Teslas Gigafactory - Wolfgang Bauernfeind - E-Book

Teslas Gigafactory E-Book

Wolfgang Bauernfeind

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Beschreibung

Die Mission von Elon Musk und Brandenburger Realitäten // Der Unternehmer Elon Musk errichtet im beschaulichen Grünheide/Brandenburg eine Fabrik für Elektroautos zwischen Seen und Kiefernwäldern, ausgelegt in der ersten Ausbaustufe auf eine halbe Million Fahrzeuge. 12.000 Arbeitsplätze sollen zunächst entstehen, und die Regierung in Brandenburg jubiliert über diesen »Lottogewinn« für die Region. Doch es gibt auch Widerstand, u.a. mit Blick auf Umweltprobleme, vor allem droht eine Wasserknappheit in diesem Wasserschutzgebiet, die für die Bewohner wie auch für das Tesla-Werk selbst zum Problem werden könnte. In dieser Gemengelage werden die großen Themen der Zeit sichtbar und Fragen tun sich auf: Ist diese Gigafactory wirklich ein Beispiel dafür, dass Klimaschutz und die Schaffung von Wohlstand und Arbeitsplätzen vereinbar sind? Ist der Weg, in dieser Größenordnung Elektroautos zu bauen, einer, der unsere Umwelt retten kann? Was können wir überhaupt tun, um den Klimawandel aufzuhalten, vor allem aber, wie wollen wir das tun? Wolfgang Bauernfeind nimmt die Befürworter, Skeptiker und Gegner »Teslas« in den Blick und legt ihre Motivationen dar.

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Umschlagfoto: © Scharfsinn – shutterstock.com

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten.

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1. Auflage

© 2022 mdv Mitteldeutscher Verlag GmbH, Halle (Saale)

www.mitteldeutscherverlag.de

Gesamtherstellung: Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale)

ISBN 978-3-96311-568-4

Printed in the EU

»Ein Konflikt erzeugt Energie.

Die Schwierigkeit liegt darin, diese Energie in konstruktive Bahnen zu lenken.«

Johan Galtung, Friedensforscher

Inhalt

Ein Lottogewinn für Grünheide

Der Lottogewinn macht Sorgen

Wer ist Elon Musk?

Ein Fan zu Besuch

Juni 2020: Erkundungen vor Ort. Die Heimatstube

Treffen mit einem Widersacher – Steffen Schorcht

Wie webt man Netze? Christine de Bailly erzählt

25. Juni 2020: Große Runde im Umweltministerium, Bericht von Steffen Schorcht

26. Juni 2020: Unterwegs in Grünheide mit Emil Senkel

15. Juli 2020: Gespräche über Baufortschritte und vorläufige Genehmigungen

28. Juli 2020: Meine Akteneinsicht im Rathaus von Grünheide, eine kleine Umfrage auf dem Marktplatz. Gespräch mit Lothar Runge, Steffen Schorcht und einem Tesla-Fahrer

18. August 2020: Beim Bürgermeister von Grünheide. Ist er gesprächsbereit?

2. September 2020: Die Zukunft des Autos als »iPhone auf Rädern« von oben betrachtet. Ein Gespräch mit Prof. Dr. Andreas Knie, Leiter der Forschungsgruppe »Digitale Mobilität und gesellschaftliche Differenzierung«

1.–5. September 2020: Der Wundermann kommt

10. September 2020: Unterwegs mit einer Drohne

10. September 2020, abends: Das Kreuz mit dem Verkehr

16. September 2020: Im Dickicht der Widersprüche. Ein Gespräch mit Michael Ganschow

23. September 2020: High Noon im Speckgürtel. Öffentliche Erörterung in der Stadthalle von Erkner

Donnerstag, der 24. September: Der zweite Tag der Erörterung

Freitag, der 25. September: Der dritte Tag der Erörterung

Montag, der 28. September: Der vierte Tag der Erörterung

Dienstag, der 29. September: Der fünfte Tag der Erörterung

Mittwoch, der 30. September: Der sechste Tag der Erörterung

Donnerstag, der 1. Oktober: Der siebte Tag der Erörterung

Freitag, der 2. Oktober: Der achte Tag der Erörterung

Samstag, der 10. Oktober 2020: Schöne Tage in Bad Saarow

Montag, der 19. Oktober 2020: Besuch bei dem Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz des Landes Brandenburg Axel Vogel

Samstag, der 14. November 2020: Was macht eigentlich Emil Senkel? Besuch bei einem alten Bekannten

Oktober, November, Dezember 2020: Ein Hin und Her. Nachrichten von dem Unternehmen und seinem Bauplatz in der Gemeinde Grünheide

Freitag, der 27. November 2020: Ein Dialog, der nicht stattfindet. Gespräche mit Albrecht Köhler und Steffen Schorcht

Sonntag, der 29. November 2020: Besuch bei Familie Schrobback

Mittwoch, der 9. Dezember 2020: Besuch in der Agentur für Arbeit Frankfurt (Oder)

Montag, der 21. Dezember 2020: Ein Griff in die Wunderkiste

Freitag, der 8. Januar 2021: Ein Gespräch mit dem Minister für Wirtschaft, Arbeit und Energie des Landes Brandenburg Jörg Steinbach

Januar 2021: Endspurt? Versuch einer Bilanz

Januar 2021: Gibt es eine Lex Tesla? Vermutungen von Michael Ganschow und Steffen Schorcht

13., 14. und 15. Februar 2021: »Ach du grüne Neune«. Mutmaßungen und Gewissheiten in Grünheide

Speedy Elon Musk – die Welt ist eine Tesla-Welt

Anfang März 2021: Entscheidungsblues

März 2021: Da braut sich was zusammen. Ein Film, ein Brief und eine Sitzung mit Tesla-Vertretern

23. März 2021: Aufrüsten statt Abrüsten. »Teammeeting des GrünheideNetzWerk e. V.«

Ende März, Anfang April 2021: Ein neuer Plan, ein Brief

15. April 2021: Protest, Protest. Online-Besuch bei einer Sitzung der Bürgerinitiative Grünheide

April 2021: Alles im Fluss. Was wird nun mit der Fabrik? Ein Medienspiegel

6. Mai 2021: Wer steuert wen? Gespräche in Grünheide und Beeskow

Ende Mai 2021: Augen zu und durch?

21. Juni 2021: Umwelt ist ein komplexes Ding. Christine de Bailly erzählt vom Urteilen mit zweierlei Maß

30. Juni 2021: Bestandsaufnahme im Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz. Gespräch mit Axel Steffen

6. Juli 2021: Abwarten, aber keinen Tee trinken. Gespräch mit Birgit Dietze von der Bezirksleitung der IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen

11. August 2021: Innenansichten, ein Blick hinter die Kulissen. Gespräch mit Harald Schlarb

18. August 2021: Der Antenne-Stammtisch des rbb in Grünheide

19. August 2021: Ende gut, alles gut? Gespräch mit dem Minister, für Wirtschaft, Arbeit und Energie des Landes Brandenburg Jörg Steinbach

1. September 2021: The first principle of thinking. Zurück zu Elon Musk. Zurück in die Zukunft? Gespräch mit Walter Haefeker

August, September, Oktober 2021: Grünheide, was soll aus dir werden

Fluch oder Segen?

Anhang

Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG). Paragraf 8 a, der für die vorzeitigen Genehmigungen genutzt wurde

Beispiel für die Aktivitäten der Bürgerinitiative Grünheide

Quellen und Literatur

Danksagung

Der Autor

Der Fotograf

Ein Lottogewinn für Grünheide

Grünheide im November. Die Kiefernwälder stehen stumm und dicht gedrängt nebeneinander, wie eine schwarze Wand, ab und zu rauscht der Wind durch die Bäume, die Seen blinken hellblau bis blau oder grün. Ruhe liegt über der Ortschaft, ab und zu rumpelt ein Lastwagen vorbei, eine Gemeinde bereitet sich vor auf den Winterschlaf, so scheint es, aber es ist nur die Ruhe vor dem Sturm. Ein Mann aus Amerika ist hier plötzlich allgegenwärtig, Elon Musk, der Elektroautohersteller, der Raketenbauer, der Pionier, der Visionär aus dem fernen Kalifornien. Was hat er hier zu suchen, in Grünheide, im Südosten Berlins, im Speckgürtel einer Großstadt, der hier in einer verwunschenen Landschaft liegt? Ich lese Zeitungsartikel, Wasserstandsmeldungen über eine Nachricht, die schnell zum Ereignis wird. Zunächst kommt die Sensation beiläufig daher. Tagesschau.de berichtet am 14. November 2019: »Tesla sucht Standort für Giga factory«. Am 13. November 2019, also einen Tag vorher, weiß Zeit-Online schon, wo er liegt. Eine Journalistin meldet sich mit einer Reportage in Grünheide. Da stehen Leute bei der Bäckerei Jauernig zusammen, ein alteingesessenes Familienunternehmen, und raunen sich zu: »Wenn das wirklich stimmt, das wäre schon toll für die Infrastruktur hier.« Das würde den Menschen hier sicher guttun, hier sei ja sonst nicht mehr viel. Bisher habe sich gerade in der Autobranche alles im Westen abgespielt, zitiert Zeit-Online einen kaffeetrinkenden Bürger. »Aber jetzt sind wir endlich dran.« Sein Optimismus ist nicht unbegründet. Am Vortag ist der Wundermann Elon Musk leibhaftig in Berlin bei der Verleihung des Goldenen Lenkrades im Axel-Springer-Haus erschienen und hat aus diesem Anlass auch einen Preis für das Modell 3 von Tesla bekommen. Jetzt verkündet er, dass er im Umland von Berlin eine Fabrik bauen will. Rund 1 Milliarde Euro soll sie kosten. Die Katze ist aus dem Sack, eine Absichtserklärung, die das Land Brandenburg in monatelangen Geheimverhandlungen mit dem Autohersteller vorbereitet hatte. Glücklich sei der Ministerpräsident Dietmar Woidke, glücklich, dass sich Elon Musk für den Standort Brandenburg entschieden habe. Es waren ja noch andere Bewerber im Gespräch, wie z. B. das Saarland. Die Pläne, die nun bald in aller Munde sind, versprechen viel: Tausende neue Arbeitsplätze, von 7.000 ist erst einmal die Rede, später von 12.000, Verbesserung der Infrastruktur, Neubau von Wohnungen, Schulen. Ausbau der Verkehrswege, die nicht nur der Gemeinde Grünheide zugutekommen. Summa summarum bedeute das eine Aufwertung der gesamten Region.

Und in dem Bericht von Zeit-Online wird noch einmal der Ministerpräsident zitiert: »Das erste Mal gelingt es, hier bei uns in Brandenburg zu zeigen, dass Klimaschutz und die Schaffung von Wohlstand und Arbeitsplätzen Hand in Hand gehen können.«

Als Rückrudern kann man nicht bezeichnen, was dann passiert. Beim Kreistag Oder-Spree ist eher Vorsicht und Abwarten angesagt. Laut rbb-Inforadio vom 5. Dezember 2019 warnt der Brandenburger Wirtschaftsminister Jörg Steinbach, der den Deal mit Elon Musk federführend ausgeheckt hat, vor allzu großen Erwartungen, das Genehmigungsverfahren sei noch nicht abgeschlossen, vorerst ginge es um vorzeitige Genehmigungen. Einen Nachholbedarf sieht er auch beim Landesentwicklungsplan. Dieser sähe Bauflächen für neue Siedlungen bisher nur in direkter Nachbarschaft von Regio- und S-Bahn-Trassen vor. Auch der Landrat des Landkreises Oder-Spree zeigt sich als Skeptiker. »Wenn wir die Verkehrsinfrastruktur und auch die soziale Infrastruktur den neuen Bedarfen anpassen, werden wir sicherlich Jahre brauchen«, sagt er in der Radiosendung. Tesla habe es in der Hand, durch die Qualität der Unterlagen für die vorzeitigen Genehmigungen schnell voranzukommen. Bedenkenträgerei der Administration? Musk lässt sich nicht beirren. In den Unterlagen von Tesla zur Umweltverträglichkeitsprüfung heißt es: »Toller Ort zum Leben, große Anzahl gut ausgebildeter Arbeitskräfte, Verfügbarkeit erneuerbarer Energie, Güterbahnhof direkt am Standort mit Anbindung ans DB-Gleisnetz, Autobahnverbindung an A 10.« Unter der Überschrift »Tesla und Umwelt« steht wie eines der zehn Gebote: »Die Umwelt ist der Grund, warum Tesla existiert.« Die »Mission of Tesla«. Was um Gottes willen, ist gegen diese Mission zu sagen?

Der Lottogewinn macht Sorgen

Inzwischen ist der Kaufvertrag von Tesla mit der Landesregierung Brandenburg unterschrieben und notariell beglaubigt, 43,4 Millionen Euro für 300 Hektar Land. Ist seine Mission also in »trockenen Tüchern«? Nachdenklichere Töne sind zu hören, die wie eine Euphorie-Bremse wirken, wenigstens auf einige Gemüter vor Ort. Im Spiegel vom 8. Februar 2020 berichtet Julia Köppe unter der Überschrift »Großprojekt in Brandenburg. Die Angst vor Teslas Gigafabrik«. Ich lese: »Kritiker monieren die Rodung großer Waldflächen, Anwohner fürchten um ihr Trinkwasser.« Noch steht der Forst neben der Bundesautobahn 10. Ende Januar kommt es zu Protesten. 200 Menschen halten Schilder hoch: »Keine ›Großfabrik im Wald‹«, »Geheim verhandeln, Umwelt verschandeln«. Von »Geheim verhandeln« kann aber jetzt nicht mehr die Rede sein, Mitarbeiter von Tesla geben Auskunft.

Elon Musk reagiert aus der Ferne auf die Besorgnisse der Bürger. »Was wird mit dem Wald?«, »Wie steht es um den Wasserverbrauch der zukünftigen Fabrik?« sind häufig gestellte Fragen. Musks bündige Antwort verrät Ortskenntnis seiner Mitarbeiter: »Sounds like we need to clear up a few things, Tesla won’t use this much net water on an daily base. It’s possible a rare peak usage case, but not an everyday event.« Auch: »This is not a natural forest – it was planned for use as cardboard and only a small part will be used for GF 4. Elon Musk, January 25, 2020.« Beschwichtigungen: Nur in Spitzenzeiten der Produktion würden 372.000 Liter pro Stunde erreicht, die Trinkwasserversorgung wäre dadurch nicht gefährdet, und der Wald, ja, der Wald sei ein Industriewald, angepflanzt, um Rohstoff für die Produktion von Pappe und Kartons zu gewinnen. Also weshalb die ganze Aufregung, meint man, ihn sagen zu hören. Das schreibt er aber nicht. Im Folgemonat werden die ersten 90 Hektar Wald gerodet, um Platz für die Baufläche zu schaffen, das können auch ortsfremde Demonstranten nicht verhindern, die auf Bäume klettern, um die Rodungsbagger zu stoppen. Heute ist man ja nicht mehr mit der Säge unterwegs. Inzwischen ist auch der Antrag für den Wasserverbrauch nachgebessert, 1,4 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr würden gebraucht werden statt der von der Firma einmal veranschlagten Menge von 3,3 Millionen Kubikmeter Wasser.

Beruhigt das die Gemüter?

Zu einem Info-Abend der Gemeinde Grünheide in der Aula der »Docemus«-Schulen Ende Januar ist auch der Wirtschaftsminister von Brandenburg Jörg Steinbach angereist. Fast alle 400 Plätze sind besetzt, die Stimmung ist aufgeheizt. Vor dem Minister sitzen die Bürger dicht gedrängt und es kommt gleich zu Protesten. Zwei Frauen melden sich zu Wort. Man fühle sich nicht informiert, von Geheimverhandlungen ist die Rede und dass das Leben nicht mehr lebenswert sei, wenn die Fabrik käme. Der Reporter der Märkischen Oderzeitung notiert den Ausruf: »Mein Leben wird zerstört«. Im weiteren Verlauf des Abends lenken der Minister und der Bürgermeister die Diskussion in ruhigere Bahnen. Es wird deutlich, dass es bisher an Informationen über die Neuansiedlung des Autowerkes fehlt. Was ist mit den Verkehrsverbindungen, dem Gleisanschluss, den Straßen, was wird aus den Grundstückspreisen, woher sollen die Arbeiter bei einer Arbeitslosenquote von fünf Prozent in der Region kommen? Werden ausschließlich Arbeitskräfte aus Polen angeworben, ein Gerücht, dass die AfD ausstreut. Wo wird Tesla wieder aufforsten? Was wird mit den Brunnenanlagen für die Wasserversorgung, wenn jetzt schon die Wasserstände in den umliegenden Seen wegen der Trockenheit der letzten Jahre sinken? Gerät die ganze Infrastruktur der Region in Schieflage? Wie wird die Landesregierung die Gemeinde unterstützen, was wird mit dem gültigen Flächennutzungsplan? Bis zum 5. Februar lägen die Unterlagen der geplanten Fabrik aus, heißt es, bis zum 5. März könnten Einwände vorgebracht werden. Für den 18. März sei ein öffentliches Erörterungsverfahren in Erkner geplant, einer Nachbargemeinde von Grünheide. Diese Aussicht auf Mitsprache nehmen die Bürger aus dem Infoabend mit nach Hause. Doch am 18. März ist eine andere Zeit auch in Grünheide und Erkner angebrochen. Wegen Corona befindet sich auch diese Region Brandenburgs in einem Ausnahmezustand und die öffentliche Veranstaltung wird wegen Kontaktsperre abgesagt.

Wer ist Elon Musk?

Über Elon Musk möchte ich mehr erfahren, den Mann, der im grünen Idyll eine Gigafactory bauen will. Für die Landesregierung von Brandenburg, für den Senat von Berlin, für die Gemeindevertreter von Grünheide im Landkreis Oder-Spree ist Elon Musk eine Lichtgestalt, ein Heilsbringer, dieser Mann aus dem fernen Amerika, der auch als Innovator, Visionär, Wegbereiter der Elektromobilität, Eroberer des Weltraums, als risikofreudiger, kühner Geschäftsmann gefeiert wird, nicht nur in der Region, sondern weit darüber hinaus in Deutschland und in Europa. Elon Musk steht für Fortschritt, der der Umwelt, der Erde dient. Mit diesem, in seinen Autofabriken und Raketenwerkstätten wie Tesla und SpaceX, hart erarbeiteten Ruf wird er gerade von jungen Leuten bewundert, die ihm »huldigen«. Die ihn aber auch einfach als prächtigen Kerl sehen, wie die »Tesla Kids«, wie sie an ihrem Wohnort in Kagel, einem Ortsteil von Grünheide, genannt werden. Der 13-jährige Silas sagte in einem Interview mit der Deutschen Welle vom 24. November 2019: »Mich fasziniert, dass Elon Musk das herkömmliche System aufräumt. Doch er behält seine jugendliche Art. Er mag zwar der reiche erfolgreiche Businessman sein, dennoch kann er immer lustig und humorvoll mit den Dingen umgehen.« Die Verehrung dieses Mannes hat bei vielen fast schon religiöse Züge, fehlen nur die Hosianna-Chöre, die ihm zurufen: »Du bist der Retter der Menschheit.«

Ein Blick in die Zeitungen zeigt ein etwas nüchternes Bild, aber ein Bild mit Goldrahmen. Typisch dafür ist ein Bericht in der Frankfurter Sonntagszeitung vom 2. Februar 2020. Unter der Überschrift »Portrait« werden die Erfolgszahlen seiner Unternehmen gelistet. Erfolgreiche Raketenstarts, Höhenflug der Tesla-Aktien, Respekt und Anerkennung bei den alteingesessenen Autobauern wie VW und Daimler. Musk-Spezifika werden aufgezählt: flache Hierarchien in seinen Betrieben, Fokus auf schnelle Problemlösungen, wenn welche auftauchen, ein allgegenwärtiger Chef, der von seinem Schreibtisch aus Kontrolle ausübt, den man aber auch am Band stehen sieht wie alle anderen. Ein Arbeitstier, das auch mal zwei Tage und länger durcharbeitet, bis eine Aufgabe erledigt ist. Ausdauer und Härte gegen sich selbst als Lebenshaltung. Das kommt in einem Song zum Ausdruck, den er selbst geschrieben hat: »Don’t doubt ur vibe« – zweifle nicht an deiner Stimmung.

Als Ashlee Vance eine Biografie über Musk vorlegt, die dieser autorisiert hat, werden auch Einblicke in sein Privatleben möglich, wird erkennbar, wie er tickt. Musk gilt als schwierig, als selbstbezogen, ein Mann, der mit harten Bandagen kämpft, wenn ihm jemand in die Quere kommen will. Umso erstaunlicher ist, dass das Buch sich nicht in Lobhudelei erschöpft, sondern ein realistisches Bild seiner Persönlichkeit liefert. Aufgewachsen in Südafrika, unter schwierigen Bedingungen, seine Eltern lassen sich scheiden und das Scheidungskind zieht aus freien Stücken zu seinem Vater, der seinen Sohn hart angeht, weil das Leben ja hart sei. Eine Eigenart des Kindes, des Heranwachsenden wird deutlich: seine Leselust, sein Wissensdurst und die Fähigkeit abzuschalten, sich selbst in betriebsamer Umgebung auf das Buch zu konzentrieren, das er gerade verschlingt. Das sind vor allem Science-Fiction-Romane, aber neben Fachbüchern auch Literatur. Er will sich das bisher bekannte Wissen der Welt aneignen, er liest nicht, er frisst die Bücher in sich hinein. Und wenn die Bücher ihm ausgehen, kann es auch eine Enzyklopädie sein. Einen »Nerd« meint seine Umgebung vor sich zu haben, tatsächlich tut er sich schwer mit sozialen Kontakten, wird auch wegen seinen Eigenarten oft gehänselt. Nach dem Schulabschluss sucht er das Weite, geht nach Kanada, woher die Familie mütterlicherseits stammt. Schlägt sich mit vielen Jobs durch. Als seine Mutter, ein Bruder und eine Schwester nachkommen, wird das Leben für ihn erträglicher und geregelter. Er schreibt sich in der Universität in Queens ein, interessiert sich für Solarenergie, Elektroautos und Raketenkondensatoren und findet anders als in Südafrika auch Menschen, die seine Neigungen teilen. Diese Vorliebe für Zukunftstechnologie ist für ihn Teil eines Masterplans, den er konsequent verfolgt. Es geht ihm bei der Beschäftigung mit diesen Themen nicht um Moden, einen Spleen, um Trends. »Ich bin kein Investor«, zitiert ihn Ashlee Vance in seiner Biografie. »Ich entwickle gern Technologien, die ich für wichtig für die Zukunft und auf irgendeine Weise für nützlich halte.«

Zwei Jahre später wechselt er an die University of Pennsylvania, wo er einen Bachelor-Abschluss in Wirtschaftswissenschaften von der Wharton School und einen Bachelor-Abschluss in Physik vom College of Arts and Sciences erhält. 1995 zieht er nach Kalifornien, um dort zu promovieren, in Angewandter Physik und Materialwissenschaften bei der Stanford University, entscheidet sich jedoch für eine berufliche Laufbahn, anstatt sich einzuschreiben. Wenn Elon Musk etwas erreichen will, ist ihm kein Weg zu lang, geht er auch Umwege. Das zeigt sich nicht nur während seines Studiums, sondern auch bei einer Art Brautwerbung, als er seine erste Frau mit großer Hartnäckigkeit für sich gewinnt.

Das Programmieren hat er sich selbst beigebracht, das zahlt sich bei seinem ersten Start-up aus, als er ein Programm für Kleinanzeigen und Werbung im Internet entwickelt. Er nennt es Zip2 und gewinnt sogenannte Wagniskapitalgeber und Programmierer aller Couleur, die einfach ihr Geschäft verstehen und jung genug sind, neue Wege zu gehen. Zip2 wird ein Dienstleister mit gutem Namen und vielen Kunden. Als eine Fusion mit einem anderen Dienstleister ansteht, widersetzt sich Musk, wird als Geschäftsführer entmachtet und lässt sich schließlich auszahlen, als sich mit dem PC-Hersteller Compaq ein potenter Käufer für Zip2 findet. Plötzlich ist er reich, sehr reich und hat Geld für Pläne, die er schon in der Zeit bei Zip2 entwickelt hatte. Er gründet die Online-Bank X.com. Er fusioniert mit Confinity im Jahr 2000, das ein Programm gleicher Zielsetzung mit Namen PayPal im Vorjahr eingeführt hat. Die Revolution, die Musk so nebenbei mit der Online-Bank realisiert hatte, widerspricht alten traditionellen Gepflogenheiten im Bankengeschäft, Kundenbetreuung sei eine persönliche Sache, ist das eherne Gesetz.

»Das machen wir über Internet«, sagt Musk als einer der Ersten und wirbt Banken für seine Idee. Die Sache wird zum grandiosen Erfolg, im Oktober 2002 wird PayPal für 1,5 Milliarden US-Dollar von einem anderen Unternehmen gekauft.

Reich? Kann man noch reich sagen zu einer Person namens Elon Musk, als er seine Anteile an der Kaufsumme kassiert und weiter vom steigenden Aktiengewinn profitiert? Musk macht eine Kehrtwende. Die Gemeinde ist in Silicon Valley in Startups erstarrt, die ihre Entrepreneurs, ihre Unternehmer, schnell durch Verkäufe zu Gewinn machen wollen, jetzt aber sind langfristige Strategien angesagt. Raumfahrt, Raketen, Besiedlung des Mars, als Zufluchtsort der Menschheit, wenn sie die Erde ruiniert, sich selbst ihrer Ressourcen beraubt hat, Harakiri sozusagen in langsamer Form begeht, das will er verhindern. Man muss erst einmal in den Weltraum kommen, also selbst Raketen bauen. »Ich will die Zukunft gewinnen, nicht nur für mich, nein, für die Menschheit«, wird Elon Musk zitiert. Er baut eine Fabrik für Raketen. Welche Wendung: keine smarten Internet-Programme mehr, bei denen man sich nicht die Hände schmutzig macht, in gekühlten Räumen sitzt, keine Schwitzattacken aushalten muss, nein, Dreck, Lärm, Staub ist jetzt Arbeitsalltag in den Werkhallen, in denen Raketen zusammengesetzt werden. Trotz Hilfe von computergesteuerten Gerätschaften, die Maschinen bestimmen den Rhythmus. Man kann sie anfassen, sie leben. Später wird es mehrere Versuche mit diesen Raketen auf einer Insel im Pazifik in Kwajalein geben, zwischen Guam und Hawaii gelegen, wo die Erde sich noch schneller um sich dreht, ein Beschleunigungsfaktor für Raketenstarts. Die ersten Versuche scheitern, auch der zweite, der dritte, erst beim vierten Start erreicht die Rakete den Orbit. Doch sein Vermögen ist im Jahr 2008 bis auf einen kläglichen Rest geschmolzen und doch …, der Traum ist noch nicht ausgeträumt, Musk kämpft um seine Kinder SpaceX und Tesla. Wo neue Geldgeber auftreiben, die Alten ansprechen, eine neue Finanzierungsrunde organisieren? Die Geschichte mit dem Elektroauto lief ja so ähnlich. Musk baute das Labor dafür, finanzierte viele Versuche mit Getrieben, mit den Lithium-Ionen-Batterieblocks, mit einer Karosserie, die stromlinienförmig sein sollte, kümmerte sich selbst um das Design. Auch das war zunächst ein reines Zuschussgeschäft. Jetzt also ist er auch für Tesla rastlos unterwegs. Erst Heiligabend 2008, kurz vor dem Aus von Tesla, steht fest, er bekommt frisches Geld, um weiterzumachen, auch von seinem Bruder, von Cousins, sogar von Mitarbeitern von Tesla. Und SpaceX rettet nach einigen internen Querelen der Raumfahrtbehörde die endgültige Zusage der NASA, die Raketenfirma als Dienstleister für die Versorgung der Internationalen Raumstation zu engagieren. Der Vertrag ist 1,6 Milliarden Dollar wert. Noch eine Krise mit Tesla ist zu bewältigen, 2012, der Roadster ist fertig, kann endlich an die Kunden ausgeliefert werden, die ihn schon vorher bezahlt hatten. Aber dann bleibt die Kundschaft weg, kaum noch Bestellungen gehen ein, viele sind von der pannenreichen Entstehungsgeschichte dieses Autos abgeschreckt, auch nach der desaströsen Entwicklungsstrecke, in der alle Termine für die Auslieferung obsolet geworden waren. Auf wunder same Weise kommen Zuspruch und dann auch Bestellungen von unerwarteter Seite, weil die Mitarbeiter selbst Kundschaft akquiriert haben. Ab diesem Zeitpunkt steigt der Aktienkurs von Tesla und wird Daimler-, BMW- und VW-Aktien ein paar Jahre später hinter sich lassen. Diese Ergebnisse sind kein Wunder, sondern die Frucht von Selbstausbeutung der Belegschaften, die an Tesla, die an SpaceX, die an Musk glauben. Auch wenn er sich manchmal aufführt wie ein Despot, Leute fertig macht, die Fehler produziert haben, die nicht ausdauernd genug gearbeitet haben, bis das »Problem gelöst« ist. Da entstehen Albträume, und als endlich die Versagensängste überwunden sind, und der Erfolg sagt: »Ihr habt alles richtig gemacht, auf eurem Marathonlauf zur Rakete, zum Elektromobil«, da mag es doch für einige zu spät sein. Sie sind ausgebrannt, erschöpft, überarbeitet von dieser Erfolgsgeschichte, die noch ein drittes Kapitel hat. Musk steht nicht auf zwei Beinen, er steht auf drei Beinen. 2006 gründen Cousins von ihm, die Rives-Brüder, ein Unternehmen für Solarzellen, » SolarCity«. Musk ist Mitbegründer und Chairman und wird mit einem Drittel der Anteile größter Aktionär des Unternehmens. Zunächst installiert die Firma Solarzellen, baut sie nicht selbst, mit dem Zukauf des Solarherstellers Silevo wird sie auch Produzent dieser Zukunftsenergiequelle. Mit diesen drei Standbeinen erprobt er Zusammenarbeit, die kostensenkend wirkt. Die Batteriepacks von Tesla werden von SolarCity an ihre Kunden weiterverkauft. SolarCity wiederum liefert Solarmodule für die Tesla-Ladestationen. Später wird Tesla SolarCity übernehmen und aus zwei Firmen eine machen. Tesla und SpaceX tauschen ihr Wissen über Materialien und Produktionstechniken aus. »Faszinierend ist«, schreibt Ashlee Vance in seinem Buch über Musk, »dass er immer noch bereit ist, alles zu verlieren. Er will nicht nur eine Gigafabrik bauen, sondern mehrere. Und er setzt ganz darauf, dass diese Fabriken schnell und reibungslos errichtet werden können […]. Wir müssen alles tun, was wir können, um das Timing-Risiko zu minimieren.« Jetzt also landet Elon Musk mit seinen Plänen in Grünheide, genauer gesagt im Ortsteil Freienbrink. Nicht mit einer Rakete, nicht als Ufo, sondern mit seinem Management, Agenturen, Vertrags firmen, die den Bau der Tesla-Fabrik für ihn vor Ort organisieren.

Fördermittel des Landes Brandenburg sind in Aussicht gestellt. Die vorzeitigen Genehmigungen für den Bau werden nach Paragraf 8 a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sukzessive erteilt werden, obwohl schon fleißig gebaut wird. Im Juli 2021 soll es so weit sein und die Tesla-Flagge auf dem Fabrikgelände im Ortsteil Freienbrink der Gemeinde Grünheide wehen. Man hat Elon Musk viel anvertraut und zugetraut. Hat er auch die Herzen der Bürger, ihre Seele vor Ort gewonnen? Das ist nicht so sicher im Sommer 2020.

Ein Fan zu Besuch

Für Emil Senkel ist die »Mission completed«, die Mission erfüllt, als ich ihn im Juni 2020 zum ersten Mal treffe. Er gehört zu den vielen tausend Fans von Elon Musk rund um den Erdball, die ihn wegen seiner Innovationen bewundern und weil er ein Macher sei, der die Zukunft der Welt neugestalten will. Vor Aufregung konnte er nicht schlafen, als er Mitte November 2019 von der Ankündigung seines Idols hörte, in Grünheide eine Gigafactory zu errichten, sagt er. Er ist schon seit zehn Jahren Fan, angefangen hat seine Leidenschaft für Tesla durch einen Freund, der ihm von diesem »supergeilen« Elektroauto berichtete. Jetzt protokolliert er, wie viele andere Tesla-Fans in der Region, die Fortschritte bei dem Bau der Fabrik. Angefangen von der Rodung des Waldes bis zu den ersten Maßnahmen auf der frei geräumten Fläche. Wenn man so will, ist er Dokumentarist und Zeitzeuge der Geburt von Tesla in Grünheide. Dass er später dort arbeiten will, ist für ihn ganz klar, und einen Tesla, Modell 3, wird er dann auch fahren, er sammelt schon dafür, eine Crowdfunding-Kampagne hat er bereits gestartet.

Jetzt sitzt er mir gegenüber in meiner Wohnung, Kaffee und Kekse liegen bereit, er ist von einem Kellerraum in Moabit gekommen, den er gerade zu einem Lokal ausbaut und nach seiner Oma »Oma Friedel« nennen will. Vorerst einmal, vielleicht fällt ihm noch ein Name ein, der mehr »trendy« ist. Vor mir also sitzt ein höflicher junger Mann. Seine schwarze Sportjacke mit dem silberfarbenen Tesla-T hängt an der Garderobe. Die hat ihm seine Tante aus den USA mitgebracht, wird er mir später erzählen, als er sie stolz vorzeigt.

Wo kommt er eigentlich her, will ich wissen. Ein bisschen sieht er aus wie ein Kung-Fu-Kämpfer, und das hat mich neugierig gemacht. Ja, sagt er, er hat asiatische Wurzeln, seine Großeltern kamen aus China, sie seien dann vor den Kommunisten nach Vietnam geflohen, und von dort nach Frankreich, wieder vertrieben durch den siegreichen roten Vietcong. »Da war meine Mutter acht Jahre alt«, beendet er diesen Teil seiner Familiengeschichte. »Der Vater kommt aus Berlin und die Eltern haben sich kennengelernt über einen Schüleraustausch«, erzählt er weiter. Emil Senkel, mit dem deutschen Vornamen des cleveren Straßenjungen »Emil«, den ihm seine Mutter gegeben hatte, weil sie »Emil und die Detektive« von Erich Kästner so liebte. Er wuchs in Frankreich auf und ist erst seit sieben Jahren in Berlin, wohin seine Familie umgezogen war. Er will nicht viel erzählen über sich und seinen Familienhintergrund, mehr über seinen Helden Elon Musk, dessen Biografie er in- und auswendig kennt. Da wird er redseliger. Ein Mann zieht sich mit dem eigenen Schopf aus dem Sumpf, du bist der Schmied deines eigenen Glückes, »the american dream«. Was Wunder, dass die Jungen die moderne Neuauflage des amerikanischen Heilsversprechens bewundern und ihr nacheifern wollen. Auch Emil Senkel erhofft sich die Erfüllung seines eigenen Traumes, als Praktikant bei Tesla in Grünheide anzufangen und später dort zum Team der kreativen Ingenieurcrew zu gehören. Einmal hat Musk seinen Tweet gelikt, na, das wäre ein Anfang.

Wir gehen auf @EmilSenkel. Er will mir die Ausbeute seiner Beobachtungen zeigen, die er bei seinen regelmäßigen Kontrollgängen auf dem zukünftigen Baugelände von Tesla mit der Kamera aufgezeichnet hat. »Gute Location, Autobahn, ganz nah bei der Stadt«, sagt er und meint den Standort Freienbrink. Er fuhr immer mit der Regionalbahn hinaus ins grüne Grünheide und die restlichen Kilometer mit einem Fahrrad. »Am Anfang war noch alles grün, nichts gesperrt […]. Dann gab es Markierungspunkte für die Altlasten des Zweiten Weltkriegs«, berichtet er. »Dann hab’ ich immer so reported auf Twitter, neue Funde […]. Dann ging die Rodung los.« Auf den Bildern sind Stahlungetüme zu sehen, riesige Bagger, die die Bäume einfach aus dem Boden rupfen und zerkleinern und schreddern. Sie wirken wie Dinosaurier der Neuzeit. »Es ging superschnell, in drei Tagen war eine große Fläche gerodet.« Auch Videos, die er da draußen gemacht hat, führt er vor. »Das ist Gigafactory 4 […] hier, hier […] if, you are interested, you can take of my twitter.«

»Machen wir mal ’ne kleine Pause«, sage ich zu Emil nach dem Betrachten seiner Fotos und der Videogalerie. Was ist mit den Drohnen, will ich noch wissen, die andere Chronisten, wie Tobias Lindh, einer der aktivsten Tesla-Spotter, über das Geschehen auf dem Baugelände, fast täglich in den Himmel schicken. Ja, da seien viele unterwegs mit ihren Drohnen, ein regelrechtes Gedrängel über dem Baugelände, man müsse schon Abstand halten und die Drohne nicht aus dem Blick verlieren, sagt er. »Immer im Blickkontakt«, eine Auflage des Ordnungsamtes. Er will mir jetzt einmal im Internet vorführen, was eine Drohne so alles kann. Ein Prototyp, sieht aus wie ein überdimensionaler Drachen. Jetzt mal googeln. »Jetzt zeige ich mal, wie auch meine Drohne so fliegen könnte.« Ich höre Weltall-Musik, sehe das geflügelte Ungetüm, wie es sich in die Landschaft stürzt, Schluchten durchfliegt, ein Muster seines Modells, dass er nachbauen will mit eigenen Modifikationen. »Das ist jetzt in China, in der Nähe der großen Mauer«, über das gerade die Drohne fliegt. »Wie im Action-Film«, kommentiert er seine Vorführung, käme ihm das vor, und er selbst, wird hier suggeriert, sei wie ein Vogel, der mitfliegt. Aufhebung von Zeit und Raumgefühl, die neue Welt. So könnte es auch sein, wenn er in einem Tesla sitzt, denke ich. Die herkömmlichen Orientierungsdaten stimmen nicht mehr, sitzt man schon in einer Rakete, wenn man mit dem Auto fährt, wie SpaceX auf dem Weg zu bisher nicht entdeckten Sternen, oder fährt man einfach nur zum nächsten Bahnhof Fangschleuse in Grünheide? »Ist echt cool«, sagt Emil noch. Er hat auch die Fabrik, die Musk in Grünheide plant, in 3D nachgebaut. Bei ihm ist sie schon fertig und betriebsbereit. Zum Schluss höre ich von ihm noch ein Glaubensbekenntnis: »Die Firma hat immer alles selbst entwickelt. Die Autoindustrie ist schon hundert Jahre alt, Tesla fängt komplett neu an und das Auto wird wieder neu erfunden. Und immer, wenn sie was Neues brauchen, entwickeln sie das, das heißt, dass dein Auto mit der Zeit immer besser wird. Echte Innovation statt Verbesserung.«

Juni 2020: Erkundungen vor Ort. Die Heimatstube

Natürlich hatte ich »Grünheide, Grünheide« von der gemaßregelten und verfemten Dichterin der DDR Helga M. Novak gelesen, die Wolf Biermann für eine der größten Lyrikerinnen dieses sonderbaren Staatsgebildes DDR hielt. »Grünheide, Grünheide«, ihr Gedicht und der Ort, wo sie sich ja zu Hause gefühlt hat, zeitweilig wie andere: Gerhart Hauptmann, Kurt Weill, Lotte Lenja, Georg Kaiser, der wilde, oft trunkene Ernst Rowohlt, auch mal Bert Brecht, Robert Havemann und Wolf Biermann, weil er dort zu einem wirklichen Freund in seiner von der Stasi bewachten Einsamkeit kam, den er unterstützen wollte. Ich finde im Internet das Gedicht von Helga M. Novak, ihre Annäherung an Grünheide.

Von Grünheide nach Fangschleuse, zwei Kilometer, eine der letzten Stationen ihrer Fahrt von der Friedrichstraße in die »Heimat«, die sie braucht, diese Frau, widerständig, argwöhnisch und doch voller Sehnsucht nach ihrem Grünheide, vielleicht ein Versteck vor den Fängern …

»links verbirgt sich der Wupatzsee / unter Entenfedern rechter Hand der Wacholder / wie ein betrunkener Zimmermann mit Pelerine / gleich falle ich auf die Knie / und bitte die Frau neben mir / bevor sie ganz verdunstet / alle Kleider mit mir zu tauschen / … / … / damit ich fürderhin mein Leben friste / wie in einem Nest wie Fangschleuse z. B. / unauffällig / wie der Schatten des Wacholders bei Nacht?«

Diese verletzte, verwundete, auch gehetzte Frau, hat sie einen Platz in der Heimatstube, wie all die anderen, die aus Grünheide einmal einen Ort gemacht hatten, wo sich Dichter, Verleger und Theaterleute wohl fühlten?

Da stehen also zwei Männer an diesem schönen Junimorgen zusammen vor dem Eingang der »Alten Schule«, die offiziell »Robert-Havemann-Clubhaus« heißt, die sie aber lieber »ihre Heimatstube« nennen, Lothar Runge und Bernd Obst, und warten neugierig auf den Besuch aus Berlin. Eine der ersten Stationen meiner Suche nach dem alten Grünheide soll ja der Heimatverein sein. Ich will den Dingen auf den Grund gehen, mein Buch soll kein Ufo sein, das einmal in Grünheide landet. Also, da stehen sie nun, der eine hoch gewachsen, der andere etwas kleiner, den Rücken durchgedrückt, zwei neugierig Ausschau haltende alte Männer, mal sehen, was der alte Mann aus Berlin will, mal sehen, was auf sie zukommt.

Jetzt sitzen wir uns an einem großen Holztisch gegenüber, inmitten von Ausstellungsstücken der Geschichte Grünheides, säuberlich geordnet nach Stichworten wie Brücken, Feuerwehr, Fischerei, Gaststätten, Schifffahrt, Alte Ansichten, Schulgeschichte, Fanfarenzug, Hundeschule, Boden und Wasser. Gerade die letztere Abteilung wird eine große Rolle spielen bei den Auseinandersetzungen um die Gigafactory. Das werde ich später erfahren, aber all die Schaukästen, Tafeln, Fotos werden auch noch eine Bedeutung haben, wenn sich Grünheide verändern muss, falls Tesla wirklich kommt.

So bin ich eingestimmt auf Unvermeidliches, aber was ist mit der Geschichte dieses Ortes, wird sich alles fügen? Grünheide hat Erfahrungen mit Menschenmassen, als Ausflugsziel für die Großstädter schon nach dem Ersten Weltkrieg und natürlich auch in der DDR-Zeit, werde ich aufgeklärt. Bis zu 20.000 Menschen kamen da hierher, machten es sich auf Campingplätzen gemütlich, hatten in Ferienheimen von Parteien und Betrieben gewohnt, Gaststätten hätte es ja damals wenig gegeben, ganz im Gegensatz zu den Zeiten schon um 1900, mit den Villen aus der Gründerzeit an den verschiedenen Seen. Der Bootsbau florierte, zwischen den Kriegen kamen 6.000 bis 8.000 Erholungssuchende über den Wasserweg, 31 Gaststätten luden ein zum Verweilen, es herrschte Hochbetrieb.

Aber es gab auch in Grünheide »Welten im Verborgenen«, Geheimnisse, von denen man nichts so Rechtes wusste, aber über die man munkelte. »Wir haben ja bei der Stasi-Unterlagenbehörde in Frankfurt (Oder) versucht, vieles herauszubekommen«, meint Lothar Runge. In dieser Gegend hätte es 28 Objekte der Staatssicherheit gegeben, ein Zentrales Lager in Freienbrink unter anderem. »Da hat der große Postraub stattgefunden.« Ich bin verblüfft, »Postraub«, wie das? Pakete aus dem Westen seien hier eingesammelt worden, die wegen numerischer Übereinstimmung mehrerer Post-Leitzonen in Ost und West fehlgeleitet worden waren, sogenannte »Irrläufer«, die nun in Freienbrink geröntgt, aufgemacht und nach Warengruppen sortiert wurden. »Und dann gingen sie in die Shops der Staatssicherheit bzw. nach Wandlitz«, wie Lothar Runge weiß. »Oder zu Schalck-Golodkowski für seinen Handel mit dem Westen. Also retour, aber unter anderen Vorzeichen, die sich die Absender der Westpakete nicht hätten träumen lassen.« Es gab noch andere Atrozitäten, »wie eine kleine Bungalow Siedlung mit Garagen und so«, was Lother Runge weiter zu berichten weiß, da seien RAF-Terroristen ausgebildet worden. Natürlich ist auch von Robert Havemann die Rede, das sei ja offensichtlich gewesen, 90 Leute hätten ihn und seine Familie Tag und Nacht überwacht.

Zurück zu Elon Musk. Beide Männer fühlen sich nicht so richtig informiert. Viele Informationen seien nur über die Presse gegangen. Im Grunde sind sie für Tesla, der Ort müsse sich dann aber weiterentwickeln in allen Belangen, »man will ja auch etwas abhaben von dem ganzen Kuchen, man will ja nicht nur den Wald opfern, hat nur Dreck und Lärm und der Ort hat gar nichts davon«. Lothar Runge ist im Ortsbeirat und meint, »man müsse den Bürgermeister ein bisschen schubsen«. »Was haben wir denn für Träume und Wünsche?«, ist seine Frage an alle Bewohner Grünheides. Diskussion, Öffentlichkeit, das sei jetzt angebracht. Er ist auch in einem Bürgerbündnis und will sich für mehr Mitsprache einsetzen. Und noch etwas sagt er, nach der Wende habe die Zukunft Grünheides düster ausgesehen, sinkende Einwohnerzahlen, Abwanderung gerade von jungen Bürgern wie überall in der ehemaligen DDR in den Westen. »Charmante Schnarchstadt«, hatte Lothar Runge den Zeitungen erzählt und dann sei eben das Angebot von Tesla gekommen. Nun mischt sich Bernd Obst ein, die Nachricht von Tesla, das habe er im Radio gehört, das sei ja ein Ding, habe er sich gesagt, der Bebauungsplan sei dann ja wohl damals nicht umsonst gemacht worden, als man BMW anlocken wollte, jetzt fände er zu seiner Bestimmung. Und er hoffe inbrünstig, wenn dann nach Arbeitskräften für das neue Werk gesucht werde, dass es zu einem sozialen Ausgleich komme zwischen einheimischen Bewerbern und Menschen aus dem grenznahen Polen. Denn das würde ja von den Gegnern kolportiert, eine Überfremdung der Gegend.

Und tatsächlich, Ängste dieser Art existieren, das hatte ich in der Zeitung gelesen, und sie gingen als Gerücht von Haus zu Haus. »Die Polen kommen.« Nicht nur mit diesen Protestlern haben beide Männer nichts zu tun. Das habe man ja gesehen bei der Rodung des Waldes, viele seien gar nicht von hier, seien zum Teil aus Bayern gekommen, die AfD mische da mit, und jetzt gibt Lothar Runge eine Anekdote zum Besten: »Es gab zwei Demos, einmal die Fürsprecher und einmal die Gegner. Ich war bei den Fürsprechern und da kam einer an: ›Wo kann man denn hier einen Kaffee trinken?‹ Sag ich: ›Sie sind nicht von hier?‹ – ›Nee, ich bin aus Berlin.‹ Sag ich: ›Haben wir Sie denn jetzt gebeten, dass Sie uns verteidigen, hier?‹ – ›Nee, ich bin gegen Kapitalismus‹.«

Meine Gesprächspartner kommen von hier, daran lassen sie keinen Zweifel, mit den »Berufsnörglern«, wie sie die Demonstranten auch nennen, haben sie nichts am Hut. Ich interessiere mich für ihre Lebensgeschichten. Was macht einen Grünheider aus? Dass er nicht aus Grünheide stammt, möchte man vermuten, wenn man Lother Runge zuhört. Eigentlich kommt er aus dem Berliner Norden, die Familie hat sich in Grünheide eine Hütte gebaut, nebenan wurde ein Haus verkauft, und da DDRBürger nur ein Grundstück besitzen dürfen, hatte der Sohn es auf einmal gehabt. So ist er nach Grünheide gekommen. Hat dann in Fürstenwalde studiert, Bauwesen, 1973 landet er bei der NVA, hat auch dort mit Bauwesen zu tun gehabt. Und jetzt kommt ein großer Sprung in seiner Biografie: Er wird nach der Wende von der Bundeswehr übernommen, wird als Zivilangestellter verbeamtet, Regierungsdirektor und ab 2006 in den Ruhestand geschickt. Dann hat man ihm den Heimatverein angedreht. »War da sonst nichts?«, frage ich ihn. Doch, doch in der SED sei er schon gewesen, aber dann war Schluss mit der Politik bis 2008. Da »belatscherte« man ihn, so drückt er es aus, und er wurde »Ortsbeirat«. »Das ist ja so«, sein Resümee, »man kann gar nicht mehr loslassen, wenn irgendetwas nicht so richtig ist, fühlt man sich zuständig, verantwortlich, man muss irgendwas bewegen.«

1939 ist der andere, Bernd Obst, in Rüdersdorf im Krankenhaus geboren, wie es bei den Nationalsozialisten ja damals üblich gewesen sei. Er kann zurückblicken bis 1698, als einer seiner Vorfahren in der Gegend einen Kohlenmeiler errichtete, ist Ur-Grünheider also. Der berufliche Werdegang von Bernd Obst ist schnell erzählt: Lehre im Elektromaschinenbau, Arbeit in einer Werkzeugmaschinenfabrik in Treptow, die später in das Mikroelektronikprogramm der DDR eingegliedert wird, Weiterbildung im Fernstudium zum Fachingenieur für Hochfrequenz, nach der Wende Aufbau von Jugendprogrammen für die Berufsausbildung. Im Ruhestand engagiert er sich wie Lothar Runge im Heimatverein.

»Tesla in Grünheide«, das erschreckt ihn überhaupt nicht. Als gelernter Ingenieur faszinieren ihn technische Innovationen auch in der Autotechnik, da hat er sozusagen einen beruflichen Blick drauf. »Eins steht fest, von dem Betrieb selbst wird Grünheide nie viel spüren, Geräusche und irgendwie Umwelt, Luft und so, was soll da passieren, da kann nicht viel kommen. Ich meine, es ist natürlich eine Technik, die ein kleines Geschmäckle hat wegen der Herstellung der Batterien. Das sind natürlich alles Dinge, die man berücksichtigen muss, aber es kann ja eine Brückentechnologie sein, zum Übergang zu den nächsten Antriebsformen wie Wasserstoff, Brennstoffzelle, wie auch immer. Und so ein Band lässt sich schnell umrüsten, um die nächste Technologie dann durchzuführen. Unter diesem Motto sollte man das sehen.«

Die beiden Männer wollen mich zum Abschied noch durch ihre Heimatstube führen. Die Hundeschule von Grünheide, die Polizeihundeschule ehedem, später von der SS genutzt, steht da im Modell, zu dem ein Mannschaftsgebäude gehörte, das nach dem Krieg zur Gerhard-Hauptmann-Schule wurde. »Für eine neue Menschengeneration«, wie Bernd Obst sagt. Geschichte soll so lebendig werden, aber nicht mit alten Töpfen, Tassen und Kannen, sondern mit Ausstellungsstücken, die erklären, was Grünheide einmal für die Zeitgenossen war. Aber auf eins muss Bernd Obst noch unbedingt hinweisen, er zeigt auf ein Foto: »Der Herr in der Mitte, der da als Boxer steht, Max Schmeling.« Der habe für Grünheide auch etwas zu bedeuten, weil er hier in Fangschleuse trainiert habe, wo der Bahnhof steht. Auch der Wohnort von Bahnwärter Thiel, über den Gerhard Hauptmann in seiner gleichnamigen Novelle schreibt, Pflichtlektüre in den Schulen auch heutzutage. In ihr beschreibt er einen Morgen im Wald, durch den der Bahnwärter auf dem Heimweg von seiner Arbeit kommt.

»Die Sonne goß, im Aufgehen gleich einem ungeheuren blutroten Edelstein funkelnd, wahre Lichtmassen über den Forst. In scharfen Linien schossen die Strahlenbündel durch das Gewirr der Stämme, hier eine Insel zarter Farnkräuter, deren Wedel feingeklöppelten Spitzen glichen, mit Glut behauchend, dort die silbergrauen 45 Flechten des Waldgrundes zu roten Korallen umwandelnd. Von Wipfeln, Stämmen und Gräsern floß der Feuertau. Eine Sintflut von Licht schien über die Erde ausgegossen.« So schön kann es in den Wäldern rings um Grünheide sein.

Treffen mit einem Widersacher – Steffen Schorcht

Als ich das Heimatmuseum verlasse, winken mir meine Gesprächspartner von der Eingangstreppe aus zu, als wollten sie sagen: »Wird schon gut gehen.« Mit »gut gehen« meinen sie mein Gespräch mit Steffen Schorcht, Mitglied der Grünen Liga und der Bürgerinitiative Grünheide, zu dem ich nun aufbreche. Ein Mann, der bei manchen als schwierig gilt. Mir war er immer wieder aufgefallen. Wenn in Zeitungen von Tesla die Rede war, war auch von ihm die Rede. Ein eloquenter Mann, mit guten Argumenten bewaffnet, gar kein Eiferer mit Schaum vor dem Mund. Ich erinnere mich an ein Streitgespräch zwischen dem Wirtschaftsminister des Landes Brandenburg Jörg Steinbach und Steffen Schorcht, dessen Abdruck in der Zeit am 12. März 2020 erschienen war. Tesla sei ein Signal für die Zukunft der Region und des Landes Brandenburg, meint der Minister, Schorcht kontert, dass das Baugelände in Grünheide aus ökologischen Gründen der falsche Standort sei. So geht es munter hin und her. Der Minister betont die Entwicklungschancen durch Tesla, Schorcht führt aus, dass man in einem Wasserschutzgebiet nicht so eine Fabrik bauen könne. Der Minister insistiert, es gäbe eine Machbarkeitsstudie, außerdem würde die Gemeinde auf dem Laufenden gehalten. Schorcht meint, die Bürger seien an dem Projekt nicht beteiligt und fühlten sich außerdem schlecht informiert, würden zu wenig in das Projekt einbezogen. Das schaffe Vertrauensverlust in die Politik und spiele der AfD in die Hände. Der Minister verweist auf die gesetzlichen Abläufe, über die immer informiert worden sei, außerdem könne man drei Monate nach Bekanntgabe des Deals nicht schon Lösungen für alle Details bei einer neuen Infrastruktur für Grünheide verlangen. Im Übrigen sei Tesla nicht nur für Grünheide, für Brandenburg, für Deutschland, sondern auch für Europa wichtig, weil der neue Produktionsstandort von Tesla zum Zentrum der Firma auf diesem Kontinent würde und damit einen großen Absatzmarkt bediene, von dem sicher auch das Land profitiere, wenn es Tesla gut ginge. Noch einmal geht Steffen Schorcht in die Vollen, hält den Aktienkurs von Tesla für aufgebläht, sieht eine wachsende Anzahl von Mitbewerbern bei E-Autos, glaubt, dass sich 90 Prozent der Bevölkerung die Teslas nicht leisten können, weil die Autos zu teuer sind, fragt nach den Alternativen für Elektroantriebe, wie zum Beispiel die Wasserstofftechnologie. Sieht ein finanzielles Risiko für das Land, wenn es mit Tesla einmal bergab ginge. Der Minister kontert mit dem Hinweis, dass auch er die E-Mobilität als Brücke sieht zum Wasserstoff-Energieträger für Autos, aber da würden noch gut 20 Jahre vergehen, in denen Tesla gutes Geld verdient und die Steuereinnahmen fließen. Tesla sei eine Gewinnerstory. Und von den Verbesserungen der Infrastruktur in Grünheide und Umgebung würden alle profitieren, auch wenn Tesla nicht mehr da sei.

Die Schlussfrage an Steffen Schorcht in diesem »Zeit- Gespräch« ist von besonderer Delikatesse. Mal angenommen, er würde Elon Musk in Grünheide treffen: »Was würden Sie ihm gerne ins Gesicht sagen?«, fragt der Zeit-Journalist. »Sie haben sich den falschen Standort ausgesucht, Mr. Musk. Tesla hatte ja allein in Brandenburg drei weitere Plätze zur Auswahl. Auch fürs Land ist das Ergebnis nicht gut. Anstatt die Peripherie zu stärken, ziehen wir noch mehr Jobs und Menschen in den Berliner Speckgürtel«, antwortet Steffen Schorcht.

Auf dem Weg nun von Mr. Hardcore, wie Elon Musk auch manchmal genannt wird, zu Bürger Hardcore nach Karutzhöhe in Erkner, einer Nachbargemeinde von Grünheide. In Erkner haben sich vor vielen Jahrzehnten TBC-Kranke mit Teerdämpfen auszukurieren versucht. Das ist lange her.