin, inzwischen fast sechs Jahre alt, erkannte gleich, dass es der Ziege nicht gut ging. Er holte einen Strick und band das Tier fest. Dann legte er seine Hände auf dessen Bauch und presste diese minutenlang darauf. Wie durch Geisterhand entwichen die Gase aus dem Körper des Tieres und bald hüpfte es wieder übermütig auf der Koppel umher. Jedes Mal, wenn der Junge das Tier besuchen ging rieb es dankbar sein Köpfchen an ihm. Wie immer fand vormittags das Waffentraining statt. Burgherr Erin bestand darauf, dass seine Kinder an den verschiedensten Waffen trainiert wurden. Callan konnte bereits recht gut mit dem Schwert umgehen. Er trainierte schon lange nicht mehr mit dem Holzschwert, sondern hatte zu seinem elften Geburtstag ein richtig scharfes Schwert bekommen, sowie einen Kurzdolch. Seine Schwester Aeryn übte sich mit Pfeil und Boden. Das Schwert mochte sie nicht. Aber dafür konnte sie auch gut mit dem Dolch umgehen und traf jedes Ziel. Nur Kevin war ein hoffnungsloser Fall. Da es ihm zuwider war irgendjemandem weh zu tun hatte er keinerlei Interesse an Waffen. Lediglich im Ausdauertraining und beim Reiten war er nicht zu schlagen. Er konnte rennen und reiten wie der Teufel, doch er war nicht zu bewegen eine Waffe in die Hand zu nehmen.

Der Vater nahm seine älteren Kinder inzwischen auch recht oft mit auf die Jagd. Aeryn hatte inzwischen schon ihren ersten Hasen erlegt und legte ihn stolz über den Sattel ihres Reitponies. Das war der Vorteil von Pfeil und Bogen, dass man aus der Ferne etwas erlegen konnte. Stolz lobte Erin seine Tochter.

Kevin blieb lieber in der Nähe des Burganwesens oder ritt mit seinem schwarzen Pony an den kleinen Bach, der in der Nähe der Burg durch eine kleine Ansammlung von Bäumen floss. Dort gab es eine kleine Lichtung mit vielen kleinen wilden Blümchen. Er fand es schön einfach nur ins fließende Wasser zu starren und seinen Geist freizumachen. Auch dort tummelten sich oft die wilden Tiere in seiner Nähe. Sie kamen sogar an den Bach, um zu trinken und hatten keine Angst vor dem Jungen.

Manchmal legte er sich auch einfach nur auf die Wiese und ließ sich die Sonne auf den Bauch scheinen oder er starrte in den Himmel. Ob Gott wirklich dort oben wohnte? Er konnte es sich nicht vorstellen und doch musste irgendetwas die Menschen, Tiere, Bäume, Gräser, Berge und das Wasser erschaffen haben. Schon als Kind machte er sich viele Gedanken über Gott und seine Schöpfung.

Auf dem Heimweg pflückte er oft ein paar der Kräuter und Blumen, die er überall fand und brachte sie seiner Mutter mit. Diese freute sich immer sehr darüber. Manchmal dachte sie sich, dass Kevin vom Wesen her eigentlich eher einem Mädchen ähnelte und machte sich Sorgen um ihn. Eines Tages nahm Erin seine Kinder mit nach Dubh Linn. Dort war jeden Tag Markt und er wollte einige seiner Rinder verkaufen. Callan sollte einmal seine Geschäfte übernehmen und dazu gehörte auch der Viehhandel. Er musste alles von der Pike auf lernen und auch Aeryn zeigte sich im Verhandeln bereits sehr geschickt. Kevin sollte dieses Mal jedoch auch mitkommen, denn er wuchs schnell und brauchte ein größeres Pferd. Erins Soldaten bildeten die Nachhut und trieben eine kleine Herde von Rindern vor sich her.

Als sie in Dubh Linn ankamen war es bereits später Vormittag. Noch immer ritten Händler mit ihren Tieren durch die Straßen und es ging recht laut und derb zu. Einer der Händler schlug sein Pferd, weil es nicht so recht gehorchen wollte. Als Kevin dies sah ritt er auf den Händler zu und sagte zu ihm: „Werter Herr, wollt ihr, dass man Euch das Gleiche antut wie ihr Eurem Pferd? Wenn nicht, dann haltet ein. Seid ihr zu Eurem Tier freundlich, dann wird es auch freundlich zu Euch sein und Euch gehorchen.“ Der Händler schrie Kevin an. „Was bildest Du Rotzlöffel Dir ein mir so etwas zu sagen?“ Er wandte sich Erin zu. Auf dessen Stirn hatte sich bereits eine Zornesfalte gebildet und er sagte: „Seht ihr einfältiger Trottel nicht, dass ihr mit dem Sohn des Hochkönigs sprecht? Erweist ihm Euren Respekt und behandelt Euer Pferd ab sofort besser.“ Der Händler senkte beschämt den Blick, entschuldigte sich wortreich und ritt zu seiner Herde. Kevin lächelte. Er freute sich, dass sein Vater zu ihm gehalten hatte. Aber hier ging es letztendlich um Respekt.

Wenig später waren sie im Zentrum des Marktes angekommen. Es wuselte von Menschen, die zwischen den vielen aufgebauten Stände herum gingen. Kevin war noch nie mit dabei gewesen, wenn sein Vater seine Geschäfte erledigte und so bestaunte er die vielen Waren und Essenstände an denen es verlockend duftete und ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ.

Die Soldaten trieben die Rinder in eines der Gatter und Erin beauftragte seinen Sohn Callan die Tiere zu verkaufen und gute Preise auszuhandeln. Aeryn bat ihren Vater um etwas Geld, denn sie wollte ihrer Mutter ein Geschenk mitbringen. Dieser zögerte nicht lange und drückte seiner Tochter ein Goldstück in die Hand. Sie strahlte und machte sich auf den Weg zu den Seifenständen.