Tempting Love – Spiel nicht mit dem Bodyguard - J. Lynn - E-Book

Tempting Love – Spiel nicht mit dem Bodyguard E-Book

J. Lynn

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Beschreibung

Er kann dich vor allen beschützen ... außer vor sich selbst

Bodyguard Chandler Gamble lebt nach einer simplen Regel: Beschütze niemanden, den du eigentlich in deinem Bett haben willst. Doch bei der Journalistin Alana Gore ist er vom ersten Augenblick an gefangen zwischen einem unbeschreiblichen Verlangen nach ihr und dem Bedürfnis sie gegen alle Gefahren zu beschützen. Und Alana braucht dringend Hilfe, seitdem ein verrückter Stalker ihr das Leben zur Hölle macht. Sie weiß, dass es keinen besseren Mann für den Job gibt als Chandler, auch wenn ihr Herz bei jeder Begegnung mit dem attraktiven Personenschützer mehr in Gefahr gerät ...

"Ein großartiges Finale!" The Readdicts

Abschlussband der Tempting-Love-Reihe von Spiegel-Bestseller-Autorin J. Lynn


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Seitenzahl: 335

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Inhalt

TitelZu diesem BuchWidmung123456789101112131415161718EpilogDanksagungDie AutorinDie Romane von J. Lynn bei LYXImpressum

J. LYNN

Tempting Love

Spiel nicht mit dem Bodyguard

Roman

Ins Deutsche übertragen von Friederike Ails

Zu diesem Buch

Die Journalistin Alana Gore ist es gewohnt, die Dinge in ihrem Leben alleine zu regeln. Als ihr jedoch ein gefährlicher Stalker unaufhörlich Drohbriefe schickt, wird ihr klar: Sie braucht Hilfe und zwar sofort! Sie weiß, dass es für den Job keinen besseren Mann als Bodyguard Chandler Gamble gibt. Der ist von dem Auftrag allerdings alles andere als begeistert. Denn vom ersten Augenblick an ist er gefangen zwischen einem unbeschreiblichen Verlangen nach Alana und dem Bedürfnis, sie vor allen Gefahren zu bewahren. Doch seine Regel Nummer 1 lautet: Beschütze niemanden, den du in deinem Bett haben willst! Aber als in Alanas Wohnung eingebrochen und alles verwüstet wird, weiß Chandler augenblicklich, dass er für ihre Sicherheit alles riskieren würde – auch wenn dies bedeutet, dass er neben seinem Leben auch sein Herz in Gefahr bringt …

Für alle da draußen, die auch gern in den Armen eines Gamble-Bruders lägen

1

Auf dem kürzlich polierten Couchtisch lagen zwanzig geöffnete Briefe ausgebreitet. Der schwache Duft nach Zitrone hing in der Luft, ein Duft, der Alana Gore an das Haus ihrer Großmutter erinnerte. Granny Gore war so besessen von Pine-Sol gewesen, als wäre es seniorentaugliches Crack. Alles, sogar der Holzfußboden, wurde mit dem Zeug bearbeitet. Als kleines Kind hatte Alana viele Nachmittage nach der Schule damit verbracht, den unteren Flur des ruhigen Hauses als Rutschbahn zu benutzen.

Granny hatte immer alles blitzeblank gehalten, so blank, dass es fast an eine Borderline-Störung grenzte, was auch erklärte, wieso Alana es als Erwachsene nicht ausstehen konnte, wenn etwas unordentlich oder dreckig war. Alles musste ordentlich und zweckmäßig sein.

Und das, was da auf ihrem Couchtisch lag, entsprach definitiv nicht dem Plan – keinem Plan.

Alana holte tief Luft und stieß sie langsam wieder aus. »Was für eine Scheiße.«

Granny drehte sich im Grabe um.

Fluchen war wenig damenhaft, und obwohl sich Alana um einen vernünftigen äußeren Eindruck bemühte, fluchte sie privat wie ein Straßengangster bei einem schiefgelaufenen Drogendeal. Eine Angewohnheit, die sie in der Highschool angenommen hatte und nicht wieder losgeworden war.

Sie beugte sich vor und nahm den neuesten Brief in die Hand, den, der heute mit der Post gekommen war – den, vor dem sie sich seit Februar fürchtete.

Nachdem sie den schlechten Ruf von Chad Gamble, All-Star-Pitcher der Nationals, wiederhergestellt hatte – auf spektakuläre Weise, wie immer –, hatte sie beschlossen, in Washington, D. C. zu bleiben. Die Hauptstadt hatte irgendetwas an sich, das sie anzog, und sie hatte in L. A. eigentlich ohnehin nie Wurzeln geschlagen, zumindest nicht so, dass sie sich nach getaner Arbeit auf zu Hause freute. Sie besaß dort lediglich eine kleine Wohnung, aber auch aus anderen Gründen wollte sie die Stadt verlassen.

Dazu gehörten auch die Briefe auf ihrem Tisch.

Sie hatte gedacht, mit dem Umzug nach D. C. würde es aufhören, denn wer würde sich bitte Mühe geben, sie ausfindig zu machen, nachdem sie quer durchs Land in eine andere Zeitzone gezogen war? Jemand, der völlig psychotisch war.

Tja, und das war das Problem.

Sie glättete die abstehenden Haare an ihren Schläfen und fluchte erneut. Das nette, kleine S-Wort. Ihre Hände zitterten nicht. Es ging ihr gut. Das waren bloß ein paar blöde Briefe von jemandem, der offensichtlich etwas verwirrt war. Briefe taten nicht weh.

Aber diese Briefe …

Alana starrte auf den neuesten Brief in ihrer Hand und presste die Lippen zu einem verkrampften Strich zusammen, wovon sie garantiert viel zu früh Falten bekommen würde. Unvermittelt lief ihr ein Schauer über den Rücken, als sie den Brief zum zehnten Mal las.

»Mein Gott«, flüsterte sie kopfschüttelnd.

Der Brief unterschied sich nur unwesentlich von den neunzehn vorigen. Alle waren nervig und leicht verstörend gewesen, aber nicht allzu sehr, schließlich hatte sie sich in den letzten Jahren mehr Feinde als Freunde gemacht. Aber dieser hier jagte ihr Angst ein. Gab ihr das Gefühl, schutzlos und paranoid zu sein, als würde jemand sie stalken.

»Was offensichtlich der Fall ist, Dumpfbacke«, murmelte sie und zwang sich, ihre zitternde Hand still zu halten.

Der Umschlag, in dem der Brief gekommen war, war weiß und diesmal, anders als zuvor, in Arlington, Virginia abgestempelt. Vorher waren sie aus San Fernando Valley in Kalifornien gekommen.

Der Brief selbst bestand aus schlichtem, billigem Druckerpapier. Dünn und schmucklos. Hätte sie nicht wenigstens Büttenpapier mit Blumenbordüre verdient? Sie prustete, aber ihr war kaum nach Lachen zumute. Die Worte auf dem Papier waren nicht lustig.

Schlampen wie du haben es nicht verdient zu leben, weil sie nichts anderes tun, als andere Leben zu ruinieren.

Was für eine charmante Anrede, dachte sie. Danach ließ sich der Briefschreiber darüber aus, dass sie nachts hoffentlich nicht mehr schlafen könne und dass er – sie ging davon aus, dass es ein Er war – sie beobachten würde. Abgesehen davon, dass er sie in D. C. gefunden hatte, war der große Unterschied diesmal das Ende.

Ich werde dich heute Abend beobachten.

Ihr stockte der Atem, und ihre Brust schnürte sich zusammen.

Es war egal, wie oft sie diese letzte Zeile las. Jedes Mal, wenn ihr Blick über diese drei Wörter schweifte, spürte sie, wie es in ihrem Hals brannte. Sie wollte schreien, dabei schrie sie nie.

Sie legte den Brief sorgfältig neben die anderen und stellte sich auf ihre wackligen Beine. Mit eiskalten, tauben Händen ging sie durchs Wohnzimmer ans Fenster und blickte auf die volle Straße. Es war Rushhour, der Verkehr war zäh und der Bürgersteig proppenvoll. In der Ferne bewegten sich die Zweige einiger spät blühender Kirschbäume im Wind.

Ihr Blick wanderte von den hellrosa Blüten zu den Menschen, die sich den Gehweg entlangschoben, über die Straße eilten und dabei Taxis und Autos auswichen.

Konnte er in diesem Augenblick da unten sein und sie beobachten?

Nein.

Sie zwang sich dazu, nicht vom Fenster zurückzuweichen, sich nicht von der Angst überwältigen zu lassen, und kniff die Augen zu. Auf keinen Fall durfte sie solche Gedanken zulassen. Dann würde sie noch enden wie ihre Mutter. Das würde sie sich von diesem … diesem Wichser nicht antun lassen. Nur sie hatte die Kontrolle über ihr Leben und ihre Entscheidungen.

»Konzentrier dich«, sagte sie und fuhr sich kreisend über die Schläfen.

Sie drehte sich vom Fenster weg und öffnete die Augen. Das Zimmer war minimalistisch eingerichtet und in gedeckten Schwarz- und Grautönen gehalten. Als Kind hätte sie am liebsten alles in Regenbogenfarben gehabt. Seitdem hatte sie etwas namens Geschmack entwickelt.

Oder seitdem hatte sie einen Stock im Arsch.

War es nicht das, was Chad ihr bei ihrem letzten Job vorgeworfen hatte? Er war nicht der Erste, der das sagte. Und er würde auch nicht der Letzte sein.

Ihre Absätze klapperten auf dem Holzfußboden, als sie zurück zum Couchtisch ging. Sie stemmte die Hände in die Hüften und kniff die Augen hinter der Brille zusammen. Sie musste das in Ordnung bringen, die Situation unter Kontrolle bekommen. Das war die einzige Möglichkeit. Aber das bedeutete, dass sie die Drohungen ernst nahm. Diese Briefe zu ignorieren, wie sie es das letzte Jahr über getan hatte, war wie einen Schmerz zu ignorieren, der einfach nicht wegging. Das führte zu nichts.

Sie musste herausfinden, wer hinter diesen Briefen steckte, und das würde nicht einfach sein. Granny hatte immer gesagt, ihre unverschämte Art – reizend – würde ihr nie Freunde oder gar einen Ehemann einbringen.

Doch offensichtlich hatte sie ihr einen Stalker eingebracht.

Das war doch immerhin etwas.

Es gab eine ganze Liste von Leuten, die Grund dazu hatten, auf Alana sauer zu sein. Aber ihr ein Jahr lang Drohbriefe zu schreiben …? Von denen der letzte sogar so weit ging, dass der Verfasser ihr drohte, sie heute Abend zu beobachten? Klar, sie brachte ständig Leute mit ihrer kompromisslosen Art auf die Palme, aber genau das musste die Liste der Verdächtigen eingrenzen. Sie hatte zwar hervorragende Schnüffler-Fähigkeiten, aber die nützten ihr heute Abend nichts.

Sie brauchte einen Bodyguard.

Und sie wusste, an wen sie sich wenden konnte.

Hoffentlich würde er diesmal mehr als Boxershorts tragen. Obwohl sie sich nicht über den Anblick beschweren konnte, der ihr präsentiert worden war, als sie Chad vor fast drei Monaten im Haus seines Bruders aufgesucht hatte.

Im Laufe ihrer Arbeit mit Sportstars und Schauspielern waren ihr jede Menge gut aussehender Männer untergekommen – Männer, bei denen vernünftige Frauen im ganzen Land die Höschen runterließen. Aber dieser Mann, der älteste Gamble-Bruder, war ganz eindeutig der heißeste Mann gewesen, den sie je gesehen hatte. Sie wusste nicht, ob es das wilde, schulterlange Haar war oder seine knallblauen Augen. Es könnte aber auch an den unglaublich breiten Schultern gelegen haben, bei denen sich jede Frau zierlich fühlen würde, oder an der stahlharten Brust und dem Waschbrettbauch …

»Was mache ich hier eigentlich?« Sie klatschte sich mit der flachen Hand gegen die Stirn und schob diese Gedanken beiseite.

Ihn um Hilfe zu bitten hatte nichts damit zu tun, ihn sich in Boxershorts vorzustellen oder wie er seinen steinharten, nackten Waschbrettbauch präsentierte, egal wie gerne sie diesen Bauch einmal angefasst hätte. Und das Letzte, was sie in diesem Augenblick tun sollte, war, den Mann geistig zu belästigen. Es war höchst unwahrscheinlich, dass er sich freuen würde, sie zu sehen, aber in gewisser Weise schuldete er ihr seine Dienste. Sie hatte sich bei seinem Bruder und Ms Rodgers als ziemlich geschickte Kupplerin erwiesen.

Sie wartete immer noch auf die Hochzeitseinladung.

Alana raffte die Briefe zusammen, steckte sie in einen Ordner mit der Aufschrift ARSCHLOCH und schob ihn in ihre Ledertasche. Dann verließ sie ihre Wohnung, um sich zu einem ganz anderen Typ von Arschloch zu begeben.

Chandler Gambles Handy vibrierte schon zum zweiten Mal innerhalb von einer Stunde in der Gesäßtasche seiner Jeans. Er musste es weiterhin ignorieren. Er sollte es ignorieren. Was vor seinen Augen abging, verdiente seine ungeteilte Aufmerksamkeit. Und in jedem anderen Augenblick hätte es diese auch bekommen.

Zwischen seinen gespreizten Beinen begab sich Paula in eine Position, die sie in ihrem Job als Staatsanwältin wohl selten einnahm. Sie strich über seine Oberschenkel und näherte sich mit jedem Streicheln ihrer rot lackierten Fingernägel seinem Schritt. Ihre Bewegungen waren geübt. Sie wusste, was ihm gefiel.

Ihr rotes Korsett war eng geschnürt und schob ihre karamellfarbenen Brüste fast bis zu ihrem Kinn hoch. Einige Männer standen auf Brüste, andere mehr auf Ärsche. Chandler stand auf den weiblichen Körper. Den ganzen Körper. Aber wenn er mit Paula zusammen war, verwandelte er sich in einen Brüste-Mann. Sie waren der Stoff seiner feuchten Träume.

Aber heute Abend …? Die letzten paar Monate …? Der Kopf zwischen seinen Schultern hatte mit Denken mehr zu tun als jeder andere Körperteil, was verdammt schade war.

Paula strich mit der Hand die Innenseite seines Oberschenkels hinauf. »Ich habe dich vermisst.«

Er lachte, ließ sich tiefer in den übergroßen Sessel sinken und spreizte die Beine noch weiter. »Hast du gar nicht.«

Sie verzog ihre hübschen Lippen zu einem Schmollmund. »Du warst seit Februar nicht bei mir. Und auch bei niemand anderem, wie ich gehört habe.«

Er zog eine Augenbraue hoch. Es gefiel ihm nicht, dass jemand eine Strichliste über seine Handlungen führte.

»Du warst nicht mal im Club«, sagte sie.

»Ach?«

»Das passt gar nicht zu dir.« Sie legte die Hände zwischen seinen Beinen auf den Sessel und lenkte seinen Blick hinunter auf ihr eindrucksvolles Dekolleté. Aus irgendeinem Grund stellte er sich vor, wie sich wesentlich kleinere Brüste über den Spitzensaum mit den Schleifchen drückten.

Und das war einfach so was von falsch.

Genervt fuhr er sich mit der Hand über den Kiefer. Der Bartschatten kratzte ihm über die Haut. Was zum Teufel stimmte nicht mit ihm? Er war schon fast eine Stunde im Leather and Lace, und normalerweise stünde er längst hinter einer Frau, die Hände auf ihren Hüften, rein und raus.

»Willst du darüber reden?«, fragte sie, entfernte sich vom Sessel und verschränkte sittsam die Hände.

Er lachte trocken. »Nein danke, Süße.«

Sie hob eine zierliche, satinglatte Schulter. »Bist du sicher? Du bist ja von Natur aus launisch und ruhig, aber monatelang zu verschwinden … Ich hab mir Sorgen gemacht.«

Chandler musste sich das Lachen verkneifen. Wohl kaum. Paula war gut, sogar sehr gut. Und ihre sexuellen … Vorlieben passten zusammen, aber wenn er nicht da war, war immer jemand anders da. Genau wie er hatte sie gern Sex. Viel Sex, nur dass er sich in letzter Zeit mit seiner Hand hatte begnügen müssen.

»Ich will nicht reden«, wiederholte er.

Dichte Wimpern senkten sich, während sie mit dem Knoten zwischen ihren Brüsten spielte. »Nicht reden? Kein Problem.«

Er sah zu, wie sie sich in einer fließenden Bewegung erhob. Paula war eine große Frau, und in ihren »Fick mich«-Heels kam sie fast auf seine eins neunzig. Sie beugte sich anmutig nach vorn, und er erhaschte einen Blick auf ihren Hintern. Der Fetzen Spitze zwischen ihren Arschbacken offenbarte mehr als er verhüllte, als sie hüftschwingend zur gegenüberliegenden Chaiselongue ging.

Es war ein netter Anblick – ein wunderschöner Anblick. Paulas Haut war wie heller Kaffee, und er wusste aus eigener Erfahrung, dass eine Stunde mit dieser Frau ihn ein ganzes Jahr seines Lebens vergessen machen konnte, aber …

Zu jedem anderen Zeitpunkt wäre er steinhart wie eine Ziegelmauer und bereit gewesen … und danach gleich wieder bereit, aber die Lust, die sich in ihm regte, war wenig aufsehenerregend. Er spürte definitiv nicht das Gleiche wie die kleine Miss Paula.

Sie warf einen Blick über die Schulter und biss sich auf die Lippe. Noch immer nichts. Sie stützte ein wohlgeformtes Knie auf die Couch und beugte sich vor, legte die Hände auf die Lehne und hob dann das andere Bein auf die Sitzfläche. Nett – sehr nett.

Und trotzdem regte sich in seiner Jeans überhaupt nichts.

Sie beugte sich weiter vor und streckte den Hintern in die Luft. »Ich glaub, ich war ungezogen, Chandler.«

Er zog eine Augenbraue hoch. »Ach ja?«

Sie blinzelte unschuldig. »Ich glaube, ich muss bestraft werden.«

Tja, noch immer verspürte er kaum nennenswerte Lust. Okay. Jetzt war es offiziell. Sein Schwanz machte Urlaub im Land der Enthaltsamkeit. Verräter!

Er legte den Kopf in den Nacken und unterdrückte ein Stöhnen. Was zum Teufel machte er überhaupt hier? Er hatte die Wahl zwischen dem hier und einem Treffen mit seinen Brüdern, und darauf konnte echt nur ein Geisteskranker Bock haben. Chase und Chad redeten nur noch über ihre Frauen. Er gönnte ihnen ihr Glück zwar, aber das war echt, als würde man mit zwei alten Frauen rumhängen. Vor allem, seit Chad sich knietief in Hochzeitspläne gestürzt hatte.

Und wenn er sich noch einmal den Unterschied zwischen Elfenbeinfarben und Weiß anhören müsste, würde er jemanden erschießen.

Mann, hätte man ihn vor einem Jahr gefragt, ob er glaubte, dass der Playboy unter den Dreien als Erstes unter der Haube landen würde, hätte er sich totgelacht. Aber Chase war verliebt. Genau wie sein anderer Bruder, der Profi-Baseballspieler Chad. Trotz der Scheiße, die sie in ihrer Kindheit erlebt hatten.

Das Ding war, dass Chandler im Gegensatz zu dem, was alle über ihn dachten – einschließlich seiner Brüder –, gar nichts dagegen hatte, eine Frau zu finden und ruhiger zu werden. Während diejenigen, die nicht wussten, wie die Gamble-Brüder groß geworden waren, gedacht hätten, dass Chandler am meisten von seiner Kindheit beeinflusst war, wenn man seine Angewohnheiten und die Tatsache bedachte, dass er sich selten auf eine Frau einließ, besaß er tatsächlich genügend gesunden Menschenverstand, um zu wissen, dass nicht alle Beziehungen so waren wie die seiner Eltern.

Zeit mit den Daniels – der Familie von Chase’ Verlobter – zu verbringen, hatte ihm wesentlich dabei geholfen zu erkennen, dass Männer und Frauen durchaus miteinander glücklich werden konnten, sogar bis ans Ende ihrer Tage. In Wirklichkeit war er derjenige, der sich am wenigsten von dem Bastard von einem Vater und dem Wrack von einer Mutter hatte beeinflussen lassen.

Er hatte die Frau, mit der er mehr als ein paar Stunden verbringen oder die er an seinem Leben teilhaben lassen wollte, einfach noch nicht gefunden.

Oh doch, das hast du, flüsterte eine nervtötende Stimme.

Jawohl, diesen Gedanken würde er schleunigst aus seinem Hirn verbannen.

Er sollte echt machen, dass er wegkam. Das fehlende Interesse war einer der Gründe, wieso er in letzter Zeit nicht ins Leather and Lace gegangen war. Und nur hier tat er so was. Er nahm nie Frauen mit nach Hause. Chads Ex-PR-Beraterin aus der Hölle war tatsächlich die einzige Frau, die je ihren hübschen kleinen Fuß in sein Heim gesetzt hatte.

Sein Handy vibrierte schon wieder.

Mein Gott, ey.

Er lehnte sich genervt in seinem Sessel zurück, griff in die Tasche und zog sein Handy heraus. Als er sah, dass es seine Büronummer war, wurde er neugierig. »Murray?«

»Danke, dass du endlich an dein Telefon gehst«, sagte eine tiefe, raue Stimme.

Chandlers Mundwinkel zuckten nach oben. »Ich war beschäftigt.« Was kompletter Unsinn war, schließlich hatte er bloß hier gesessen und mit dem schlaffsten Schwanz der ganzen Stadt eine halbnackte Frau angestarrt. »Was ist los?«

»Hier war eine Frau, die zu dir wollte.«

Er zog eine Augenbraue hoch, während Paula wieder über ihre Schulter blickte und sich die vollen, roten Lippen leckte. »Hat sie gesagt, was sie wollte?«

»Ich schätze mal, sie wollte uns anheuern. Oder eher gesagt, dich«, antwortete er, und im Hintergrund hörte man das Geklapper einer Tastatur. »Sie hat eindeutig nach dir gefragt.«

Merkwürdig. Die meisten Leute, die seine Dienste brauchten, fragten nicht nach ihm. Er besaß und leitete CCG Security, und nur in seltenen Fällen übernahm er selbst Jobs, statt sie an seine Angestellten weiterzugeben. Sehr selten. »Wie hieß sie?«

»Hat sie nicht gesagt.«

»Und du hast auch nicht gefragt?« Er runzelte die Stirn.

Murray schnaubte. »Natürlich hab ich gefragt, aber sie hat mir ihren Namen nicht genannt. Und bevor du fragst, sie war schon längst aus der Tür und über alle Berge, ehe ich meinen krüppeligen Arsch aus dem Stuhl erheben und ihr folgen konnte.«

Vor knapp drei Wochen hatte Murray während eines Sicherheitseinsatzes in Chicago einen Schuss ins Bein abbekommen und war nun noch drei weitere Wochen an den Schreibtisch gefesselt. So was passierte. Chandler hatte Narben an Arm und Oberschenkel von einem ähnlichen Vorfall vor ein paar Jahren.

Paula wedelte mit ihrem spitzenbesetzten Hintern und schnurrte leise.

Alles klar. Damit bekam sie seine Aufmerksamkeit. Seine Jeans wurde minimal enger, aber trotzdem. So hart wurde er sogar, wenn er einen 1969er Dodge Charger in gutem Zustand sah.

Scheiße.

Vielleicht sollte er seinen Testosteronspiegel mal beim Arzt untersuchen lassen.

»Wie sah sie aus?«, fragte er, rutschte nach vorn auf die Sesselkante und warf Paula einen entschuldigenden Blick zu.

Murray seufzte. »Fies.«

»Fies?«

»So fies, dass man lieber seine Eier schützt. Furcht einflößende Lady.«

Ein seltsames Gefühl kroch ihm die Wirbelsäule hoch. »Wie sah sie aus, Murray? Bitte etwas genauer, wenn’s geht.«

»Sie hatte dunkle Haare – dunkelbraun – und dunkle Augen. Brille«, fuhr er fort, und Chandlers Hand verkrampfte sich um sein dünnes Handy. »Sie trug einen schwarzen Hosenanzug und schwarze Absatzschuhe. Man könnte es unauffällig nennen, aber sie sah auch aus wie eine Frau, die –«

»Hat sie eine Nummer hinterlassen oder irgendwas?«, unterbrach er ihn, während sich das seltsame Gefühl nun kribbelnd über seine gesamte Schädeldecke ausbreitete. Seine Bauchmuskeln krampften sich zusammen.

»Nope. Sie ist sofort wieder zur Tür raus, als ich gesagt habe, dass du nicht da bist.«

Er öffnete den Mund, aber es kam nichts heraus. Ein Bild von Miss Gore erschien vor seinem inneren Auge. Es hörte sich ganz nach ihr an, aber das war Unsinn. Es gab keinen Grund, wieso sie zu ihm kommen sollte. Sie wusste ja, wo sein Bruder Chad, ihr früherer Kunde, wohnte.

Sie konnte es nicht sein.

»Ruf mich sofort an, falls sie zurückkommt«, sagte er.

Murray lachte. »Genau das tue ich gerade. Geh halt nächstes Mal ans Telefon.«

Darauf konnte Chandler kaum etwas erwidern. Er legte auf und schob das Handy wieder in die Tasche. Seine Gedanken kreisten noch immer um das Gespräch, um die abstruse Möglichkeit …

»Alles in Ordnung?«, fragte Paula, und er fuhr zusammen.

Er blinzelte und nickte.

»Dann komm her. Ich fühle mich langsam einsam hier drüben.«

Ohne nachzudenken stand er auf und ging langsam zu der Chaiselongue hinüber. Als er zu Paula hinunterblickte, war es nicht sie, die er sah. Das Bild, das sich vor seinem inneren Auge formte … Tja, er hätte gern behauptet, dass es aus dem Nichts kam, aber so war es nicht. Er hatte es schon ein- oder zweimal vor sich gesehen, seit diese nervige PR-Beraterin auf der Suche nach Chad bei ihm aufgetaucht war.

Auf der Chaiselongue vor ihm kniete Miss Gore. In ihrem verdammten schwarzen Hosenanzug. Allerdings war ihr Haar offen und fiel ihr in dunklen Wellen ums Gesicht. Sie hatte ihre Brille auf. Die Brille gefiel ihm.

Und jetzt war Chandler so steinhart wie die Ziegelmauer, an die er vorhin gedacht hatte.

Die gute Nachricht? Sein Schwanz funktionierte noch.

Die schlechte Nachricht? Shit. Schlecht war daran so einiges.

Paulas Blick wanderte unter seine Gürtellinie, und ihre Augen fingen an zu leuchten. »Ist der für mich?«

Äh. Nein.

Er klappte den Mund auf, als unerwartet die Tür aufflog. Er riss den Kopf hoch und kniff die Augen zusammen. Niemand im Club würde ohne Aufforderung diese Räume betreten. Es gab Regeln, Herrgott noch mal, und …

Heilige Scheiße.

Im schwachen roten Schein der kleinen Deckenlampe tauchte wie eine Erscheinung eine zierliche Gestalt auf, geradewegs aus dem Schatten und seiner Fantasie.

Miss Gore stand im Raum und presste sich einen Ordner vor die Brust wie einen Schutzschild. Hinter ihrer Brille sprang ihr Blick von ihm zu Paula und wieder zurück. Ihre Wangen erröteten und, mein Gott, er wurde noch steifer.

Doch ihr Gesichtsausdruck blieb cool, und sie räusperte sich. »Wir müssen reden.«

2

Jeder, der Alana Gore je getroffen und mehr als zehn Minuten mit ihr verbracht hatte, hätte sie als entschlossen und ungeduldig beschrieben. Diese beiden Eigenschaften waren eine unangenehme Kombination.

Und konnten zu richtig unangenehmen Situationen führen.

Als sie ins Büro von CCG Security gegangen und erfahren hatte, dass Chandler nicht da war, war sie als Nächstes zu ihm nach Hause gegangen. Natürlich war auch dort niemand gewesen, und obwohl das Leather and Lace ein Schuss ins Blaue war, wollte sie nichts unversucht lassen. Als sie vor ein paar Monaten in Chad Gambles persönlichen Aktivitäten herumgestochert hatte, war sie auf diesen »exklusiven Club« im Viertel Foggy Bottom gestoßen. Sie hatte herausgefunden, dass sich der mittlere Bruder gelegentlich in dem Club aufhielt, aber Chandler war offensichtlich Stammgast.

Das Leather and Lace war nichts als ein Sexclub, der sich als normaler Nachtclub tarnte, und so sehr sich Alana auch bemühte, davon angeekelt zu sein, konnte sie sich einen Hauch von Neugier nicht verkneifen, wenn sie an den Laden und daran dachte, was in den Räumen im ersten Stock abging. Wurden dort tatsächlich Sexspielchen veranstaltet, nachdem man unten jemanden aufgerissen hatte?

Tja, jetzt wusste sie es.

Ihr Blick wanderte von Chandler zu der spärlich bekleideten Frau auf allen vieren. Alana bezweifelte, dass diese im Korsett und einem Hauch von Nichts bloß nach ihrer herausgefallenen Kontaktlinse suchte. Es sei denn, ihr wäre gleichzeitig auch ihre Kleidung vom Körper gefallen.

Alana starrte der Frau auf die Brüste und fühlte sich auf einmal, als trüge sie einen Sport-BH. Mein lieber Herr Gesangsverein, waren die Dinger echt? Endlich richtete sie ihren Blick auf das Gesicht der Frau, und irgendwie kamen ihr die hübschen Gesichtszüge vertraut vor … Heilige Scheiße, war das nicht eine Staatsanwältin?

Oh Mann.

Chandler räusperte sich und zog ihre Aufmerksamkeit wieder auf sich. »Wir müssen reden? Jetzt?«

Einen Augenblick lang konnte sie nichts sagen. Ihre kurzen Begegnungen mit dem ältesten Gamble-Bruder hatten ihrem Gedächtnis nicht gutgetan. Mein Gott, dieser Mann …

Seine dunkelbraunen Haare gingen ihm bis zu den breiten Schultern, die jetzt, da sie ihn persönlich sah, noch breiter wirkten. Seine hohen Wangenknochen waren ausdrucksvoll und betonten seinen starken Kiefer und die vollen Lippen. Während die anderen beiden Gamble-Brüder schlank waren, war Chandler größer und wie ein Schwergewichtsboxer gebaut.

Ihr Blick wanderte seinen Hals hinunter, über den offenen Brustausschnitt seines Hemdes und dann seine Arme entlang. Seine Ärmel waren hochgekrempelt und entblößten starke Unterarme und große Hände.

»Miss Gore?« Chandlers Stimme klang belustigt.

Ihre Wangen wurden ganz heiß. Meine Güte, war sie verlegen? Sie war nie verlegen. Ein hartnäckiges Kichern machte sich in ihrer Kehle breit. Scheiße. Kichern? Das nervte sie gewaltig. Sie nutzte die Genervtheit, um wieder Kontrolle über ihr Hirn zu erlangen. »Ich weiß, ich unterbreche Sie hier bei … wichtigen Geschäften, aber es ist eilig.«

»Tatsächlich?« Chandler verlagerte sein Gewicht, und erst da begriff sie, dass er hinter der Frau stand. Wollte er gerade …?

Oh, Herr im Himmel, sie konnte diesen Gedanken nicht zu Ende denken. »Ja. Ich muss unter vier Augen mit Ihnen sprechen.«

Chandler schwieg.

Sie sah die Frau an, die sich jetzt wenigstens hingesetzt und sittsam die Beine übereinandergeschlagen hatte, und dann wieder Chandler. Musste sie ihn wirklich darauf hinweisen, dass sie nicht allein waren? Seinem erwartungsvollen Gesichtsausdruck nach zu urteilen, ja. »Wir sind nicht allein.«

»Und Sie waren nicht zuerst hier.« Ein leises Lächeln umspielte diese Lippen. Ein Mundwinkel verzog sich nach oben. »Es wäre unhöflich, meine Freundin zu bitten, dass sie geht, und ich möchte nicht unhöflich sein.«

Alanas Rücken versteifte sich. Irgendetwas an seinem Tonfall ließ darauf schließen, dass er sich über sie lustig machte. »Ich bezweifle, dass sie Ihre Freundin ist.«

»Wer sollte sie denn sonst sein, Miss Gore?« Als sie den Mund öffnete, schärfte sich der Blick in seinen blauen Augen. »Und denken Sie sorgfältig nach, bevor Sie antworten.«

Sie war gereizt. »Ich will nicht grob sein, Mr Gamble.«

»Wirklich? Da habe ich aber etwas ganz anderes gehört.«

Jetzt strömte eine andere Art von Hitze durch ihre Adern, und ihre Finger gruben sich in den Ordner. Das leise Rascheln des Papiers erinnerte sie daran, warum sie hier war, und zwar nicht, um sich ein Pöbelduell mit Chandler zu liefern. Sie holte tief Luft und zügelte ihre Stimme. »Ich brauche Ihre Hilfe.«

Chandler neigte das Kinn, aber sein Gesichtsausdruck blieb gleich: ungerührt und unnahbar. Keine Spur von Emotionen. Irgendetwas an ihm, die Intensität, die er ausstrahlte, sagte ihr, dass dieser Mann wie ein gewaltiger Sturm wäre, wenn er je die Kontrolle verlöre.

Stille breitete sich zwischen ihnen aus und wurde von dem leisen, ungeduldigen Seufzen der dunkelhäutigen Frau auf der Chaiselongue gebrochen. Erst da wurde Alana so richtig klar, was sie tat. Chandler um Hilfe zu bitten war ihr zu Hause noch vernünftig erschienen, denn sie wusste, dass er diskret war. Aber auf der Suche nach ihm einen Sexclub zu stürmen?

Tja, vermutlich nicht die klügste Entscheidung. Und extrem unangenehm, aber das konnte sie jetzt auch nicht mehr ändern. Der Brief hatte sie völlig aus dem Konzept gebracht. Ich werde dich heute Abend beobachten. Sie hatte Chandler einfach sofort aufsuchen müssen, aber jetzt?

Mit hoch erhobenem Kopf trat sie einen Schritt zurück. »Vielleicht wäre ein anderer Zeitpunkt passender. Wenn Sie nicht gerade hoffentlich geschützten Sex haben.« Sie lächelte verkniffen. »Schönen Abend noch, Mr Gamble und … äh, Miss … Das ist übrigens ein echt schönes Korsett.«

Die Frau lächelte. »Danke.«

Mit brennendem Gesicht erreichte Alana die Tür. Demütigung? Es war lange, lange her, seit sie sich so gefühlt hatte, und sie hätte gut darauf verzichten können.

»Miss Gore.« Chandlers tiefe Stimme ließ sie innehalten.

Sie drehte sich halb um. »Was?«

Er warf der Frau einen Blick zu. »Tut mir leid, Süße, können wir vielleicht später weitermachen?«

»Verstehe.« Die Frau stand auf, und Alana kam sich plötzlich wie eine Zwergin vor. Die Frau schlenderte an ihr vorbei und lächelte. »Arbeit geht vor.«

Sollte das ein spitzer Kommentar sein? Alana war sich nicht sicher, doch dann ging die Tür leise hinter ihr zu, und sie und der Typ, von dem sie zugegebenermaßen ein paarmal oder auch ein paarmal mehr geträumt hatte, waren allein im Raum. In einem Raum, in dem er höchstwahrscheinlich gerade wilden, leidenschaftlichen, animalischen, lauten Sex hatte haben wollen. Und bei diesem Gedanken tauchte ein Bild von ihr selbst auf dieser Chaiselongue in ihrem Kopf auf, mit Chandler hinter ihr, die Hände an ihrer Hüfte. Wärme breitete sich in ihrem Bauch und ein ganzes Stück tiefer aus.

Sie musste sich endlich zusammenreißen.

Sie räusperte sich, sah ihm in die blauen Augen und errötete, als sie seinen wissenden Blick auffing. »Sie hätten sie nicht wegschicken müssen. Wir hätten doch –«

»Ich glaube, es war offensichtlich, dass sie gehen musste«, unterbrach er sie und verschränkte die Arme über seinem breiten Brustkorb. »Also, Miss Gore, wobei brauchen Sie Hilfe?«

»Aber ich habe Sie unterbrochen.«

Er zog eine Augenbraue hoch. »Aber das wussten Sie doch sicherlich auch schon, bevor Sie hier reingeplatzt sind, oder?«

»Äh, ja, aber –« Nein, eigentlich nicht. Sie hatte an nichts anderes gedacht, als Chandler zu finden. Sie weigerte sich, näher darüber nachzudenken, wieso der Gedanke an ihn das Einzige war, was ihren Puls beruhigte, seit sie diesen Brief bekommen hatte.

»Aber jetzt haben Sie meine volle, ungeteilte Aufmerksamkeit.« Chandler trat einen Schritt nach vorn, und, mein Gott, jetzt stand er direkt vor ihr. Es musste an diesen langen Beinen liegen, dass er die Distanz zwischen ihnen mit einem Schritt überwinden konnte. »Und das kommt nur äußerst selten vor.«

Sie schluckte wieder und spürte, wie ihr Blick nervös über seine Schulter wanderte. Was zum …? Hingen da Handschellen an der Wand? Sie war völlig aus dem Konzept. Und wer hätte es ihr verübeln können? Sie war in einem Raum, der für alle möglichen abwegigen Sexpraktiken genutzt wurde.

»Ich brauche Ihre Hilfe«, sagte sie und war erleichtert, dass ihre Stimme einigermaßen fest klang.

Er löste seine verschränkten Arme und berührte dabei mit seinem hochgekrempelten Ärmel ihre Hände. Sie zuckte zusammen. Wieder dieses einseitige Lächeln. »Ich dachte, das hätten wir bereits geklärt, Miss Gore.«

Wieder war sie genervt, vor allem von sich selbst, weil sie sich so durcheinanderbringen ließ. »Ich habe ein Problem.« Als er die Augenbrauen hochzog, hätte sie sich am liebsten selbst eins mit dem Ordner übergezogen. Waren ihr irgendwie Gehirnzellen abhandengekommen, seit sie den Raum betreten hatte? Mann. »Ich bekomme Drohbriefe.«

Chandler antwortete nicht, und sie hielt ihm den Ordner hin, wofür sie die Arme nicht weit ausstrecken musste, schließlich war er ihr ziemlich nahe gekommen. Er griff nicht danach, und ihre Genervtheit verwandelte sich in Frustration. »Sie sind alle hier drin – zwanzig Stück.«

»Okay.« Er zog das Wort in die Länge und senkte den Blick. Aber nicht auf ihre Hände. Sondern auf ihre Brüste.

Alana wusste nicht mehr, was sie denken oder sagen sollte. Sie war eine rationale Frau.

Es war keine Minute her, dass eine Frau mit zwei Babypopos statt Brüsten hier im Raum gewesen war, wohingegen sie nicht einmal B-Cups trug. Ganz davon zu schweigen, dass er auf keinen Fall sehen konnte, was sie zu bieten hatte. Sie trug eine bis zum Kinn zugeknöpfte weiße Bluse und ein Jackett. Sollte er keinen Röntgenblick besitzen, benahm er sich einfach nur wie ein Arschloch.

Sie bemühte sich, ihren aufkeimenden Ärger unter Kontrolle zu bekommen, und schlug sich den Ordner vor die Brust. »Wollen Sie einen Blick drauf werfen? Oder wollen Sie weiter auf meine Brüste glotzen wie ein Schwein?«

Sein angedeutetes Lächeln wurde nun richtig breit. »Ich glaube, ich glotze weiter auf Ihre Brüste wie ein Schwein.«

»Wie reizend.«

»Ja, das sind sie wirklich«, gab er zurück.

Alana holte tief Luft. »Mr Gamble, ich bin hier –«

»Weil Sie meine Hilfe brauchen«, unterbrach er sie. »Das hab ich kapiert.«

»Und ich versuche, Ihnen zu zeigen, was ich bekommen habe.« Sie schlug ihm den Ordner gegen die Brust. »Können wir also –«

Seine Hand kam auf sie zugeschossen wie eine angreifende Kobra und ließ sie zusammenzucken. Er umfasste ihr Handgelenk, sanft und fest zugleich. Er neigte den Kopf und näherte sich ihrem Mund mit seinem bis auf ein paar wenige Zentimeter. Er war ihr so nah, dass sie seinen minzigen Atem schmecken konnte. »Ich mag es zwar, gelegentlich mit irgendwelchen Gegenständen geschlagen zu werden, aber wenn Sie weitermachen, sehe ich das als Aufforderung an, den Spieß umzudrehen.«

Ihr klappte die Kinnlade runter.

»An einem anderen Körperteil«, fügte er zwinkernd hinzu. »Mit meiner Hand.«

Sie schnappte nach Luft, und ihr Gesicht brannte, allerdings nicht vor Scham. Oh nein. Allein beim Gedanken an seine Hand auf ihrem Hintern hätte sie beinahe vergessen, weshalb sie hier war. Beinahe. Sie riss sich los und wusste, dass ihr das nur gelang, weil er es ihr erlaubte. »Das war extrem unprofessionell.«

Chandler stieß ein tiefes Lachen aus, das ihr einen Schauer über den Rücken laufen ließ, und öffnete weit die Arme. »Als ob irgendetwas an dieser Situation professionell wäre!«

Da hatte er natürlich recht, aber trotzdem. Sie wich einen Schritt zurück, auch wenn sie das nervte. »Mr Gamble, ich versuche hier –«

»Sagen Sie es.«

Sie hatte keine Ahnung, was er mit dieser Aussage bezwecken wollte, und schüttelte den Kopf. »Was soll ich sagen?«

»Meinen Namen.«

Sie zog die Augenbrauen zusammen und blickte zu ihm auf. »Ich glaube, ich habe Ihren Namen bereits gesagt. Vielleicht schlagen Ihnen all diese Muskeln und Haare ja aufs Gehör.«

Wieder lachte er leise und trat einen Schritt nach vorn, um die Distanz zwischen ihnen erneut zu verringern. »Das war aber gar nicht nett, Alana.«

Als sie den Klang ihres Namens aus seinem Mund hörte, spannten sich die Muskeln in ihrem Bauch an. »Was? Sie wollen, dass ich Ihren Vornamen sage?«

»Ja, das will ich.«

Sie verdrehte die Augen. »Nein danke. Ich ziehe es vor, geschäftlich zu bleiben.«

»Und noch mal – was an dieser Situation ist bitte geschäftsmäßig?« Er breitete wieder die Arme aus und zeigte in die Runde. »Die Handschellen? Oder die zusammengefaltete Liebesschaukel da in der Ecke? Oder die Chaiselongue hier mit den Beinauflagen?«

Oh mein Gott …

»Oder die Tatsache, dass Sie mich hier aufgestöbert haben?«

Sie presste die Lippen zusammen. »Ich habe Sie nicht aufgestöbert! Es war nicht besonders schwer, Sie zu finden. Wenn Sie nicht im Büro, zu Hause oder bei Ihren Brüdern sind, können Sie ja wohl nur in einem Club mit ganz besonderem Ruf sein, oder?«

Er legte den Kopf schief. »Hast du mich gestalkt, Alana?«

»Für Sie immer noch Miss Gore, und nein, ich stalke Sie nicht.« Sie holte erneut tief Luft. »Hören Sie mir jetzt zu, oder lenken Sie weiterhin vom Thema ab?«

»Mir war nicht bewusst, dass ich das tue«, sagte er. »Ich kann Ihnen sehr gut folgen. Sie haben Drohbriefe bekommen, die vermutlich in dem Ordner da sind, den Sie als Waffe benutzt haben, aber ich weiß nicht, wie ich Ihnen da helfen soll.«

Sie starrte ihn einen Augenblick lang völlig verdattert an. »Ist das nicht offensichtlich? Sie leiten eine Firma, die auf Personenschutz spezialisiert ist. Ich bin also hier, weil ich Schutz brauche.«

Wieder brach ein tiefes Lachen aus ihm hervor, doch diesmal verspürte sie keine Wärme in ihrem Inneren. »Ich weiß nicht, ob Sie richtig verstehen, welche Art von Schutz wir anbieten.«

Wütend reckte sie das Kinn nach vorn. »Na, das glaube ich aber schon.«

Langsam schüttelte er den Kopf. »Wir bieten Menschen Schutz, die real bedroht werden, Alana. Menschen, die Morddrohungen bekommen haben oder auf die schwere Angriffe verübt worden sind – Angriffe von hochgefährlichen Leuten, die es ernst meinen.«

»Wie kommen Sie darauf, dass auf mich noch keine Angriffe verübt wurden und dass ich keine Morddrohungen erhalten habe?«, fragte sie, und ihr Geduldsfaden war kurz davor zu reißen. »Sie waren wohl zu sehr damit beschäftigt, mich anzugaffen und sexuelle Anspielungen zu machen.«

»Sollen wir uns wieder Ihren Brüsten widmen?«

Ihr Halsansatz fing an zu kribbeln. »Oh mein Gott.«

»Sie haben das Gespräch darauf gebracht. Beide Male. Nicht ich.« Ein Grinsen zuckte über sein Gesicht. »Und wenn jemand versucht hätte, Sie umzubringen, würden Sie mir keine Briefe zeigen. Und obwohl ich mir sicher bin, dass Sie eine ellenlange Liste von Leuten haben, die sauer auf Sie sind, bezweifle ich, dass einer von ihnen eine echte Bedrohung darstellt.«

Sie kniff die Augen zusammen. »Woher wollen Sie das wissen?«

»Ach, keine Ahnung. Vielleicht weil Sie die Verlobte meines Bruders erpresst und ihn beinahe wahnsinnig gemacht haben?«

Ihre Wangen wurden ein wenig warm. »Egal. Dafür heiraten sie jetzt. Sie sollten mir dankbar sein.«

Er warf ihr einen ironischen Blick zu. »Wie vielen anderen Leuten haben Sie auf diese Weise geholfen?«

Bei dieser Frage hätte sie gern die Unschuldige gespielt, aber so dumm war sie nicht. Genauso wenig wie Chandler. Seine Vorwürfe waren ihr so unangenehm, wie er es sich niemals vorstellen konnte. »Wissen Sie, ich muss jemanden anheuern, der diskret sein kann und –«

»Kann ich nicht«, unterbrach er sie.

»Was?« Überraschung durchfuhr sie. »Wieso nicht?«

Chandler schlug die Wimpern nieder, sie verdeckten seine Augen. »Aus mehreren Gründen, aber hauptsächlich gibt es da eine Regel, die alle meine Angestellten befolgen, genau wie ich.«

»Die da wäre?«

»Meine Angestellten und ich nehmen unter keinen Umständen einen Auftrag an, der uns in einen Interessenkonflikt bringt.«

Verwirrt drückte sie den Ordner fester an die Brust. »Ist Ihr Bruder dieser Interessenkonflikt?«

Er schüttelte den Kopf, und ein Augenblick verging, ehe er antwortete: »Nein. Wir beschützen niemanden, mit dem wir ins Bett wollen.«

3

Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, wusste Chandler, dass er sie ernst meinte. Vielleicht hatte er das eigentlich nur sagen wollen, um sie zu ärgern, aber Miss Gore hatte etwas an sich, das ihn herausforderte. Sie war ihm schon unter die Haut gegangen, als er sie zum ersten Mal gesehen hatte.

Alana klappte ihren Mund ein paarmal auf und zu und lenkte seinen Blick auf diesen interessanten Teil ihres Gesichts. Sie trug kein Make-up auf den Lippen, nicht einmal den kleinsten Überrest von Lippenstift, aber ihre Lippen waren voller, als er sie in Erinnerung hatte, und er hätte wetten können, dass sie weich waren – wenn sie sie nur nicht immer so verbissen zusammenkneifen würde!

»Ich werde so tun, als hätten Sie das nicht gesagt«, sagte sie mit gewohnt gefasster Stimme.

Er fragte sich, ob überhaupt irgendetwas wirklich zu dieser Frau durchdrang. »Ich werde nicht so tun …«

»Das … das war … das ist so unanständig, dass ich gar nicht weiß, wie ich anfangen soll.« Sie griff nach ihrer Brille und nahm sie ab. Für einen kurzen Moment sah er zum ersten Mal ihr Gesicht ohne Brille.

Ihre Augen waren dunkel, fast schwarz, und ohne die Glasbarriere zwischen der Welt und ihnen waren sie weniger kalt. Die Haut um ihre Augen war faltenfrei, und ihre Wimpern waren dicht und unglaublich lang. Er lehnte sich etwas zurück und blickte ihr fragend ins Gesicht. Sie rümpfte die Nase, und dennoch erschien kaum eine Falte. Mit der sanften Röte auf ihren Wangen wirkte sie jugendlich – viel jünger, als er gedacht hätte. Er kniff die Augen zusammen.

»Wie alt sind Sie?«, fragte er, als ihm plötzlich klar wurde, dass sie noch nicht so alt sein konnte, wie er ursprünglich geglaubt hatte.

»Was?« Sie presste ihre Finger an die Nasenwurzel und kniff die Augen zu.

Er legte den Kopf schief und runzelte die Stirn. »Wie alt sind Sie?«

»Wie alt sind Sie?«, konterte sie.

»Dreiunddreißig. Beantworten Sie meine Frage.«

»Ich bekomme Kopfschmerzen bei diesem Unsinn.« Sie schob sich die Brille zurück auf die Nase. »Mein Alter hat nichts damit zu tun, warum ich hier bin.« Sie hielt inne und sagte dann wie zu sich selbst: »Ich weiß gar nicht, warum ich hier bin.«

Verärgert verschränkte er die Arme, denn normalerweise taten die Menschen, was er wollte. »Wieso beantworten Sie nicht einfach meine Frage?«

»Wieso sollte ich? Sie wollen nicht für mich arbeiten. Wollen Sie sichergehen, dass ich alt genug für eine heiße Nummer bin? Denn auf zwei Sachen können Sie Gift nehmen, das sag ich Ihnen.« Sie ballte ihre freie Hand zur Faust. »Ich bin definitiv volljährig, und Ihr Schwanz wird eine Armlänge von jedem meiner Körperteile entfernt bleiben!«

Ein Lächeln umspielte seine Lippen. »Was für einen unglaublichen Mund Sie haben.«

Eine gute halbe Minute lang starrte sie ihn lediglich an, dann ging sie in die Luft wie eine Rakete. »Meine Fresse, mit Ihnen kann man unmöglich reden! Vergessen Sie um Gottes willen, warum ich hier bin, das war echt der sinnloseste Ausflug, den ich je in meinem Scheißleben unternommen habe!«