Blue Belle - Rita de Monte - E-Book

Blue Belle E-Book

Rita de Monte

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Beschreibung

Zu ihrem sechzehnten Geburtstag bekommt Ria von ihrer Mutter einen wunderschönen goldfarbenen, kunstvoll verschnörkelten Schlüssel geschenkt. Eine zarte Stimme erzählt ihr im Traum von einer blauen Tür die sie suchen soll. Das Mädchen geht auf die Suche und wird fündig. Hinter der Tür wartet Blue Belle - die Seelenwächterin, die aussieht wie eine Koboldkatze. Diese bittet sie, ihren verstorbenen Vater, der als graues Seelenwesen im Seelenlabyrinth herumirrt, zu retten. Das Abenteuer beginnt. Wird er ihr sagen können wer ihn damals überfahren hat? Der etwas andere Fantasyroman bei dem es um Seelenwesen, Abenteuer und neue Erkenntnisse geht und die Frage: Ist Gott doch ein Alien?

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Seitenzahl: 185

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Inhaltsverzeichnis

Rias Traum

Die Unterführung

Die blaue Tür

Blue Belle

Im Labyrinth

Türkis

Energie pur

Dracholine

Lollipop

Papaseele

Abschied

Neuigkeiten

Die Wahrheit

Cedric

Dein Freund und Helfer

Geheimnisse

Wochenende

Cedrics Geheimnis

Gefahr

Festessen

Wettschulden

Der Auftrag

Schattenseele

Dracholine und die Kühe

Blue Belle in Not

Zu Hause

Liebesgeflüster

Rias Traum

Es war bereits dunkel und schon sehr spät. Der zunehmende Mond stand hoch am Firmament und war nur eine kleine Sichel, die wenig Licht spendete. Doch die vielen strahlenden Sterne am Himmel spendeten genügend Licht. Ob einer davon für ihren Vater stand? Der Gedanke, dass es so sein könnte, war schön und spendete ihr etwas Trost. Er war vor einigen Monaten bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Deshalb konnte Ria nachts oft nicht einschlafen, weil sie so oft an ihn denken musste. Ob er sehr gelitten hatte? Dieser Gedanke verfolgte sie. Zu gerne würde sie noch einmal die Chance bekommen, ihn selbst zu fragen. Doch das war natürlich unmöglich und das war ihr auch sehr bewusst Doch immer, wenn sie die trüben Gedanken quälten und sie nicht schlafen konnte, stellte sie sich ans Fenster und schaut auf die Sterne und die Lichter der Stadt. Es war Wochenende und noch immer dementsprechend viel los. Die Leute wuselten nur so durch die Straßen auf der Suche nach Unterhaltung und Spaß. Die grölenden Stimmen einiger Betrunkener drangen zu ihr hinauf. Sie hasste betrunkene Menschen. Nie im Leben hätte sie ihren Seelenschmerz in Alkohol ertränken können, obwohl das bei vielen Jugendlichen der Trend war. Jedenfalls bei einigen die sie kannte.

Das Mädchen mit den ausdrucksstarken grünen Augen seufzte. Das Grübeln würde ihren Vater auch nicht wieder lebendig machen. Sie musste sich damit abfinden, dass er ihr nie mehr Gute Nacht sagen würde. Er war nicht mehr da und würde auch nie mehr da sein. Sein herzliches Lachen würde sie nie mehr mitreißen, er würde nie mehr etwas mit ihr unternehmen, oder ihr einen Kuss auf die Stirn geben. Und sie würde ihn auch nie mehr um Rat fragen können. Von einem Tag auf den anderen war er aus ihrem Leben gerissen worden. Schlimm war es auch zu sehen, wie ihre Mutter Rosalinde still litt und versuchte, ihr eigenes Leid vor ihrem Kind zu verbergen.

Doch heute war Ria sauer auf ihre Mutter, denn diese hatte sie gestern zu Hausarrest verdonnert, weil sie eine Mathe Klassenarbeit versaut hatte. Dieses abstrakte Rechnen lag ihr einfach nicht. Viel lieber mochte sie Sprachen aller Art und Kunst. Doch da Ria morgen sechzehn Jahre alt wurde, nahm sie die Androhung dieser Strafe nicht so ernst. Ihre Mutter würde es sich bis morgen sicher anders überlegt haben. Deshalb hatte Ria ihren besten Freund Amos auch nicht ausgeladen. Er würde sie sicher besuchen kommen. Ihre Mutter konnte seinen rehbraunen Augen eh nie widerstehen, auch wenn sie nie zugeben würde, dass der junge Mann ihr sehr gefiel.

Beruhigt ging das junge Mädchen ins Bett und kuschelte sich in ihre Decke. Kurz darauf war sie bereits in einen tiefen Schlaf gesunken.

Sie träumte, dass sie durch die Stadt ging. Zwischen der Süd- und der Nordstadt zog sich ein kleiner Fluss, wie eine silberne Schlange, träge mitten durch ihre Stadt. Er spaltete die Stadt regelrecht in ihre beiden Hälften. Ging man am südlichen Ufer entlang, kam man zu einer Unterführung, die kunstvoll mit allerlei Graffitis besprüht war. Das sah wirklich cool aus. Allerdings gefiel dies der Stadtverwaltung gar nicht. Regelmäßig lies sie die Kunstwerke der Jugendlichen wieder überstreichen.

In ihrem Traum ging sie die Treppen zur Unterführung hinunter. Eine blaue Tür zeigte sich ihr. Diese war eher eine Art Torbogen, oben abgerundet und mit vielen mystisch wirkenden, goldfarbenen Ornamenten verziert. Diese Tür war ihr noch nie zuvor aufgefallen. Was sich wohl dahinter verbergen mochte? Leider ließ sich die Tür nicht öffnen, egal wie sehr sie am Türgriff rüttelte.

Sie erwachte mit starkem Herzklopfen. Als sie sich orientiert hatte bemerkte sie, dass es bereits hell geworden war. Zeit aufzustehen, denn schließlich war heute ihr Geburtstag und sie freute sich schon sehr darauf Geschenke zu bekommen. Hoffentlich war ihre Mutter nicht mehr sauer auf sie.

Das Mädchen schwang ihre Beine aus dem Bett, streckte und reckte sich wie eine Katze und ging zu ihrem Schrank. Was sollte sie denn heute nur anziehen? Es wäre dem Anlass entsprechend zwar angemessen gewesen, ein hübsches Kleidchen anzuziehen, doch sie bevorzugte nun einmal Jeans in allen Variationen. Deshalb zog sie sich ihre neuen schwarze Jeans mit den goldfarbenen Ziernähten an. Dazu ein olivgrünes Shirt mit der Aufschrift Zicke, das hervorragend zu ihren olivgrünen Augen passte. Ihre blonde Löwenmähne bändigte sie mit einem passenden Haargummi. Nach einem Blick in den großen Spiegel, der in ihrem Zimmer hing, war sie zufrieden mit sich. So gestylt konnte sie sich durchaus sehen lassen. Sie war zwar nicht gertenschlank, sondern hatte hier und da kleine Pölsterchen und Rundungen, doch die waren am rechten Fleck. Fand sie jedenfalls. Sie hatte ein gesundes Selbstbewusstsein und mochte ihre Figur. Jetzt nur noch Zähne putzen und die Katzenwäsche hinter sich bringen. Frohen Mutes machte sie sich auf den Weg ins Bad. Zur Feier des Tages umrandete sie ihre Augen noch mit einem grünen Kajalstift. Danach schlich sie sich leise die Treppe hinunter und ging in die gemütlich eingerichtete Wohnküche.

Ihre Mutter Rosalinde war schon wach und werkelte eifrig vor sich hin. Rias Mama sah aus wie eine ältere Ausgabe ihrer Tochter und war mit der gleichen wilden goldblonden Lockenmähne gesegnet. Doch ihre Augen waren nicht olivgrün, denn die hatte Ria von ihrem Papa geerbt, sondern von einem sanften rehbraun. Wenn das Licht hineinschien, konnte man ein paar goldene Sprenkel und grüne Schattierungen darin entdecken. Rosalinde haderte allerdings mit ihrer untersetzten, molligen Figur. Doch Ria fand sie wunderschön und ihr Papa hatte ihre Mutter sehr geliebt. Das hatte sie daran gesehen, wie er seine Frau immer angesehen hatte. Voller Wärme und auch Leidenschaft. Das Feuer zwischen den Beiden war nie erloschen. Es musste sich furchtbar anfühlen, solch einen geliebten Menschen zu verlieren.

Gerade stellte Rosalinde Rias Lieblingstasse auf deren Platz am Küchentisch und wollte sich setzen. Als sie Ria bemerkte, erhob sie sich wieder und umarmte ihre Tochter liebevoll. „Alles Gute zum Geburtstag mein Schatz. Hast Du gut geschlafen?“

„Ausgezeichnet Mama, nur ein bisschen seltsam geträumt.“

Ria schielte auf den Tisch, wo tatsächlich ein Marmorkuchen mit sechzehn kleinen Kerzen auf dem Tisch thronte. Direkt daneben lag eine kleine blaue Schachtel.

„Oh Mama, ist das alles für mich,“ fragte sie.

„Aber natürlich, für wen denn sonst? Ich wüsste nicht, dass ich zwei Töchter habe. Oder siehst du hier sonst noch jemanden?“

Ria grinste über beide Backen. Sie blies alle Kerzen aus, setzte sich ihrer Mutter gegenüber und legte ihnen beiden jeweils ein Stück Kuchen auf den Teller. Dann schenkte sie ihrer Mutter Kaffee nach. Ihre eigene Tasse füllte sie zur Hälfte mit Milch auf. Kaffee war ihr zu stark. Sie verstand nicht, wie man schwarzen Kaffee trinken konnte. Bei ihr ging das nur mit viel Milch.

Sie biss in ihren Kuchen. „Hmm, wirklich lecker Mama. Ich sollte wohl viel öfters Geburtstag haben damit Du backst.“

„Du weißt doch, dass ich ungern backe. Deshalb kannst Du dir etwas drauf einbilden, denn das habe ich nur für Dich getan.“

Ria grinste. „Ich nehme es zur Kenntnis meine werte Dame. Darf ich nun mein Geschenk auspacken?“

Ihre Mutter nickte und schaute sie erwartungsvoll an. „Na mach schon auf.“ Ria ließ sich das nicht zweimal sagen, schüttelte das kleine Päckchen und riss dann ungeduldig das blaue Geschenkpapier auf.

Vorsichtig öffnete sie die kleine Samtschachtel. Darin lag ein goldener Schlüssel, der an einer feingliedrigen Goldkette hing. Er war etwa so groß wie ein Schließfachschlüssel und sehr filigran gearbeitet. Die mystischen Zeichen darauf waren ihr unbekannt, kamen ihr jedoch bekannt vor. Trotzdem sahen sie wunderschön aus. In ihrer Fantasie stellte sie sich vor, wie sie mit dem Schlüssel den Eintritt ins Feenreich öffnete und musste innerlich schmunzeln. Wenn man nur in einer Fantasiewelt leben könnte, das wäre sicher sehr viel einfacher, als sich der bitteren Realität zu stellen. Doch weg mit den trüben Gedanken, schließlich wurde sie heute sechzehn.

„Wow, der ist ja schön. Wo gehört der denn hin?“ Ria war fasziniert.

„Das mein liebes Kind musst Du selbst herausfinden. Bis dahin kannst Du ihn einfach als Kette tragen.“ Rosalinde stand auf und legte ihrer Tochter die Kette mit dem Schlüssel um den Hals. Ria umarmte ihre Mutter und bedankte sich bei ihr. Dann widmete sie sich ihrem Frühstück.

Ihre Mutter schien gut gelaunt zu sein, deshalb beschloss Ria sie zu fragen, ob sie das mit dem Hausarrest wirklich ernst gemeint hatte. Rosalinde schmunzelte. „Na ja, Du kennst mich. Eigentlich meine ich schon, was ich sage. Aber da du heute Geburtstag hast, will ich dir den Tag nicht versauen. Das wäre dann doch etwas übertrieben und ehrlich gesagt, habe ich Mathe auch nie begriffen. Dein Vater war sehr gut darin logisch zu denken. Aber wir sind wohl eher der intuitive Teil der Familie.“

Rosalindes Augen bewölkten sich, als sie an ihren, vor einigen Monaten, verstorbenen Mann dachte. Er war bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Urplötzlich aus dem Leben gerissen worden und der Fahrer konnte nie ermittelt werden. Das war furchtbar und sie war immer noch sehr traurig. Er fehlte ihr so sehr. Ihr Martin hatte ein umwerfendes Lachen gehabt und konnte jeden mitreißen. Nun würde sie ihn nie mehr so lachen hören. Rosalinde versuchte sich nichts anmerken zu lassen, denn das war heute Rias Tag und den wollte sie ihrer Tochter nicht mit ihrer Traurigkeit verderben.

„Was machst du denn heute Ria? Hast Du schon irgendetwas geplant?“

„Später wollte Amos vorbeikommen und mich abholen. Er hat wohl auch eine Überraschung für mich. Bis dahin geh ich noch ein bisschen in mein Zimmer, um zu lesen.“

Ria hatte die Schatten der Traurigkeit in den Augen ihrer Mutter sehr wohl bemerkt, wollte sich aber dadurch heute nicht herunterziehen lassen. Natürlich vermisste sie ihren Vater ebenfalls sehr. Er war ein toller Vater gewesen und hatte viel gemeinsam mit ihr unternommen. Doch sie würde ihn immer in guter Erinnerung behalten. Sie stand auf und ging in ihr Zimmer hinauf.

Dieser Raum war ein richtiges Mädchenzimmer. Sie hatte sogar ein Himmelbett und da sie Farben liebte, sich aber nicht entscheiden konnte, welche Farbe sie am meisten mochte, war alles in diesem Zimmer einfach nur bunt und wild zusammengewürfelt. Vermutlich konnte man aus diesem bunten Raum auch gut auf die Persönlichkeit Rias schließen. Sie war für alles offen, sah immer die gute Seite einer Sache und war mutig, entschlossen und hilfsbereit. Nur eines fiel ihr oft schwer, nämlich zu äußern, wenn sie sich nicht gut fühlte und ihre Ruhe wollte. Aber das würde sie sicher auch noch lernen.

Sie schnappte sich ihr Buch vom Nachttisch und begann sich darin zu vertiefen. Bücher hatten ihr schon immer sehr geholfen, wenn sie traurig war. Dann vertiefte sie sich in die Geschichten und grübelte nicht über ihre eigenen Belange nach. Sie fühlte sich dann oft wie in einer anderen Welt, in der sie wilde Abenteuer erlebte.

Die Unterführung

Endlich hörte Ria die Türklingel. Das konnte nur Amos sein. Amos war siebzehn, hatte dunkle, etwas längere lockige Haare und dunkelbraune, fast schwarze Augen. Er war groß und schlaksig und hatte ziemlich große Füße für sein Alter. Deshalb tat er sich auch immer schwer damit, richtig bequeme Schuhe zu finden die ihm gut passten.

Er war es tatsächlich, denn sie hörte seine Stimme im Hausflur, als ihre Mutter ihn überschwänglich begrüßte. Sie stand auf ihn.

„Geh nur rauf zu ihr Amos. Sie wartet sicher schon auf Dich.“

Amos nahm zwei Treppenstufen auf einmal und klopfte an Rias Zimmertür.

„Hey Ria,“ begrüßte er seine Freundin, als diese strahlend vor Glück ihre Tür öffnete. In der Hand hielt er einen kleinen, bunten Strauß Wiesenblumen und eine Schachtel Pralinen.

Das junge Mädchen nahm ihm die Geschenke ab und ging eine Blumenvase holen. „Ich komm gleich wieder.“

Kurz darauf kam sie wieder ins Zimmer und stellte den hübschen Strauß in die Vase und auf ihren Schreibtisch. Sie öffnete die Pralinenschachtel, nahm sich eine heraus und steckte sie in den Mund. „Magst Du auch eine?“

Amos schüttelte den Kopf. „Nein danke. Die sind ausschließlich für Dich.“ Er mochte Schokolade nicht, was Ria nie verstehen würde.

„Sag mal Amos. Du kennst doch auch diese Unterführung am linken Flussufer. Ich habe heute Nacht geträumt, dass da eine blaue Tür ist. Ich kann mich aber nicht daran erinnern, dort jemals eine solche Tür gesehen zu haben. Hast Du dort schon einmal eine Tür wahrgenommen?“

Amos schüttelte den Kopf. „Nein, das wäre mir sicher aufgefallen. Ich fahre da regelmäßig mit dem Fahrrad durch, wenn ich meine Oma besuche. Sag mal, was hast Du denn da für eine außergewöhnliche Kette um den Hals. Der Schlüssel sieht sehr außergewöhnlich aus. Diese Verschnörkelungen sehen aus, als ob sie zu einer anderen Welt gehören würden und dieser grüne Stein da in der Mitte scheint ein Peridot zu sein. Die Farbe passt ausgezeichnet zu deinen schönen Augen.“

Ria freute sich über das Kompliment.

„Den Schlüssel habe ich heute Morgen von meiner Mutter bekommen. Sie hat mir aber nicht verraten, wohin der gehört. Vielleicht ist er nur ein ungewöhnliches Schmuckstück und gehört gar nicht zu einem realen Schloss. Auf jeden Fall finde ich ihn großartig. Hast Du Dein Fahrrad dabei? Ich würde gerne mit dir zu dieser Unterführung fahren. Das mit der Tür lässt mir keine Ruhe.“

„Ja klar, komm gehen wir. Es ist richtig warm draußen. Lass uns den Tag zusammen genießen.“

Sie rannten die Treppe hinunter und schwangen sich auf ihre Räder.

Es war ein Sommertag wie er im Buche stand. Blauer Himmel mit vielen weißen Schäfchenwolken hing über ihnen, die Insekten summten und die Vögel zwitscherten.

Nach einer Viertelstunde waren sie bereits am Fluss angekommen, stiegen von ihren Rädern und setzten sich an das befestigte Ufer. Die Stadtverwaltung hatte kunterbunt bepflanzte Blumenbeete angelegt, Metallbänke aufgestellt und die Wege kostspielig gepflastert. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Bei diesem Wetter waren viele Menschen unterwegs. Manche hatten Decken mitgebracht und grillten sogar am Flussufer. Es roch verlockend und Ria bekam Hunger.

„Darf ich Dich zu einem Döner einladen Amos? Ich gebe heute einen aus. Schau da vorne können wir uns stärken.“

Amos, dem ebenfalls der Magen knurrte, er hatte eigentlich immer Hunger, nickte zustimmend. „Klar, komm.“

An der Dönerbude angekommen holte Ria ein Dürüm, ein Döner und zwei Getränke und brachte es zu Amos, der sich – in freudiger Erwartung - auf einer der schwarz lackierten Bänke niedergelassen hatte.

„Ich könnte das jeden Tag essen, oder Spaghetti, oder Pizza. Schade, dass es so gehaltvoll ist. Auf Dauer würde es meiner Figur nicht guttun. Ich würde aufgehen wie ein Fass.“

Amos nahm Ria in den Arm. Du gefällst mir wie Du bist, egal ob dick oder dünn.

Vor Rührung schossen Ria ein paar Tränchen in die Augen, die sie aber gleich wegdrückte. Das war doch süß von ihm, so etwas zu sagen. Da schmeckte der Döner gleich nochmal viel besser.

Nachdem die Beiden sich gestärkt hatten stiegen sie wieder auf ihre Drahtesel und fuhren weiter zur Unterführung. Doch dort unten war keine Tür zu finden. Schade. Da war wohl – wieder einmal - die Fantasie mit ihr durchgegangen.

„Komm, wir fahren wieder zurück. Wir könnten noch ein bisschen ans Flussufer sitzen und relaxen und dann sollte ich langsam nach Hause. Vielleicht tauchen noch andere Gäste auf.“

Am frühen Nachmittag machte sich Ria dann auf den Weg zu ihrer Mutter nach Hause, während Amos noch einen seiner Freunde treffen wollte.

Ria öffnete die Haustür und hörte schon von weitem Gelächter. Als sie in die Küche spazierte, saß dort ihre Tante Helene vor einem Teller mit Marmorkuchen und einer Tasse Kaffee. Als sie ihre Nichte sah, stand sie sofort auf und drückte Ria an ihren nicht vorhandenen Busen.

Helene war das genaue Gegenteil ihrer Mutter. Sie war groß und hager und hatte Ecken und Kanten. Keine einzige Stelle ihres Körpers war gepolstert. Trotz ihres herben Aussehens war sie eine Seele von Mensch und hatte das Herz am richtigen Fleck. Wenn Rosalinde mit Ria schimpfte und Helene war anwesend, dann nahm diese das Mädchen immer in Schutz. Vielleicht weil sie weder Mann noch Kinder hatte. Irgendwie war es ihr nie vergönnt gewesen.

„Wie geht es denn meinem kleinen Mädchen? Komm lass Dich anschauen. Du wirst immer hübscher. Hast Du denn schon einen festen Freund?“

„Sei nicht so neugierig Tante Helene.“ Ria grinste. „Ja, ich habe einen Freund und den mag ich sehr. Er heißt Amos und ist siebzehn und Mama mag ihn auch.“

Helene grübelte. „Amos ist schon ein etwas exotischer Name. Ich habe noch nie einen Mann mit diesem Namen kennengelernt. Wirklich außergewöhnlich.“

„Die Eltern von Amos sind jüdischer Abstammung und ziemlich gläubig. Soweit ich weiß, ist Amos altrömisch und bedeutet "der von Gott Getragene". Aber mein Freund ist ganz unkompliziert in diesen Dingen. Er glaubt zwar an Gott, aber er geht nicht jeden Sonntag in die Kirche. Er hat eher eine spirituelle Einstellung zu den Dingen.“

Was meinst Du mit spiritueller Einstellung?“

Ria zuckte die Schultern. „Er denkt, dass alles um uns herum einer höheren Macht unterliegt, aber dass diese höhere Macht nicht eine Person ist, die uns führt, so wie die Kirche es darstellt. Alles ist Energie und hat eine bestimmte Frequenz. Er glaubt auch an ein Leben nach dem Tod. Auch wenn man das nicht beweisen kann.“

Helene nickte. „Das ist schon ein spannendes Thema. Also ist Dein Amos eher ein kleiner Philosoph?“

Ria lachte. „Ja, so könnte man ihn nennen, auch wenn er viel besser aussieht und keinen langen Bart hat. Zum Glück.“ Nun musste auch ihre Mutter schallend lachen.

„Wie wäre es denn mit einem kleinen Prosecco zur Feier des Tages?“

Als die beiden anderen nickten, eilte sie zum Kühlschrank und holte eine gut gekühlte Flasche heraus, schnappte sich drei Gläser und schenkte ein.

„Auf mein kleines, großes Mädchen. Mögen sich alle Deine Wünsche und Träume erfüllen.“

Als die Flasche bald darauf leer war und Ria sich etwas angesäuselt fühlte, schlich sie hinauf in ihr Zimmer, zog sich aus und fiel ins Bett. Augenblicklich schlief sie ein und träumte von der blauen Tür.

Die blaue Tür

Wieder stand Ria in der Unterführung. Als sie nach rechts blickte und die Wand absuchte, erschien dort wieder diese blaue Tür mit den orientalisch anmutenden Ornamenten. Diese Verschnörkelungen sahen fast genauso aus, wie auf ihrem Schlüssel. Doch auch heute war die Tür verschlossen. Dann hörte sie plötzlich eine zarte Stimme in ihrem Kopf sagen: „Benutze doch deinen Schlüssel.“

Ria fragte die Stimme: „Wer bist Du denn?“

Die Stimme kicherte. „Ich bin Blue Belle. Die Seelenwächterin.“

„Was ist denn eine Seelenwächterin? Davon habe ich noch nie etwas gehört.“

„Dann komm Ria und besuche mich. Deine Mutter hat dir nicht umsonst den goldenen Schlüssel geschenkt.“

Dann war die Stimme plötzlich weg und Ria schlummerte wieder ein.

Als sie am nächsten Morgen erwachte war es schon fast zehn Uhr. Die Sonne stand schon hoch am Himmel. Ria schnappte sich ihre Jeans und ein frisches T-Shirt, zog sich an und machte sich auf den Weg ins Bad. Dann ging sie hinunter, wo ihre Mutter herumwerkelte und Spiegeleier zubereitete.

Rosalinde hielt in einem kleinen Gartenhaus drei Hühner. Am Wochenende hatte sie immer genügend Eier beisammen, um ihnen ein köstliches Frühstück zuzubereiten. Auch heute hatte sie auf einem Teller je eine Scheibe Brot angerichtet, ließ jeweils zwei mit Käse überbackene Spiegeleier darauf gleiten und schob ihrer Tochter einen Teller auf ihren Platz.

„Sieht lecker aus Mama.“

„Danke mein Schatz. Noch kann ich wenigstens dich ein bisschen verwöhnen. Was steht denn heute auf Deinem Programm?“

„Ich träume zurzeit jede Nacht von einer blauen Tür, die sich in der Unterführung am Südufer des Flusses befinden soll. Heute Nacht kam dann noch so eine komische Stimme dazu. Sie sagte, sie hieße Blue Belle und wäre eine Seelenwächterin und ich solle den Schlüssel, den du mir geschenkt hast benutzen, um die Tür aufzuschließen. Aber ehrlich gesagt, war ich mit Amos gestern dort und da war keine blaue Tür. Ich glaube, ich habe zu viel Fantasie. Das habe ich wohl von Papa geerbt.“

Rosalinde seufzte traurig. „Ja, Fantasie hatte Dein Vater jede Menge. Er fehlt mir so. Zum Glück habe ich Dich noch. In dir steckt ein Teil von ihm. Ich liebe dich sehr.“

Sie nahm Ria fest in den Arm, dann setzten sie sich an den Küchentisch.

Schweigend aßen sie ihre Spiegeleier und jede der beiden trauerte vor sich hin. Ria war froh, als es an der Tür klingelte und Amos vor ihr stand.

„Komm lass uns verschwinden Amos. Meine Mutter ist in einer melancholischen Stimmung und zieht mich sonst nur mit runter. Weißt Du, ich bin auch fruchtbar traurig, dass mein Vater gestorben ist, aber dadurch wird er auch nicht wieder lebendig und er hätte auch nicht gewollt, dass ich so durchhänge. Übrigens habe ich wieder von dieser blöden blauen Tür geträumt. Könnten wir nochmal hinfahren? Ich möchte etwas ausprobieren.“

Amos schaute etwas belämmert und wusste nicht, was er sagen sollte. Doch er nickte brav und stieg auf sein Fahrrad.

Nach kurzer Zeit standen die Beiden wieder in der Unterführung.

„In meinem Traum ist die Tür immer auf der rechten Seite. Schau mal, ist das nicht ein blauer Schimmer dort vorne?“

Neugierig ging sie weiter in die Unterführung hinein. Amos folgte ihr.

An einer Stelle war tatsächlich ein bläulicher Schein zu sehen. Doch es gab kein Schloss, das man aufschließen konnte. Trotzdem nahm Ria ihre Kette ab und nahm den goldenen, verschnörkelten Schlüssel in die Hand.

Plötzlich hörte sie in ihrem Kopf wieder die zarte, melodische Stimme Blue Belles.

„Visualisiere eine blaue Tür und ein Schloss und sprich dazu: „Seelenfarben zeigt euch mir.“

Bei sich dachte sie, jetzt werde ich doch tatsächlich verrückt. Doch sie wollte es wenigstens nicht unversucht lassen. Es konnte nicht mehr als schiefgehen.

Sie stellte sich vor die Wand, an der sich der blaue Schimmer zeigte. Dann schloss sie ihre Augen, blendete alles um sich herum aus und visualisierte die blaue Tür, die sie aus ihrem Traum kannte. Dazu sprach sie leise die Worte: „Seelenfarben zeigt euch mir.“