Tatar mit Veilchen - Jaromir Konecny - E-Book

Tatar mit Veilchen E-Book

Jaromir Konecny

4,8

Beschreibung

Alles beginnt mit unverdauten Zombies auf einer tschechischen Dorf-Toilette. Hier sitzt Pepa, der Verdauungsphilosoph, die intellektuelle Sonnenblume im Rammstein-T-Shirt. Er kommt aus einer Welt zwischen Fernet Branca, nackten tschechischen Brüsten und verklärter deutsch-tschechischer Vergangenheit. Dann scheitert "der Große Kanaldeckelraub", sein Ticket in ein Leben in Wohlstand und Liebe. Pepa muss die Flucht aus seinem wunderbar verantwortungslosen Leben ergreifen: Er fährt nach München, im Gepäck den SS-Ausweis seines Großvaters als neues Ticket in seine erträumte schöne neue Welt. Aber in München angekommen merkt er schnell, dass das nicht so einfach wird wie gedacht. Und ihm stellen sich die großen bohrenden Fragen der Gegenwart: Haben die blöden Deutschen genauso wenig aus der Vergangenheit gelernt wie seine blöden tschechischen Vorfahren? Wie soll er seine Traumfrau angemessen beeindrucken? Und wie viele Probleme kann ein Steak "Tatar" wirklich lösen?

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Verlag Voland & Quist, Dresden und Leipzig, 2011

© by Verlag Voland & Quist – Greinus und Wolter GbR

Lektorat: Stephan Ditschke, Hamburg

Umschlaggestaltung: Tim Jockel, Berlin

E-Book-Erstellung: Nicole Laka, Hamburg

ISBN: 978-3-86391-009-9

www.voland-quist.de

Zu lieben muss man verstehen.

Alexander Grin, Purpursegel

Veilchenfeste

Mit zehn, in der Nacht, als ich erfahren habe, dass meine Eltern nicht mehr nach Hause kommen würden, habe ich auch gelernt, das Glück festzuhalten. Mag sein, dass mein blödes Grinsen daher kommt. In dieser Nacht, nachdem mich Oma den ganzen Nachmittag in den Armen gehalten und geweint hatte, obwohl sie versucht hatte, nicht zu weinen, dachte ich an meinen Vater, an die Reitstunde, als ich etwa vier Jahre alt gewesen war: Ich hockte auf Papas Knien, er hob sie hoch und runter und sang eine gereimte tschechische Weise dazu: »So reiten die Herren, so reiten die Soldaten, sooo reiten die Bauern!« Die Herren ritten langsam, die Soldaten etwas schneller, die Bauern am schnellsten: Der kleine Bauer Pepík flog von seinen Knien und in seinen Händen hoch in die Luft und wieder zurück. Ich kreischte vor Lachen. Meine Mutter las mir vor dem Einschlafen die Märchen vom dummen Hans vor. Nahezu jede Nacht bin ich in das große Holzbett meiner Eltern geschlüpft, noch ein paar Tage vor ihrem Tod – ich lag zwischen ihnen wie der Prinz der Nacht, ließ mich durch das Trennbrett zwischen ihren zwei Matratzen nicht stören und hörte ihren schönen Atemzügen zu, bis ich wieder einschlief: Papas sägende Melodie rechts, Mamas leises Lied links. Weil ich das Glück, das aus der Erinnerung erwächst, durch das die Trauer zur Schöntrauer wird, schon damals mit zehn festzuhalten lernte, ist mir diese Erinnerung erhalten geblieben. Ein paar Wochen, bevor meine Eltern starben, war Fialka mit ihrer Familie in unser Städtchen gezogen. Wir spielten bei uns im Garten, ich quetschte mir den Finger an unserer Schaukel, Fialka pustete darauf und sagte laut: »Pusteblume!« War das schon der Sex?, fragte ich mich später. Auch diese Erinnerung blieb mir. So konnte ich auch an dem Tag, als meine Eltern starben, ein bisschen lächeln. Fialka hat sich nie darum geschert, dass ich ein Deutscher war. Bis sie mir ihren Namen wegnahm.

* * *

Von Janas Nippeln hingen Ringe wie von den Nüstern eines Ochsen. Ein schönes Wiesenbild, untermalt durch Omas Veilchenduft. »ICH BIN AUCH AN DEN LIPPEN GEPIERCT«, meldete die Schlagzeile auf der Titelseite der Blitz unter dem Oben-ohne-Foto der Studentin aus Prag. Doch an ihren Mundlippen hing nichts! Noch gestern hatte Jana das Aschenbrödel gespielt, dann bekam sie drei leere Nüsse und wurde für einen Tag zur halbnackten Prinzessin der Titelseite gekürt. Wenn ich hier in Omas Wiesenduft hockte, fand ich solche Bilder nahezu poetisch.

Im Kapitalismus kümmern sich die Zeitungen um die wichtigen Seiten des Lebens: Neben Jana mit den gespickten Brustwarzen regte sich eine englische Abgeordnete über einen Prager Taxifahrer auf, der die Innenwände seines Autos mit lauter nackten Damen tapeziert hatte. »Ein verachtendes Frauenbild!«, sagte die Alte.

»He?«, sagte der Taxifahrer. »Ich verachte die nackten Frauen nicht!«

Auch über die vielen nackten Mädels auf tschechischen Werbeplakaten schimpfte die englische Politikerin. Das verwirrte sogar den tschechischen Interviewer: »Was sollen wir da sonst hinhängen?«, fragte er.

»Zum Beispiel mich!«, sagte sie. »Ich bin hier auf Einladung des tschechischen Parlaments. In Prag sollten jetzt überall meine Plakate hängen!« Aber Hand aufs Herz: Wer möchte sich schon ’ne alte verschrumpelte englische Abgeordnete nackt an die Wand hängen? Ich kenne zwar einen, der sich im Netz illegale Rentnerpornographie anguckt, aber dem kommt man sicher bald auf die Schliche.

Gemütlich blätterte ich die Zeitung durch. Die Tagespresse ist ein gutes Abführmittel. Leider wurde jetzt nichts daraus. Bumm bumm bumm – bumm bumm bumm – bumm bumm bumm – bumm bumm bumm! Oh, Gott, Mann! Konntest du Oma nicht etwas aufhalten? Zumindest bis ich die Zeitung zu Ende gelesen habe? Da brüllte sie auch schon: »Du Nichtsnutz! Du wirst im Hajsl noch sterben!«

»Hajsl« kommt vom deutschen »Häusle«, bedeutet »Klo« und klingt im Tschechischen sehr derb. Im Tschechischen verbindet man das Hajsl nun mal nicht mehr mit dem schönen deutschen Wort »Haus«, sondern mit der Tätigkeit, die im Hajsl verrichtet wird. Somit gehört das anständige deutsche Wort »Häusle« zur tschechischen Fäkalsprache. Alles ist relativ! Um unser Hajsl lieblich zu halten, lässt Oma hier ihre Veilchen duften. Aus einem Körbchen oben in der Klofensternische. »Komm sofort raus!«, kreischte sie jetzt. »Und räum den Saustall in der Küche auf! So ein Taugenichts! Deine Eltern würden sich im Grab umdrehen!«

»Ich bin noch nicht fertig!«, rief ich. Aber das brachte Oma noch mehr in Rage. Hmm … dann eben ein anderes Mal. Ich zog mir die Jeans hoch und wusch mir die Hände, auch wenn das Geschäft unverrichtet blieb. Dafür haben sich die Psychologen einen schönen Begriff ausgedacht: das Scheitern vor dem Ziel.

»Na, Oma! Bist du schon zurück? Wie geht’s Tante Alena?« Oma und ich waren Alenas einzige Familie und sie unsere. Alenas Mutter, Omas Schwester, war schon lange tot. Alena hatte keine Kinder. Normalerweise redete Oma gern über die Besuche bei der Tochter ihrer Schwester in Olmütz, diesmal ließ sie sich aber auf keine Annäherungsversuche ein. Mit dem großen Küchenmesser in der Hand winkte sie wie die Leute beim Ersten-Mai-Zug mit den bunten Winkelementen, damals zu sozialistischen Zeiten, und brüllte: »Los! Los! In die Küche! Aufräumen!« Oma hatte Deutsch erst richtig von ihrem Mann gelernt, der 1940 aus dem ›Reich‹ in unser Hultschiner Ländchen kam. Schon immer wollte Oma mir Hochdeutsch beibringen. Nachdem die Deutschen vertrieben worden waren, sprach hier keiner mehr richtiges Deutsch. Natürlich mischte Oma auch in ihres Hultschiner Ausdrücke. Vor allem, wenn sie so komisch drauf war wie jetzt.

»Den ganzen Tag sitzt du im Hajsl, du Gysde?«, kreischte sie. »Gysde« kommt aus dem Polnischen. Aber jetzt ist Schluss mit dem Hultschiner Dialekt. Sonst versteht das hier keine Sau. Das »Hajsl« ersetze ich einfach durchs »Klo« und die Beschimpfung erspare ich Oma, weil Oma meistens eigentlich sehr lieb ist. Also noch mal: »Den ganzen Tag sitzt du auf dem Klo«, kreischte Oma.

»Da bilde ich mich«, sagte ich. »Das weißt du doch, Omi.« Sie hob ihr großes Küchenmesser hoch, ich versuchte auszuweichen, duckte mich schnell, doch sie briet mir mit dem breiten Messerblatt eins über den nackten Rücken. »Auuutsch!« Das war ein gewichtiges Argument, ich widersprach nicht mehr und galoppierte in die Küche.

»Und lächle nicht so doof!«, rief Oma mir hinterher. »Du siehst aus wie ein Idiot!«

Das sagte mir Oma schon, seit ich klein war. Auch andere sagten das. Meine Freundin Hanka, meine Kumpel … Aber immer wenn ich versuche, nicht zu lächeln, geht’s mir nicht gut. Warum sollte ich dann nicht lächeln? Außerdem ist das Lächeln mein Naturzustand. Ich muss mich immer sehr anstrengen, um die Mundwinkel nach unten zu bekommen. Wegen meines Lächelns habe ich in der Schule von den Lehrern immer wieder Kopfnüsse bekommen: »Was? Du lachst mich aus?« Und BUMM! Ich glaube, alle Kinder haben das Lächeln. Bis es ihnen die Lehrer vertreiben.

Das warme Wasser rauschte in die Spüle, daneben ein Berg von Geschirr. Oma wachte, verfolgte meine Hände mit ihrem Blick wie der Tiger seine Antilope beobachtet. Nur zuschlagen, wenn das arme Vieh einen Fehler macht und sich von der Herde entfernt. Jeden zweiten Teller schob sie zurück in die Spüle.

»So dreckig willst du den in den Schrank tun?«

»Ich mach’ das noch mit dem Geschirrtuch sauber«, sagte ich, und schon watschte sie mir eine. »Oma! Ich bin dreißig. Du sollst mich nicht mehr schlagen!«

»Bis du dein eigenes Geld verdienst, bist du für mich vierzehn. Jesus Christus! Wenn ich nicht aufpasse, bekommen wir noch die Gelbsucht!«

Tja, jetzt war Oma wieder mal so weit! Und schon flitzte sie in den Flur, zu ihrem Altar auf der Kommode. Dort hockte inmitten von ein paar Kerzen mein Opa in seiner SS-Uniform. Dank meines SS-Opas war ich gar kein richtiger Tscheche: Für meine tschechischen Kumpel war ich Deutscher. Und für meine Oma. Opa kam im April 1945 bei der Befreiung von Ostrava um. Acht Monate vor der Geburt seines einzigen Sohns, meines Vaters. Als Kind habe ich gedacht, mein SS-Opa hätte den Krieg verschuldet. Zum Glück haben die Russen meinen SS-Opa erschossen, und so konnte der Krieg beendet und mein Vater schon im Frieden geboren werden.

Um das Foto meines Opas lagen einige weitere Erinnerungsstücke, ebenso in der Schublade darunter. Oma zog das Heiligste heraus, Opas SS-Ausweis, und lief damit zurück zu mir in die Küche. »Du solltest dir ein Beispiel an deinem Opa nehmen!«, brüllte sie und wedelte mir mit dem Scharführer vor den Augen herum. »So ein fleißiger Mann! Ordentlich! Aus einer ganz armen Familie! Aber mit Disziplin! Schau, wie weit er’s gebracht hat!« Um sich abzusichern, klebte Oma mir noch eine und watschelte schimpfend aus der Küche.

Der Berg war jetzt einigermaßen sauber, ich musste ihn nur noch abtrocknen. Aber wo hatte Oma die verdammten Geschirrtücher hingetan? Vorsichtig guckte ich zur Küchentür hinaus. Die Luft war rein. Oma betete wohl für mich in ihrem Zimmer vor dem großen Bild des Heiligen Antonius. Um mir weiteren Stress mit ihr zu ersparen, zog ich mein T-Shirt aus und wischte damit das Geschirr trocken. Der nasse Stoff kühlte angenehm, als ich’s wieder anzog. Sauheiß! Die Zeitungen werden wohl Recht haben: Die Erde erwärmt sich.

Nach der Küchenarbeit brachte ich noch etwas Gülle auf die Kartoffeln im Garten. Man sollte den EU-Kommissaren klarmachen, dass die Evolution auf Erden nur deswegen stattfinden konnte, weil ausgiebig mit Naturdung gedüngt wurde. So! Schon lief der Kreislauf der Natur wieder. Fertig!

Jetzt musste ich schnellstens mein Geschäft zu Ende bringen. Der freie Wille funktioniert nur beim Input – und auch da nur begrenzt. Beim Output waltet die Natur. Außerdem hatte die Gartenarbeit mich in Stimmung für etwas Anspruchsvolleres gebracht: Zombies verlassen ihre Gräber hieß das gute Buch, das im Regal gegenüber vom Waschbecken auf mich wartete. Mein Freund Haschisch hatte es mir mitgebracht. Auf dem Umschlag nahm sich ein Scheintoter ein nacktes Mädchen vor. Das Mädchen sah Hanka verblüffend ähnlich. Besonders mit ihrem langen schwarzen Haar. Verdammt! War Hanka so austauschbar? Oh, Hanka! Vermutlich ging dieser ganze Krampf mit den Frauen auch nach dem Tod weiter. Ich hockte mich wieder auf die Brille und tauchte in die Geschichte ein. Nur hin und wieder hob ich den Kopf und heulte leise vor Glück. So froh bist du nur auf dem Klo … Na ja, manchmal spürte mich das Schicksal auch hier auf, so wie vorhin meine Oma, aber etwas ganz Übles passierte im Klohäuschen nicht so oft. Dafür war es einfach zu klein. Und es waren zu wenige Leute hier. »In Marias kleinem Körper bebte ein großes Herz vor Leidenschaft«, las ich. Ich überrannte zusammen mit den Untoten das Mädchenpensionat, in dem Maria auf die Liebe ihres Lebens wartete, dann war Ruhe. Für heute Bildung genug. Solche tiefgründigen Sätze kannst du nur häppchenweise genießen.

Hmm … wenn hier nur etwas Nettes zum Abwischen wäre – etwas Weiches. Neben der Schüssel lag nur Zeitungspapier. Sauber in kleine Quadrate geschnitten. Mit Zeitung als Klopapier kämpfte Oma symbolisch gegen die Korruption. Ich wischte mir den Arsch mit dem Gesicht eines Politikers ab, der eines der tschechischen Traditionsunternehmen beim Kaffeetrinken verscherbelt hatte. Trotz der wohltuenden Politikerschändung dachte ich beim Abwischen an handgeschöpftes Klopapier mit einem Wasserzeichen auf jedem Blättchen, das weich und fest ist wie Seide aus China.

Noch auf der Kloschüssel sitzend zog ich die Spülung, das Wasser brodelte in der Schüssel wie in ’nem Whirpool und massierte sanft meinen Hintern, bis ich vor Wonne wimmerte. Huuuh! Wenn das Wasser nur ’ne Spur wärmer wäre, käme mir das Leben richtig süß vor.

* * *

Oma bügelte in ihrem Zimmer meine Boxershorts. »Ach Omi«, sagte ich. »Unterwäsche bügelt man nicht!«

»Doch«, sagte sie wie immer. »Ordnung muss sein.« Sie steckte mir einen Hundert-Kronen-Schein in die Jeanstasche. Sicherlich hatte ihr die Attacke mit dem Messerblatt ein schlechtes Gewissen beschert. Mit Geld kannst du alles kaufen und manchmal sogar dich selbst bestechen – dem Geld ist alles recht, Geld überlebt alles, und weil das Geld das Herz des Kapitalismus ist, hat auch der Kapitalismus unseren Sozialismus überlebt.

Ich hatte zusätzlich noch ein paar Silberlinge – vier Halbe Radegast würde es heute geben, gerade genug für eine kleine Bewusstseinserweiterung. Am Anfang der Woche hatte Oma mir so wenige Kicherscheine dagelassen, dass ich mich in den letzten Tagen in der Gifthütte nicht blicken lassen konnte.

»Warte, Pepl!«, sagte Oma jetzt und schnupperte an meinem T-Shirt. Roch wie ein Geschirrtuch, das fein mit Gülle besprüht worden war. Nur Oma sagt Pepl zu mir. Sie hatte gewollt, dass meine Eltern mir einen internationalen Namen geben. Ein deutscher Name war damals nicht drin, so was mochten die sozialistischen Tschechen nicht. Ein tschechischer Name hatte wiederum meiner Oma nicht gepasst – obwohl sie eine ganz normale Tschechin gewesen war, bevor sie meinen SS-Opa kennenlernte. Der aber hatte ihr Nationalbewusstsein ziemlich durcheinandergebracht – das schafft wohl nur die Liebe. Oma schlug vor, mich deutsch-tschechisch Josef taufen zu lassen, aber der tschechische Standesbeamte sagte, Jozef mit »z« sei viel tschechischer und schöner, weil man in der Tschechoslowakei – damals waren wir noch Tschechoslowaken – »z« wie »z« ausspreche und nicht wie die verrückten Deutschen als »c«. Ich solle Jozef heißen und damit basta. Aber das war Oma schnuppe, sie nannte mich von Anfang an böhmisch-österreichisch Pepl.

Zusammen sprachen wir nur Deutsch. »Du sollst deine Wurzeln nicht vergessen!«, sagte sie immer und meinte meine SS-Wurzeln damit. Opa musste ein toller Hecht gewesen sein, wenn er bei ihr seine Wurzeln so tief hatte einschlagen können. Meine Kumpel sagen tschechisch-männlich Pepa zu mir. Möglich wären außerdem Pepek, Pepík, Pepino, Pepíček, Joska, Jožka, Josífek und Jožin – an Kosenamen für mich herrscht hier also kein Mangel. An Namensvettern auch nicht. Manchmal kommt’s mir vor, als ob alle Tschechen Josef oder Jozef heißen würden, vor allem am 19. März. An diesem Tag feiern wir unseren Namenstag und freuen uns, dass die wenigen restlichen Tschechen mit uns anstoßen wollen. Auch  vejk war Josef genannt worden, bis er als  vejk ohne Vornahmen berühmt wurde.

»Zieh dich um«, sagte Oma, schnupperte noch einmal an meinem Spülwasser-Gülle-Hemd und hielt mir ihren üblichen Vortrag: »Hanka ist kein Mädchen für dich. Mit ihr machst du dir nur das Leben kaputt. Dein Studium hast du wegen ihr abgebrochen!«

»Wollte sowieso aufhören, Omi.«

»Ja? Und das gerade, als Hanka aufgehört hat, was? Junge, Junge! Wenn du in Prag geblieben wärst, würdest du jetzt ein besseres Leben haben.« Sie guckte zu ihrem Lieblingsbild an der Wand. Oma brauchte ihre kleinen Götzen. »Der Heilige Antonius hat mir im Traum gesagt, dass du nach Deutschland gehen würdest.«

»Nicht alle Träume werden wahr, Omi!« Ich ging nach oben, um mir ein anderes T-Shirt anzuziehen. Natürlich hatte Oma Recht. Hankas Mutter war damals gestorben. Hanka musste in der Kneipe ihres Vaters die Stelle ihrer Mutter übernehmen. Sie brach ihr Betriebswirtschaftsstudium in Prag ab und kam zurück ins Dorf. Da habe ich mein Studium nach dem Vorbild der alten sozialistischen Karriereleiter ebenfalls hingeschmissen: Philosoph, Systemkritiker, Bauarbeiter – nur hatte ich das System der Liebe kritisiert. Auch Bauarbeiter war ich nicht geworden: Ich führte Rassehunde Gassi. Was hätte ich auch ohne Hanka in Prag tun sollen?

Heute oben ohne

Die Kaschemme an der Bushaltestelle grölte wie ein großes besoffenes Radio. Dort hockte der echte Underground, lauter arbeitslose Kumpel mit viel Faustfrust – in der Nacht konntest du dir an der Haltestelle gut ein paar Beulen einfangen. Zum Glück war die Holzbank an der Busstation leer. Vom alten Hanysch – dem Alptraum meiner Kindheit – keine Spur. Gut so.

Vor der Gifthütte, unserer Kneipe an der Hauptstraße nach Ostrava, lümmelte eine schwarze Schiefertafel, die an normalen Tagen eingelegten Camembert ankündigte, Butterbrote mit Olmützer Quargeln oder Topinky. Jetzt stand darauf nur: »Heute oben ohne!« Wohl eine neue Speisespezialität? Oben ohne? Hörte sich nach etwas ganz Ausgefallenem an. Vielleicht Butterbrote ohne die Quargel? Ich riss die Tür auf. Boah! Gab’s heute umsonst Bier, oder was? Rammelvoll! An normalen Abenden hockten nur ein paar Rentner und meine Kumpel hier.

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