The Act of Submission - Helia James - E-Book

The Act of Submission E-Book

Helia James

3,0

Beschreibung

Die aufstrebende Schauspielerin Zara Fletcher erhält die Hauptrolle in einem kontroversen Film, der sich mit BDSM beschäftigt. Um sich auf ihre Rolle vorzubereiten, taucht sie tief in diese Welt ein und trifft dabei auf Ryu Asano, einem Yakuza-Mitglied, das als Stunt-Double für den Film engagiert wurde. Ryu ist ein Mann mit einer gefährlichen Vergangenheit und dunklen Geheimnissen, die ihn immer wieder einholen. Obwohl Zara ihn zunächst abweisend und einschüchternd findet, entwickelt sich zwischen ihnen eine Anziehungskraft, die sie nicht ignorieren kann. Doch während sich ihre Filmrollen mit Realität vermischen, wachsen auch die Bedrohungen aus Ryus früherem Leben. Zara muss entscheiden, ob sie sich auf diesen gefährlichen Mann einlässt, denn dadurch muss sie ihre Masken fallen lassen und zeigen welche junge Frau hinter dem Schauspiel-Sternchen steckt.

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Seitenzahl: 392

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Widmung

ZARA

ZARA

RYU

ZARA

RYU

ZARA

RYU

ZARA

RYU

ZARA

RYU

ZARA

RYU

ZARA

RYU

ZARA

RYU

ZARA

ZARA

RYU

ZARA

RYU

ZARA

RYU

ZARA

RYU

ZARA

RYU

ZARA

RYU

ZARA

RYU

ZARA

RYU

ZARA

RYU

ZARA

RYU

ZARA

RYU

ZARA

RYU

ZARA

RYU

ZARA

RYU

ZARA

RYU

ZARA

EPILOG

Zara

Vorwort

Die Charaktere sind frei erfunden und jegliche Ähnlichkeiten zu existierenden Personen sind reiner Zufall.

Alle Beschreibungen und Erlebnisse betreffend BDSM und/oder Sub-Gruppen sollen nicht als Vorbild gesehen werden oder zum Nachahmen anregen. Bei Interesse, bitte wendet euch an einen Profi!

Recherche zum amerikanischen und japanischen Untergrund könnten Fehler beinhalten. Dieser Roman ist reine Fiktion und kein wissenschaftliches oder wirtschaftliches Werk.

Ansonsten kann ich nur noch eines sagen:

Für jede Prinzessin, die es satt hat, Prinzen zu begegnen, die allesamt Frösche sind - sucht euch einen Drachen.

Loyal und treu weichen sie euch nicht von der Seite und wenn ihr Glück habt, gehen sie auch für euch auf die Knie und zeigen, woraus wahre Märchen sind.

ZARA

»Sehr gut und jetzt heben Sie das Kinn an, Miss Fletcher!« Wie befohlen drücke ich mein Kinn etwas höher und kämpfe dagegen an, direkt in die grellen Blitze der Kamera zu sehen.

Die Fotosession dauert nun schon drei Stunden, eigentlich sollten sie schon längst fertig sein. Das Licht der Kamerablitze treibt mir die Tränen in die Augen. Ich habe Mühe sie wegzublinzeln, ohne die Fotos dadurch zu ruinieren.

Ich wünsche mir für einen Augenblick meine Brille auf die Nase, doch am Set und bei öffentlichen Auftritten muss ich leider mit den Kontaktlinsen vorliebnehmen.

»Wir machen noch ein paar Aufnahmen der beiden Hauptdarsteller zusammen, dann sollten wir genügend Filmmaterial zusammen haben,« meint der Fotograf und entlässt mich endlich aus meiner angespannten Haltung. Mit einem Seufzen rolle ich mit der Schulter und sehe zu meinem Schauspielkollegen hinüber. Michael und ich spielen die beiden Hauptcharaktere in einem Liebesdrama, das nächstes Jahr auf der großen Leinwand erscheinen soll. Der brünette Brite kommt auf mich zu geschlendert, eine Hand in seiner Hosentasche vergraben.

»Na, bereit für ein paar Pärchen Fotos?« Sein Lächeln ist strahlend weiß und zeigt deutlich wie gut sein Zahnarzt ist. Am liebsten hätte ich mit den Augen gerollt.

Bereits bei unserem ersten Treffen war klar, dass Michael versuchte bei mir zu landen.

Er ist nicht unattraktiv, doch wenn ich eine Sache aus meiner bisherigen Karriere gelernt habe, dann dass ich niemals einen anderen Schauspieler daten würde. Für mich kommt immer zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen und die beiden Bereiche mischen sich nicht besonders.

Außerdem birgt ein Date mit einem anderen Schauspieler immer ein gewisses Risiko die Gerüchteküche zum Kochen zu bringen.

»Gern, je schneller wir die Fotos hinter uns bringen, desto schneller kann ich zu Mittag essen«, sage ich lächelnd und folge Michael zu dem für uns aufgebauten Set. Ich weiß, dass ich gemein klinge.

Doch es ist besser solchen Männern von Anfang an klarzumachen, dass außerhalb der Sets nicht mehr passieren wird. Für die kommenden vier Monate würden wir ein Paar spielen und daraus würde nie mehr werden. Besser ich lege die Grenzen jetzt schon fest.

Die Fotos dienen als Promotion bevor der richtige Filmdreh beginnt, und fallen für das Thema des Films recht zahm aus. Beim Durchblättern des Drehbuchs ist mir aufgefallen, dass es einige Sexszenen geben wird.

Angeblich beruht der Film auf einem Buch, in dem einige schwierige Themen behandelt werden.

Den Titel des Buches habe ich mir natürlich nicht gemerkt, aber als Vorbereitung für den eigentlichen Dreh werde ich es mir vom Regisseur borgen und einen Blick hineinwerfen.

Als Schauspielerin gehören solche Szenen dazu, doch allein der Gedanke daran mit Michael eine dieser Szenen zu drehen, lässt meinen Magen sich zusammenziehen.

Oder vielleicht grummelt er auch, weil ich am Morgen vergessen habe zu frühstücken.

Als der Fotograf uns endlich entlässt, versucht Michael mich noch an der Tür abzufangen.

»Hey, ich dachte wir könnten vielleicht gemeinsam Mittagessen gehen?« Charmant wie er ist, hält er mir die Tür auf. Freundlich lächelnd schultere ich meine Tasche neu.

Wie kann man nur so blind sein? Jeder Idiot hätte schon längst bemerkt, dass ich kein Interesse habe, aber der Brite vor mir lässt nicht locker.

Leider kann ich ihm keinen direkten Korb geben. Ich kann unsere Zusammenarbeit nicht sabotieren, nur weil ich Michael auf den Schlips trete und die kommenden Monate unangenehm werden lasse.

»Danke für das Angebot, aber da wir nächste Woche zu unserem Drehort fahren, möchte ich heute gerne noch mit meinen Freunden etwas Zeit verbringen.«

Ich hoffe, dass meine Ausrede plausibel klingt.

Eigentlich habe ich nur eine Freundin, eine beste Freundin, aber die lebt leider nicht in New York.

Anna ist eine alte Freundin aus meiner Zeit bevor ich nach New York gekommen bin. Sie, mein Manager Bill und dessen Frau sind die einzigen, die wissen woher ich komme. Für den Rest der Welt bin ich Zara Fletcher, Schauspielerin aus New York, ein Rohdiamant, der unter tausenden hervorstechen konnte.

Die Wahrheit ist nicht ganz so rosa. Anna und ich sind in London aufgewachsen. Sie die Tochter einer kranken Mutter und ich das Kind eines desinteressierten Vaters. Zusammen haben wir die britischen Straßen unsicher gemacht. Aber leider ergeben unbeaufsichtigte Teenager und das Leben auf den Londoner Straßen eine ganz böse Mischung.

Inzwischen bin ich dank der Hilfe meines Managers nach New York gezogen, während Anna sich einen Namen auf den Englischen Bühnen gemacht hat.

Das hält uns jedoch nicht davon ab, jeden Tag miteinander über Videochat zu telefonieren. Wenn ich ein Date mit meiner besten Freundin haben kann, wozu sollte ich mich dann mit einem mittelmäßigen Mann zufriedengeben, den ich die kommenden Monate sowieso täglich sehen muss.

»Dann vielleicht ein anderes Mal?«, fragt Michael hoffnungsvoll.

»Ja, vielleicht.«

Mit einem entschuldigenden Lächeln mache ich mich auf den Weg zu meinem alten Chevrolet. Auf dem Weg nach Hause hole ich mir unterwegs etwas zu Essen, das ich, während dem Videochat, in mich hineinschaufeln kann.

In meinem Apartment angekommen, wird erst mal ausgiebig geduscht. Das Essen dreht sich in der Mikrowelle und es dauert keine drei Signaltöne, da erscheint Annas Gesicht schon auf meinem Laptopbildschirm.

»Hast du dich etwa schon geduscht? Dabei wollte ich doch sehen, was sie für den Porno mit deinen Haaren und deinem Gesicht aufgeführt haben«, kam die entrüstete Stimme aus dem Computer.

Anna selbst trägt einen seidenen Bademantel und hat diese neuen Plastikhalme in den Haaren, die ihre voluminösen Locken in die richtige Form bringen sollen. Ich verdrehe grinsend die Augen, bevor ich mich vor den Laptop setze und die dampfende Aluschüssel Risotto zu mir ziehe.

»Ich habe dir doch gesagt, wir drehen keinen Porno. Es ist eine Adaption eines berühmten Romans. Es geht darin nun mal auch um Sex, aber es werden keine grafischen Dinge gezeigt. Zumindest hoffe ich das.«

Allein bei dem Gedanken an Michael und daran mit ihm vor der Kamera intim zu werden, bekomme ich eine Gänsehaut.

Meine beste Freundin erkennt die kleinste Regung in meinem Gesicht und beugt sich näher an ihre Webcam heran.

»Ist dein Spielpartner so furchtbar oder hässlich, dass es dich so schüttelt?«

»Nein, überhaupt nicht!,« versuche ich die Situation zu erklären. »Er sieht nicht schlecht aus, Brite, Michael Kimberton, vielleicht kennst du ihn?«

Auf das Kopfschütteln meiner Freundin fahre ich fort: »Aber er will offensichtlich etwas von mir. Ich habe ihm schon mehrmals deutlich gemacht, dass ich nicht interessiert bin. Doch er wird nicht lockerlassen, wenn wir zusammen solche Szenen drehen sollen.«

Seufzend schiebe ich mir einen Löffel Risotto in den Mund. Meine beste Freundin am anderen Ende der Verbindung verzieht mitfühlend den Mund.

»Da hast du Recht, aber mach ihm einfach klar, dass das für dich nur Schauspiel ist. Hast du ihm gesagt, dass du keine anderen Schauspieler datest?«

»Ja, und ich denke er ist auch nicht daran interessiert mit mir auszugehen. Ich denke ein einziger Abend würde ihm ausreichen.«

Diesmal verzieht Anna das Gesicht vor Ekel.

»Ich hasse Männer.«

»Ach, seit wann das denn du Herzensbrecherin?«, lächle ich amüsiert über das Statement meiner besten Freundin.

»Übrigens, wie läuft es mit dem Personal Trainer von letzter Woche?«, lenke ich das Thema von mir auf die Brünette in meinem Bildschirm, die sogar in ihrem einfachen Bademantel bezaubernd aussieht.

»Oh, der? Ist verheiratet und hat zwei Kinder,« entgegnet Anna beinahe beiläufig, während sie sich die Lockenwickler aus den Haaren zieht. Das Licht ihrer Schreibtischlampe gibt ihren braunen Haaren einen roten Ton. Und durch die verzerrte Laptopkamera bekommt sie einen kleinen Heiligenschein.

Unser Gespräch wird seichter und wie jeden Abend bin ich dankbar für den Humor meiner besten Freundin.

Sie weiß was sie sagen oder tun muss, damit ich mich gleich besser fühle. Leider wird das eines der wenigen Videotelefonate der kommenden Monate sein, denn während dem Dreh werden sich unsere freien Zeiten nicht mehr so einfach überlappen. Und ich habe das ungute Gefühl, dass ich oft an Anna denken werde und am Liebsten jeden Tag telefonieren würde. Außer ihr habe ich Niemanden, dem ich mich anvertrauen kann. Die meisten, die ich kennenlerne, sehen nur die Schauspielerin und nicht die Person hinter der Fassade.

Ich drehe mir eine kurze schwarze Strähne um den Zeigefinger, doch im Gegensatz zu meiner besten Freundin locken sich meine Haare nicht wie aus einer Shampoo-Werbung. Mit den schulterlangen Haaren bin ich nicht nur einmal als «androgyn» in einem Magazin beschrieben worden.

Es fällt mir mit jedem Jahr, das vergeht, schwerer neue Freunde zu finden. Doch solange ich Anna habe, bin ich zufrieden. Manchmal wünschte ich mir sie würde nicht auf einem anderen Kontinent leben.

Wer weiß, vielleicht werde ich eines Tages die Schauspielerei an den Nagel hängen und dann gehe ich auch nach England zurück. Irgendwann würden wir wieder zusammen an der London Bridge stehen und ein Eis zusammen essen.

Nicht als die beiden Mädchen aus der Gosse, die für ein paar Pfund stundenlang Passanten und Touristen angebettelt hatten. Sondern als zwei erfolgreiche Schauspiel-Freundinnen, die sich eine kühle Nachspeise gönnen und über das dreckige Wasser der Themse sehen.

In meiner Erinnerung war das Wasser grau und stank nach Urin. Wenn ich mir in der Zukunft Anna und mich wieder in London vorstelle, dann riecht es einfach nach Freiheit und einem Luxus, den sich die zwei Mädchen, die wir einmal waren, nicht vorstellen konnten.

ZARA

»Es geht darum dein Image zu schützen, Zara«, versichert Bill mir bestimmt schon zum dritten Mal mit einem väterlichen Lächeln.

Mein Image muss nicht beschützt werden und vor allem verstehe ich nicht, was eine geplante Verabredung damit zu tun hat.

Verwirrt lege ich die Stirn in Falten.

»Und deshalb soll ich mit diesem Dominik ausgehen, oder wie?«

Der pummelige Mann nickt und schiebt mir über den Tisch des Cafés, in dem wir sitzen, ein Foto des Mannes zu. Er ist attraktiv und wäre bestimmt jemand, bei dem ich auf dieser Dating-App nach rechts gewischt hätte.

Aber das ist trotzdem kein Grund ihn mir einfach so andrehen zu wollen.

»Ich verstehe trotzdem nicht, wie eine Verabredung mit diesem Mann mein Image schützen soll?«, frage ich erneut.

»Ich will nicht, dass die Paparazzi dir und Herrn Kimberton das Leben schwer machen, wenn wir schon bald mit den Dreharbeiten beginnen. Deshalb haben wir eine Verabredung mit Herrn Brighton organisiert. Er ist ein Student an der Schau spiel-Akademie, der noch keine nennenswerte Rolle hatte. Wenn du die Dreharbeiten mit einem festen Freund beginnen, können wir unangenehme Fragen zu Beziehung zwischen dir und Herrn Kimberton bereits im Keim ersticken.«

Ah, langsam beginnt es Sinn zu machen. Eine gespielte Beziehung, damit neugierige Paparazzi kein Fressen finden, dass es bei einem Film mit solchen sexlastigen Themen wie bei ›All the Shades of Black‹ nur zuhauf gibt.

»Okay, einverstanden ich gehe auf dieses fabrizierte Date, aber ich werde ihn weder küssen noch mit ihm schlafen«, mache ich mit fester Stimme klar.

»Ich halte mich an meine eigene Regel.«

Bill weiß natürlich, dass ich nicht mit anderen Schauspielern schlafe. Deshalb ist es sehr freundlich, dass er jemanden gefunden hat, der keine Probleme haben würde meinen »festen Freund« zu spielen ohne ein echter Schauspieler zu sein. Zumindest noch nicht. Aber bis es so weit war, wäre der Film abgedreht und ich wäre nicht länger in einer Situation, die einen falschen Freund erfordert.

Ich bin Schauspielerin aufgrund meines Ehrgeizes und dank meinem Manager geworden. Böse Zungen wollen mir da ganz andere Geschichten anhängen. Dass ich meine Rollen durch andere ›Talente‹ bekommen hätte. Über diese Gerüchte kann ich nur lachen. Wer auch immer sie in die Welt gesetzt hat, weiß wohl nicht, dass meine Talente 75A sind.

»Natürlich nicht, Süße«, versichert mir der Mann im Anzug auf der andere Seite des Tisches, während er das Bild und seine Dokumente wieder einsammelt.

»Du musst nur den Eindruck vermitteln, dass es dir ernst ist. Es werden Journalisten auf dich warten und diese müssen glauben, du bist glücklich vergeben.«

Ein verliebtes Mädchen spielen? Nichts leichter als das, immerhin ist jemandem etwas vorzumachen mein Job.

»Sehr gut, dann werde ich Herrn Brighton Bescheid geben. Ich lasse dir Ort und Datum zukommen, sowie einige Informationen zu dem jungen Mann selbst. Immerhin soll es aussehen wie ein drittes oder viertes Date und nicht wie euer erstes«, erklärt mir Bill, bevor wir aufstehen und das Café verlassen.

Draußen regnet es in Strömen. Ein Blick in den Himmel und zurück zum Parkplatz lässt mich in etwa abschätzen, wie nass ich wohl werde, wenn ich jetzt anfangen würde loszulaufen. Mein Auto steht gleich auf der anderen Straßenseite.

Ich umarme meinen Manager herzlich und genieße die bekannte Nähe zu diesem Mann, der wie ein Vater für mich geworden ist. Bill hat mir vor vielen Jahren das Leben gerettet.

Ich kann mich glücklich schätzen, dass ich an einem verregneten Tag im September das Glück hatte zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen zu sein.

Die richtige Zeit war nach einer Nacht in einem der vielen Clubs in der Innenstadt. Ich hatte so viel getrunken, dass ich nicht einmal mehr wusste, wo oben und unten war. Der richtige Ort war eine Brücke an der Themse, während der Regen meine Kleidung durchnässte.

Für einen Moment wollte ich über die Mauer springen, einfach alles hinter mir lassen und mich dem schwarzen Wasser unter mir hingeben. Es war ein Wink des Schicksals, dass an genau diesem Abend mein jetziger Manager über die Brücke kam.

Er besuchte zu diesem Zeitpunkt seine Frau in England. An jedem anderen Tag hätte mich wohl die Londoner Polizei aus der Themse gezogen. Damals war ich erst fünfzehn. Mein Ausweis sagte 22 und Anna kannte genug Türsteher, sodass wir ohne Probleme in jeden Club kommen konnten in den wir wollten.

Und so nahm mich der mittelständige Mann, der sich mir als Bill vorstellte, mit in sein Hotel. Dort wartete bereits eine Frau auf uns. Zuerst dachte ich daran, dass ich wohl an einen Zuhälter geraten sein musste.

Warum sonst sollte er ein Mädchen von einer Brücke ziehen, die Erbrochenes auf ihrer Kleidung und in ihren Haaren hatte? Bestimmt fragte sich das der junge Mann an der Rezeption auch, seinem Blick nach zu urteilen.

Nach einer Dusche in ihrem Hotelzimmer hatte ich Bill auf eine Probe stellen wollen. Wenn ich es mit einem Zuhälter zu tun hatte, würde ich sofort verschwinden. Eher würde ich sterben als mich verkaufen zu lassen.

Um zu überprüfen, ob ich es wirklich mit einem Zuhälter zu tun hatte, öffnete ich mein Handtuch. Mein Körper war mit fünfzehn noch nicht ganz durch die Pubertät, aber ich wollte nur die Wasser testen. Dafür musste er reichen.

Bills Reaktion überraschte mich. Er wurde knallrot im Gesicht und drehte sich ganz schnell weg. Seine Frau wickelte mich in ihren Mantel und sprach beruhigend auf mich ein. Erst dann kamen die Tränen.

Der Mann, der mein heutiger Manager werden würde, hatte mich noch nie schauspielen sehen und trotzdem legte er mir noch in der selben Nacht einen Vertrag vor die Nase. Er würde mir alle Kosten übernehmen, wenn ich mit ihm zurück nach Amerika fliegen würde. Der Vertrag sah professionell aus und beide waren bekannte Figuren auf der anderen Seite des Ozeans, so viel wurde mir nach einer schnellen Internetsuche bewusst.

Wie ein Ertrinkender schnappte ich nach der ersten Hand, die sich mir entgegenstreckte. An diesem Abend nahmen die beiden mich bei sich auf. Unter einer Bedingung willigte ich ein: Meine beste Freundin würde mitkommen.

Sie und ich waren wie Schwestern. Wenn sie in den Gossen Londons verschwinden würde, so würde ich das ebenfalls tun. Überraschenderweise gingen die beiden Erwachsenen schneller auf meine Bedingung ein als ich erwartet hatte.

Anna würde mit der Ehefrau meines Managers in England bleiben. Sie selbst war Sängerin im Royal Opera House und würde Anna unter ihre Fittiche nehmen. Und so begannen meine »Schwester« und ich unsere neuen Leben im Rampenlicht.

Bisher habe ich hauptsächlich in romantischen Komödien gespielt und bei einigen Disney-Produktionen mitgeholfen. Außerdem durfte ich wegen meinem jungen Erscheinungsbild bei Schulproduktionen immer die Prinzessin spielen.

Es hat mich nie gestört für jünger gehalten zu werden. Natürlich gab es die ein oder andere unangenehme Begegnung mit einem älteren Herren, in dessen Beuteschema ich sehr gut gepasst habe.

Aber welche Frau lebt ihr Leben ohne eine solche Begegnung erlebt zu haben? Seit ich als Schauspielerin angefangen habe Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen, fällt es mir schwer auf Dates zu gehen.

Anna hat mir einmal geholfen ein Dating Profil auf einer dieser Apps aufzusetzen, doch sobald die meisten Männer herausfanden mit wem sie da gerade schrieben, gab es nur zwei Reaktionen: Entweder sie schrieben mir ein begeistertes ›Was, du bist Schauspielerin?‹, oder aber ein unsicheres ›Oh, du bist also Schauspielerin...‹.

Egal, welche Reaktion ich bekomme, sie trifft mich gleichermaßen und mir wird schlecht. Also war die App auch ganz schnell wieder gelöscht und ich habe für mich beschlossen es vorerst mit Verabredungen wieder sein zu lassen.

Zumindest während langer Dreh-Monate am Set. Was ich zwischen den verschiedenen Drehs so treibe, oder mit wem, geht niemanden etwas an.

Nachdem ich Bill losgelassen habe, laufe ich winkend die drei, vier Schritte bis zu meinem Chevrolet. Das Weinrot des Lacks wirkt durch den starken Regen dunkler als sonst.

Kaum sitze ich hinter dem Steuer, erlaube ich mir meine Maske fallen zu lassen und reibe mir müde über die Augen.

Du musst funktionieren.

Das habe ich mir bereits als Kind vorgesagt. Die Worte haben sich so tief in meine Knochen gebrannt, dass ich automatisch in die Rolle schlüpfe, die von mir verlangt wird.

Ich habe mal irgendwo gelesen, dass diese Art mit Stress umzugehen ungesund sei und therapiert werden müsste.

Andere gehen in Therapie, ich bin Schauspielerin geworden. Jeder geht mit seinen Traumata anders um.

Ich hatte keine schlimme Kindheit per se. Anna und ich waren Kinder von Eltern, die keine hätten werden sollen, mehr nicht. Aber gemeinsam haben wir uns durchgeboxt und aufeinander aufgepasst.

Annas Mama ist früh gestorben. Sie war immer schon schwer krank gewesen. Deshalb hat Annas Papa die Familie direkt nach ihrer Geburt verlassen.

Und meine Eltern haben sich oft gegenseitig angeschrien. Ich dachte, dass es besser werden würde. Dass alles gut werden würde. Und dann hat mein Papa uns auch einfach zurückgelassen.

Ein ganzes Jahr lang hatte ich gehofft, dass er zurückkommen würde. Doch er kam nicht und meine Mutter fiel in schlimme Depression. Es tat mir weh sie so zu sehen.

Irgendwann hatten Anna und ich nur noch einander und haben mehr Zeit auf den Straßen Londons als zu Hause verbracht.

Unter anderen Umständen wären wir wohl in den schönen Vororten groß geworden. Wir wären zusammen zur Schule gegangen, hätten Schuluniformen getragen und mit anderen Kindern im Park gespielt.

Ich habe vieles, was damals passiert ist, erst Jahre später verstanden.

Wir beide waren keine Waisen und trotzdem waren die Einzigen, die uns aufzogen, die Menschen, mit denen wir durch Whitechapel zogen.

Es war gefährlich, keine Frage, uns hätte jemand auflauern können, uns töten oder vergewaltigen.

Aber auf den Straßen Londons waren wir frei. Anna und ich konnten sein, wer wir wollten.

Wir waren hungrig, dreckig und müde - aber frei.

Kein Kind überlebt lange ohne Zuneigung oder Zugehörigkeit. Wir fanden beides in den Gangs auf den Straßen. Die falschen Leute, der falsche Umgang - eines führte zum anderen und wir kamen auf die schiefe Bahn. Ich hatte meinen ersten Absturz mit vierzehn, Anna ihren ersten Drogenrausch mit dreizehn. Es war Himmel und Hölle zugleich.

Nachdem ich den Regentropfen auf meiner Scheibe noch eine Weile zugesehen habe, mache ich mich auf den Heimweg zu besagtem Apartment. Ich freue mich auf eine heiße Dusche und nehme mir fest vor diesen Dominik Brighton erst einmal zu googlen. Bill meinte, er wäre ein unbekannter Schauspieler und das kann ich unterschreiben, denn der Name kommt mir nicht bekannt vor.

Wahrscheinlich hat er deshalb zugestimmt mein falscher Freund zu werden. Gute Publicity für ihn, wenn er mit mir ausgeht und mir können sie nicht schaden, da man über ihn nicht genug weiß.

Sofort drehen sich meine Gedanken um unsere Fake-Verabredung. Irgendwie ist es ironisch und gleichermaßen traurig, dass meine erste Verabredung seit einer gefühlten Ewigkeit keine echte sein wird.

Ich sollte mir nicht allzu viele Gedanken darüber machen. Wer weiß, vielleicht ist dieser Dominik ein sehr charmanter Mann und es funkt tatsächlich zwischen uns.

Auch wenn ich versuche das Kribbeln in meinem Bauch zu ignorieren, kann ich es nicht abstreiten. Tief in meinem Inneren bin ich eine kleine Romantikerin und hoffe auf meinen Ritter in der silbernen Rüstung.

Mit einem entrüsteten Schnauben schiebe ich dieses Ge fühl dorthin, wo es hergekommen ist. Ich bin zu alt um an Prinzessinnen, Ritter oder die wahre Liebe zu glauben. In ein paar Monaten würde ich dreißig werden, danach ging es mit dem Dating-Pool nur noch bergab. Für die meisten Männer zählt nur, dass ich Geld habe und zehn Jahre jünger aussehe, als ich es tatsächlich bin.

Einen echten Ritter, dem es scheißegal ist, dass hinter der Schauspielerin Zara Fletcher ein kleines Mädchen aus Europa steckt, gibt es nicht.

RYU

Lächerlich. Das ist der einzige Gedanke, der mir durch den Kopf kreist, während ich mich mit verschränkten Armen in meinem Sessel zurücklehne. Der Vorschlag, den mir der Mann im Anzug mir gegenüber macht, kann doch nur ein Scherz sein.

Die Ketten um meine Handgelenke rasseln bei jeder meiner Bewegungen.

»Herr Asano, ich bitte Sie. Denken Sie doch darüber nach. Es wären vier Monate Sozialstunden. Dafür können wir Ihnen einen Platz im Gefängnis ersparen und somit auch Ihr direktes Todesurteil.«

Die Stimme des Mannes wird gegen Ende seines Satzes zu einem ominösen Flüstern. Ich weiß, dass mein Saiko Komon Tadashi als Oberster Berater meiner Familie diesen Mann geschickt hat.

Nachdem ich dem Clan den Rücken gekehrt habe, war er der Einzige, der mit mir gegangen ist. Obwohl er jünger ist als ich, wacht er über mein Leben, als wäre ich sein eigen Fleisch und Blut. Ich weiß, dass, sollte ich im Gefängnis landen und mein Name mit den Neun Drachen in Verbindung gebracht wird, mein Schädel den Platz auf meinen Schultern verliert.

Ich habe keine Angst vor dem Tod, hatte ich noch nie. Aber ich würde meine Freiheit außerhalb des Clans gerne noch ein paar Jahre genießen.

Momentan befinde ich mich in U-Haft, nachdem ich bei einer Schlägerei zufällig von der Polizei aufgeschnappt wurde. Die netten Herren und Damen um mich herum haben zu viel Angst sich mit einer Yakuza-Familie anzulegen. Zu meinem Glück, muss ich zugeben.

So kann ich seit meiner Verhaftung halbwegs akzeptables Essen und einen gratis Schlafplatz verbuchen ohne von oben herab behandelt zu werden, wie andere Gefangene.

Nur die Ketten um meine Handgelenke und Füße stören etwas. Außerdem steht mir das ausgewaschene blau-grün der Insassenuniformen des Gefängnisses in Tokio nicht.

Ich mustere den Anwalt vor mir etwas. Er wirkt unsicher und verängstigt, somit sind seine Absichten echt. Außerdem hat er Tadashis Siegelring bei sich, um sich auszuweisen.

»Ich soll also Schauspieler werden, damit ich nicht ins Gefängnis komme und mein Clan mich von der Bildfläche verschwinden lässt, habe ich das richtig verstanden?«, frage ich sicherheitshalber nach und ziehe eine gepiercte Augenbraue nach oben.

Der Mann in dem braunen Anzug vor mir wird noch etwas kleiner in seinem Sessel.

»Sie brauchen nicht einmal Talent, Mister Asano. Nicht, dass Sie keines hätten!,« versucht er sich zu retten und streicht sich nervös durch die Haare. »Es geht nur darum, dass wir ein Body-Double brauchen. Ihr Gesicht wird nicht zu sehen sein.«, versichert er mir mit zitternder Stimme.

Vier Monate auf einem Schauspiel-Set, im Gegenzug be komme ich meine Freiheit? Der Vorschlag klang zu verlockend, irgendwo musste ein Haken sein. Doch ich hätte kein Blut der Neun Drachen in meinen Venen, wenn ich nicht auf Risiko spielen würde.

Grinsend lehne ich mich in meinem Stuhl nach vorne und kann deutlich sehen, wie der Mann mir gegenüber zurückweicht.

»Ich bezweifle, dass ich der Mann bin, den ihr für euren kleinen Film braucht.«

»Der Film soll nächstes Jahr in die amerikanischen Kinos kommen«, erklärt er mir und schiebt mir ein Buch über den Tisch zu. Meine Handfesseln klirren, als ich den Roman aufhebe und durchblättere. Ich kenne weder den Titel noch den Autor, also lasse ich das Buch unsanft zurück auf den Tisch fallen.

»Es ist eine Großproduktion und der männliche Hauptdarsteller wird sehr eindeutig in dem Buch beschrieben.« Die Wangen des Anwalts werden tatsächlich rot, was mich grinsen lässt. Neugierig hebe ich das Buch erneut hoch und drehe es um, damit ich mir den Klappentext durchlesen kann.

Groß, muskulös, gefährlich – so wird der Hauptcharakter beschrieben. Da hätten sie jeden zweiten Mann aus dem Gefängnis nehmen können.

»Warum ich?«, frage ich und sehe dem Anwalt direkt ins Gesicht. Unter meinem Blick nimmt das Gesicht des Mannes eine leicht äscherne Farbe an.

»Ihre Tattoos, Mister Asano«, gibt er mir als ehrliche Antwort. Überrascht sehe ich auf meinen tätowierten Handrücken hinab. »Das Team der Produktion hat ausdrücklich nach einem Body-Double für den Hauptdarsteller gefragt. Ein Mann mit Tattoos käme ihnen günstiger als ständig ihren Hauptakteur bemalen zu müssen«, erklärt mir der braunhaarige Mann und wischt sich mit einem Stofftaschentuch über die Augenbraue.

Ich ziehe langsam eine gepiercte Braue hoch, in Erwartung, dass da noch etwas kommt. Im Moment wirkt es wie eine schwache Begründung den Sohn eines Yakuza in einem anderen Land aufzusuchen.

»Herr Miyamura hat mich wie aus heiterem Himmel kontaktiert. Als hätte er meine Gedanken gelesen, kam sein Anruf genau zur rechten Zeit. Sie passen hervorragend auf die Rolle, Herr Asano.«

Die Angst des Mannes vor mir liegt wie ein schwerer Film in der Luft. Trotzdem stiehlt sich ein Lächeln auf mein Gesicht.

Tadashi kennt keine Zufälle. Er hat seine Augen und Ohren überall. Das ist seine Aufgabe. Er ist weitaus besser vernetzt als ich und ist somit meine Augen und Ohren in spe. Aber der kleine Mann in dem viel zu teuren Armani-Anzug ist noch nicht fertig.

»Die Frau, die die Protagonistin spielen wird, hat sich ausdrücklich ein Body-Double gewünscht, da sie mit ihrem Co-Star keine-«, für einen Moment stockt der Mann mir gegenüber, bevor er sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn tupft. Dabei bemerke ich sein Toupet und wie es sich mit der Farbe seiner Augenbrauen beißt.

Als würde er mir etwas Verbotenes erzählen, flüstert er: »Sie möchte keine intimen Szenen mit ihm drehen, deshalb hat sie um ein Stunt-Double gebeten, mit dem es weniger Kontakt geben wird als mit jemandem, der ständig am Set mit ihr ist.«

Aha, eine kleine Prinzessin also. Das sollte mich nicht überraschen, immerhin reden wir von einer Amerikanerin. Bestimmt verlangt sie auch Mineralwasser auf Zimmertemperatur und wirft mit Schuhen, wenn etwas nicht nach ihrem Kopf geht.

Einen Schuh bekomme ich weitaus lieber an den Kopf als eine Kugel. Aber die Erklärung ist nachvollziehbar.

Jedoch käme es einer Gefängnisstrafe gleich, wenn ich meine Tattoos offen für Film und Fernsehen herzeigen würde. Anscheinend sagt schon mein Blick, wie wenig mir diese Idee gefällt.

Abwehrend erklärt der hagere Mann vor mir weiter: »Der Dreh findet in Amerika statt und man sieht Sie nie komplett. Außerdem wird der Film mit Verspätung Übersee ausgestrahlt. Ich habe Herrn Yamamoto versprochen Ihnen eine amerikanische Staatsbürgerschaft zu besorgen, sobald der Dreh abgeschlossen ist.«

Wenn ich erst einmal untergetaucht bin und mir mein eigenes Netz in Amerika aufgebaut habe, können sie den Film von mir aus überall ausstrahlen. Dann sollen mich mein Vater und der Rest der Neun Drachen nur suchen. Ich wäre bereit.

Grinsend halte ich dem Mann meine Hand hin.

»Einverstanden, wo muss ich unterschreiben?«

Ich habe vier Monate unter Folter ausgehalten, dagegen ist das ein Spaziergang im Park. Irgendwo ist bestimmt ein Haken, doch ich würde mir lieber die Zunge abbeißen als eine Gelegenheit Japan und somit auch die Neun Drachen zu verlassen auszuschlagen.

ZARA

Am darauffolgenden Mittwoch gibt es die erste Leseprobe für ›All the Shades of Black‹.

Dabei sitzen die Schauspieler zusammen, in unserem Fall über einen Online Dienst, und lesen das Drehbuch kurz durch. Normalerweise mache ich solche Skript-Leseproben in Person, doch viele der Mitwirkenden sind überall auf dem Globus verteilt.

Mister Cheek, unser Regisseur und Produzent, befindet sich bereits auf dem Set in San Francisco, um dort die letzten Änderungen vorzunehmen.

Bei unserem digitalen Treffen heute geht es in erster Linie darum, den Text zu verinnerlichen, das Zusammenspiel der Figuren zu verstehen und erste Interpretationen der Charaktere zu entwickeln. Es ist ein wichtiger Schritt in der Vorbereitung auf die Probenphase und hilft, das Stück oder Drehbuch als Ganzes zu erfassen.

Ich genieße Leseproben, weil ich durch sie ein Gefühl für die Figur bekomme, die ich verkörpern soll.

Diesmal spiele ich eine junge Sekretärin eines Multi-Millionärs, die sich trotz aller Umstände auf ihn einlässt.

Die Rolle mag auf dem Papier vielleicht plump klingen,doch von den Stellen, die ich mir in der vergangenen Nacht markiert habe, kann ich mir bereits einige Szenen ausmalen, in denen sie durchaus ein vielschichtiger Charakter sein kann.

Wenn da nicht mein Co-Star wäre. Michael genießt die Aufmerksamkeit offensichtlich und scheint sich ganz seiner Rolle als selbstverliebter CEO hinzugeben. Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht so ganz wie viel davon tatsächlich nur geschauspielert ist.

Sein Charakter des Christopher Black mag ein egoistischer Mistkerl sein, doch ich hätte nirgendwo gelesen, dass er auf Frauen oder andere so herabsieht, wie der Brite ihn porträtiert.

»Und nur damit das klar ist, Miss Rost, ich ordne an und Sie folgen mir«, dringt Michaels Stimme durch meine Laptoplautsprecher. Er bellt die Worte richtig und mir wird schlecht, wenn ich daran denke, dass er so die ganze Zeit mit mir reden wird.

Solange ich ihn nicht einschätzen kann, ist es nicht klar wie viel er spielt und was er davon ernst meinen könnte.

Mir wird schlecht, als er versucht Herrn Cheek Input zum Skript zu geben.

»Wie wäre es, wenn Christopher hier so etwas dranhängt wie: Frauen sollten wissen, wo ihr Platz ist, oder so?«

Herr Cheek ist von dem Vorschlag wohl genauso überrascht wie der Rest der Besetzung, doch im Gegensatz zu mir, die sich nur still auf die Zunge beißt, lacht er die unangenehme Stille weg.

»Ich überlege es mir, Michael. Bleiben wir vorerst bei dem Text, den wir schon haben.«

Von da an wird es nicht besser. Wir gehen die Szenen eine nach der anderen durch und als wir zu den Sexszenen kom men, ist es nicht mehr auszuhalten.

Michael kniet sich sehr in seine Rolle hinein, betont jedes Stöhnen und scheint ganz darin aufzugehen, bis es plötzlich zu einer Szene kommt, in der Christopher Anja fesseln soll.

»Soll ich Zara dann auch vor Ort an den Bettpfosten binden? Ich sage es frei heraus, ich kann außer den Seemannsknoten nichts knüpfen.«

Als hätte er den größten Witz gerissen, lacht der Brite schallend ins Mikrofon, woraufhin ich seine Lautstärke nach unten drehe.

Mister Cheek scheint mein Unbehagen zu bemerken und unterbricht ihn schnell.

»Keine Sorge, wir haben Experten am Set, die mit euch die Utensilien und deren Verwendung genauestens durchgehen werden.«

Von diesem Moment an scheint die Zeit im Schneckentempo zu vergehen. Als wir endlich fertig sind dröhnt mein Schädel. Doch das Schicksal ist noch nicht fertig mit mir.

»Vielen Dank an Alle, das war eine sehr gute Leseprobe heute. Ich habe mir all euer Feedback notiert und wir werden noch eine Leseprobe vor Drehbeginn halten. Diese wird dann aber in Person in San Francisco stattfinden. Ihr seid damit entlassen, Zara, hättest du noch einen Augenblick Zeit für mich?«

Ich seufze, denn eigentlich will ich mir nur eine Kopfschmerztablette einwerfen, doch wenn mein Produzent noch mit mir sprechen will, kann ich schwer nein sagen.

»Natürlich, Mister Cheek.«

Ich warte geduldig bis alle anderen aufgelegt haben und nur noch wir beide im Chatraum übrig sind.

»Ich möchte, dass du ehrlich zu mir bist, Zara.«

Irgendwie klingt er gerade wie ich mir einen Vater vorstelle. Wie meiner geklungen hat, als ich noch klein war.

»Ehrlich womit?«, frage ich, denn ich weiß wirklich nicht worauf er hinauswill.

»Denkst du, dass wir ohne Probleme filmen können?«

Kurz wird mir heiß und kalt. Was war passiert, dass er plötzlich an mir zweifelt? Habe ich etwas Falsches gesagt oder ihm irgendwie einen falschen Eindruck vermittelt?

Anscheinend bin ich schon so müde, dass mein Ausdruck nicht so selbstsicher sitzt, wie er es normalerweise tut. Denn Mister Cheek seufzt und lehnt sich etwas weiter vor als würde er mir zuflüstern wollen.

»Es war ein Wunder, dass du nicht grün angelaufen bist, als du und Michael die Szenen, bei denen es etwas Aufregender wurde, durchgegangen seid.«

War es so offensichtlich?

»Oh das! Keine Sorge, es fällt mir nur ein bisschen schwer mich diesmal in meinen Charakter hineinzuversetzen, da wir mit Themen zu tun haben, die mir fremd sind. Ich habe noch nie zuvor von BDSM gehört.«

Dieser Teil meiner Antwort ist noch nicht einmal gelogen. Mister Cheek scheint mir trotzdem nicht ganz zu glauben. Seine Augenbrauen ziehen sich zusammen und er lehnt sich in seinem Stuhl zurück. Dabei verlassen seine Augen mein Gesicht kein einziges Mal.

»Irgendetwas sagt mir, dass du mit diesen Szenen weitaus weniger Probleme hättest, wenn Michael nicht dein Schauspielpartner wäre.«

Mister Cheek selbst ist kein Schauspieler aber seine jahrelange Erfahrung mit ihnen macht es schwer, ihm etwas vorzumachen. Leise seufzend lasse ich meine Schultern nach vorne sacken.

»Es ist nur so, dass Michael seit dem ersten Tag an dem wir uns kennengelernt haben, sehr deutlich mit mir flirtet. Ich habe ihm bereits mehrfach erklärt, dass ich kein Interesse habe, aber er scheint nicht aufzugeben. Außerdem date ich keine anderen Schauspieler, wie Sie vielleicht wissen.«

Der etwas mollige Mann nickt und ich sehe Verständnis in seinen Augen. Er glaubt mir.

»Ich möchte nicht, dass sich einer meiner Schauspieler unwohl fühlt. Wie wäre es, wenn wir dieses Gespräch zu dritt führen. Vielleicht ist ihm nicht ganz klar, dass du nein gesagt hast.«

Ich verstehe Mister Cheeks Standpunkt und trotzdem treibt es mir die Galle in den Hals. Egal wie oft ich nein sage oder wie deutlich ich bin, es wird nie genug sein. Solange nicht ein Mann einem anderen Mann erklärt, was Sache ist, könnte ich mir die Seele aus dem Leib schreien und es würde nichts an der Situation ändern.

Ich blinzle leicht, als ich merke, dass mein Zorn droht an die Oberfläche zu kommen. Stattdessen lächle ich.

»Ich denke, dass das unsere Zusammenarbeit nur erschweren wird, Mister Cheek. Michael und ich sind einfach zu verschieden in unseren Ansichten. Es mag mir vielleicht unangenehm sein, aber ich werde Ihnen eine gute Performance abliefern, das verspreche ich.«

Oder zumindest werde ich es versuchen.

Mein Gegenüber sieht mich einen langen Moment einfach nur an, sodass ich schon befürchte, dass die Kamera eingefroren sein muss. Doch dann bewegt er sich und lehnt sich seufzend in seinem Schreibtischsessel zurück.

»Ich schätze dich und deine Arbeit sehr, Zara, und ich sehe, dass dich diese Sache belastet. Und ich verstehe auch, wenn du Michael nicht direkt damit konfrontieren willst. Doch ich kann nicht riskieren, dass es wegen körperlichen Szenen zu Problemen am Set kommt. Wir haben einen sehr strikten Filmplan, den es einzuhalten gilt.«

Mein Atem geht flacher und ich muss im Kopf von zehn rückwärts zählen, damit ich das saure Gefühl in meiner Kehle unterdrücken kann.

Ich bin noch nie von einem Set gekündigt worden. Als ehrgeizige Frau habe ich mir wenige Fehler in meiner Laufbahn zu schulden kommen lassen und ich möchte ungern jetzt damit anfangen. Aber so wie es aussieht verliere ich hier gerade meinen Job.

»Ich kann dir nur anbieten, dass wir uns nach einem Stunt-Double für dich umsehen. Für diese Szenen können wir jemanden verwenden, der Michael ähnlich sieht, denn ihr werdet während dieser Szenen nie ganz zu sehen sein. Ich möchte, dass dieser Film ernst genommen wird. Das soll kein billiger Pornofilm werden.«

Kurz scheint Herr Cheek zu überlegen. Seine Augen bekommen einen nachdenklichen Ausdruck, bevor sich eine Idee in seinem Kopf festsetzt.

Ich starre ihn währenddessen einfach nur an, weil ich immer noch damit rechne, dass er mich rausschmeißt. Es dauert einen Moment, bis ich registriere, dass er mir eine Alternative vorschlägt. Ein fremder Mann, den ich nur für diese Szenen tolerieren muss und danach nie wieder sehen muss? Das klingt um Welten besser, als Michael, der nur auf die Gelegenheit wartet in mein Höschen zu gelangen.

»Das wäre wundervoll, bitte, wenn das möglich wäre«, krächzte ich und versuche nicht so erleichtert zu klingen, wie ich mich fühle.

Mister Cheek jedoch lacht nur und hebt einen Daumen nach oben.

»Ich sehe, was sich machen lässt. Jetzt konzentrieren wir uns erst mal auf die Leseprobe vor Ort und die Vorbereitungsstunden mit einer Domina, die ich für dich und Michael organisiert habe.«

Auch hier weiß ich, dass es um den Film geht und unser Regisseur nichts merkwürdiges plant und trotzdem spüre ich einen leichten Schwindel. Meine Finger krallen sich unter dem Schreibtisch in meine Oberschenkel.

Herr Cheek scheint von der Idee mit dem Body-Double selbst so begeistert zu sein, dass er sich bereits die dritte Sache in seinem Notizblock notiert, bevor er den Kopf hebt und mich wieder ansieht.

»Mit diesen Stunden warten wir, bis das gesamte Team vollständig ist, also sobald wir ein Double für Michael gefunden haben. Es ist wichtig, dass ihr drei die Grundlagen versteht und euch nicht am Set in Gefahr begebt.«

Still nehme ich mir vor, mich auch schon privat mit dem Thema BDSM vertraut zu machen, damit ich nicht völlig ohne Plan auf dem Set erscheine.

Mit einem leisen Piepen schließt sich das Fenster, nachdem Mister Cheek und ich einander verabschiedet haben.

Tief seufzend sinke ich zurück in meinen Stuhl, lege den Kopf in den Nacken und sehe an die Zimmerdecke. Ich denke ein Telefonat mit meiner beste Freundin ist noch nötig, bevor ich nach Kalifornien fliegen muss.

RYU

Es regnet, während wir das Polizeirevier verlassen und uns auf den Weg zum Flughafen machen. Tadashi sitzt neben mir im Taxi und sieht besorgt aus dem Fenster. Sollte er nicht eigentlich zufrieden sein, immerhin bin ich auf den Deal eingegangen?

»Weiß mein Vater über diese Vereinbarung bescheid?«, frage ich daher direkt heraus.

Sein Kopf schnellt zu mir herüber und im Licht der Morgensonne sehe ich dunkle Ringe unter seinen braunen Augen.

»Nein, Donno, ich habe mit niemandem außer dem Anwalt aus Amerika gesprochen. Ich bin durch einen Freund in New York darauf aufmerksam gemacht worden, dass für einen Filmdreh ein Statist gesucht wird. Ihr Vater wird Sie suchen, aber die Vereinigten Staaten sind groß, sollte er dahinterkommen, dass sie das Land verlassen haben.«

Mein alter Freund war immer schon ein Stratege, wusste wann er was zu sagen hat und wann es besser war zu schweigen. Er war nicht umsonst nach meinem 18. Geburtstag meine rechte Hand geworden, nachdem er bereits seit Jahren einer meiner engsten Freunde gewesen war.

Trotzdem zieht sich eine Sorgenfalte durch sein sonst so weiches Gesicht.

»Was ist dann das Problem? Keine Sorge, sobald wir Japan verlassen haben, werde ich mich von meiner besten Seite zeigen.« Ich will nicht so sarkastisch klingen, aber ich bin müde und angespannt.

Seit ich von der Polizei gefangen genommen wurde, prickelt mein Hinterkopf, so als würde ich beobachtet werden. Vielleicht bin ich schon paranoid, aber als Sohn eines Yakuza lernt man schnell seinem Bauchgefühl zu vertrauen.

Diesmal bin ich es, der aus dem Fenster schaut. Die Sonne ist vor einer halben Stunde aufgegangen, doch durch den dichten Regen fällt nur wenig Licht auf die vollen Straßen Tokios. Ich habe die Stadt noch nie leer gesehen.

Meine Augen studieren die anderen Fahrzeuge, aber keines wirkt, als würde es uns verfolgen.

»Ich habe sichergestellt, dass niemand dieses Taxi mit uns in Verbindung bringt«, versichert mir Tadashi und meine Schultern entspannen sich ein bisschen.

Trotzdem ist da dieses merkwürdige Gefühl in meiner Magengrube. Vielleicht ist es Nervosität, da ich noch nie allein das Land verlassen habe. Doch ich bin nicht allein. Ich habe meinen Freund an meiner Seite und kenne die Sprache des Landes, in das wir fliegen. Ich bin sonst nicht nervös, nicht einmal, wenn sich eine Schießerei anbahnt.

Doch der letzte Streit mit meinem Vater liegt mir noch schwer im Magen. Er und ich waren bereits früher aneinander geraten, da wir zwei völlig unterschiedliche Ansichten vertreten. Bisher habe ich klein beigegeben, weil es einfacher war. Weil die Entscheidungen und Ausgänge für mich irrelevant waren, doch nicht bei diesem Thema.

Nach seinem Tod werde ich seinen Platz an der Spitze einnehmen. Darüber scheint er nicht besonders begeistert zu sein. Wahrscheinlich befürchtet er, dass ich einen Groll gegen die anderen Clane hege und mit ihnen brechen werde. Das oberste Gesetz ist, dass wir alle als eine Familie denken müssen, damit die Ordnung funktioniert. Das bedeutet allerdings auch, Menschen zu seiner Familie zu zählen, die nicht einmal den Dreck wert sind, auf dem sie gehen.

Mein Blick folgt einem Regentropfen, der mein Fenster entlang nach unten läuft. Langsam gehe ich in meinem Kopf die drei großen Namen durch, die sich seit meiner Kindheit eingebrannt haben, wie ein glühendes Brandeisen.

Kazuo Matsumoto

Isamu Kurogane

Akihiko Inoue

Alle drei Männer gehören zu drei unterschiedlichen Familien, die eng mit den Neun Drachen verbunden sind. Mein Vater schätzt sie sehr und zählt die drei Mistkerle zu seinen engsten Vertrauten.

Er hat ihnen auch damals mehr geglaubt als mir.

Schwarze Punkte beginnen in meinem Gesichtsfeld zu tanzen und ich muss mich aktiv dazu zwingen, normal weiter zu atmen, bevor Tadashi bemerkt, was mit mir los ist.

Er weiß nicht was vor 22 Jahren passiert ist und ich möchte auch, dass es so bleibt. Ich will nicht, dass mein engster Berater und bester Freund anders über mich denken könnte, nur weil er weiß, was wegen mir passiert ist.

Es reicht, dass ich wieder und wieder die Namen dieser drei Scheißkerle für mich wiederhole. Sobald ich kann, werde ich jagt auf sie machen und einen nach dem anderen unter die Erde schicken.

Endlich erreichen wir den Flughafen. Ich ziehe mir meine Kapuze tiefer ins Gesicht und folge Tadashi aus dem Taxi. Missmutig schiebe ich meine tätowierten Hände in die Taschen meines Pullovers.

Der Regen hat mittlerweile etwas nachgelassen, sodass wir ohne einen Schirm relativ trocken in das bereitgestellte Flugzeug steigen können.

Als wir starten werfe ich noch einen letzten Blick auf das Land, in dem ich geboren worden bin, bevor Tadashi den Schutz vor dem Fenster herunterzieht und ich mich in den weichen Sitz zurücklehne.

Wir fliegen nicht mit einem Privatjet, das wäre zu auffällig gewesen. Stattdessen sitzen Tadashi und ich in der Business Klasse neben einem Mädchen, das dem Inhalt ihres aufgeklappten Laptops nach zu urteilen lernt.

Früher hätte ich auch gerne studiert. Es wäre mir sogar egal gewesen, was ich studiere, doch dieses normale Leben war mir nicht vergönnt gewesen. Hinter meiner Sonnenbrille beobachte ich die junge Frau, wie sie Notizen über irgendwelche chemischen Zusammenhänge macht.

Erst als Tadashi mir gegen den Ellbogen stößt, wende ich den Blick ab. Habe ich zu offensichtlich gestarrt?

Meine Hände sind immer noch in meinen Taschen vergraben und haben bereits angefangen zu schwitzen, doch ich kann sie nicht herausziehen. Es sitzen zu viele Japaner in diesem Flugzeug und ich kann das Risiko nicht eingehen erkannt zu werden.

In Japan sind unsere Tätowierungen unser Aushängeschild, sie sind eine visuelle Warnung und zu bekannt. Erst nachdem wir in Amerika gelandet sind, wird es einfacher werden Teile meiner tätowierten Haut zu zeigen.

Ich werde dafür sorgen, dass ich bereit bin gefunden zu werden, wenn der Film das amerikanische Festland verlässt.

Mit einem AirPod im Ohr höre ich leise das Hörbuch zu ›All the Shades of Black‹, um mich auf meine Rolle vorzubereiten. Soweit das als Körper-Double überhaupt geht.

Ich bin nicht sonderlich schockiert, als mir die männliche Stimme des Vorlesers beginnt, in mein Ohr zu stöhnen. Trotzdem ist es etwas anderes sich vorzustellen diese Dinge mit einer fremden Frau nachstellen zu müssen.

Tadashi hat mir versichert, dass der Film eine ernst-hafte Hollywood-Produktion ist und kein billiger Porno. Bevor ich extra nach Amerika fliege und einen Porno drehen muss, wäre ich in Tokio geblieben und hätte dort einen gedreht. Das ein oder andere Mädchen kommt mir dafür schon in den Sinn und ich kann ein Grinsen nicht unterdrücken.

Als Tadashi nach einigen Stunden den Schutz vor dem Fenster wieder nach oben schiebt, muss ich gegen das grelle Sonnenlicht anblinzeln. Über den Wolken ist nichts von dem verregneten Japan übrig, das wir hinter uns gelassen haben. Nachdem wir durch die Wolkendecke gebrochen sind, versuche ich die Landmasse unter uns zu erkennen, doch für mich sieht das alles gleich aus.

Vielleicht sollte ich mir schon einmal Gedanken über einen neuen Namen machen. Nach diesen vier Monaten wäre ich amerikanischer Staatsbürger.

Der einzige Name, der mir auf die schnelle einfällt ist George. Ob mir die Menschen in den Vereinigten Staaten abkaufen, dass ich ein geborener George bin?

Vielleicht William. Zu englisch. Jeremiah. Zu biblisch. Ich bin nicht gläubig und fange jetzt bestimmt nicht damit an.

Ich habe vier Monate Zeit und werde mich genüsslich in Kalifornien umsehen, bestimmt kann ich ein oder zwei Namen aufschnappen, die mir gefallen. Jetzt zählt erst einmal einen guten Eindruck machen.

Ich bin erst in 36 Stunden vorgeladen. Genug Zeit, damit ich mir die Stadt San Francisco ansehen kann und mir neue Klamotten besorge. Außerdem möchte ich vielleicht noch einen Club oder eine Bar besuchen.

Wer weiß, wann sich dafür wieder einmal die Gelegenheit bietet. Vor allem in San Francisco und Los Angeles, die Stadt der Engel. Wenn die Frauen so hübsch sind, wie ich sie mir vorstelle, verbringe ich meine erste Nacht auf amerikanischem Boden ganz sicher nicht allein.

ZARA

Mit gepackten Koffern erscheine ich pünktlich um 14 Uhr am New Yorker Flughafen. Michael ist bereits da, genauso wie unser Produzent. Mit einem festen Händedruck begrüßt er mich.

»Hallo, meine Liebe, ich freue mich Sie in Person zu sehen. Sie sehen großartig aus, waren Sie in letzter Zeit im Urlaub?« Lächelnd ergreife ich seine Hand.

»Sie schmeicheln mir Mister Cheek. Ich freue mich schon sehr auf unsere Zusammenarbeit.«