Technologie im Gespräch 2017. Discussing Technology 2017 -  - E-Book

Technologie im Gespräch 2017. Discussing Technology 2017 E-Book

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Beschreibung

Leben im Zeichen des digitalen Wandels Jahrbuch anlässlich der Alpbacher Technologiegespräche 2017. Wir befinden uns in einer Umbruchszeit zwischen industrieller und digitaler Revolution. Kein Stein wird auf dem anderen bleiben, sämtliche Lebens- und Arbeitsbereiche werden davon berührt und verändert. Die neuen Heraus­forderungen, die von Algorithmen, Big Data, künst­licher Intelligenz, maschinellem Lernen und Robotern aufgeworfen werden, lassen sich nicht mit Rückgriffen in die Vergangenheit lösen. In dieser Publikation berichten namhafte Expertinnen und Experten über den Status quo in ihren Fachbe­reichen – von Robotik über Blockchain-Technologie und das Bildungswesen bis hin zu Sozial- und Rechtswissenschaften – und skizzieren Lösungsansätze für die nächsten Jahre. Dabei wird deutlich, dass es eine völlig falsche Re­aktion wäre, Angst vor dem digitalen Wandel zu haben, denn dieser eröffnet auch große Möglichkeiten und Chancen: Digitalisierung ist ein zentraler Schlüssel für wirtschaftliche Prosperität und kann bei der Lösung der "Grand Challenges" helfen. Um das zu schaffen, benötigen wir neue Ideen, neue Zugänge und Innovationen – sowohl in technologischer als auch in sozialer Hinsicht.

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Technologie im Gespräch 2017

Discussing Technology 2017

Einleitung

Introduction

Gesellschaft

Society

Meilensteine der Digitalisierung

Milestones of digitisation

Dirk Helbing

»Wir können in eine bessere Welt schreiten«

Dirk Helbing

“We can stride towards a better world”

Ökonomie

Economy

Andreas Kugi

Roboter & Co: Ein neues Zeitalter der industriellen Automatisierung

Andreas Kugi

Robots & Co.: the new age of industrial automation

Martin Kugler

Die vielen Gesichter der »Industrie 4.0«

Martin Kugler

The many faces of the “Industry 4.0”

Martin Kugler

»Pilotfabrik Industrie 4.0«: Wo die Zukunft geprobt wird

Martin Kugler

“Pilot Plant Industry 4.0”: rehearsing for the future

Technologie

Technology

Manfred Tscheligi

Digitale Kontexte der Zukunft: Erfahrung als wesentlicher Innovationstreiber

Manfred Tscheligi

Digital contexts of the future: experience as a key driver for innovation

Martin Kugler

Blockchain: Eine Technologie für alle Fälle?

Martin Kugler

Blockchain: an all-purpose technology?

Digitales Leben

Digital Life

Martin Kugler

Dekarbonisierung durch Digitalisierung

Martin Kugler

Decarbonisation through digitisation

Helmut Leopold

Cybersicherheit – eine Grundlage für unsere gesellschaftliche Entwicklung

Helmut Leopold

Cyber security – a foundation for our societal development

Mensch

Humans

Christiane Spiel

Bildung in einer digitalisierten Welt

Christiane Spiel

Education in a digitalised world

Jörg Flecker

»Soziale Prozesse sind die Ursachen der Veränderungen«

Jörg Flecker

“Social processes are the cause of changes”

Martin Kugler

Arbeitswelt 4.0 – Wie sich Jobs und Arbeitsabläufe verändern

Martin Kugler

Working World 4.0 – How jobs and workflows are changing

Politik

Politics

Martin Kugler

Die Politik ist in ungeheuer vielen Bereichen gefordert

Martin Kugler

Policy needs to address an enormous number of areas

Die 10 größten Hindernisse der Digitalisierung

The 10 biggest obstacles to digitisation

Digitalisierungsgrad im EU-Vergleich

Degree of digitisation in the EU

Erich Schweighofer

Rechtsfragen der Robotik

Erich Schweighofer

Legal issues in robotics

Kunst

Art

Christoph Thun-Hohenstein

Vernunft und Gefühl im digitalen Zeitalter: Wachen wir auf und handeln wir!

Christoph Thun-Hohenstein

Sense and sensibility in the digital age: let us wake up and take action!

Fachbegriffsregister

Glossary of terms

Alpbacher Technologiegespräche

Alpbach Technology Symposium

Impressum

Imprint

Einleitung

Hannes Androsch

Leben im Zeichen des Wandels

Wir befinden uns in einer Umbruchszeit zwischen industrieller und digitaler Revolution. Kein Stein wird auf dem anderen bleiben, sämtliche Lebens- und Arbeitsbereiche werden davon berührt und verändert. Die neuen Probleme lassen sich nicht mit Rückgriff auf die Vergangenheit lösen. Angst vor dem digitalen Wandel zu haben, wäre allerdings die falsche Reaktion, denn es eröffnen sich auch große Möglichkeiten und Chancen: Die Digitalisierung ist der Schlüssel für wirtschaftliche Prosperität und kann bei der Lösung der »Grand Challenges« helfen. Notwendig dafür sind neue Ideen, neue Denkansätze und Innovationen – sowohl technologischer als auch sozialer Art.

Wir leben in einer Zeit des wirtschaftlichen, demografischen, technologischen und sozialen Wandels, in der sich neue Lebens-, Kultur- und Konsumformen herausbilden. Es ist eine Zeit rasanter Veränderungen, eine Zeit der Umwälzungen und Umbrüche. Es ist zugleich eine Zeit der Ungewissheiten und Unsicherheiten, damit auch eine Zeit von Besorgnis und Ängsten, insgesamt eine Epochenwende, eine Sattelzeit. Die Globalisierung erreicht offenbar ein neues Stadium, die Menschheit wächst, der Wohlstand breiter Schichten steigt, wir benötigen immer mehr Energie und Rohstoffe und hinterlassen immer mehr Abfälle. Wir verändern die Erde bereits so stark, dass viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler davon sprechen, dass wir in einem neuen Zeitalter, dem »Anthropozän«, leben. Künftige Geologinnen und Geologen werden die Relikte der gegenwärtigen Epoche problemlos wiederfinden können – zum Beispiel den radioaktiven Fallout der Atombombentests, allgegenwärtige Mikroplastikpartikel oder das Massenaussterben von Pflanzen- und Tierarten. Durch den steigenden CO2-Gehalt der Atmosphäre verändern wir nicht nur das Weltklima, sondern sogar die Art und Weise, wie Gesteine verwittern. Es ist eine Zeit der Dekarbonisierung, das heißt, des Abschiedes vom fossilen Zeitalter, ebenso eine Zeit weitreichender geoökonomischer wie geopolitischer Bedeutungsverschiebungen und ebenso demografischer Strukturänderungen.

Diese Situation ist zu einem großen Teil die Folge der Industriellen Revolutionen. Brachte der erste Entwicklungsschub Ende des 18. Jahrhunderts die Erfindung der Dampfmaschine und die Entwicklung der Eisenbahn, so wurde im späten 19. Jahrhundert die zweite Industrielle Revolution durch die Entdeckung und Nutzbarmachung der Elektrizität und des Verbrennungsmotors sowie in der Folge der Automation und des Fließbandes ausgelöst. Ein dritter Entwicklungsschub war die Entwicklung des Computers und der Einsatz von Elektronik zur weiteren Automatisierung.

Nun gibt es erneut einen einschneidenden Wandel: Wir befinden uns in einer Umbruchszeit zwischen industrieller und digitaler Revolution. Auf Basis von Internet der Dinge, immer leistungsfähigeren Sensoren, Big Data, Algorithmen, künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen geht es nun in Richtung cyber-physikalische Systeme. Ergänzt werden diese Entwicklungen durch Fortschritte in den Bereichen neue Materialien, Nanotechnologie, Quantencomputer und Gensequenzierung sowie deren Vernetzung. Diese neue Revolution, deren Zeugen wir gerade sind, wird einen tiefgreifenden Wandel nicht nur unserer Produktionsund Wirtschaftssysteme, sondern auch unserer Gesellschaftsstrukturen mit sich bringen. Kein Stein wird auf dem anderen bleiben, sämtliche Lebens- und Arbeitsbereiche werden davon berührt und verändert.

Umbrüche erfordern große Anpassungsleistungen

Der digitale Wandel eröffnet große Möglichkeiten und Chancen. Er ist der Schlüssel für wirtschaftliche Prosperität: Damit wir unseren breiten Wohlstand auch in Zukunft aufrechterhalten können, braucht es eine Verbesserung der Leistungsstärke und Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft. Zudem ist die Digitalisierung eine Chance zur Lösung der »Grand Challenges« – etwa die wachsende Zahl der Menschen ernähren zu können, die Folgen der demografischen Alterung zu bewältigen oder die zunehmende Belastung von Natur und Umwelt zu reduzieren. Grundlegende Umwälzungen sind aber immer auch mit Gefahren und Risiken verbunden. Die Veränderungen lösen wie alle einschneidenden Wandlungsprozesse auch Ängste aus – vor allem dann, wenn es an Perspektiven und Orientierung zur Gestaltung der Zukunft und damit an Halt fehlt. Insgesamt ist es eine Zeit gewaltiger Herausforderungen.

Diese Umbrüche erfordern von uns große Anpassungsleistungen. Der Fortschritt kommt, und er kommt auf globaler Ebene – ungeachtet dessen, ob er jeder und jedem willkommen ist oder nicht. Nicht der Rückgriff auf vergangene Lösungen ist gefragt, notwendig sind vielmehr neue Ideen, neue Denkansätze und Innovationen sowohl technologischer als auch sozialer Art. Innovationen sind der Schlüssel für die Tür in die Zukunft und deren Bewältigung. Die Innovationsdynamik auf lokaler und auf globaler Ebene wird entscheiden, welche Position ein Land im digitalen Zeitalter einnehmen wird. Als Land hat man nur zwei Möglichkeiten: Entweder man ist vorne dabei – oder man ist hinten weg.

Angst vor dem digitalen Wandel zu haben, wäre jedenfalls die falsche Reaktion. Roboter und künstliche Intelligenz sind im Grunde nichts anderes als eine Weiterentwicklung von Maschinen. Früher wurde Muskelkraft durch Maschinenkraft ergänzt bzw. ersetzt. Künstliche Intelligenz ist nun das für die Geisteskraft, was die Maschinenkraft für die Muskelkraft war: eine Ergänzung und eine Anreicherung unserer kognitiven Fähigkeiten.

Die Veränderungen, die mit dem technologischen Wandel einhergehen, lassen sich gut am Beispiel der Landwirtschaft illustrieren: Beim Heumachen waren früher 15 Leute beschäftigt, heute macht das eine Person mit einem Traktor. Wir haben aber trotzdem nicht weniger Beschäftigte als früher – allerdings nicht in der Landwirtschaft. Dass es in Zukunft wegen der Digitalisierung weniger Arbeit geben wird, ist durch nichts erwiesen. Es wird aber eine andere Arbeit sein, nämlich eine höherqualifizierte Arbeit – plakativ ausgedrückt: intelligente statt harter Arbeit. Ackerbauer oder Milchbäuerin zu sein ist heute schon etwas anderes, als es früher war: Eine Landwirtin oder ein Landwirt muss heute technologisch hoch gebildet sein – sie bzw. er betreibt »Smart Farming«.

Fokus auf Bildung und Forschung

In der Geschichte wurden durch Innovationen immer auch Bildungsrevolutionen notwendig. Das ist auch jetzt so: Die neuen Umstände erfordern eine andere Art von Bildung, Ausbildung, Qualifikation – und auch mehr Flexibilität. Die früheren Lebensjobs als Buchdrucker, Schweißer oder Werkzeugmacher gibt es schon heute nicht mehr. Auch andere Jobs werden wegfallen – es gibt auch keine »Tramwayschienenritzenkratzer« mehr, wie sie in einem Wiener Lied aus den 1910er-Jahren besungen wurden. Aber es entstehen laufend neue Jobs. Es ist Aufgabe des Bildungswesens, die Menschen auf diese Veränderungen vorzubereiten und sie zu befähigen, die Veränderungsprozesse aktiv mitzugestalten. Entscheidende Punkte dabei sind auch, innovationsfreundlicher zu werden und interdisziplinärer zu denken und zu handeln.

Die Digitalisierung wirft auch zahlreiche neue Fragen hinsichtlich Ethik, Sicherheit oder Haftung auf. Der Umgang mit dem digitalen Wandel erfordert daher nicht nur Kenntnisse in Naturwissenschaft und Technik, sondern muss auch viele andere Disziplinen wie etwa Kultur- und Geisteswissenschaften oder Jurisprudenz berücksichtigen. Zentrale Probleme sind beispielsweise Cybersicherheit und Cyberkriminalität, sind ethische und soziale Fragen im Zusammenhang mit Robotern oder die Neugestaltung von globalen Zuliefer- und Wertschöpfungsketten.

Innovationen benötigen neue Ideen, die häufig aus Forschung und Entwicklung entstehen. Diese Bereiche müssen daher noch stärker als bisher gefördert werden. In Österreich haben wir insbesondere im Bereich der Grundlagenforschung großen Handlungsbedarf. Noch wichtiger ist es allerdings, dass das dafür nötige Humankapital zur Verfügung steht: dass es Menschen gibt mit Ideen, mit Neugierde, mit Forschungssehnsucht und der nötigen Konsequenz, den Dingen nach- und auf den Grund zu gehen. Bei einer zeitgemäßen Bildung hinken wir aber weit zurück – und das wird mit jedem Tag gravierender. Bei der Finanzierung der Universitäten liegt Österreich (mit 1,17 Prozent des BIP) weit hinter Deutschland und der Schweiz zurück (1,69 bzw. 1,74 Prozent). Zudem funktioniert die Umsetzung von Ideen und Forschungsergebnissen in marktfähige Innovationen nicht gut: Bei den Forschungsausgaben liegt Österreich im Spitzenfeld, in Innovationsrankings hingegen bestenfalls im Mittelfeld. Jährlich gehen 8.000 der klügsten Köpfe in andere Teile der Welt, weil sie hier keine adäquaten Möglichkeiten zur Entfaltung vorfinden. Österreich ist Unternehmens-feindlich und Unterlassungs-freundlich, statt Veränderungsbereitschaft leidet das Land unter Veränderungsunwilligkeit, -blockade und -ablehnung.

Dringend erforderlich ist daher eine Neuausrichtung des gesamten Bildungswesens vom vorschulischen Bereich über das Lehrlingswesen bis hin zum universitären Bereich. Gleichzeitig bedarf es einer digitalen Agenda, um die Chancen, die der digitale Wandel bietet, auch wirklich nutzen zu können.

Fahrplan durch die Welt der Digitalisierung

In diesem Jahrbuch, das anlässlich der Alpbacher Technologiegespräche 2017 erscheint, wird der Versuch unternommen, den Stand der Diskussion über das Thema »Digitalisierung« darzustellen und aktuelle Entwicklungen zu beschreiben. Im Zentrum stehen dabei Fragestellungen, um die es aus jetziger Sicht in nächster Zukunft gehen wird. Dabei handelt es sich bewusst um eine Momentaufnahme – denn wie der Entwicklungsprozess im Einzelnen ablaufen wird, ist heute noch unklar. Wir wissen nicht, was in 20 oder in 30 Jahren sein wird. Wir haben auch vor 15 Jahren nicht gewusst, dass das Smartphone den Globus erobert und mehr Computerleistung hat als früher große Rechenzentren, wie sie etwa für die Apollo-Mondmission gebaut wurden. 1899 meinte der Leiter des US-Patentamtes, Charles H. Duell, dass alles, was man erfinden könne, bereits erfunden sei. Das war doch ein wenig voreilig.

Um den Status quo in der Debatte über den digitalen Wandel festzuhalten, wurde eine Reihe namhafter Expertinnen und Experten gebeten, ihre Sicht der Dinge darzulegen – zum einen in Form von Fachaufsätzen, zum anderen in Form von Interviews. Ergänzt werden diese Expertenberichte durch einige Kapitel, in denen die wichtigsten Studien und Diskussionen des abgelaufenen Jahres zusammengefasst werden.

Im Einleitungskapitel betont der deutsche Physiker und Soziologe Dirk Helbing (ETH Zürich), dass die Digitalisierung alle Bereiche des Gesellschafts- und Wirtschaftssystems komplett auf den Kopf stellen wird. Er warnt eindringlich davor, dass diese Technologien zum Aufbau eines »Feudalismus 4.0« missbraucht werden könnten. Er entwirft eine Vision, wie man mithilfe der neuen technischen Möglichkeiten eine bessere Gesellschaft, ein resilienteres Wirtschaftssystem und eine neue Art von Demokratie aufbauen könnte.

Wozu Roboter heute schon in der Lage sind – und wozu (noch) nicht –, beschreibt Andreas Kugi (TU Wien und AIT – Austrian Institute of Technology) in seinem Beitrag. Aktuelles Forschungsziel ist die Transformation des Roboters von einer starren, hoch spezialisierten Arbeitsmaschine hin zu einem flexiblen und adaptiven Werkzeug mit spezialisierten kognitiven Fähigkeiten.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD – Organisation for Economic Cooperation and Development) stellt in ihrem in mehrjähriger Arbeit erstellten Bericht The Next Production Revolution unmissverständlich klar, dass die Digitalisierung hochgradig disruptiv ist. Die Technologie könne aber auf vielfältige Weise die Produktivität steigern – und zwar in Kombination mit anderen neuen Entwicklungen in den Bereichen Bio- und Nanotechnologie, 3D-Druck und neue Materialien.

Wie moderne Produktionstechnologien zusammenspielen und wie »Industrie 4.0« in der Praxis funktioniert, wird unter anderem in einer Pilotfabrik, die derzeit von der TU Wien aufgebaut wird, systematisch untersucht.

Über die künftige Art, wie Mensch und Maschine inter-agieren, zerbricht sich Manfred Tscheligi (Universität Salzburg und AIT) den Kopf. Ausgehend von der Erkenntnis, dass wir Technologien nicht nur nutzen, sondern mit ihnen leben, werden die emotionalen, intellektuellen und sensorischen Erfahrungen beim Umgang mit Technologien sowie der Kontext, in dem diese genutzt werden, erforscht. Diese Faktoren sind wesentlich dafür, ob und wie bestimmte Technologien von den Menschen angenommen werden.

Als Beispiel für eine einzelne Technologie, die das Potenzial hat, eine Vielzahl von Wirtschaftsfaktoren völlig auf den Kopf zu stellen, wird die Blockchain-Technologie näher thematisiert. Transaktionen aller Art können künftig dezentral, sicher und zu äußerst niedrigen Kosten direkt von einem Sender zu einem Empfänger abgeschlossen werden. Die umstrittene Kryptowährung Bitcoin ist dabei erst der Anfang. Nach dem Finanzbereich könnten auch der Versicherungssektor, die Energiewirtschaft oder der Kreativbereich auf neue Beine gestellt werden.

»Smarte« Welt und die Zukunft der Arbeit

Digitale Technologien spielen auch eine Hauptrolle, wenn es darum geht, unser Wirtschaftssystem zu dekarbonisieren, den ökologischen Fußabdruck des Menschen zu senken und die Welt nachhaltiger zu machen. Durch Datenanalyse und Kommunikation können etwa der Energie- und der Mobilitätsbereich sowie die Stadtplanung wesentlich »smarter« werden. Auch in der Landwirtschaft oder im Produktionssektor gibt es große Potenziale, um mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen effizienter umzugehen.

Die Sicherheit von digitalen Systemen ist längst kein reines IT-Problem mehr, sondern eine Grundlage für unsere gesellschaftliche Entwicklung, betont Helmut Leopold (AIT). Die Gefahr von Cyberangriffen wächst stetig und wegen der zunehmenden Vernetzung sind immer mehr Bereiche massiv bedroht. Daher müssten die Prioritäten in Unternehmen und in der Gesellschaft neu gesetzt werden und Sicherheitskonzepte von Anfang an in neue Systeme integriert werden.

Zentrale Bedeutung für die Bewältigung des digitalen Wandels hat das Bildungssystem. Christiane Spiel (Universität Wien) formuliert als wichtiges Ziel, den Lernenden »will and skill to learn« zu vermitteln: also zum einen Lernmotivation und Interesse für Neues, zum anderen aber auch Kompetenzen für selbstorganisiertes und selbstreguliertes Lernen. Ergänzend zur Vermittlung von »Digital Skills« sind überdies Kritikfähigkeit und vor allem soziale Kompetenzen nötiger denn je.

Der Soziologe Jörg Flecker (Universität Wien) betont, dass Technologien keinerlei Automatismus innewohne, wie die künftige Entwicklung verlaufen wird. Vielmehr seien soziale Prozesse die Ursache für Veränderungen – erst diese bewirkten, dass Technologien als Mittel eingesetzt werden, um bestimmte Ziele zu erreichen. Flecker vermisst dabei eine breite Diskussion über die Ziele, die eine Gesellschaft verfolgen will; stattdessen werde ausschließlich über die Folgen von neuen Technologien diskutiert, kritisiert er.

Die vielzitierte »Arbeitswelt 4.0« wird anders aussehen als die heutige. Allerdings haben sich Berufsbilder schon immer verändert: Mit jeder neuen Technologie sind Jobs verschwunden, aber auch neue Jobs entstanden. Alle derzeit häufig zitierten Prognosen, wie viele Arbeitsplätze durch die Digitalisierung wegfallen werden, sind mit sehr großen Unsicherheiten behaftet. In Deutschland und der Schweiz wurden bereits große Diskussionsprozesse gestartet, in welchen Bereichen der Arbeitswelt Anpassungsbedarf an die Digitalisierung besteht – in Österreich ist das bisher nicht geschehen.

Politik tut derzeit zu wenig

Die Politik ist durch den digitalen Wandel in sehr viel mehr Bereichen gefordert, als man auf den ersten Blick annehmen würde: Neben Technologie-, Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik gibt es auch in Bereichen wie Wettbewerbs-, Struktur- und Regionalpolitik oder dem Patentwesen Anpassungsbedarf, betont die OECD. Eingefordert wird insbesondere ein interdisziplinärer und langfristiger Blick auf die relevanten Themen. Derzeit geschehe jedenfalls zu wenig, um die Potenziale der Digitalisierung ausschöpfen zu können, so die OECD.

Gefordert sind auch die Rechtswissenschaften, wenn es zum Beispiel darum geht, die juristische Stellung von autonomen Robotern wie etwa selbstfahrenden Automobilen zu definieren. Das ist unter anderem für Haftungsfragen wesentlich. Erich Schweighofer (Universität Wien) argumentiert, dass das heutige Privatrecht an sich ausreichend sei, um unerwünschte Technikfolgen durch Roboter zu vermeiden. Allerdings plädiert er dafür, mittelfristig eine maschinelle Rechtspersönlichkeit einzuführen, weil dadurch die Zurechnung von Willenserklärung und Fehlverhalten einfacher werde.

Mit dem Verhältnis zwischen Vernunft und Gefühl im digitalen Zeitalter befasst sich Christoph Thun-Hohenstein (Museum für angewandte Kunst Wien). Ausgehend von der Beobachtung, dass sich die Grenzen zwischen Mensch und digitalen Maschinen zunehmend auflösen, werden aus einer künstlerischen Perspektive heraus »prohumane Roboter-Gesetze« formuliert. In einem Bildteil werden künstlerische Interventionen aus der heurigen VIENNA BIENNALE zum Thema »Roboter« gezeigt.

Hannes Androsch war von 1970 bis 1981 Bundesminister für Finanzen, ab 1976 zudem Vizekanzler von Österreich. Nach dem Ausscheiden aus der Politik war er bis 1988 Generaldirektor der Creditanstalt-Bankverein, danach baute er eine industrielle Beteiligungsgruppe auf. Neben zahlreichen weiteren Ämtern ist er seit 2007 Vorsitzender des Aufsichtsrates des AIT – Austrian Institute of Technology und seit 2010 Vorsitzender des RFTE – Rat für Forschung und Technologieentwicklung. 2011 war er Initiator des »Volksbegehren Bildungsinitiative«.

Introduction

Hannes Androsch

Living in times of change

We are living in times of change, between the industrial and the digital revolution. Nothing will remain the way it was, and all areas of life and work will be touched and changed by it. The new problems cannot be solved by reverting to the past. But to be afraid of digital change would be the wrong response, because at the same time, it also creates enormous possibilities and opportunities: digitisation is the key to economic prosperity and can help in solving the “grand challenges”. What we need in order to achieve this are new ideas, new approaches and innovations – both technological and social.

We live in a time of economic, demographic, technological and social change in the course of which new ways of life, cultures and forms of consumption are emerging. It is a time of rapid change, a time of upheavals and radical transformation. But it is also a time of uncertainty and insecurity and therefore also a time of concerns and fears, the onset of a new era, a period of transition. Globalisation seems to be reaching a new stage, humanity is growing, the prosperity of broad sections of the population is rising, and we need more and more energy and raw materials, while leaving behind more and more waste. Already, we are changing our world to such a degree that according to many scientists, we are now living in a new era, the “Anthropocene”. Future geologists will have no trouble finding the remains of our current era, such as the radioactive fallout from the atomic bomb tests, the ubiquitous micro-plastic particles or the mass extinction of plant and animal species. By increasing the CO2 levels in our atmosphere, we are not only changing the world’s climate, but even the way in which rocks weather. It is a time of decarbonisation, the end of the fossil fuel era. But also a time of far-reaching geo-economic and geopolitical shifts in significance, as well as structural demographic change.

To a large extent, this situation is the result of the industrial revolution. While the first burst of developments at the end of the 18th century brought about the invention of the steam engine and the development of the railway, the second industrial revolution towards the end of the 19th century resulted in the development and exploitation of electricity and the internal combustion engine, soon followed by automation and assembly lines. The development of the computer and the use of electronics for further automation set off a third wave of innovation.

Now, we find ourselves facing a radical transformation once again: We are living in times of change, between the industrial and the digital revolution. Based on the Internet of Things, more and more powerful sensors, big data, algorithms, artificial intelligence and machine learning, we are now heading directly towards cyber-physical systems. These developments are complemented by advances in areas such as new materials, nano-technology, quantum computers and gene sequencing, as well as their increasing interconnectedness. This new revolution which we are currently witnessing will entail profound changes not only in our manufacturing and economic systems, but also in our social structures. Nothing will remain the way it was, and all areas of life and work will be touched and changed by it.

Radical changes require considerable efforts to adapt

The digital revolution creates enormous possibilities and opportunities. It is the key to economic prosperity: if we want to maintain our widespread prosperity in the future, we will need to improve both the performance capacity and the competitiveness of our economy. In addition to this, digitisation offers an opportunity to solve the “grand challenges” – how to feed a growing number of people, how to handle the consequences of demographic aging, or how to reduce the increasing burden on nature and the environment, to name but a few. But fundamental changes also always go hand in hand with dangers and risks. Because just like any radical change, such a transformation causes fear – in particular if we lack perspectives and orientation on how to shape the future. The result is that we miss a sense of support. Overall, this is a time of enormous challenges.

These radical changes will require considerable efforts on our behalf to adapt. Progress is coming, and it is coming on a global scale – regardless of whether we welcome it or not. The new problems cannot be solved by reverting to the past. Instead, we need new ideas, new approaches and innovations – both technological and social. Innovations are the key to unlocking and mastering the future. Innovation dynamics on both local and global levels will determine a country’s position in the digital age. As a country, you have only two options: either you are one of the frontrunners – or you will fall behind.

In any case, being afraid of digital change would be the wrong response. In essence, robots and artificial intelligence are nothing more than the next step in the development of machines. In earlier times, pure muscle power was either supplemented or replaced by machine power. Artificial intelligence is now doing the same for mental power as machines did for muscle power: it complements and enriches our cognitive abilities.

The changes which go hand in hand with technological progress are perfectly illustrated by the agricultural sector. Before, haymaking was a job for 15 people – now a single person with a tractor can easily handle the task alone. Yet, we don’t have less people working nowadays than before – they just no longer work in the agricultural sector. There is nothing that reliably indicates that in the future there will be less work because of digitisation. But it will be a different kind of work, requiring a higher degree of skill. To put it in a nutshell: we will have more intelligent work instead of hard work. Being a crop or dairy farmer today is very different from the way it used to be. Nowadays, farmers must be technologically skilled, as they need to be able to do “smart farming”.

A focus on education and research

In the course of history, innovations have always necessitated educational revolutions. The same thing applies today: the new circumstances require a different kind of education, training, and qualification – and also more flexibility. Former life-time jobs such as book printer, welder or tool maker no longer exist. Other jobs will also cease to exist – just as there are no longer any “tramway track cleaners”, which feature so prominently in a Viennese song from the 1910s. But new jobs are constantly being created. It is up to the education system to prepare people for these changes and to empower them to actively participate in change processes. Crucial aspects also include becoming more innovation-friendly, as well as thinking and acting in a more interdisciplinary manner.

Digitisation furthermore raises many new questions regarding ethics, security and liability. Dealing with digital change therefore not only requires knowledge in science and technology, but must also take many other disciplines into account, such as cultural sciences, the humanities or jurisprudence. Core issues include, among other things, cyber security and cybercrime, ethical and social issues related to robots, or even the redesign of global supply and value chains.

Innovation requires new ideas, and these arise frequently from research and development. These areas therefore need to be promoted and fostered even more than in the past. In Austria, there is a particularly pressing need for action in the area of basic research. An even more important aspect, however, is the availability of the necessary human capital: that there are people with ideas, with curiosity, with an investigative drive and the necessary persistence to pursue new investigations and to truly advance the state of the art. In terms of contemporary education, however, we are lagging far behind – and this situation is becoming more and more serious with every day that passes. When it comes to university financing, Austria (with 1.17 percent of GDP) is far behind Germany and Switzerland (with 1.69 and 1.74 percent, respectively). Furthermore, the implementation of ideas and research results to create marketable innovations does not work well: in terms of research expenditure, Austria is among the leaders; in innovation rankings, however, our country finds itself somewhere in the middle at best. Year after year, 8000 of our brightest minds move to different parts of the world, because they cannot find adequate opportunities to develop their potential at home. Austria is company-hostile and inaction-friendly; instead of being willing to change, the country approaches change with unwillingness, blockades and rejection.

A complete realignment of the entire education system is therefore urgently needed, spanning everything from pre-school initiatives to the apprentice system and all the way to university education. At the same time, we need a digital agenda which allows us to truly make the most of the opportunities presented by the digital revolution.

A roadmap for the world of digitisation

This yearbook, which is published on the occasion of the Alpbach Technology Symposium 2017, aims at presenting the current state of the debate on the subject of “digitisation”, while at the same time describing the latest developments. It centres on the core issues which will – from today’s perspective – become most relevant in the near future. It is consciously designed to be a snapshot, as it is still unclear as to what exactly the concrete development path will look like. We do not know what will be in 20 or 30 years, just as 15 years ago we had no idea that smartphones would conquer the globe, offering more computing power than large data centres of the past, such as the ones built for the Apollo moon mission. Back in 1899, the head of the U.S. Patent Office Charles H. Duell famously stated that everything that could be invented had already been invented. That turned out to be a little premature.

In order to capture the status quo of the debate on digital change, a number of renowned experts were asked to outline their view of the issues – both in the form of scientific papers and through interviews. These expert reports are supplemented by several chapters summarising the most important studies and debates of the past year.

In the introductory chapter, the German physicist and sociologist Dirk Helbing (ETH Zurich) outlines how digitisation will completely revolutionize all areas of our social and economic system. He urgently warns that these technologies could potentially be misused to establish a “Feudalism 4.0”. He develops a vision on how the new technical possibilities could be used to create a better society, a more resilient economic system and a new kind of democracy.

Andreas Kugi (Technical University of Vienna and AIT – Austrian Institute of Technology AIT) outlines what exactly robots are already capable of today – and what not (yet). The current research goal is to transform the robot from a rigid, highly specialised work machine into a flexible and adaptive tool with specialised cognitive abilities.

In its report The Next Production Revolution, the result of several years of work, the Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD) states in no uncertain terms that digitisation is highly disruptive. It comes to the conclusion that technology can enhance productivity in many different ways – not least in combination with other new developments areas such as bio- and nanotechnology, 3D printing and new materials.

How modern production technologies interact and how “Industry 4.0” works in practice is, among other things, being investigated in a pilot plant currently being established by the Technical University of Vienna.

Manfred Tscheligi (University of Salzburg and AIT) wonders how man and machine will interact in the future. Based on the insight that we not only use technologies, but also live with them, he explores the emotional, intellectual and sensory experiences we make when dealing with technologies, as well as the context in which they are used. These factors play a crucial role as to whether and how certain technologies are accepted by the people.

As an example for a single technology which has the potential to completely revolutionise a number of economic factors, a closer look is taken at blockchain technology. In the future, it will be possible to carry out transactions directly between a sender and a recipient in a decentralised, secure and cost-effective manner. In this respect, the controversial cryptocurrency Bitcoin is only the beginning. After the financial sector, other areas such as insurance, energy or the creative sector could become subject to a complete reorganisation.

A “smart” world and the future of work

Digital technologies also play a major role when it comes to decarbonising our economic system, to reducing the environmental footprint of humans and to making the world more sustainable. Data analysis and communication, for example, offer opportunities to make areas such as energy, mobility and even urban planning much “smarter”. The agricultural as well as the manufacturing sector offer enormous potential for a more efficient use of the available resources.

The security of digital systems can no longer be considered a pure IT problem. According to Helmut Leopold (AIT), it must rather be seen as the underlying basis for our social development. The danger of cyber-attacks is constantly growing, and due to increasing interconnectedness, more and more areas are severely threatened. That is why companies as well as society as a whole need to realign their priorities and integrate security concepts into new systems right from the outset.

The education system is of crucial importance when it comes to handling digital change. According to Christiane Spiel (University of Vienna), an important goal is to provide learners with the “will and skill to learn”, i. e. with the motivation to learn as well as interest in new things on the one hand, but also competence for self-organised and self-regulated learning on the other. In addition to the development of “digital skills”, she furthermore considers critical faculties and, above all, social skills to be more important than ever.

The sociologist Jörg Flecker (University of Vienna) stresses that technologies include no inherent automatism as to how the future development will occur. Instead, he sees social processes as the cause for any type of change – only these can have the effect that technologies are used as means to achieve certain goals. What Flecker misses is a broad discussion on the goals a society wants to pursue. Instead, he criticises, the discussions centre solely on the consequences of new technologies.

The frequently cited “Working World 4.0” will look different from what we know today. But professions and job profiles have always undergone changes: every new technology has eliminated jobs, but at the same time also created new ones. All of the frequently cited forecasts as to how many jobs will ultimately disappear because of digitisation are subject to considerable uncertainties. Germany and Switzerland have already initiated major discussion processes about the areas of the working world where an adaptation to digitisation will be necessary. In Austria, such an initiative is still pending.

Policy is currently not doing enough

Digital change is creating challenges for policy in many more areas than one might assume at first glance. Apart from technology, education and labour market policy, there is also, according to the OECD, a need for adaption in areas such as competition, structural and regional policy, as well as the patent system. In particular, the organisation calls for an interdisciplinary and long-term view of the relevant issues. According to the OECD, the current efforts to exploit the full potential of digitisation are far from sufficient.

Jurisprudence is also facing new challenges, for example when it comes to defining the legal position of autonomous robots such as self-driving cars – a factor that is relevant for liability issues, among other things. Erich Schweighofer (University of Vienna) argues that current private law in itself is sufficient to avoid unwanted technological consequences caused by robots. In the medium term, however, he advocates introducing a machine-based legal personality which would facilitate the attribution of declarations of intent and misconduct.

Christoph Thun-Hohenstein (Museum of Applied Arts in Vienna) takes a closer look at the relationship of reason and emotion in the digital age. Based on the observation that the boundaries between man and digital machines are dissolving, he assumes an artistic perspective to formulate “pro-human robot laws”. An image section shows artistic interventions on the subject of “Robots” from this year’s VIENNA BIENNALE.

From 1970 to 1981, Hannes Androsch was the Federal Minister of Finance, and from 1976 onwards also the Vice Chancellor of Austria. After retiring from his political career, he served as Director General of Creditanstalt-Bankverein until 1988, before going on to establish an industrial investment group. In addition to many further functions, he has served as the Chairman of the Supervisory Board of the AIT – Austrian Institute of Technology AIT since 2007 and as the Chairman of the Council for Research and Technological Development (RFTE) since 2010. In 2011, he initiated the “Referendum Education Initiative”.

Gesellschaft

Society

Meilensteine der Digitalisierung

1990

Die kommerzielle Phase des Internets beginnt

Die Universität Wien wird als erster österreichischer Knoten ans Internet angeschlossen

1992

Die erste digitale Kurznachricht (SMS) wird verschickt

1994

Im Neuen Institutsgebäude (NIG) der Universität Wien wird ein Raum mit 18 PC-Arbeitsplätzen und 2 PCs eingerichtet

1995

Das erste Smartphone (»Simon«) kommt auf den Markt

Amazon verkauft das erste Buch auf seiner Plattform

eBay startet als erste Plattform für Internet-Auktionen

Internet-Pakete für Geschäfts- und Privatkunden sind erhältlich

1996

Das Geburtsjahr von Google

1997

Help.gv.at und RIS (Rechtsinformationssystem) gehen online

Start von Online-Banking

1998

Das Gründungsjahr des Online-Bezahlsystems PayPal

2000

Das Datenschutzgesetz tritt in Kraft

2001

Das erste frei lizensierte Lexikon Wikipedia wird gelauncht

Das E-Commerce-Gesetz tritt in Kraft

2002

Das Zentrale Melderegister geht online

2003

Skype, ein kostenloser Instant-Messaging-Dienst, wird eingeführt

Start von FinanzOnline

2004

Das soziale Netzwerk Facebook wird veröffentlicht

Über 50 % der Österreicherinnen und Österreicher sind online

Die Bürgerkarte/Bürgerinnenkarte ist verfügbar

2005

Start von YouTube

Alle sozialversicherten Bürgerinnen und Bürger erhalten die e-card

82 % aller Unternehmen nutzen Online-Angebote von Ämtern und Behörden

2006

Start von Twitter

2007

Die Einführung des iPhone mit seiner Multi-Touch-Bedienoberfläche markiert einen Wendepunkt im Smartphone-Markt

Österreich gewinnt den United Nations Public Service Award (UNPSA) für »Electronic law making processes (eLaw)« – E-Recht und RIS.bka.gv.at

2008

Das Bitcoin-Zahlungssystem (virtuelles Geld, Kryptowährung) wird erstmals in einem White Paper beschrieben

2009

Start von WhatsApp

Einführung der Handy-Signatur

2010

Start des Unternehmensserviceportals (USP)

2011

Google startet das »Google Art Project«, das einen virtuellen Rundgang durch bedeutende Museen ermöglicht

2012

Erster Test eines autonomen Fahrzeuges auf öffentlichen Straßen

2013

Über 80 % der Österreicherinnen und Österreicher nutzen das Internet

2014

Die erste Generation von 3D-Druckern erobert die Privathaushalte

e-Rechnung an den Bund wird möglich

2015

82 % aller Haushalte haben einen Internetzugang

In Wien und der Steiermark startet ELGA, die Elektronische Gesundheitsakte

2016

In Dubai entsteht das erste Haus aus dem 3D-Drucker

Die »Digital Roadmap Austria« wird erstellt

2017

Start von Silicon Austria

Start der Initiative #gegenHassimNetz

Bundeskanzleramt/Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (s. a.): Digital Roadmap Austria. Die digitale Strategie der österreichischen Bundesregierung. https://www.digitalroadmap.gv.at/.

Milestones of digitisation

1990

The commercial phase of the Internet begins

The University of Vienna is the first Austrian node to be connected to the Internet

1992

The first digital short message (SMS) is sent

1994

At the University of Vienna’s New Institute Building (NIG), a room with 18 PC work stations and 2 PCs is set up

1995

The first smartphone (“Simon”) is launched on the market

Amazon sells the first book on its platform

eBay launches as the first platform for Internet auctions

Internet packages are available to business and private customers

1996

Google is founded

1997

Help.gv.at and RIS (legal information system) go online

Start of online banking

1998

The online payment system PayPal is founded

2000

The Data Protection Act comes into force

2001

The first freely licensed encyclopaedia Wikipedia is launched

The E-Commerce Act comes into force

2002

The central register goes online

2003

Skype, a free instant messaging service, is introduced

Launch of FinanzOnline

2004

The social network Facebook goes online

More than 50 % of Austrians are online

The citizen card becomes available

2005

Launch of YouTube

All citizens with social security receive the e-Card

82 % of all companies use online services offered by public institutions and authorities

2006

Launch of Twitter

2007

The introduction of the iPhone with its multi-touch user interface marks a turning point for the smartphone market

Austria receives United Nations Public Service Award (UNPSA) for “Electronic law making processes (eLaw)”– eJustiz and RIS.bka.gv.at

2008

The Bitcoin payment system (virtual money, cryptocurrency) is first described in a white paper

2009

Launch of WhatsApp

Introduction of the mobile phone signature

2010

Launch of the Company Service Portal (USP)

2011

Google launches the “Google Art Project”, providing virtual tours of major museums

2012

First test of an autonomous vehicle on public roads

2013

More than 80 % of Austrians use the Internet

2014

The first generation of 3D printers conquers private households

The federal government starts accepting electronic invoices

2015

82 % of all households have Internet access

Vienna and Styria introduce the electronic health record system ELGA

2016

The first 3D-printed house is built in Dubai

The “Digital Roadmap Austria” is developed

2017

Launch of Silicon Austria

Launch of initiative #gegenHassimNetz (#AgainstCyberHate)

Bundeskanzleramt/Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (s. a.): Digital Roadmap Austria. Die digitale Strategie der österreichischen Bundesregierung. https://www.digitalroadmap.gv.at/.

»Wir können in eine bessere Welt schreiten«

Dirk Helbing im Gespräch mitMartin Kugler

Dirk Helbing ist Professor für Computational Social Science am Departement Geistes-, Sozial- und Staatswissenschaften an der ETH Zürich. Er begann seine Laufbahn als Physiker. An der Technischen Universität Dresden leitete er das Institut für Wirtschaft und Verkehr. Als Professor für Soziologie an der ETH Zürich konzentriert er sich auf evolutionäre Spieltheorie und agentenbasierte Computersimulationen für soziale Prozesse und Phänomene. Helbing ist gewähltes Mitglied der Nationalen (deutschen) Akademie der Wissenschaften Leopoldina sowie der World Academy of Art & Science . Er ist externes Fakultätsmitglied des Complexity Science Hub Vienna. Seit Juni 2015 ist er Affiliate Professor an der Fakultät für Technologie, Politik und Management der TU Delft, wo er das Promotionsprogramm im Bereich »Engineering Social Technologies for a Responsible Digital Future« leitet.

Dirk Helbing, Professor für Computational Social Science an der ETH Zürich, plädiert dafür, die Digitalisierung dafür zu nutzen, um ein neues, besseres Wirtschafts- und Gesellschaftssystem aufzubauen. So könne man den Mangel an Nachhaltigkeit beseitigen – und zudem eine bessere Art von Demokratie aufbauen.

Wie wird die Digitalisierung unsere Gesellschaft verändern? Was kann man dazu zurzeit seriöserweise sagen?

Dirk Helbing: Man kann mit Gewissheit sagen, dass hier eine fundamentale und große Transformation der Wirtschaft und GESELLSCHAFT im Gange ist. Am ehesten kann man es mit der Industriellen Revolution vergleichen. Innerhalb von wenigen Jahren sind nun viele neue Technologien auf den Weg gekommen, insbesondere Cloud Computing, Big Data, Internet der Dinge, künstliche Intelligenz, Cognitive Computing, Robotik, 3D-DRUCK, Virtual Reality, Blockchain-Technologie – und das ist sicherlich noch nicht alles. All diese Technologien revolutionieren Produkte, Services, Geschäftsmodelle und Organisationsformen. Wir werden sehen, dass sich ganze Branchen verändern, einfach dadurch, dass man Prozesse besser und billiger organisieren kann. Automatisierung ist dabei ein großes Stichwort. Aus meiner Sicht wird kein Sektor der Gesellschaft verschont bleiben. Die Innovationen sind DISRUPTIV, sie dringen von außen in die bestehenden Branchen ein und mischen diese auf. Hinterher wird etwas völlig anderes übrig bleiben.

Verläuft dieser Prozess nach dem Mechanismus der »schöpferischen Zerstörung«, wie ihn Schumpeter beschrieben hat?

DH Wie schöpferisch die Transformation wirklich ist und wie weit die Zerstörung gehen darf, darüber kann man sich natürlich streiten. Darf man dabei beispielsweise die Demokratie einreißen? Oder die Menschenrechte? Meiner Meinung nach nicht. Jede dieser Technologien hat schon alleine großes transformatives Potenzial. Kombiniert ergibt sich so etwas wie ein perfekter Sturm. Das wird letzten Endes auch die Verwaltung, das Finanzsystem und die Politik betreffen, vielleicht sogar unser Weltbild und die Religion herausfordern. Alle müssen neue Antworten finden – so viel kann man sagen. Man kann diesen Prozess nicht im Einzelnen prognostizieren. Er ist nicht determiniert – im Unterschied zu der gängigen Ansicht, dass der technologische Wandel vorgibt, was zu passieren hat. Das sehe ich überhaupt nicht so: Wir können Technologien auf verschiedene Arten und Weisen nutzen. Es gibt Alternativen. Wir können aus meiner Sicht die Wirtschaft und die Gesellschaft neu erfinden und so bauen, wie wir sie gerne hätten. Aber das erfordert Gestaltung. Man darf das nicht einfach passieren lassen.

Kann man diesen Prozess überhaupt steuern?

DH Man muss wissen, wo man hin will, dann kann man die Technologien auch entsprechend zum Einsatz bringen. Dieser Diskurs ist jetzt im Gange. Er kommt aber reichlich spät, denn die Technologien haben sich zum Teil schon weit verbreitet. Insbesondere beim Thema BIG DATA sind wir in einer Situation gelandet, wo über jede und jeden viel größere Datenmengen vorhanden sind, als uns bewusst ist – größere Datenmengen, als die Stasi oder andere Geheimdienste jemals in der Vergangenheit hatten. Die Frage ist: Wie lange kann das gut gehen? Diese Daten werden gehandelt, sie befinden sich in Händen, die wir zum Teil nicht kennen, und sie werden für Zwecke eingesetzt, die uns ebenfalls oft nicht bekannt sind. Von daher ist ein Kontrollverlust für das Individuum zu beklagen: Individuelle Souveränität geht verloren. Aber – Stichwort: »Hacking« – auch die Souveränität von Unternehmen und Staaten ist gefährdet. Man spricht immer mehr von Desinformationskriegen, von Eingriffen in demokratische Wahlen. Das ist passiert, weil Politik, Gesetzgebung und Rechtsprechung nicht mehr Schritt gehalten haben, weil wir uns in einem digitalen Dornröschenschlaf befunden haben. Jetzt wird alles wahrscheinlich ziemlich abrupt, eben disruptiv, vonstattengehen. Das könnte hier und da schon wehtun.

Stellt sich die Frage: Was können wir tun?

DH Wir sind dem nicht ausgeliefert. Man muss die Kräfte analysieren und identifizieren. Und man muss lernen, wie man diese Kräfte zähmen kann. So, wie man gelernt hat, Explosionen durch die Erfindung des Motors in gerichtete Bewegung zu verwandeln, geht es nun darum, die Kräfte der Digitalisierung zu verstehen, damit wir sie für uns nutzen können. Für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist das eine spannende Frage.

Braucht man dafür neue Tools?

DH In einer hoch vernetzten Gesellschaft müssen neue Prinzipien zur Anwendung kommen. Ich hole jetzt ein bisschen aus: Das eigentliche Hauptproblem, vor dem die Menschheit steht, ist der Mangel an Nachhaltigkeit. Wir haben ein Wirtschaftssystem, das 1,5-mal so viele Ressourcen verbraucht, wie die Erde langfristig bereitstellen kann. Wenn wir dieses Wirtschaftssystem weiter betreiben, dann wird mindestens ein Drittel der Menschheit sterben – es sei denn, wir schaffen es, die Ressourcen aus dem Weltall zu bekommen oder endlich eine Kreislaufwirtschaft zu bauen. Die Problematik ist seit den 1970er-Jahren bekannt. Die Lösung, die man ausgearbeitet hat, ist die einer globalen Mangelverwaltung. Man hat beschlossen, dass man wissen müsste, wo welche Ressourcen sind und wer wie viel davon verbraucht. Und man hat ein System geschaffen, mit dem man entscheiden kann, wer wie viele Ressourcen bekommt. Dieses System basiert auf Massenüberwachung – sie dient also nicht nur der Terrorismusbekämpfung, sondern betrifft uns alle. Es geht darum zu wissen, was jede, jeder Einzelne macht. Der Stromzähler überwacht uns, auch der Rauchmelder, das Smart-TV liefert Daten über uns, alle Internet-Links, die wir in den vergangenen Jahren angeklickt haben, sind auch noch verfügbar. Diese Daten werden dazu verwendet, um eine Art »digitales Double« von uns zu kreieren. Zusätzlich bekommt alles, was wir tun oder lassen, Plus- oder Minuspunkte. Das ist das Konzept des chinesischen »Citizen Scores« oder des britischen »Karma Police«-Programmes. Wahrscheinlich gibt es das schon überall. Die Idee dahinter ist, dass man mit dem INTERNET DER DINGE über die ganze Welt Daten sammelt, diese dann in Machine-Learning-Programme einspeist und ähnlich wie bei computerbasierten strategischen Kriegsspielen einen großen Plan für die Welt entwirft. Dann wird jeder, jedem eine Rolle zugewiesen, die man auszuführen hat, sonst gibt es Minuspunkte im »Citizen Score«. Wenn die Ressourcen knapp werden, werden in der Rangordnung, die durch das Bürgerpunktekonto definiert ist, von oben her Produkte oder Services angeboten. Das heißt: Wer oben ist, der kriegt alles, wer unten ist, muss Glück haben, dass er überhaupt etwas bekommt. Das ist das Prinzip einer modernen neofeudalistischen Gesellschaft, die auf Totalüberwachung beruht.

Ist das nicht ein zu pessimistisches Bild? Viele der Ressourcen werden ja auch über Marktmechanismen verteilt …

DH Noch! Genau das ist der Punkt: Der Markt würde ersetzt durch eine Art »digitale Planwirtschaft«, durch eine Zuweisung von Ressourcen. Diese Systeme sind einsatzbereit. Sie wurden als »Lösung« für die Ressourcenprobleme der Zukunft geschaffen. Aus meiner Sicht ist das aber ein noch viel größeres Problem. Jedenfalls kann unsere Zukunft nur besser werden, wenn wir unser Nachhaltigkeitsproblem lösen und die Stoffkreisläufe schließen. Das haben wir durch Gesetze und Regulierung nicht geschafft. So führt die Überbeanspruchung von Ressourcen bei uns anderswo zu Mangel. Es kommt zu Konflikten, Kriegen, Massenmigration, Terrorismus und all diesen Dingen, die uns mittlerweile überall plagen. Es gibt aber eine Alternative: Ein anderes Wirtschaftssystem bauen – ein neues Marktsystem, das wesentlich mehr Flexibilität und kreative und innovative Freiräume für jede und jeden hätte, das auf Empowerment, auf kombinatorischer Innovation, auf OPEN DATA UND OPEN INNOVATION, auf Co-Creation, Co-Evolution, kollektiver Intelligenz und subsidiärer Governance aufbaut. Das Prinzip der Kontrolle würde durch bessere Koordination ersetzt. Wir könnten das heutzutage hinbekommen durch den Einsatz von BLOCKCHAIN-Technologie, durch verteilte autonome Organisation (DAO – »decentralised autonomous organisation«) sowie eine andere Nutzung des Internets der Dinge, wo nicht alle Daten zentral an einem Ort gespeichert werden, sondern wo die Daten dezentral und partizipativ erhoben und zum Einsatz gebracht werden und allen zur Verfügung stehen, damit wir kreativer werden und besser kooperieren können. Dieses System würde auf einer Kombination von Evolution und »Intelligent Design« beruhen. Man kann sich vorstellen, dass man mit dem Internet der Dinge billig alle Externalitäten, etwa Lärm, CO2, Stress oder Abfallstoffe, misst – aber auch positive Dinge wie Kooperation, BILDUNG, Gesundheit und die Wiederverwertung von Abfallstoffen. Man kann sich weiterhin vorstellen, dass man darauf ein neues Finanzsystem mit Blockchain-Technologie setzt, das es erlaubt, Echtzeit-Feedbacks in das System einzubauen über ein neues, multidimensionales Anreizsystem, mit dem man KOMPLEXE SYSTEME detailliert steuern kann. Im Rahmen dieses sozio-ökologischen Finanzsystems oder »Finanzsystems 4.0« gäbe es beispielsweise ein Lärm-Geld, ein CO2-Geld, ein Aluminium-Geld usw. Jede, die bzw. jeder, der sich mit komplexen Systemen auskennt, weiß, dass man deren Verhalten nicht mit einer einzigen Größe steuern kann. Heute haben wir aber im Wesentlichen nur eine Größe, mit der die Wirtschaft gesteuert wird – nämlich GELD. Und das funktioniert nicht besonders gut. Unser Geldsystem produziert seit Jahrtausenden immer wieder Booms und Crashes. Wir haben nicht aus den Fehlern gelernt. Es wird Zeit, dies zu tun: Wir können mit den neuen digitalen Technologien ein besseres Finanz- und Koordinationssystem bauen.

Was Sie hier skizzieren, ist auf jeden Fall ein sehr komplexes System. Wie kann man es in die gewünschte Richtung lenken?

DH Partizipativ. Hier kommt die Subsidiarität ins Spiel: Man kann auf verschiedenen Ebenen Zielvorgaben machen und diese durch Anreizsysteme erreichen. Wenn man mehr von einer Sache haben will, muss man die Anreize erhöhen. Der entscheidende Punkt ist, dass man nicht mehr sagt: »Sie machen bitte gefälligst das und Sie das!«, sondern: »Welchezwei Personen melden sich, um diese Sachen zu machen?« Das bringt eine höhere Flexibilität mit sich – und diese Flexibilität ist nötig, damit kombinatorische Intelligenz möglich wird. Entscheidend ist, dass alle bei der Verbesserung der Prozesse mitwirken können. Das braucht Open Data und Open Innovation – dann können wir auf dem Wissen und auf den Ideen und Erfindungen von anderen aufbauen und müssen nicht immer wieder von vorne anfangen. Es entstünde ein riesiges digitales Ökosystem, an dem wir uns alle beteiligen könnten. Und das ist aus meiner Sicht auch die einzige Möglichkeit, um mit dem Silicon Valley aufzuschließen: Die Digitalisierung verläuft exponentiell: Wenn wir jetzt mit 15 Jahren Verspätung die gleiche Beschleunigung zustande bekämen – das bräuchte entsprechend hohe Investitionen und viele kluge Köpfe –, würde der Abstand dennoch immer größer. Man braucht daher ein anderes Beschleunigungsgesetz, und das ist die kombinatorische Innovation: Wenn man genügend Interoperabilität und genügend Offenheit hat, dann kann man bestehende Produkte und Services zu neuen Produkten und Services kombinieren. Das ist entscheidend.

Das ist bisher noch Theorie, oder?

DH Nein. Open Data, Open Innovation, Citizen Science, FabLabs und entstehende Sharing-Economy-Modelle sind Beispiele dafür, dass vieles bereits auf den Weg gekommen ist. Heutzutage stellen wir dem aber viele Hindernisse in den Weg, etwa die jetzige Ausgestaltung von Intellectual Property Rights, Patentrecht, Trade Agreements wie TTIP oder TISA und dergleichen. Die Frage ist allerdings, ob wir diesen Ansatz verantworten können, wenn dann in der Zukunft mindestens 2,5 Milliarden Menschen sterben müssten. Ich glaube, dass dies politisch nicht vertretbar ist und dass das auch die Bevölkerung nicht möchte. Genau an diesen Stellen braucht es einen Systemwechsel – und der braucht Mut zum Handeln.

Was müsste aus Ihrer Sicht als nächstes getan werden?

DH Heutzutage sind Prozesse noch sehr stark hierarchisch organisiert. Das wird in Zukunft immer weniger funktionieren, weil die Steigerung der Rechenleistung mit den wachsenden Datenvolumina und der Systemkomplexität, die wegen der zunehmenden Vernetzung schnell immer größer wird, nicht mehr Schritt hält. Es entsteht die paradoxe Situation, dass wir, obwohl wir die beste Technologie aller Zeiten und mehr Daten denn je haben, trotzdem die Kontrolle über die Welt verlieren. Das ist der Eindruck, den viele heutzutage haben. Wir brauchen einen anderen Ansatz, um diese komplexen Systeme zu managen: eine verteilte Steuerung, also ein partizipativeres System. Das bedeutet, dass die Subsidiarität endlich umgesetzt werden muss – das ist es, was die Menschen seit langem fordern. Man braucht entsprechende Pattformen, die das organisieren helfen: Wenn viele verschiedene Meinungen aufeinandertreffen, dann muss man diese irgendwie unter einen Hut bekommen. Facebook ist dafür nicht die richtige Plattform.

Gibt es bereits eine richtige Plattform?

DH Diese Plattform muss man tatsächlich noch bauen. Dazu kann man das Wissen der Komplexitätsforschung und der evolutionären Spieltheorie nutzen. Menschen haben verschiedene Interessen. Das produziert Pluralismus und Diversität, was in vielen Fällen kollektive Intelligenz, Innovation und gesellschaftliche Resilienz fördert. Aber es produziert auch potenzielle Konflikte. Wir benötigen Plattformen, diese immer stärker zunehmende Diversität zu bewältigen und außerdem in einen Vorteil zu verwandeln. Dafür braucht es persönliche digitale Assistenten, die uns helfen zu identifizieren, mit wem wir konstruktiv zusammenarbeiten und gemeinsame Projekte umsetzen können. Und die uns auch sagen, welche Leute wir besser in Ruhe lassen.

Wie könnte man sich in einem solchen Szenario einen künftigen »Berufsalltag« vorstellen?

DH Heutzutage haben wir alle noch einen Beruf. Aber das wird sich wahrscheinlich sehr stark verändern. Früher hatte man Lebensanstellungen, inzwischen wechseln viele Leute alle paar Jahre. Die AUTOMATISIERUNG