Dönerröschen (Humor, Liebe) - Jaromir Konecny - E-Book
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Dönerröschen (Humor, Liebe) E-Book

Jaromir Konecny

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Beschreibung

Eine richtig krass gefährliche Familie! Oder doch nicht? Eine unglaublich witzige Geschichte überdas Erwachsenwerden

Als der sechzehnjährige Jonas mit seinen Eltern und dem Schoßhund Napoleon vom beschaulichen Oberhaching ins Münchner „Ghetto“ nach Neuperlach zieht und sich in die süße Türkin Sibel verknallt, bekommt er es mit der Angst zu tun. Vor allem, als er Sibels furchteinflößendeanatolische Oma kennenlernt. Wird sie ihn zur Zwangsheirat zwingen – oder noch Schlimmeres?Bis er merkt, dass Sibels Vater ihm gar nicht den Schniedel absäbeln will, hat er sich schon von einem Fettnäpfchen zum nächsten gehangelt.

Erste Leserstimmen
„Ich hab Tränen gelacht, unglaublich witzig!“
„Jonas hat es wirklich nicht leicht mit all seinen Vorurteilen, man wartet richtig darauf, in welches Fettnäpfchen er als nächstes tritt“
„authentischer Schreibstill trifft humorvolle Wortwahl“
„ich hab so viel gelacht, mir tat schon der Bauch weh“
„Provokant und super witzig.“
Jaromir Konecny weiß, wie man seinen Leser zum Lachen bringt.“

Über den Autor/die Autorin

Seit Jahren begeistert der in Prag geborene und promovierte Naturwissenschaftler Jaromir Konecny das Publikum bei Poetry Slams sowie auf Kabarett- und Lesebühnen aller Art. Jaromir Konecny, der 1982 in die Bundesrepublik übergesiedelt ist, hat über 100 Poetry Slams gewonnen und wurde zweimal Vizemeister der deutschsprachigen Poetry Slam Meisterschaften. Sein WerkDoktorspielewurde verfilmt und lief 2014 erfolgreich in den deutschen Kinos.

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Seitenzahl: 259

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Über dieses E-Book

Als der sechzehnjährige Jonas mit seinen Eltern und dem Schoßhund Napoleon vom beschaulichen Oberhaching ins Münchner „Ghetto“ nach Neuperlach zieht und sich in die süße Türkin Sibel verknallt, bekommt er es mit der Angst zu tun. Vor allem, als er Sibels furchteinflößende anatolische Oma kennenlernt. Wird sie ihn zur Zwangsheirat zwingen – oder noch Schlimmeres? Bis er merkt, dass Sibels Vater ihm gar nicht den Schniedel absäbeln will, hat er sich schon von einem Fettnäpfchen zum nächsten gehangelt.

Impressum

Überarbeitete Neuausgabe Januar 2019

Copyright © 2023 dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Made in Stuttgart with ♥ Alle Rechte vorbehalten

E-Book-ISBN: 978-3-96087-639-7 Taschenbuch-ISBN: 978-3-96087-668-7

Copyright © 2013, cbt Dies ist eine überarbeitete Neuausgabe des bereits 2013 bei cbt erschienenen Titels Dönerröschen (ISBN: 978-3-64108-754-8).

Covergestaltung: Miss Ly Design unter Verwendung von Motiven von shutterstock.com: © Ilja Generalov, © Stockforlife, © Roman Samborskyi Korrektorat: Lektorat Reim

E-Book-Version 22.02.2023, 11:21:55.

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.

Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

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Dönerröschen

Neuperlach

Wochenlang packte Anne jedes einzelne Haushaltsstück in eine Luftschutzfolie ein und legte die Dinger vorsichtig in Umzugskartons. „Jetzt fangen wir noch mal ganz von vorne an, Baby“, sagte Dok zu Anne, als die Kartons voll waren, und wollte das ganze Zeug zum Sperrmüll fahren. Anne fiel in Ohnmacht, und alles blieb beim Alten. Meine Eltern sind immer so drauf.

Unsere Möbel wollte Dok selbst auseinanderschrauben und sie in der neuen Wohnung wieder zusammenbauen. Schon beim Küchenschrank hat er sich aber den Schraubenzieher so tief in den Unterarm gebohrt, dass er im Krankenhaus genäht werden musste. Dok, meine ich. Nicht der Schrank. Daraufhin hatte Anne eine Umzugsfirma beauftragt. Die vier Russen bauten unsere Möbel in der neuen Wohnung ohne ernsthafte Verletzungen oder Todesfälle auf. Nur unser Schoßhund Napoleon hat unter dem Krempel im Keller meinen alten Teddy gefunden und ihm den Kopf abgerissen. Was soll’s! Mit sechzehn brauchst du keine Teddys mehr.

Am ersten Wochenende der bayerischen Pfingstferien zogen wir von Oberhaching nach Neuperlach. In „das Türkenviertel“, wie Anne es nannte. Dok arbeitete jetzt schon seit ein paar Monaten in den Perlacher Einkaufs-Passagen – PEP – als Nachtwächter und hatte hier eine billige Wohnung aufgetrieben.

Gleich am Freitag holte Anne vom PEP eine große Schwarzwälder Kirschtorte. „So, Jungs!“, sagte sie zu Dok, mir und unserem Hund Napoleon. „Am Sonntag, wenn alles eingeräumt ist, essen wir die Torte.“ Klar versuchte Napoleon schon jetzt, sich die Torte zu krallen. Anne hatte sie aber im Kühlschrank eingesperrt. Der ist bei uns wegen Napoleon mit einem Schloss gesichert. Nicht gesicherte Kühlschranktüren knackt Napoleon locker. Unser Schoßhund ist ein militanter Lacto-Vegetarier, der trotz seines kleinen Wuchses gern große Hunde verdrischt. Weil sie Fleisch fressen. Wurst und Schinken ekeln Napoleon an, sogar Knochen! „Fleisch?“, knurrt er immer. „Pfui!“

Nur den Osterhasen frisst Napoleon gern, weil der aus Schokolade ist. Gemüse mag Napoleon aber auch nicht. Nur Eis, Schokolade, Erdbeershake und Kuchen. Mehlspeisen liebt unser Hund über alles.

„Napoleon ist nun mal mehr ein Österreicher als ein Hund“, sagt Dok.

Wir hatten Napoleon von Tante Lora aus Linz bekommen. Anne meint, diese ganzen Zuckersachen seien ungesund. Aber das stimmt sicher nicht. Von den Süßigkeiten bekommt Napoleon solche Blähungen, dass er ständig in Bewegung bleibt und somit viel Sport treibt. Wenn Napoleons Düsenantrieb startet, schießt er durchs Wohnzimmer wie eine Rakete, fliegt von Wand zu Wand, steuert mit seinem wedelnden Schwanz und bellt dabei vor Freude.

Jetzt aber, am ersten Wochenende der Pfingstferien, hockte Napoleon aber nur vor dem Kühlschrank in der neuen Wohnung und knurrte uns wegen der eingesperrten Torte beleidigt an.

Leider hatte Dok am Sonntagnachmittag zwei Flaschen Bier kühlen wollen und den Kühlschrank vergessen abzusperren. Kurz darauf lag die Torte in Napoleons Bauch und Napoleon faul in seinem Korb im Badezimmer.

Anne und Dok redeten streng auf Napoleon ein, er glotzte sie aber nur an und ließ hin und wieder behäbig einen fahren. „Was soll dieser Stress wegen etwas Kuchen?“, fragte er sich sicher. Bis ihm die Augen zufielen.

Egal! Ich hatte sowieso keinen Bock auf Kuchen. Statt am Sonntagnachmittag Torte zu essen, radelte ich die Gegend ab: Parkplätze und lange Wohnblocks, das Neuperlacher Krankenhaus mit seinem Dach, auf dem Außerirdische landen würden, wie Dok behauptet hatte. Leider entpuppten sich die Raketen der Außerirdischen als Rettungshubschrauber mit Schwerverletzten von der Autobahn.

Keine Villen und Familienhäuser, keine Gärten schmückten die Straßen wie in Oberhaching. Nur Wohnblocks. Gleich hinter dem Krankenhaus und ein paar Wohnblocks, direkt vor dem Wald, lag zum Glück der Bolzplatz. Eins war klar: Auch in Neuperlach wurde gekickt.

Gerade stieg auf dem Bolzplatz ein Spiel der türkischen U-18-Super-Liga. Na ja, die meisten Spieler und Zuschauer waren wohl sechzehn – wie ich. Alle bis auf einen blonden Spieler schienen Türken zu sein. Oder gab’s auch blonde Türken?

Sogar einige Fans chillten am Wiesenrand: Jungs und Mädels. Auf dem Feld zweimal sieben Spieler und ein Schiri. Auch ein Sechzehnjähriger. Der chillte aber nicht. Der wurde vom Publikum genervt.

Ein Zuschauer rief: „Beschiktasch!“, und der Schiri guckte, als hätte man ihm einen Zahn gezogen. Einige Zuschauer lachten und johlten. Andere schimpften. Leider verstand ich nur Bahnhof. Na ja, nicht ganz. Das Türkisch wurde hin und wieder mit einem deutschen Wort gespickt: „Opfer“, „Spast“, „Arschloch“ und „Sozialamt“ zum Beispiel.

Und wieder der Ruf: „Beschiktasch!“, und wieder Lachkrämpfe im Publikum. „Beschiktasch“ musste eine krasse Beleidigung sein, denn der Schiri brüllte plötzlich auf Deutsch: „Hurensohn!“ und ging auf den „Beschiktasch“-Rufer los. Echt!

Mannomann! Nach einem Haching-Spiel wollten die Fans auch schon mal den Schiri verdreschen, aber dass der Schiri die Fans vermöbelte, das war mir neu. Ganz schön originell, die Türken!

Und schon ging auf dem Bolzplatz eine kleine Bud-Spencer-Show ab: Der Schiri jagte den „Beschiktasch“-Rufer ums Feld herum, die Zuschauer, die vorhin gelacht hatten, prügelten die Schimpfenden, und auch die Spieler fingen an, Watschen zu verteilen, ohne Rücksicht auf die Abseitsregelung. Hier fightete sowieso nicht mehr Mannschaft gegen Mannschaft, sondern Schiri-Sympathisanten gegen die andern, egal ob sie aus dem Gegnerteam oder aus dem eigenen waren.

Auch einige Mädchen tobten sich ganz hübsch in der Schlacht aus und boxten wie um den Weltmeistertitel. Großer Sport! Nur der blonde Türke sprintete aus dem Schlachtrudel heraus und raste auf mich zu. Bestimmt will er mir auch eine auf den Rüssel klatschen, dachte ich, doch der Typ hockte sich zu mir, gab mir die Hand und sagte: „Schnauze!“

„Ich hab nix gesagt“, sagte ich.

„Hä?“, sagte er. „Ich heiße Schnauze!“

„Ein hübscher Name!“, sagte ich. „Ich bin Jonas.“

Schnauze wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Das geht hier jeden Sonntag ab.“

„Warum prügeln die sich?“, fragte ich, guckte aber weiter der Show auf dem Rasen zu. Ein dickes Mädchen nahm gerade einen der Keeper in den Schwitzkasten.

„Ihr Fußballverein hat verloren“, sagte Schnauze. „Türkische Liga.“

„Ich hab gedacht, der Typ da hat den Schiri beschimpft“, sagte ich. „Was heißt auf Türkisch Beschiktasch? Sicher was ganz Übles, oder?“

„Nee! Beschiktasch is’ eben Fußballverein. Istanbul. Beschiktasch hat gestern verloren. Und Schiri is’ großer Beschiktasch-Fan.“

„Ach, so“, sagte ich. „Die haben sich über den Schiri lustig gemacht?“

„Idioten!“, sagte Schnauze. „Beschiktasch is’ super. Hatte jetzt nur bissl Pech.“

„Bist du auch Beschiktasch-Fan?“, fragte ich.

„Klar!“

„Und warum prügelst du dich nicht?“

„Bin Pazifist! Bisdu neu hier, oder?“, fragte er. „Gehsdu noch Schule?“

Mann! Schnauze redete so, dass mein alter Deutschlehrer in Oberhaching davon Hirngrippe kriegen würde. „Ja“, sagte ich. „Hast du auch Ferien?“ Echt komisch, dass es auch ganz blonde und hellhäutige Türken gab wie ihn.

„Ich hab ganz Jahr Ferien, Alta“, sagte er. „Du gehst Gymnasium, oder? Ich war Mittelschule.“

„Machst du jetzt ’ne Lehre?“

Schnauze grinste. „Ich weiß schon alles“, sagte er und guckte zum Schlachtfeld. Die Show auf dem Fußballfeld ebbte langsam ab, die Türken gingen auseinander. Manche der Streithähne lagen sich jetzt in den Armen und schütteten sich gegenseitig weinend ihre Herzen aus. Die Mädchen versorgten die Verletzten. Beschiktasch!

„Für uns Türken is’ Fußball Gott!“, sagte Schnauze. „Dein Verein – dein Heim!“ Also doch ein Türke. Ein Blonder! Zumindest schlägerte er sich aber nicht wegen irgendwelchen bescheuerten Fußballvereinen.

Schnauze holte seinen Rucksack, der ein Stück weiter auf dem Feldrand lag, und schnürte seine Fußballschuhe auf. „Geh’ma morgen PEP?“, fragte er. „Klar“, sagte ich. Im PEP, den Perlacher Einkaufspassagen, war ich schon mal gewesen, als ich Dok bei seinem Nachtwächterjob besucht hatte.

Jonas und der Fisch

„Fisch ist gesund, Jonas!“, sagte Anne am Montag in der Wohnungstür. Manchmal ist sie unfreiwillig komisch: Klar war der Fisch gesund für Jonas gewesen. Für den biblischen, meine ich, meinen Namensgeber. Sonst hätte Jonas nicht im Bauch des Fisches überlebt.

Schnauze grinste uns von der Treppe an. Napoleon lief aus der Wohnung heraus auf Schnauze zu, machte zweimal „Wau!“, um ihm Todesangst einzujagen, und trottete zwischen Annes Füßen wieder hinein. Anne steckte mir einen Zehner in die Hand und versuchte, mir auf die Backe einen Abschiedskuss zu kleben.

„Hi, hi, hi!“, kicherte Schnauze hinter mir. Anne machte die Wohnungstür zu, wir liefen die Treppe runter. „Meine Anne will mich auch ständig ablecken, Alta!“, sagte Schnauze.

„Heißt deine Mutter auch Anne?“

„Bisdu dumm, Lan? … Nee! … Früher hat mir Busseln nix ausgemacht … jetzt aba …“

„Das ist normal!“, sagte ich. „So ab zwölf Jahren kannst du deine Mutter nicht mehr riechen.“

„Echt? Wieso?“

„Das hat die Natur so eingerichtet. Damit es nicht zur Unzucht kommt … also wenn Jungs mit ihren Müttern poppen!“

„Äääh … krass eklig, Alta!“

„Sag ich ja!“

„Hasdus Glotze gehört?“

„Ne! Von Dok! Der hat’s in ’nem Buch über das Verhalten von Frauen gelesen!“

„Wer is’ denn Dok?“

„Mein Vater!“

„Ey, Mann! Wieso liest der so Scheiß so?“

„Er will meine Mutter besser verstehen!“

„Warum? Spinnt der?“

Im Erdgeschoss steckte der kleine Emre seinen Kopf aus der Wohnungstür. Den hatte ich schon vorgestern kennengelernt, als ich ein paar Sachen in den Keller geräumt hatte. Jetzt guckte uns Emre böse an:

„Haltet die Fressen, Wichser, isch übe!“ Er schlug die Tür wieder zu. Doch das Türholz konnte nicht die Metalbeats dämpfen, die aus Emres Wohnung dröhnten. Trotzdem hörten sich die Beats harmlos an – im Vergleich mit Emres Begleit-Rap:

„Isch bin der Hengst vom Block, der Hengst,

meine Faust kommt schneller als du denkst,

oh, Baby Bitch, mach aus das Lischt,

isch ändere misch nischt!“

Schnauze trommelte an die Tür, Emre hörte auf zu rappen. Die Tür ging wieder auf, einen Spalt breit, sodass nur Emres Nase herauslugte. „Was is’n, ihr Opfer?“

„Wie heißt dein Label, Emre?“, fragte Schnauze.

„Rapproduction“, sagte Emre.

„Respekt“, sagte Schnauze.

„Wie alt ist der Kleine?“, fragte ich vorm Haus.

„Emre?“, sagte Schnauze. „Acht.“

„Krass!“, sagte ich.

„Geh’ma PEP?“

Das PEP hockte vor uns wie die Henne auf ihren Eiern. „Magst du auch Fisch essen?“, fragte ich.

„Nee!“, sagte Schnauze. „Besser vegetarisch. Sons disst mich Elke.“

„Hä?“

„Meine Mudda!“

Ich seufzte. „Alles klar!“ Mann! Schnauzes Mutter hieß Elke? Voll deutsch für eine Türkin, oder?

Schnauze zeigte zur Döner-Bude am Parkplatz. „Ich hol mir was drüben.“

„’nen Gemüse-Döner?“

„Nee! Mit Kalb!“

„Kalb ist doch nicht vegetarisch!“

„Doch! Kalb frisst Gras!“

„Blödsinn!“

„In Döner is’ viel Knoblauch drin. Wenn meine Mudda meine Knoblauch-Fahne riecht, is’ sie voll zufrieden.“

„Meine Mutter hasst Knoblauch!“, sagte ich.

„Wieso denn?“

„Knoblauch stinkt. Anne ist ein Feingeist!“

„Dann solltest du keine Türkin anbaggern, Alta! In Klein-Istanbul gibt’s aba wenig andere Perlhühner.“

„Klein-Istanbul?“

„Na, hier bei uns so Neuperlach so!“

„Aha!“

„Mann, Alta, du checkst auch gar nix!“, sagte Schnauze. „Warsdu Mittelschüler oder ich?“

„Äääh …“

„Döner macht schöner!“, sagte Schnauze. „Wegen Mädchen hier und so ess’ ich nur noch Knoblauch so. Komm schon, Alta. Deine Anne steck’ dich nicht Heim wegen bissl Knoblauch! Is’ doch selber Türkin!“

„Türkin? Meine Mutter? Wie kommst du denn darauf? Die Familie meiner Mutter stammt aus Ingolstadt.“

Schnauze lachte. „Heißt sie echt Anne?“

„Eigentlich heißt meine Mutter Linda“, sagte ich. „Aber ich sage schon seit meiner Kindheit Anne zu ihr.“

„Warum denn?“

„Keine Ahnung! Vielleicht war Anne mal ihr Künstlername. Als Geigerin meine ich. Alle guten Geigerinnen heißen Anne. Wo kommen eigentlich deine Alten her?“

„Na, aus Franken“, sagte Schnauze.

„Echt? Du hast doch gesagt, dass du Türke bist …“

„Schau nicht in die Vergangenheit, Alta! Schau in die Zukunft!“

„Cooler Spruch.“

„Is’ vom indischen Guru.“

„Und warum …“ Ich stutzte. Ach, egal, ich musste es ihn fragen: „Und warum redest du wie ein Türke, Mann, wenn deine Alten Franken sind?“

„Ich muss mich hier in Klein-Istanbul integrieren, Alta!“, sagte Schnauze. „Hasdus nicht Glotze gehört? Integration is’ voll wichtig!“ Er bretterte davon. Tja, da hatte er nicht Unrecht. Wenn über den EU-Türkeibeitritt nur in Neuperlach abgestimmt werden sollte, wäre die Türkei wohl schon längst drin.

„Neuperlach ist das demokratischste Viertel in München“, hatte mal Dok gesagt. „Alle wählen Erdogan!“ Gleich kicherte er. Anne hatte damals nur die Augen verdreht.

Ich würde mich hier in Neuperlach nie integrieren, weil ich wegen meiner Mutter keinen Knoblauch essen durfte. Warum hatte Schnauze aber gemeint, dass meine Anne Türkin ist? War schon komisch, der Typ, oder?

In der NORDSEE war nur ein Tisch frei. Neben zwei … hi, hi, hi … Perlhühnern. Die weniger Hübsche glänzte wie ein neuer Mercedes – frisch lackiert. Wohl heute alle Haarspraydosen im Badezimmer leer gesprüht, Baby?

Die Hübschere steckte in einer roten Adidas-Hose, einem weißen T-Shirt ohne Ärmel und Nike-Joggingschuhen. Sah verschwitzt aus. Hey! Heute schon joggen gewesen? Auf einmal starrte sie mich an. Ein paar Sekunden lang. Als wäre hier in der NORDSEE ein Pinguin aufgetaucht. Und nicht nur auf dem Teller.

Mannomann! Was für ein Blick! Scharf wie das Laserschwert von Luke Skywalker! Sie machte ihren Mund auf, dann wieder zu und zuckte ihren Blick weg. Uff! Sie lächelte ihre Freundin voll an, mit breitem Mund, und schob sich Haarsträhnen aus der Stirn.

Und plötzlich machte es KLICK in meinem Kopf: Ein Hintergrundprogramm hatte sich eingeschaltet, doch welches? Ich kam nicht drauf. Mann! Dieses Haar! Hatte ich das nicht schon mal irgendwo gesehen? Glatt und schulterlang, dunkelbraune Strähnen, die mal ins Schwarze stachen und mal ins Rote, je nachdem wie das Licht auf das Haar fiel.

Sie pickte mit ihrer Gabel in einem Schollenfilet rum, als wollte sie den Fisch tätowieren, und tunkte dabei die Spitze ihres Haars in die Remouladensoße. Schwarz-weiß! Ganz klar Türkinnen. Was sonst? Aus Knoblauchgründen nichts für mich.

Ich scannte die Preise über der Theke, holte Annes Zehner aus der Arschtasche der Jeans und hockte mich mit meinem Seelachs an den leeren Tisch neben den beiden. „Hallo Süßer!“, rief die Spraydose, versteckte ihre Nase aber gleich wieder zwischen ihren Fritten. Die Hübsche kicherte.

„Hi, Perlhühner!“, sagte ich, aber nur virtuell. In Wirklichkeit sagte ich gar nichts und kümmerte mich nur um meinen Fisch, bevor er wegschwimmen konnte.

Die Hübsche flüsterte etwas. Was hat sie gesagt? Dass sie mich kennt? Blödsinn. Habe die Schnitte noch nie gesehen.

„Der ist doch noch nicht mal fünfzehn!“, sagte ihre Freundin.

Blöde Kuh! „Ich bin schon sechzehn!“, sagte ich.

„Von dir reden wir nicht!“, sagte sie. Ach so. Darauf fiel mir nichts mehr ein. Obwohl ich an krassen Sprüchen arbeiten wollte. „Gegen eine Nervensäge ist ein guter Spruch besser als ein Tritt in den Arsch!“, sagt Dok.

Statt Sprüche zu klopfen, folterte ich aber jetzt mit der Gabel und dem Messer weiter meinen Seelachs. Plötzlich bebte mein Teller. Eine türkische Oma mit Kopftuch hatte sich mir gegenüber gehockt, meinen Tisch gepackt und ihn zu sich gezogen. Ohne „Hallo“ zu sagen.

„Mahlzeit!“, sagte ich, aber auch das kümmerte die Oma wenig. An die Tischkante hatte sie einen brutalen Regenschirm gelehnt, obwohl es seit Wochen nicht geregnet hatte. Die Alte traute dem NORDSEE-Wetter wohl nicht.

Ich ruckelte mit meinem Stuhl dem Tisch nach und beugte mich über den Teller. Die Mädels am Nebentisch fingen wieder an zu kichern. Warum? Wegen meinen Bratkartoffeln? Die schauten aus wie Steinkohle. Aber wenn Anne gemeint hatte, dass das gesund sei … warum nicht?

Plötzlich wieder ein Erdbeben. Die türkische Oma hatte mir die Tischkante in den Bauch geschoben, stand auf und trippelte zur Theke. Den Regenschirm nahm sie mit. Wohl um sich eine Serviette zu holen. Warum sie statt dem Stuhl den Tisch ständig verrücken musste? Kein technischer Typ, die Alte. Zum Glück hatte ich schon alle Gräten abgeknabbert. Nichts wie weg hier!

Ich stand auf. Wieder das Gekicher neben mir. „Du hast eine Serviette am Hintern!“, sagte die Hübsche.

„Das ist keine Serviette, Sibel!“, sagte die andere. „Das ist Klopapier!“ Sibel gackerte wieder. Könnte glatt einen Job als Lachpublikum bei Pro7 bekommen.

Ich verrenkte den Hals und guckte nach hinten. Echt. Von meinem Arsch hing eine Serviette runter. Mit Remoulade an meine Jeans geklebt. „Danke!“, sagte ich, zog die Serviette weg, grinste die Suleikas an und griff nach meinem Teller.

„Hirsiz!“, brüllte die Oma, das war wohl Türkisch. Meinte sie mich? Ich schaute zu ihr und dann runter. Ups! Vor lauter Stress mit den zwei Scheherazaden am Nebentisch hatte ich mir den Teller der Alten gekrallt. Schnell legte ich ihn wieder zurück.

„Sorry!!!“, murmelte ich, nahm meinen Teller und lief zum Abstellwagen.

„Hirsiz!“, kreischte die Hexe noch mal. Ich überlegte, ob „hirsiz“ auf Deutsch „Dieb“ hieß, aber nicht lange. Denn gleich stieg hier Ekschn, und mir wurde klar, wozu sie den Regenschirm im Sommer brauchte. Als Waffe!

„Hirsiz!“, brüllte sie noch mal und prügelte mich mit dem Regenschirm aus der NORDSEE. Die Mädchen hinter mir schüttelten vor lauter Lachen ihre Bäuche wie beim Bauchtanz.

Zum Glück ging der Regenschirm am Ausgang plötzlich auf wie ein Fallschirm – ich war gerettet! Die Hexe hörte auf, mich zu schlagen, klappte das Ding zusammen und kehrte zu ihrem Fisch zurück. Wahnsinn! Krass die Alte, oder? Wenn alle türkischen Omas so brutal drauf waren, dann war’s in Neuperlach lebensgefährlich. Oder stand auf Fischraub in der Türkei die Todesstrafe?

Zum Glück ahnte ich da noch nicht, welchen Kampf ich mir mit einer türkischen Oma noch liefern würde. In der NORDSEE durfte ich mich in den nächsten Wochen auf jeden Fall nicht blicken lassen. Hier war ich jetzt hinreichend bekannt. Gott sei Dank schob Dok im Einkaufszentrum nur Nachtschichten. Wäre er jetzt da gewesen, hätte er seinen Sohn wegen Mundraub festnehmen müssen.

Plastiktiere

Schnauze hockte auf der Bank in der Einkaufspassage gegenüber der Traublinger-Bäckerei und kaute an den Resten seines Döners. „Mann! Der neue Gerät von dem Typ in Dönerbude is’ voll High-Tech.“

„Das heißt DAS Gerät: das Radio, das Auto, das Gerät!“

„Alta, du musst Deutsch lernen“, sagte Schnauze. „Der Gerät is’ nich’ das Auto oda das Radio. Der Gerät is’ das geile elektrische Messer zum Dönerschneiden. Kapito?“

„Ach so!“, sagte ich. „Das Gerät zum Dönerschneiden heißt der Gerät!“

„Genauso is’s, Mann!“

„Das muss ich meinem Vater sagen“, sagte ich. „Der mag solche Sachen!“

„Was macht dein Alta?“

„Äaaah … er ist nur Nachtwächter im PEP!“

„Geil!“

„Geil?“

„Klar! Da kannste die andern herumkommandieren … kann man mit Hauptschulabschluss Nachtwächter machen?“

„Sicher! Solche Jobs bekommst du aber erst ab achtzehn, oder?“

„Muss mal deinen Vater fragen.“

„Hmm“, sagte ich, kriegte aber gleich die Panik. Dok war echt irre. Den sollte keiner meiner neuen Freunde hier jemals kennenlernen. Die Türken schon überhaupt nicht. Sonst war ich hier erledigt. Die Türken haben doch eine ganz andere Kultur als Dok. Na ja, jeder hat eine andere Kultur als mein Vater.

„Zwei Jahre krieg ich schon irgendwie rum“, sagte Schnauze. „Hab Moneten genug. Soll ich uns was zum Trinken holen?“

„Spezi wäre super!“, sagte ich. Schnauze bretterte zu vinzenzmurr. Mann! Schnauze war der erste Jugendliche, der meinte, genug Geld zu haben. Blödsinn! Kein Jugendlicher hat genug Geld. Sonst würde er es ja sofort ausgeben und dann wieder nicht genug haben, oder?

Schnauze tauchte wieder auf und reichte mir meine Spezi. Krass cremig, das Leben im PEP, oder? Wir chillten auf der Bank und guckten uns die vorbeilaufenden Models aus dem Supermarkt an. „Hätte mir besser etwas bei McDonald’s zum Essen kaufen sollen“, sagte ich.

„Meggi muss nich’ immer sein“, sagte Schnauze. „Ich häng dort Tag und Nacht rum.“

Auf einmal hob Schnauze die Hand und klatschte einen Dunkelhaarigen ab. „Naber, Danis!“

Auch das Gesicht des dunklen Typen kam mir bekannt vor. Ein kleines Déjà-vu versuchte sich bei mir einzuschleichen – wie bei der Türkin im NORDSEE. Woher sollte ich den Typen aber kennen? Wohl ein Trugbild! Wieder eins von diesen komischen Bildern, die in der letzten Zeit in meinem Kopf auftauchten.

„Selam, Schnauze!“

„Sers!“, sagte ich.

„Na, was geht in Perlach, Danis“, fragte Schnauze. Wollte mir wohl auf die feine Art mitteilen, wo der Checker herkam.

„Dich kenn ich doch, oder?“, fragte mich Danis.

„Kann sein!“, sagte ich. „Meine Tante hat in Perlach gewohnt. Bis sie gestorben ist, war ich oft bei ihr. Meine Mutter hat damals Konzerte gegeben, und mein Vater war mit ihr viel unterwegs.“

Hmm … komisch! Meine Tante war gestorben, als ich zehn gewesen war, das hatte Anne mal gesagt, aber ich konnte mich an meine Zeiten bei der Tante überhaupt nicht erinnern, nicht einmal wie meine Tante ausgesehen hatte. Nur dass ich oft bei ihr gewesen bin. Oder hatte mir das auch Anne gesagt?

Plötzlich leuchtete etwas in meinem Kopf auf. Ich guckte Danis in die Augen, auf einmal stand die Szene so in meiner Erinnerung, als hätte sie sich gestern abgespielt.

„Ich erinnere mich, dass ich mich an einem Bach mit einem türkischen Jungen geprügelt habe!“, sagte ich. „Wir spielten Indianer, und er wollte, dass ich Nscho-Tschi bin.“

„Das war ich“, sagte Danis.

„Nscho-Tschi?“, fragte Schnauze.

„Nee, der Türke!“, sagte Danis.

„Cool!“, sagte ich.

„Macht’s gut!“

„Du musst nicht davonlaufen“, sagte ich. „Ich spiele keine Indianer mehr. Du kannst ruhig Winnetou bleiben. Oder von mir aus auch Old Shatterhand.“

„Ich muss schnell ins Kaufland und dann in meinen Schachverein.“

„Schachverein?“, fragte Schnauze. „Bisdu krank, Lan?“

„Schach ist gut fürs Hirn!“

„Wozu brauchsdu Hirn?“

„Bis dann!“

„Klar!“ Danis latschte Richtung Kaufland. Komisches Land, Neuperlach, oder? Hier redeten Franken wie Türken und Türken gutes Deutsch.

„Spielsdu Schach?“, fragte mich Schnauze.

„Hab damit aufgehört!“, sagte ich. „Napoleon hat die Dame gefressen. Er frisst alles, was süß ausschaut.“

„Euer Hund? Hat er Dame nicht wieder rausgeschissen?“

„Keine Spur! Zwei Tage lang haben wir sein Kacken bewacht, aber die Dame ist nie wieder aufgetaucht. Hey! Hätte echt Lust, wieder mal Schach zu spielen. Vielleicht gibt’s im Obletter Magnetschach? Das könnte ich mit meinem Vater im Auto zocken, wenn Anne fährt.“

„Ja! Und wenn Napoleon wieder Dame frisst, is’ er dann voll magnetisch und ihr braucht keine Leine für Hund. Du kannst doch auf Handy Schach zocken, Mann!“

„Äääh … hab nur so ’n altes Samsung. Speicher voll!“

„Echt?“, sagte Schnauze. „Hasdu kein iPhone, Mann?“

„Neee!“

„Du arme Sau!“ Hä? Das gibt’s doch nicht! Hatte der Typ echt so viel Kohle, wie er mir weiszumachen versuchte? Sicher nicht, oder? Wer hatte schon Geld in Neuperlach?

„Is’ dein Hund Facebook?“, fragte Schnauze. „Könnte ihm Freundschaft anbieten.“

„Spinnst du? Ein Hund bei Facebook.“

„Jeder coole Hund is’ bei Facebook.“

„Ich tummle mich eher bei Instagram!”

„Für Hunde is’ Facebook besser”, sagte Schnauze. „Dort sind voll die Alten unterwegs. Die mögen Hunde. Und Katzen auch!”

„Hmm.“ Ich stand auf. „Kommst du mit zu Obletter?“

„Obletta?“, fragte Schnauze. „Nee! Muss heim Blumen gießen. Geh’ma Donnerstag Bolzi?“

„Klar! Heute gehst du nicht kicken?“

„Meine Mutter hat frei genommen und will Franken fahren. Zu Oma!“

„Und wie redest du bei deiner Oma? Auch Neuperlach-Deutsch?“

„Wemmä frängisch redn koo, dann red i frängisch. Hinnerwidder.“

Vor Schock soff ich die Spezi auf ex. Mannomann! Schnauze war ein waschechter Franke! Und er konnte noch andere Sprachen als Neuperlachisch.

„Alles klar, Alta?“ Schnauze haute mir auf die Schulter. „Nicht traurig sein! Donnerstag sind wir zurück. Vor Kicken kann ich dir ZOO hier zeigen.“

„Gibt’s hier einen ZOO?“

„Logisch! Donnerstagmittag hier?“

„Passt!“

„Check die Wurst, Alta!“

„Heißt das nicht, ‚check die Nudel’?“

„Bin kein Vegetarier mehr.“

„Ach so … bis Donnerstag!“

Ich trollte zwischen den Regalen im Obletter. Ist Spielzeug nicht geil? Oida! Das da hatte ich doch als Kind gehabt, oder? Ein Bauernhaus aus Plastik mit Fensterchen. Nur viel größer als mein altes Häuschen.

Ich schaute mich vorsichtig um, ob mich nicht jemand beobachtete, ging in die Hocke und drückte eine Taste. Ein Fensterchen ging auf. Ein Plastikhund steckte seine Schnauze heraus: „Wau, wau!“ Super! Im Haus wohnten zwölf Tiere. Ich ließ sie bellen und wiehern, bis die Scheune bebte.

„Miau!“

„He, he, he!“ Na, was haben wir da noch? Dich hab ich noch nicht gedrückt, Tierchen!

„Muh!“ Geil!

Bevor ich die Taste mit dem Hahn anging, war mir ein lautes „Kikeriki“ herausgerutscht. Und plötzlich hörte ich im Rücken eine Mädchenstimme: „Und wie macht das Schweinchen, Joschi?“

„Grunz grunz …“, machte eine andere Mädchenstimme hinter mir. Ich drehte mich um und guckte hoch. Klar! Die zwei Kasperljennys von der NORDSEE! Und schon krümmten sie sich mal wieder vor Lachen. Scheißeee!

Jetzt ging’s nur noch drum, das Gesicht zu wahren. Wenn sich in Neuperlach rumsprach, dass ich auf Plastiktiere abfuhr, war ich an meinem neuen Wohnort erledigt. Das wäre noch schlimmer, als wenn die Leute hier meinen Vater kennenlernten.

Ich packte das Plastikbauernhaus, stand auf und sagte: „Das ist ein Geschenk für meinen kleinen Bruder!“

„Schade“, sagte Sibel. „Und ich habe schon gedacht, das wäre für dich. Ich mag Jungs, die gern spielen.“ Ihre Freundin gackerte wie ein Gänserudel. Ich trabte mit dem Plastikhaus zur Kasse.

„Der Typ hat mich tatsächlich vergessen!“, sagte Sibel hinter meinem Rücken. „So ein Egoist!“

Wohl laberte sie wieder über denselben Jungen wie in der NORDSEE. War auch gut so, dass sie mich aus ihren Spielchen rausließen – an diesen Lachtussen hatte ich echt kein Interesse. Sicher futterten sie eine Knoblauchknolle nach der anderen.

„Bist du schon achtzehn?“, fragte die junge türkische Verkäuferin an der Kasse, als sie das Hard-Core-Spielzeug sah, und wieherte auch vor Lachen. Mann, eh! Bin ich Jim Carrey, oder was? Stehen alle türkischen Mädels auf Comedy? Reißen die alle den Mund so breit auf? Und warum tragen die keine Kopftücher, verdammt?

48 Euro kostete das Ding! Heftig! Ich blätterte der Verkäuferin mein ganzes Geld hin und trottete mit dem Schmarrn aus dem Laden. Für Magnetschach musste ich wohl wieder sparen und bis dahin Schach gegen den Computer spielen.

Erst als ich draußen war, fiel mir ein, dass ich mir das Ding nicht in eine große Plastiktüte hatte packen lassen. Blöd. Na ja, die zwei Lustigen waren noch im Obletter. Vielleicht schaffte ich’s nach Hause, ohne dass mich ein Bekannter mit dem Babyspielzeug erwischen würde. Ich kannte hier ja keinen.

„Und was ist das?“, fragte Danis in der Einkaufspassage und zeigte auf das Tierhäuschen. Er latschte gerade vom Kaufland zurück. Zum PEP-Haupteingang.

„Äääh … ich wollte mir Schach kaufen“, sagte ich.

„Und hast dir statt Schach was voll Cooles gekauft, oder?“, sagte Danis und guckte das Plastikhaus mit den Tieren an. Wenn er jetzt zu mir Nscho-Tschi sagte, würde ich ihn in die Plastikscheune quetschen.

„Das ist ein Geschenk für meinen kleinen Bruder“, sagte ich.

„Du solltest deinem Bruder ein Auto kaufen“, sagte Danis. „Oder eine Knarre! Mit Tieren spielen doch nur Mädchen.“

„Wie mit den Pferden beim Schach, oder?“ Zugegeben: Der Spruch war kein echter Bringer.

„Das war nur Spaß mit dem Schach“, sagte Danis. „Ich würde doch nicht Schach in einem Verein spielen. Bin doch nicht bescheuert. Heute kicke ich sowieso. Kommst du mit?“

„Prügelt ihr euch eigentlich immer nach dem Spiel?“

„Hä?“

„Gestern auf dem Bolzplatz hat der türkische Schiri einen türkischen Zuschauer verdroschen.“

„Auch beim Fußball geht’s um die Ehre, Mann! Wir spielen heute aber ohne Schiri.“

„Super! Wo?“

„An der Putzbrunner Straße. Auf dem Rasen beim Pfanzeltplatz.“

„Wann spielt ihr?“

„Um fünf!“

„Bis dann!“

„Sers!“

Erst jetzt fiel mir wieder ein, dass Sibel im Obletter „Joschi“ gesagt hatte. Meinen Kindernamen, mit dem ich seit ’ner halben Ewigkeit nicht mehr angesprochen wurde. Das hab ich mir schon vor Jahren bei Anne und Dok erkämpft. Ach, Blödsinn! Sicher hatte ich mich verhört. Woher sollte die Frau meinen Kindernamen kennen?

Superman

„Bisdu schwul?“, fragte mich der achtjährige Emre von seinem Küchenfenster im Erdgeschoß, als ich vor unserm Haus nach meinem Schlüssel suchte. Er zeigte auf das Plastikbauernhaus in meiner Hand. Was hatten die Türken gegen Tiere, verdammt?

„Das ist mein Weihnachtsgeschenk für dich“, sagte ich. „Du spielst doch gern mit solchen Sachen.“

„Nee“, sagte der Knirps. „Ich poppe lieber!“

„Was ist das?“, fragte Anne und zeigte auf das Plastikhäuschen.

„Ich muss für die Schule Tierstimmen lernen!“, sagte ich. Meiner Mutter konnte ich nicht mit meinem kleinen Bruder kommen. Sie war extrem schlau und wusste, dass ich keinen Bruder hatte.

Ich schlug die Tür hinter mir zu. Uff! Endlich konnte ich in Ruhe mit meinen Tieren zocken. Kurz darauf geigten krasse Töne eine falsche Melodie dazu. Ah, meine Ex-Mitschülerin aus Oberhaching Lena nahm wieder bei Anne Unterricht! Die würde das Geigen wohl nie lernen.

Zum Glück hatte ich schon vor Jahren meiner Mutter hinreichend bewiesen, dass ich als Geigenspieler eine super Niete war. Plötzlich kam mir Schnauze in den Kopf. Und seine Frage, ob unser Hund Napoleon bei Facebook sei. Ich lief mit meinem Handy in Doks Zimmer. Dort versteckte sich Napoleon immer, wenn Anne Geigenunterricht gab.

Jetzt lag er mit Ohrstöpseln unter … ääh, sorry … die Ohrstöpsel hab ich mir jetzt ausgedacht. Napoleon lag unter der Fensterbank und wedelte glücklich mit dem Schwanz, weil ich ihn besuchte. Als er merkte, dass ich mit dem Handy auf ihn zielte, schmiss er sofort Posen wie ein Model. Napoleon ist sehr fotogen.

Ich schoss ihm ein paar Profilfotos, lief in mein Zimmer zurück und meldete Napoleon bei Facebook und Instagram an. Als „Napoleon Hund“ – weil Facebook nur „Napoleon“ nicht nehmen wollte. So! Jetzt hatte unser Schoßhund endlich ein Profil in den sozialen Netzwerken: Interessen: Eis, Kuchen, Tiramisu.

„Jonas!“, rief Anne aus der Küche.

„Ja?“

„Isst du mit uns ein Stück Kuchen?“ Napoleon drängte sich an meiner Wade vorbei in die Küche, quietschte vor Freude und wedelte mit dem Schwanz. Wenn unser Hund das Wort Kuchen aufschnappt, ist er nicht zu halten. Wie gesagt schmecken Knochen Napoleon überhaupt nicht. Vielleicht ist der Hund deswegen so klein geblieben.

„Hi, Lena!“

„Hallo, Jonas!“

Auf dem Tisch lag ein großer Teller mit Apfelstrudel, in der Küche roch es wie in der Konditorei. Mhmm. „Du kriegst keinen Kuchen, Napoleon!“, sagte Anne. „Du hast dir schon nach dem Mittagessen die Zähne geputzt.“

Lena runzelte die Stirn. „Ihr Hund putzt sich die Zähne?“

„Ja!“, sagte Anne. „Dreimal am Tag!“

„Öfter als ich!“, sagte ich.

Lena riss die Augen auf. „Aber wie hält der Hund denn die Zahnbürste?“