Technik des Sichtbetons - Martin Peck - E-Book

Technik des Sichtbetons E-Book

Martin Peck

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Beschreibung

Der Sichtbeton ist von ungebrochener Aktualität und gewinnt bei Architekten und Bauherren zunehmende Verbreitung und Akzeptanz. Kein Baustoff wird gestalterisch in gleicher Vielfalt eingesetzt wie Beton. Aktuell scheint die Architektur die Varianz der Flächenausprägungen von Sichtbetonflächen deutlich zu erweitern. Nach einer langen Zeit fast monokulturellen Bauens glatter, möglichst makelloser Sichtbetonflächen gibt es derzeit eine erkennbare Hinwendung zu einer "neuen Vielfalt", in welcher die gesamte technische Breite möglicher Flächengestaltungen in die Wahrnehmung gerät. Angesichts dieser Entwicklung wurde das Buch "Technik des Sichtbetons", das in den Vorausgaben nur die Herstellung glatt geschalter Sichtbetonflächen behandelt hat, auf andere Arten der Flächengestaltung erweitert. Damit gewinnt die Fertigteilbauweise, die zur Herstellung besonderer und besonders hochwertiger Flächenausprägungen geeignet ist, thematisch an Raum und Aktualität. Die vorliegende, überarbeitete Ausgabe 2016 des Buches "Technik des Sichtbetons" berücksichtigt die Inhalte der aktuellen, vor wenigen Wochen erschienen Neufassung des DBV/VDZ-Merkblatts "Sichtbeton". Auch in dieser Ausgabe des Fachbuchs werden die Fachgruppen der Planung und der Ausführung von Sichtbetonflächen in getrennten Kapiteln angesprochen. Das Kapitel zur Nachbesserung wurde, dem Stand der Technik entsprechend, erheblich erweitert.

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Technik des Sichtbetons

Planung und Ausführung von Sichtbetonflächen

Impressum

Herausgeber:

InformationsZentrum Beton GmbH Steinhof 39, 40699 Erkrathwww.beton.org

Autoren:

Martin Peck Diethelm Bosold Thomas Bose

Gesamtproduktion:

© by Verlag Bau+Technik GmbH, Steinhof 39, 40699 Erkrath, 2016www.verlagbt.de

VLB-Meldung

Peck, Martin / Bosold, Diethelm / Bose, Thomas:Technik des Sichtbetons

Planung und Ausführung von Sichtbetonflächen

2. überarbeitete Auflage

Erkrath: Verlag Bau+Technik GmbH, 2016

ISBN 978-3-7640-0545-0eISBN 978-3-7640-0718-8

Technik desSichtbetons

Planung und Ausführungvon Sichtbetonflächen

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Anwendungshinweise

1Planung von Sichtbetonflächen

1.1Regelwerkshintergrund

1.2Aufgaben und Verantwortlichkeiten

1.3Techniken der Flächengestaltung

1.3.1Gestaltung durch die Schalungshaut

1.3.2Oberflächenbearbeitungen

1.3.3Farbliche Gestaltung

1.4Planungshilfen

1.4.1Begriffe

1.4.2Sichtbetonklassen und Bauteilbeispiele

1.4.3Einzelkriterien

1.4.4Schalungshautklassen

1.5Ausschreibung und Bauvertrag

1.5.1Ausschreibung, Vertragsgestaltung und Vergabe

1.5.2Ausschreibung besonderer Flächenmerkmale

1.5.3Sichtbetonflächen an Betonfertigteilen

1.5.4Leistungsabgrenzungen

1.6Weitere Hinweise

1.6.1Schalungsmusterplan

1.6.2Untersichten

1.6.3Einzeldetails

1.7Nachbesserung

1.8Ausführungsqualität und Baustellensteuerung

1.9Bemessung der Bauzeit

2Ausführung von Sichtbetonflächen

2.1Sichtbeton und Baubetrieb

2.1.1Ortbeton

2.1.2Sichtbetonflächen an Fertigteilen

2.1.3Nachträgliche mechanische Bearbeitung

2.1.4Qualität herstellen und erhalten

2.1.4.1 Steifigkeit und Dichtigkeit der Schalung
2.1.4.2 Niederschlagswasser
2.1.4.3 Verfärbungen vermeiden

2.2Schalungsart und Schalungshaut

2.2.1Schalungsart

2.2.1.1 Trägerschalung
2.2.1.2 Rahmenschalung
2.2.1.3 Rahmenschalung mit aufgedoppelter Schalungshaut

2.2.2Schalungshaut

2.2.2.1 Filmbeschichtete Holzwerkstoffplatten
2.2.2.2 Bretter – sägerau oder gehobelt
2.2.2.3 Span- oder OSB-Platten
2.2.2.4 Vollkunststoffplatten
2.2.2.5 Stahlschalungen
2.2.2.6 Schalungsmatrizen

2.3Schalungsdetails

2.3.1Herstellung gebrochener Bauteilkanten

2.3.2Herstellung scharfer Bauteilkanten

2.3.2.1 Einfluss der Schalungsart
2.3.2.2 Zuschnitt der Schalungshaut
2.3.2.3 Abdichten von Schalungshautstößen
2.3.2.4 Schutz von scharfen Kanten
2.3.2.5 Sicherheitsaspekte

2.3.3Abdichtung der Schalung

2.3.4Arbeits- und Bewegungsfugen

2.3.4.1 Arbeitsfugen
2.3.4.2 Senkrechte Arbeitsfugen
2.3.4.3 Waagerechte Arbeitsfugen
2.3.4.4 Bewegungsfugen

2.3.5Verschluss von Ankerstellen

2.3.5.1 Aufbau einer Ankerstelle
2.3.5.2 Materialien der Einbauteile
2.3.5.3 Verschlussvariationen

2.4Trennmittel

2.5Bewehrung

2.5.1Deckenuntersichten

2.6Betonarbeiten

2.6.1Arbeitsorganisation und Sichtbetonteam

2.6.2Betoneinbau

2.6.3Betonkonsistenz und Fließmitteleinsatz

2.6.4Betonzusammensetzung

2.6.4.1 Gesteinskörnungen
2.6.4.2 Zemente

2.7Ausschalfristen

2.8Nachbehandlung

2.9Ausbildung nicht geschalter Teilflächen

2.9.1Ortbeton

2.9.2Fertigteile

2.10Schutz fertiger Flächen in der Bauzeit

3Farbgebung von Sichtbeton

3.1Farbgebung durch die Zementart

3.2Farbgebung durch die Gesteinskörnung

3.3Farbgebung durch Pigmente

3.4Farbgebung durch Lasuren

4Beurteilung

4.1Allgemeines

4.2Abweichung und Mangel

4.3Beurteilungsgrundsätze

4.4Betonalter und Betrachtungsabstände

5Nachbesserung und Mängelbeseitigung

5.1Allgemeines

5.2Hinweise zum praktischen Vorgehen

5.3Schleifreinigung

5.4Nachbesserung durch einen betonkosmetischen Fachbetrieb

5.5Bearbeitung häufiger Mängel

5.5.1Allgemeines

5.5.2Ausblühungen

5.5.3Bleistiftverschmutzungen

5.5.4Rostfahnen und Rostflecken

5.5.5Fehlstellen an Schalungsfugen und Kanten, Kiesnester

5.5.6Fehlstellen mit freiliegender Bewehrung

5.5.7Risse in Sichtbetonbauteilen

5.5.7.1 Beurteilung von Rissen
5.5.7.2 Nachträgliches Schließen von Rissen

6Langzeitschutz und Konservierung

Literatur

Bild: Peri GmbH

Vorwort

Nach der intensiven Entwicklung des Bauens mit Beton und zementgebundenen Baustoffen im 19. Jahrhundert hat sich die Architektur der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts das gestalterische Potenzial des Bauens mit Beton und Stahlbeton mit großer schöpferischer Kraft zu Eigen gemacht. Neben der konstruktiven Struktur gewann die Betonfläche im Gestaltungskonzept zunehmend an Bedeutung. Architekten wie Le Corbusier, Ludwig Mies van der Rohe oder Louis I. Kahn ließen entstehende Betonflächen bewusst sichtbar und integrierten die Darstellung des Baustoffs und der handwerklichen Spuren seiner Verarbeitung in ihre architektonischen Konzepte. Das Planen und Bauen mit Sichtbeton ist bis heute von ungebrochener Aktualität. Kein Baustoff wird konstruktiv und gestalterisch in gleicher Vielfalt eingesetzt wie Beton.

Die möglichen Ausprägungen von Ansichtsflächen aus Beton sind der Variabilität der Betonbauweise entsprechend vielfältig. Betonoberflächen lassen sich durch die Schalungshaut strukturieren, manuell oder maschinell bearbeiten oder auf andere Weise gestalten. Die große Bandbreite der gestalterischen Möglichkeiten dokumentiert die Vielzahl an Experimenten, Entwicklungen und Gestaltungstrends der jüngeren Baugeschichte.

In den Anfängen des bewussten Sichtbarlassens von Betonoberflächen zeigten die Betonbauteile aufgrund der damaligen Schal- und Betontechnik meist sehr raue Flächen mit relativ starken Unebenheiten, Flächenversätzen und mit den groben Texturen der sägerauen oder gehobelten Schalbretter. Das Aussehen vor allem dieser Flächen wurde in dieser frühen Phase entdeckt und angenommen, aber kaum gesteuert, denn Baustoff und Bauverfahren erlaubten wenig Einflussnahme auf das Aussehen der fertigen Flächen.

In der technischen Entwicklung seit etwa 1920 wandelte sich die Betontechnik zu einem Bereich der Ingenieurwissenschaften mit sicherheitsorientierten Bemessungsansätzen und damit zu einer sicheren und dauerhaften Bauweise. Die Fortschritte in Betontechnologie, Betonherstellung und Schalungsbau blieben nicht ohne Einfluss auf die Gestaltung der Flächen. Während im Ursprung des Sichtbetons das Baustoffliche im Vordergrund stand, wurde das Aussehen der Sichtbetonflächen nun zunehmend durch die Beschaffenheit der Schalungshaut und die handwerklichen Einflüsse der Bauverfahren variiert, später zusätzlich durch Methoden der Weiterbearbeitung. Dies erweiterte die Palette möglicher Variationen, verlangte allerdings auch Auswahl und Beschreibung.

Die jeweils bevorzugten Oberflächenmerkmale richten sich nach architektonischen Trends und haben sich über die Zeiten immer wieder geändert. Im nationalen Konsens ist der Begriff Sichtbeton Synonym für eine glatte Betonoberfläche, die üblicherweise in Ortbetonbauweise mit einer ebenfalls glatten, nicht oder schwach saugenden Schalung hergestellt wird. Diese Flächenausprägung rührt aus einer im Ursprung allein baubetrieblich motivierten Entwicklung der Schalungs- und Schalungshauttechnik in den Jahren nach 1960. Das damalige Aufkommen der beschichteten Sperrholzplatten zur wirtschaftlichen Bewältigung großflächiger Schalaufgaben mit vielfachen Schalungshauteinsätzen ergab die Grundmerkmale des glatten Sichtbetons. Namhafte Architekten wie z. B. Stephan Braunfels, Axel Schultes und Tadao Ando haben diese Art Sichtbetonflächen in ihren Gestaltungen meisterhaft kultiviert und brachten der Bauweise einen erheblichen Imagesprung. Die bis in die 1970er Jahre hinein auch für Hochbauten noch häufig gewählten Flächenmerkmale aus mehr oder weniger stark saugender, gehobelter oder sägerauer Brettschalung wurde rasch als „gestrig“ empfunden und verschwand bald nahezu völlig aus der Planung. In den letzten zwei Dekaden des letzten Jahrhunderts war der glatte Sichtbeton mit Schalungshautfugen und Ankerlöchern als maßgebende Strukturmerkmale die Sichtbetonfläche der Wahl. Sie ist im Ortbetonbau bis heute die „Standardfläche“ des Bauens mit Sichtbeton.

Aus der Entwicklung des glatten Sichtbetons resultierte bei den Architekten und den Bauherren der Wunsch (und beim Ausführenden die Pflicht) zu möglichst makellosen Ansichtsflächen. Makellosigkeit ist aber gerade bei der Herstellung glatten Sichtbetons schwer zu leisten, da der Einsatz einer glatten, nicht saugenden Schalung die entstehenden Oberflächen empfindlich macht gegen geringste baubetriebliche und materialtechnische Einflüsse und eine Reihe von Abweichungen geradezu bedingt bzw. unterstützt. Bis heute gilt die Forderung einer glatten Sichtbetonfläche mit hochwertigen Flächenmerkmalen als technisch anspruchsvolle Bauaufgabe.

Neben der gezielten Lenkung der Flächenmerkmale über Schalungshaut und Baubetrieb bestand international weiterhin ein zeitloser Grundtrend weniger gesteuerter, stofflich dominierter Sichtbetonflächen, der jedoch in Deutschland weitgehend unbeachtet blieb. Aktuell scheint aber auch die deutsche Architektur die Varianz der Flächenausprägungen von Sichtbetonflächen wieder zu erweitern. Nach einer langen Zeit des fast monokulturellen Bauens glatter, möglichst makelloser Flächen mit Ankerlöchern und Schalungshautfugen als strukturelle Hauptmerkmale gibt es derzeit eine erkennbare Hinwendung zu einer „neuen Vielfalt“, in welcher die gesamte technische Breite möglicher Flächengestaltungen in die Wahrnehmung gerät. Damit ist offensichtlich eine Trendwende eingeleitet, die sich mit jedem gebauten Beispiel festigt. Mehrfach sind Anlehnungen z. B. an die Sichtbetontradition der Schweiz zu erkennen, in welcher sich neben der Gestaltung der Oberfläche eines Bauteils viele Variationen des (bau)stofflichen Ausdrucks von sichtbaren Betonflächen erhalten haben.

Das Bauen mit Sichtbeton gewinnt bei Architekten und Bauherren auch heute noch zunehmende Verbreitung und Akzeptanz. In den letzten zehn Jahren ist die Planung von Sichtbetonflächen immer häufiger in verschiedensten Gebäuden wie Schulen, Kirchen, Bibliotheken, Banken, Verwaltungen etc. zu beobachten. Der glatte Sichtbeton ist im Gestaltungsalltag der Baukultur angekommen.

Anwendungshinweise

Die nachfolgenden Sachkapitel sind bewusst getrennt in Inhalte, welche den Planer, also den Architekten und den Tragwerksplaner betreffen (Kapitel 1), und solche, welche die Ausführung von Sichtbetonflächen behandeln (Kapitel 2).

Neben den Kapiteln zur Planung und Ausführung werden im Kapitel 3 die Möglichkeiten vorgestellt, Betonflächen farblich zu gestalten.

Das Kapitel 4 behandelt einige Grundsätze und Hinweise zur Beurteilung fertiger Flächen.

Im Kapitel 5 werden die Möglichkeiten des Umgangs mit abweichenden Flächen und deren Nachbesserung behandelt. Vor allem die sogenannte betonkosmetische Bearbeitung von Abweichungen durch qualifizierte Fachbetriebe steht derzeit im besonderen Interesse der Beteiligten. Hierzu hat sich der Stand der Technik (und vor allem der Möglichkeiten) in den letzten Jahren erheblich verändert und erweitert, sodass die verfügbaren Verfahren und deren qualitatives Potenzial aktuell vielleicht noch nicht allen beteiligten Fachgruppen geläufig sind.

In Zuge der Entwicklung der kosmetischen Nachbesserung von Sichtbetonflächen sind auch neue Möglichkeiten des Schutzes und der Konservierung von z. B. witterungsempfindlichen Flächenausprägungen entstanden, die in Kapitel 6 erläutert werden.

Hinsichtlich der Realisierung besonderer Flächenmerkmale, wie z. B. Oberflächenbearbeitungen, gibt es technische Aspekte zu den Herstellverfahren, die für die Planung und für die Ausführung in gleicher Weise zutreffend sind. Redaktionelle Doppelungen in den Kapiteln 1 und 2 sind zielgruppengerecht und gewollt.

Bild: LRO Lederer Ragnarsdóttir Oei, Stuttgart

1 Planung von Sichtbetonflächen

1.1 Regelwerkshintergrund

Die Hauptregelwerke des Betonbaus, das sind zunächst die europäischen und nationalen Normen, haben sich im Jahr 2012 erneut verändert. Hierbei handelt es sich glücklicherweise jedoch weniger um inhaltliche, sondern vor allem um strukturelle Neuregelungen im Zuge der weiteren Europäisierung der Bauregeln. Die Struktur der Normung folgt auch in Zukunft der Verantwortungsteilung zwischen den einzelnen, an der Realisierung eines Bauauftrags beteiligten Fachgruppen. Im Unterschied zu den bisherigen Regelungen gilt fortan für alle Normbereiche die Trennung in eine europäische Leitnorm und eine nationale Präzisierung durch ein sogenanntes Nationales Anwendungsdokument (NAD). Das NAD wurde aus der ursprünglichen deutschen Hauptnorm entwickelt und trägt im Allgemeinen noch die DIN-Nummer als Restbezeichnung. Nach den Verantwortungsbereichen der beteiligten Fachgruppen zeigt sich die aktuelle Normenstruktur wie folgt:

1. Planung/BemessungEuropäische Leitnorm: DIN EN 1992, Eurocode 2: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und SpannbetontragwerkenNationale Norm: DIN EN 1992 NA[1.01]

2. Baustoff BetonEuropäische Leitnorm: DIN EN 206-1, Beton – Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität[1.02]Nationale Norm: DIN 1045-2, NAD zu DIN EN 206-1[1.03]

3. BauausführungEuropäische Leitnorm: DIN EN 13670, Ausführung von Tragwerken aus Beton[1.04]Nationale Norm: DIN 1045-3, NAD zu DIN 13670[1.05]

Diese Hauptnormen des Betonbaus sind wesentlicher Bestandteil der Umsetzung des nationalen Sicherheitssystems in detaillierte Bauregeln. Für Betonbauteile im Geltungsbereich dieser Normen gelten sie immer – brauchen und können also bauvertraglich weder vereinbart noch ausgeschlossen werden.

Da das Bauordnungsrecht vor allem die unmittelbaren öffentlichen Sicherheitsbelange betrifft (Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung), fallen üblicherweise auch nur statisch tragende Bauteile zwingend unter die Regelungen der vorgenannten Normen. In den bauordnungsrechtlich relevanten Regelwerken sind auch Dauerhaftigkeitskriterien enthalten, die nicht dem unmittelbaren Schutz von Leib und Leben, sondern der langfristigen Sicherung der Bausubstanz dienen.

Sichtbetonbauteile können im Einzelfall und im strengen Sinne der Regelungen auch nicht in den Geltungsbereich dieser bauaufsichtlichen Hauptregelwerke des Betonbaus fallen, werden aber auch in solchen Fällen üblicherweise nach, oder in weitestgehender Anlehnung an diese Normen geplant und hergestellt.

Da der praktische Umgang mit „doppelten“ Regelwerken für den Baustoff Beton umständlich ist, werden die vorgenannten europäischen Leitnormen und deren NAD zu einem Vorschriftspapier verwoben. Bisher erschienen ist der DIN-Fachbericht 100 Beton – Zusammenstellung von DIN EN 206-1 und DIN 1045-2[1.06]. Für die Regelwerke der Planung und der Bauausführung werden ähnliche Zusammenstellungen vorbereitet und sind in Kürze verfügbar. Hierdurch entstehen kompakte Gesamtregelwerke, die im Baualltag das rasche Auffinden und unmissverständliche Verstehen der Norminhalte erleichtern.

Ergänzend und erläuternd zu den vorgenannten Normen gibt es Erläuterungshefte und Richtlinien des Deutschen Ausschuss für Stahlbeton (DAfStb). Das Heft 600 des DAfStb [1.07] enthält Erläuterungen zum Gesamtnormenwerk des EC 2. Die Normen zum Baustoff Beton und zur Bauausführung werden im DAfStb-Heft 526 [1.08] gemeinsam erläutert. Die Inhalte dieser Erläuterungen sind für die Umsetzung der Normregeln ähnlich bindend zu verstehen, wie die Normen selbst.

Ebenfalls Normcharakter haben die Richtlinien des Deutschen Ausschuss für Stahlbeton (DAfStb). Sie sind eigenständige Regelwerke und lehnen sich im inhaltlichen Aufbau an die Normstrukturen an. Die DAfStb-Richtlinien regeln besondere Betonbauweisen oder den Betonbau unter außergewöhnlichen Anforderungen, soweit diese in den Hauptnormen nicht hinreichend erfasst sind. Die Richtlinien basieren üblicherweise auf den Vorgaben der Hauptnormen und sind inhaltlich mit diesen abgestimmt. Einige dieser Richtlinien sind bauordnungsrechtlich eingeführt.

Bild 1.01: Bundeskanzleramt Berlin, Axel Schultes Architekten, Berlin (Bild: Verlag Bau+Technik)

Außer diesem zentralen technischen Normwerk des Bauens mit Beton- und Stahlbeton gibt es weitere Regelungen, deren Geltungsbereiche vertragsrechtlicher oder bautechnischer Art sein können. Da sind vor allem die Regelungen der sogenannten Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB), die vor allem für die Planung, die Vergabe und die Ausführung von Bauleistungen öffentlicher Auftraggeber erstellt wurden und für diese bindend sind. Die VOB besteht aus drei Teilen mit unterschiedlichen Regelungsbereichen und -inhalten:

› Die VOB, Teil A, Allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Bauleistungen[1.09]

› Die VOB, Teil B, Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen[1.10] und die

› VOB, Teil C, Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV), gelten im formalrechtlichen Sinne nach AGB-Gesetz als die Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Bauvertrages mit den Regelwerken

› DIN 18299, (ATV) Allgemeine Regelungen für Bauarbeiten jeder Art[1.11] und deren Präzisierung auf den Betonbau durch

› DIN 18331, (ATV) Betonarbeiten[1.12]

Die VOB sind jedoch keine technischen Regelwerke und nur bei der Realisierung öffentlicher Bauaufgaben als rechtliche Rahmenregel zwingend vorgegeben. Allerdings sind die Vorgaben der VOB für die Planung, die Vertragsgestaltung die Ausführung von Sichtbetonarbeiten strukturell besonders geeignet, da sie eine sinnvolle Verantwortungsabgrenzung zwischen Planung und Ausführung einführen und unterstützen.

Wo aber ist der Sichtbeton geregelt? Die vorgenannten Normen und Regelwerke befassen sich vornehmlich mit den technischen Belangen des Betonbaus. Der Sichtbeton, oder das Aussehen von Betonflächen, sind zwar in einigen Einlassungen mit erwähnt, jedoch gibt es in deutschen Normen keine strengen, normähnlichen Regelungen zur Planung oder Ausführung von Sichtbetonbauteilen.

Immerhin liefert DIN 18217 Betonflächen und Schalungsbau von 12/1981 [1.13] aus heutiger Sicht eine Art „Urdefinition“ des Sichtbetons: diese Norm erklärt Sichtbeton als Betonflächen mit Anforderungen an das Aussehen. Wirklich hilfreich ist eine derartige Definition allerdings nicht. Die Norm ist in der letzten Fassung mehr als ein Vierteljahrhundert alt und, zumindest was den Sichtbeton betrifft, im Grunde unbedeutend. Die Rücknahme dieser Norm wird derzeit vorbereitet.

Die Merkmale einer Betonfläche in Art einer allgemeingültigen Vorschrift zu regeln ist schwierig: Sichtbeton ist nahezu nie ein exakt beschreibbares Gestaltungsziel, sondern beruht ursächlich auf den individuellen gestalterischen Vorstellungen des planenden Architekten oder des Bauherrn. Guter Sichtbeton ist stets Sichtbeton, der gefällt, und zwar vor allem dem Besteller, also dem Gestalter (Architekt) und natürlich dem Bauherrn. „Gefallen“ aber ist ausgesprochen subjektiv und bauliche Gestaltung ist immer ein Gesamtkonzept aus Flächen, Strukturen, Farben und Materialien. Unter den Gegebenheiten des jeweiligen konzeptionellen Kontextes kann eine grobe, stofflich dominierte Oberfläche mit deutlichen handwerklichen Spuren ebenso ein strenges Gestaltungsziel sein wie der beim klassischen glatten Sichtbeton übliche Anspruch maximaler Makellosigkeit. Sichtbeton braucht also keine Normung, sondern Sprachregelungen und Begriffsdefinitionen, welche die Kommunikation zwischen dem Planer und dem Ausführenden unterstützen und den Beteiligten die gestalterische Vorstellung und ihre technische Umsetzung mit möglichst großer Klarheit erläutern.

Bild 1.02: Bibliothek Königgrätz (CZ) (Bild: Peri GmbH)

Der Deutsche Beton- und Bautechnikverein und die beratenden Organe der Zement- und Betonindustrie haben aus diesem Grunde bereits 1997 das bekannte Merkblatt Sichtbeton [1.14] erarbeitet und veröffentlicht. Wegen eines fortgeschrittenen Erkenntnisstands und angesichts einer veränderten Rechts- und Sachlage wurde das Merkblatt mit der Auflage 2004 überarbeitet und grundlegend neu gefasst. Hierbei wurde vor allem auf eine stärkere Unterstützung der Planung Wert gelegt. Im September 2015 ist die stark überarbeitete Neuauflage des Merkblatts erschienen. Die Neuauflage nimmt die Erkenntnisse der mehr als zehn Jahre der Anwendung des Merksblatts auf und markiert den Stand der Erkenntnisse zur Planung, Ausführung und Beurteilung von Ansichtsflächen aus Beton im fachlichen Konsens der beratenden Organisationen. Das Merkblatt Sichtbeton ist, ohne den strengen Regelungscharakter einer Norm, heute ein national anerkanntes Regelwerk der Sichtbetontechnik im Ortbetonbau. Parallel zum Merkblatt Sichtbeton hat auch die Fachvereinigung Betonfertigteilbau ähnliche Regeln für architektonische Flächen an Betonfertigteilen eingeführt [1.15; 1.16]. Diese Merkblätter sind inhaltlich kürzer gefasst, da die Fertigteiltechnik aufgrund der besonderen Herstellungsumstände naturgemäß nicht die technische Regelungstiefe des Ortbetonbaus erfordert.

1.2 Aufgaben und Verantwortlichkeiten

Hinsichtlich der Planung von Betonbauwerken ist zunächst generell festzustellen, was der richtige Planungsinhalt ist, also „wie viel“ der Planer planen sollte und vor allem: was nicht in seinen Verantwortungsbereich fällt. Diese Abgrenzung zwischen den originären Pflichten der Planung und denen der Ausführung fällt vor allem den Planenden in der Praxis häufig schwer und führt oft zu unklaren Verantwortlichkeiten, die den Planer belasten und den Ausführenden in seiner Arbeitsplanung erheblich beschränken können.

Die Verantwortung des Planers ist, das Leistungssoll hinreichend und vollständig zu beschreiben, ohne jedoch den Ausführenden in der freien Wahl der Bauverfahren und -materialien sowie in seiner Innovativität einzuschränken.

Die Verantwortungsabgrenzung zwischen Planung und Ausführung kann als »Ziel-Weg-System« betrachtet werden. Aufgabe des Planenden ist es, die bauvertragliche Zielsetzung in allgemeingültiger Fachsprache, also in der Begrifflichkeit der zutreffenden technischen Regelwerke zu formulieren. Der Ausführende übernimmt mit der Verantwortung für die Erfüllung der Bauaufgabe den Auftrag, unter den geltenden Bedingungen seinen wirtschaftlichen und technisch geeigneten Weg zur Realisierung der planerischen Zielsetzung zu wählen bzw. zu entwickeln (es gibt immer mehrere Wege). Hierzu setzt er seine fachliche Qualifikation und Erfahrung ein. Die weitgehende Freiheit der Wahl von Material und Verfahren ist für den Ausführenden die Motivation zu innovativem Handeln und darf deshalb möglichst wenig eingeschränkt werden.

Werden bereits in der Ausschreibung und im nachfolgenden Bauvertrag Ziel und Weg vermischt, ist es meist schwierig, diese Unschärfen im praktischen Alltag der Ausführung und der planerseitigen Bauleitung zu bewältigen.

In der Praxis bedeutet dies, dass der Architekt in Ausschreibung und Bauvertrag prinzipiell das gewünschte Flächenergebnis beschreibt, und nicht, wie es herzustellen ist. Das baubetriebliche Vorgehen des Ausführenden ist nicht Gegenstand und Belang der Planung. Leider findet man in Bauverträgen zur Herstellung von Sichtbetonbauteilen oft Eingriffe in diesen Verantwortungsbereich des Ausführenden, so z. B.:

Bild 1.03: Mercedes-Benz-Museum (Bild: Peri GmbH)

› Beschränkungen bzw. Vorgaben zur Betonzusammensetzung (Zementgehalt, Zementart, w/z-Wert, Wassergehalt, Einsatz von Zusatzmitteln bzw. Zusatzstoffen, Kornaufbau der Gesteinskörnung etc.)

› Vorgaben zum Vorgehen beim Fördern und Verarbeiten des Betons

› Vorgaben zur Nachbehandlung (nicht Nachbearbeitung) des Betons

› Sonstige Vorgaben bzw. Beschränkungen des Baubetriebs

Derartige Übergriffe in den Verantwortungsund Innovationsbereich des Ausführenden sind meist durch die im Grunde wohlmeinende Absicht des Planers motiviert, den nach eigener Meinung richtigen Weg zum Ziel vertraglich vorzugeben und die Qualität der Flächen durch baubetriebliche Auflagen abzusichern.

Die Zusammenstellung solcher vertraglichen Forderungen zum baubetrieblichen Vorgehen fußt im Allgemeinen jedoch nicht auf vertieften baubetrieblichen Kenntnissen, sondern entstammt meist einer Chronologie früherer Bauverträge und erscheint bei genauer Prüfung oft technisch inkohärent und „zusammengewürfelt“. Im Ergebnis ergibt sich aus solchen vertraglichen Forderungen zum baubetrieblichen Vorgehen meist kein Weg zum Ziel.

Da der Planer mit diesen Forderungen in den Verantwortungsbereich des Ausführenden eingreift, fällt ihm nachfolgend zumindest auch eine Teilverantwortung zu für den Fall, dass das vertraglich vorgeschriebene Vorgehen nicht den gewünschten Erfolg zeigt.

Die vertragsgemäße Beschreibung der Leistung Sichtbeton beschränkt sich z. B. bei einem glatten Sichtbeton im Allgemeinen auf die Beschreibung der geforderten Flächenmerkmale (Sichtbetonklasse, glatt, mit nicht oder schwach saugender Schalung hergestellt), die Beschreibung der Flächenstruktur (Schalungsmusterplan) und auf einige zusätzlich Forderungen hinsichtlich der Farbtönung der Flächen.

Allerdings gibt es Fälle, in denen die fachsprachlich richtige und genaue Bezeichnung eines Gestaltungsziels üblicherweise (und am besten) über die Nennung baubetrieblicher Verfahren geschieht (z. B. Stocken, Waschbeton, Säuern etc.). Dies sollte jedoch auf Situationen und Vorgänge beschränkt werden, in denen diese Verfahren eindeutig feststehen, fachlich richtig ausgedrückt und zum Erreichen des Gestaltungsziels (oder zu dessen Preisfindung) erforderlich und geeignet sind.

Mit Abschluss des Vertrages „schuldet“ der Ausführende die vereinbarte Beschaffenheit der Sichtbetonflächen und dies umfasst selbstverständlich die Verpflichtung zur Auswahl eines geeigneten Betons, zur fachgerechten Planung eines zielführenden baubetrieblichen Vorgehens und zur Beachtung der für den allgemeinen Beton- und Stahlbetonbau geltenden Regeln der Technik.

Diese baubetriebliche Planung des Ausführenden (Baustoffe, Schalung und Schalungshaut, technische Verfahren) definiert ihre Eignung allein über das entstehende Flächenergebnis: entspricht dies den vertraglichen Vorgaben, war das baubetriebliche Vorgehen richtig, verfehlen die Flächen die vertraglichen Forderungen, hat der Ausführende die Materialien (Schalung, Schalungshaut, Beton) und/oder seine technischen Verfahren zu optimieren, bis die vertragliche Qualität erreicht ist. Erfolg oder Misserfolg des baubetrieblichen Vorgehens definieren sich allein über die Erfüllung der vertraglich geforderten Flächenbeschaffenheit und liegen allein in der Verantwortung des Ausführenden.

Bild 1.04: Stampfbeton, Waldfriedhof Landsberg am Lech (Bild: Flex)

Es wird klar, dass diese Verantwortungsteilung unscharf wird, wenn Architekt oder Tragwerksplaner übermäßig in die baubetriebliche Planung eingreifen, da bei einem Misserfolg im Allgemeinen nicht mehr analysierbar ist, ob die baubetrieblichen Vorgaben des Vertrages oder die praktischen Ergänzungen des Ausführenden den Misserfolg verursacht haben – wen also welche Verantwortung letztlich betrifft.

Der technische Handlungsspielraum und damit die Verantwortung des Ausführenden sind in der inhaltlichen Struktur des Merkblatts Sichtbeton und in der VOB C, Allgemeine Technische Vertragsbedingungen, DIN 18331 Betonarbeiten, beschrieben:

› In DIN 18331 [1.12], Pkt. 3.2, Herstellen des Betons heißt es: „Es bleibt dem Auftragnehmer überlassen, wie er den Beton zur Erreichung der geforderten Eigenschaften herstellt, mischt verarbeitet und nachbehandelt.“

› In DIN 18331, Pkt. 3.3, Schalung und Betonflächen heißt es: „Die Wahl der Schalung nach Art und Ausführung bleibt dem Auftragnehmer überlassen.“

Bild 1.05: Ziel/Weg-Trennung Aufgaben- und Verantwortungsteilung bei der Realisierung von Sichtbetonbauwerken

Diese Regelungen gelten auch für die Ausführung von Sichtbetonbauteilen und zeigen die vertraglich einzuhaltende Trennung der Verantwortungsbereiche von Planung und Ausführung. Im Kapitel 1.4Ausschreibung und Bauvertrag wird vertieft auf die Umsetzung dieser Verantwortungsteilung eingegangen.

1.3 Techniken der Flächengestaltung

Auf dem Weg zur Entscheidung einer Flächengestaltung ist sehr früh zwischen der Ortbeton- und der Fertigteilbauweise zu entscheiden.

In der Ortbetonbauweise wird häufig das inzwischen klassische Flächenzitat einer glatten, betongrauen und möglichst makellosen Betonflächen geplant und gebaut. Diese Bauteilflächen werden typischerweise mit einer nicht oder schwach saugenden Schalungshaut hergestellt. Die Hauptgestaltungsmerkmale sind meist orthogonal systematisierte Schalungshautfugen und geordnet platzierte Ankerlöcher. Aufgrund der immer erkennbaren baubetrieblichen Einflüsse des Ortbetonbaus zeigen solche Betonflächen herstellungsbedingt stets eine gewisse Varianz und „Tiefe“ der Farbtönung und der Feintextur und sind dadurch von individuellem Aussehen. Allerdings können glatte Betonflächen, vor allem solche mit besonders makellosen Oberflächen, auch an Betonfertigteilen hergestellt werden. Betonfertigteilflächen können im Gegensatz zu Ortbetonflächen erheblich vielfältigere Arten der Flächentextur und -gestaltung erhalten. Sie sind frei von den sichtbaren baubetrieblichen Spuren des Ortbetonbaus und die einzelnen Bauteile haben maximale Einzelabmessungen, die vor allem durch Herstellung und Transport begrenzt sind. Die Fertigteilflächen im oder am Gebäude zeigen deshalb stets eine relativ große Mindestanzahl sichtbarer und gestalterisch zu adaptierender Fugen.

In den nachstehenden Erläuterungen zu den Möglichkeiten der Flächengestaltung wird jeweils auf die mögliche oder günstige Herstellungsart eingegangen.

1.3.1 Gestaltung durch die Schalungshaut

Die Gestaltung einer Sichtbetonfläche durch die Schalungshaut ist der übliche und typische Fall in der aktuellen und der historischen Sichtbetontechnik. Der plastisch-flüssige Frischbeton erhärtet in der Schalung und die Oberflächen des Bauteils zeigen das texturelle Negativ der Schalungshautoberfläche.

Die nachstehend behandelten Arten von Sichtbetonschalungen (Brettschalungen, Holzplattenschalungen etc.) können in verschiedenen Techniken als Aufdoppelung auf einer Spar- oder Rahmenschalung verarbeitet werden. Die Planung sollte eindeutig entscheiden, ob die jeweiligen Befestigungsmittel (Schrauben, Nägel u. Ä.) im Flächenbild des Betons sichtbar bleiben sollen oder nicht. Letzteres ist im Allgemeinen nur durch eine erheblich aufwendigere, rückwärtige Verschraubung der Schalungshaut zu erreichen. Hierzu sollte möglichst eine gesonderte Leistungsposition vorgesehen werden, alternativ kann diese Arbeit auch einer geeigneten Hauptposition zugeschlagen werden, was jedoch in den entsprechenden Leistungstexten eindeutig erkennbar sein muss.

Bild 1.06: Gestockte Innenflächen, HFF München, Peter Böhm (Bild: BetonBild)

Bild 1.07: Sichtbetongestaltung als Ortbetonbauweise, Galileo Oberpfaffenhofen, Axel Schultes (Bild: Peri GmbH)

Brettschalung

Die sogenannte Brettschalung ist die älteste Art des Formenbaus in der Betontechnik. Sie arbeitet mit natürlichen Holzoberflächen: unbehandelte Nadelholzbretter, die im Allgemeinen nur wenige Schalungseinsätze aushalten.

Die ersten Schalungen wurden aus ungespundeten, sägerau hergestellten Brettern in unregelmäßigen Brettbreiten von Zimmerern zusammengebaut. Die Bretter wurden verwendet wie geliefert oder gelagert: neue Bretter neben gebrauchten, feuchte Bretter neben trockeneren, oft wurden auch mehrere Holzarten nebeneinander verbaut. Diese Schalungen waren aufgrund der vielen, ungespundeten Brettfugen und dem unterschiedlichen Trocknungszustand und -verhalten sehr undicht, was bei den damals eingesetzten, erdfeuchten Stampfbetonen letztlich ohne sichtbaren Effekt blieb. Die potenziell stark saugenden Schalhäute aus rohem Holz erzeugten an der Betonoberfläche die ihnen eigene raue Oberflächentextur, verhinderten aber Ausblutungen und die Bildung von Poren an der Bauteiloberfläche sehr zuverlässig, da oberflächennahe Luft- und Wasserblasen in das Holz eingesogen wurden. Der grobe Schalungsbau ergab keine exakten Kanten, erforderte aber z. B. auch kaum Dreikantleisten oder ähnliche Maßnahmen zur Kantenausbildung.

Bild 1.08: Sägeraue Brettschalung (Bild: Peri GmbH)

Der Start der „Moderne“ im Betonbau kam etwa in den 1960er Jahren. Das Wissen um Baustoff und Bautechnik vervielfachte sich in kürzester Zeit. Die gleichzeitige rasante Entwicklung der Baumaschinen- und Bauverfahrenstechnik unterstützte und erforderte die Verarbeitung von Betonen mit plastisch-flüssigen Konsistenzen. Diese Betone und Einbauverfahren erforderten aber dichtere Schalungen mit exakteren Abmessungen. Es wurden zunehmend gespundete Bretter zum Schalungsbau eingesetzt. Der Einsatz von Schalölen als Konservierungs- und Trennmittel ermöglichte bei glatteren Brettoberflächen den häufigeren Einsatz der Schalungshaut. Es war wirtschaftlicher, die Nadelholzbretter zu hobeln und zu größeren Schalelementen zusammen zu bauen, die mehrfach und ohne Zwischendemontage eingesetzt und von leistungsfähigen Kränen versetzt wurden. Aus der ungespundeten, sägerauen Brettschalung wurde die gespundete, gehobelte Brettschalung, die in einigen Teilbereichen der Architektur und der Bautechnik (z. B. Brückenbau) bis heute aktuell ist.

Bild 1.09: Gehobelte Brettschalung (Bild: Peri GmbH)

Zur Herstellung von Sichtbetonflächen mit Brettschalung ist entsprechende Erfahrung im handwerklichen Umgang mit den Schalmaterialien und deren Wechselwirkung mit frischem Beton erforderlich. Die spezifischen Kenntnisse beim Bau und bei der Verwendung von Brettschalung sind jedoch am Markt und aus der Ausbildung der einschlägigen Bauberufe weitgehend verschwunden. Bei der Planung sollte die Herstellung hochwertiger Sichtbetonflächen mit Brettschalung deshalb als Bauaufgabe besonderer Schwierigkeit betrachtet werden. Zumindest sollte der Ausführende entsprechende baubetriebliche Erfahrungen nachweisen können. In jedem Falle sollten die gewünschten Flächenergebnisse zunächst an Probebauteilen geübt und entwickelt werden.

Baubetrieblich sind beim Einsatz einer Brettschalung u. a. folgende Punkte zu beachten:

› Im Ersteinsatz muss eine neue Schalungshaut mit Zementleim oder Beton vorgealtert werden, da manche Holzinhaltsstoffe auf den frischen Beton erhärtungsstörend wirken und an der Betonfläche waschbetonartige Flächenbilder und Fehlstellen erzeugen können. Anstatt der aufwendigen Vorbehandlung mit Zementleim oder Beton kann auch ein zweimaliges Aufsprühen 3- bis 5%iger Natronlauge mit mehrstündiger Zwischentrocknung genügen (Erprobung – Arbeitsschutz beachten!).

› Beim Erstkontakt mit Frischbeton wird nicht nur Wasser, sondern der Zementleim (Wasser + Zement + feinste Gesteinskörnung) in das Porensystem des Holzes eingesogen. Der Zementleim erhärtet im oberflächennahen Porensystem des Holzes und verbleibt dort. Dies verändert das Saugverhalten des Porensystems von Einsatz zu Einsatz.

› Wechselnde Feuchtezustände in Schalungshölzern können Quellen und Schwinden und damit erhebliche Verformungen bewirken. So können sich z. B. Brettfugen von zu feucht verbauten Schalbrettern bei nachfolgender Trocknung öffnen und undicht werden. Eine zu trocken montierte Schalung kann sich beim Kontakt mit dem frischen Beton durch Quellen verwerfen.

Aus diesen Gründen ergibt sich bei Schalhäuten aus unbehandeltem Holz oft erst beim zweiten oder dritten Einsatz ein einigermaßen konstantes Flächenbild, dass sich aber dennoch bei den folgenden Einsätzen zumindest in der Helligkeit des Farbtons weiter verändern kann, da das saugende Verhalten der Schalungshaut prinzipiell erhalten bleibt.

Glatte Schalung