The Last Blessed. Lichtkuss - Annika Hanke - E-Book

The Last Blessed. Lichtkuss E-Book

Annika Hanke

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Beschreibung

Hast du die Kraft, nicht nur eine, sondern alle Welten zu retten? Ally ist der aufgehende Stern am Chicagoer Schauspielhimmel. Und trotzdem macht sie das alles nicht glücklich. Warum, versteht sie erst, als sie am Set dem geheimnisvollen Caleb begegnet, der geradezu verzweifelt ihre Nähe zu suchen scheint. Er versucht ihr weiszumachen, dass ihre Welt nur eine von vielen ist und ihre wahre Bestimmung ganz woanders liegt. Ally ist fassungslos. Ausgerechnet sie soll die Gesegnete sein und einen himmlischen Krieg entscheiden, von dem sie nie zuvor auch nur gehört hat?! Aber die Zeit ist knapp und trotz ihrer Zweifel ist Calebs eindringlicher Blick äußerst überzeugend ... Textauszug:  Für den Bruchteil einer Sekunde ließen seine Lippen von mir ab, und er zog mir das Shirt über meinen Kopf. Ich blickte ihn an, sah ihm in die Augen, während er meinen Körper betrachtete. Fast schon ehrfürchtig strich er über die Narben und kleinen Kratzer, die noch nicht verheilt waren, die ich mir hier in dieser Dimension zugezogen hatte. »Du bist wunderschön«, murmelte er. »Küss mich einfach.« //»The Last Blessed. Lichtkuss« ist ein in sich abgeschlossener Einzelband.// 

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Annika Hanke

The Last Blessed. Lichtkuss

Hast du die Kraft, nicht nur eine, sondern alle Welten zu retten?Ally ist der aufgehende Stern am Chicagoer Schauspielhimmel. Und trotzdem macht sie das alles nicht glücklich. Warum, versteht sie erst, als sie am Set dem geheimnisvollen Caleb begegnet, der geradezu verzweifelt ihre Nähe zu suchen scheint. Er versucht ihr weiszumachen, dass ihre Welt nur eine von vielen ist und ihre wahre Bestimmung ganz woanders liegt. Ally ist fassungslos. Ausgerechnet sie soll die Gesegnete sein und einen himmlischen Krieg entscheiden, von dem sie nie zuvor auch nur gehört hat?! Aber die Zeit ist knapp und trotz ihrer Zweifel ist Calebs eindringlicher Blick äußerst überzeugend …

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Vita

Dank

© privat

Annika Hanke, geboren 1996, lebt in Schleswig-Holstein. Schon früh wurde sie durch Fan-Fiction zum Schreiben animiert, nahm diese Leidenschaft allerdings erst Ende 2014 wieder richtig auf und schrieb ihren ersten Fantasyroman, der bis heute darauf wartet neu geschrieben zu werden. Wenn sie nicht gerade im Planen oder Schreiben einer Geschichte untergeht, ist sie viel mit ihrem Hund Tony unterwegs und sucht Inspiration und Ruhe in langen Waldspaziergängen.

Für MamaSelbst der mächtigste Dämonvermag dich nicht zu bezwingen.

»Doch ganz gleich, in welcher Dimension du bist. In welcher Welt wir uns auch befinden, meine Liebe zu dir wird nicht vergehen.«

Prolog

Caleb

Es war aussichtslos.

Auf der Suche nach dem Krummstab waren wir in ein Dämonenversteck eingebrochen, doch es waren so viele. Niemand von uns hatte mit dieser Menge an Dämonen gerechnet.

»Caleb, pass auf!«, schrie Olivia und ich duckte mich unter einem Schlag eines Infizierten hinweg, um im nächsten Moment herumzuwirbeln und mein Schwert in seinem Bauch zu versenken.

»Es sind zu viele, wir schaffen das nicht!«

Ich nutzte eine freie Sekunde, um mich umzusehen. Jasper hatte recht. Das hier war unmöglich, wir konnten die Masse an Dämonen nicht bewältigen. Ich erkannte das feuerrote Haar von Allison, als diese sich immer weiter vorankämpfte. Sie war unsere einzige Hoffnung, unsere Welt von dem Dämonenvirus zu befreien, das vor fünf Jahren ausgebrochen war. Sie war ein Mythos gewesen, eine Legende, und nun kämpfte sie seit geraumer Zeit mit uns. Und wir mussten es einfach schaffen, die Existenz einer ganzen Welt hing davon ab.

Plötzlich hörte ich einen Schrei und im nächsten Moment tauchte der Alphadämon auf. Sein Kopf glich dem eines Stiers, sein Körper war massig und muskulös.

»Allison!«, schrie ich und wehrte einen weiteren Angriff eines Dämons ab, um zu ihr zu gelangen. Doch der Alpha hatte sie bereits am Hals gepackt und drückte ihr die Luft ab. Keinen Wimpernschlag später riss er ihr mit der anderen Pranke das Herz heraus, ohne dass wir hätten eingreifen können. Dann warf er ihre Leiche achtlos von sich und Allisons glanzlose Augen starrten zu mir herüber.

»Wir müssen hier weg!« Die Worte drangen bis in meinen Verstand, doch mein Körper wollte einfach nicht reagieren. Ich konnte nur auf Allison blicken, die nicht mehr aufstehen würde. Dann packten mich Arme und ich wurde nach hinten gerissen, mitgezogen.

»Wir können sie nicht hierlassen«, hörte ich mich sagen.

»Wenn wir bleiben, werden wir alle sterben!« Es war Dan, der mich mit sich zog.

Meine Beine lernten wieder, was es hieß zu rennen, und bevor wir den Ausgang des Gebäudes erreichten, sammelte ich die heilige Kraft in meinen Händen und stieß sie nach vorn, um uns den Weg frei zu machen. Die Dämonen wurden von dem goldenen Licht erfasst, sie kreischten, brüllten und lösten sich in Tausende Funken auf.

Und wir rannten.

Fort von dem heruntergekommenen Casino, das zu einem Dämonenversteck geworden war, fort von dem Alpha, dem wir nicht das Geringste hatten entgegensetzen können, und fort von Allisons Leiche.

Meine Beine funktionierten automatisch, das Fliehen war ein Instinkt, während meine Gedanken unaufhörlich kreisten. Allison war tot. Und ohne sie waren wir verloren – war unsere ganze Welt verloren.

Kapitel Eins

Ally

Mein Herz raste in meiner Brust und doch zwang ich mich weiterzulaufen.

Sonst kriegen sie dich!

Also rannte ich weiter. Immer darauf bedacht nicht stehen zu bleiben. Zur Hölle, ich durfte nicht stehen bleiben.

Hinter mir hörte ich das wilde Getrappel der Dämonenhorde, die mich verfolgte. Ich schlug einen Haken und verschwand hinter einer Häuserecke, raste weiter, bis ich plötzlich in einer Sackgasse herauskam. Mein Atem ging unregelmäßig, als ich stoppte und mich hektisch umsah. Das Knurren und Fauchen der Dämonen kam stetig näher. Und ich hatte absolut keine Fluchtmöglichkeit.

Ich saß in der Falle.

Als ein tiefes Bellen ertönte, drehte ich mich wie in Zeitlupe um. Blanke Angst musste in meinem Gesicht stehen, während die Dämonenhorde vor mich trat. Der Anführer, groß, rabenschwarz und mit Reißzähnen, die mindestens zwanzig Zentimeter maßen, trat hervor und ließ ein weiteres markerschütterndes Knurren verlauten. Ich presste die Lippen aufeinander, wich ein, zwei Schritte zurück, doch die kalte Backsteinmauer war viel zu schnell in meinem Rücken und hinderte mich daran fortzukommen.

Geifer tropfte auf den Boden und in dem Moment schoss der Alpha nach vorn, noch ehe sich ein Schrei aus meiner Kehle lösen konnte.

»Cut! Sehr gut, Ally. Die Szene ist im Kasten, Jungs, wir können aufräumen!«, rief Phil, der Regisseur, und ich stieß mich von der Mauer in meinem Rücken ab.

»Seid ihr sicher, dass das gut war?«, fragte ich an die Kameraleute gewandt, doch Phil nickte und zeigte mit einem breiten Grinsen einen Daumen nach oben. Ich strich mir das kupferne Haar aus dem Gesicht und klatschte bei ihm ein, als er mir die glatte Handfläche hinhielt.

»Du bist ein Naturtalent, Ally. Warum hat man dich nur nicht früher entdeckt?« Der Regisseur fuhr sich über den dicken, grauen Bart und klopfte mir freundschaftlich auf die Schulter.

»Das frage ich mich auch. Wir sehen uns in sechs Wochen wieder.« Ich schenkte ihm das strahlendste Lächeln, zu dem ich imstande war, dann ließ ich die Filmcrew am Set hinter mir. Wir befanden uns in einem Industriegebiet am Lake Michigan, in einem eher düsteren Teil von Chicago, der sich perfekt als Drehort eignete. Es herrschte reges Treiben, denn es war schon spät und jeder wollte nach Hause und in den wohlverdienten Feierabend.

Ich bahnte mir einen Weg durch die vielen fleißigen Mitarbeiter und steuerte die Zelte am Rande des Sets an, in denen sich unter anderem auch die Maske befand. Das Kunstblut und die furchtbare Schnittverletzung auf meiner Stirn wollte ich nicht den ganzen Abend mit mir herumtragen.

»Kelly ist gleich bei dir, Schätzchen«, begrüßte Ava mich, die für Conny, eine Schauspielkollegin, zuständig war.

»Danke«, erwiderte ich. »Ist Conny schon fertig?«

Ava nickte. »Ja, gerade eben. Ich glaube, sie wollte noch mal zum Team, bevor sie geht.« Es klapperte, als sie die letzten Utensilien, die sie gebraucht hatte, in einen Korb legte und diesen in einem Schrank verstaute. Dann wischte sie sich die Hände an einem Handtuch ab.

»Hab eine schöne Pause, Ally. Wir sehen uns dann in sechs Wochen«, verabschiedete auch Ava mich und ich warf ihr ein Lächeln zu, als sie das Zelt verließ.

Die Szene war die letzte für diesen Sommer gewesen, sodass ich endlich Schluss und sogar Drehpause hatte. Ich spielte eine der Hauptrollen in der Serie Dämonenblut, in der die Hölle praktisch auf die Erde gekommen war. Die Staffel war abgedreht und mein Job somit erst mal erledigt. Die Drehtage waren manchmal wirklich anstrengend.

Als ich mich auf den Stuhl vor einem der Spiegel gesetzt hatte, zog ich mein Handy aus der Jackentasche und checkte meinen Social-Media-Account. Hunderte Benachrichtigungen tummelten sich in der App und ich schoss ein Selfie, um ein Setbild zu posten. Mit dem richtigen Filter kamen das Kunstblut und die vielen Hämatome in meinem Gesicht richtig gut zur Geltung.

Während ich auf Kelly wartete, tippte ich ein paar Worte zu dem Bild, verlinkte die Leute vom Dreh und stellte es schließlich online. Sofort hagelte es Likes und Kommentare und zufrieden steckte ich das Handy weg. Durch den Erfolg der Serie war ich über Nacht bekannt geworden. Viele sahen mich als Ausnahmetalent an und dank meiner Agentin hatte ich bereits mehrere Angebote erhalten. Entschieden, was das nächste Projekt nach der Serie werden sollte, hatte ich allerdings noch nicht.

Mein Blick glitt durch den Raum und blieb an einem Foto hängen, welches Kelly und ihre Familie zeigte. Sie strahlte glücklich in den Armen ihres Mannes in die Kamera, was mein Herz ein bisschen schwerer werden ließ. Wenn Kelly heute Abend nach Hause kam, warteten ihr Mann und ihre kleine Tochter auf sie. Würde ich in meine Wohnung kommen, wäre da niemand. Niemand, der auf mich wartete, und niemand, den ich hätte anrufen können. Meine Eltern waren vor Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen und seitdem war ich allein.

»So, dann wollen wir dich mal von diesem Make-up befreien«, riss mich Kelly aus meinen Gedanken. Geschäftig lief sie auf mich zu und nahm sich eine Pinzette, um mir den perfekt verklebten Schnitt von der Stirn zu ziehen. Ich hielt brav still und wartete, bis das Prozedere vorbei war.

»Hast du noch was Schönes vor?«, fragte Kelly, während sie ihrer Arbeit nachging. »Schließlich sind die Dreharbeiten für diese Staffel abgeschlossen, das sollte gefeiert werden.«

Ich zuckte mit den Schultern. »Nee, eigentlich nicht. Conny wollte noch wegen dem einen Sicherheitsmann ins Drews, aber irgendwie habe ich keine Lust«, erwiderte ich und tippte erneut auf meinem Handy rum. Von Liebeserklärungen bis Hasskommentaren erreichte mich täglich einfach alles. Ich schätzte, dass manche Menschen neidisch waren, weswegen sie mich zum Teufel wünschten. Einige waren allerdings so in der Serie Dämonenblut drin, dass sie mich hassten, sobald meine Rolle irgendetwas Dusseliges tat. Dass ich selbst dabei nur nach dem Drehbuch handelte, war denen völlig egal.

»So. Fertig. Du kannst ins Nachtleben raus.«

Ich sah auf, um mein nicht mehr demoliertes Gesicht zu betrachten, und bemerkte Kellys Blick, die mir durch den Spiegel ein Grinsen zuwarf. All das Kunstblut und der Schmutz waren wie weggeblasen, als hätte es sie nie gegeben.

»Du bist die Beste, Kelly. Wir sehen uns«, verabschiedete ich mich und stand auf, um rauszugehen. Erneut nahm ich mein Handy zur Hand und starrte einen Moment auf mein Display. Conny hatte mir geschrieben, doch ich stieß nur ein Seufzen aus und steckte das Telefon wieder in meine Gesäßtasche.

Langsam setzte ich einen Fuß vor den anderen, während ich mich immer weiter vom Drehort entfernte. Nach langen Drehtagen genoss ich die Ruhe eines abendlichen Spaziergangs besonders gern, weswegen ich auch heute entschied, den Weg zu meiner Wohnung zu laufen, anstatt mich von meinem Bodyguard fahren zu lassen. Ich hoffte, dass eine kurze Textnachricht ausreichte, damit Mike sich keine Sorgen machte. Da das aktuelle Set nicht allzu weit entfernt lag, war es ohnehin nicht wirklich nötig, mit dem Auto zu fahren. Und anstatt dann mit meiner Kollegin feiern zu gehen, würde ich mich auf meine kuschelige Couch verkrümeln und ein leckeres Abendessen genießen. Mehr wollte ich heute eigentlich nicht mehr sehen. Hoffentlich konnte Conny das akzeptieren.

»Allison«, ertönte eine tiefe Stimme und ich blickte verwirrt auf. Mich hatte seit Jahren niemand mehr bei meinem vollen Namen genannt und hier kannte mich jeder nur unter Ally. Als meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, kristallisierte sich eine Silhouette heraus. Ich konnte einen hochgewachsenen Mann erkennen, der etwas entfernt vor mir auf dem Bürgersteig stand. Es war still um uns herum, denn da wir nicht im Zentrum der Stadt waren, herrschte zu dieser Uhrzeit nicht mehr ganz so viel Verkehr.

»Kennen wir uns?«, fragte ich und der Kerl war endlich so freundlich in das Licht einer Straßenlaterne zu treten. Seine dunkelblonden Haare waren etwas zerzaust, was vielleicht an dem Wind lag, der auffrischte und die Blätter der Büsche am Straßenrand zum Rascheln brachte. Auf seinen Wangen und seinem Kinn prangte ein Bart. Er sah aus wie gefühlt jeder zweite Kerl in Chicago.

»Du musst mit mir in eine andere Dimension kommen.«

Einen Herzschlag lang herrschte Totenstille, dann stieß ich ein Lachen aus.

»Ähm, bist du neu hier oder so? Ich wusste gar nicht, dass für eine neue Rolle gecastet wird. Freut mich auf jeden Fall, dich kennenzulernen. Am besten gehst du zum Set und stellst dich … irgendjemandem vor.«

»Das ist kein Spiel, Allison«, beharrte er und kam auf mich zu. Er schloss kurz die Augen und atmete tief durch, als würde er sich selbst zur Ruhe zwingen wollen.

So langsam machte der Typ mir ein bisschen Angst. Mein Hirn forstete sofort nach irgendeinem Anzeichen, nach einer kurzen Information, dass ein neuer Charakter in der Serie Platz finden sollte. Allerdings fand ich absolut nichts. Keiner hatte etwas davon gesagt, was machte er also hier? War er irgendein komischer Fan, der so in dieser Serie drin war, dass er an all das wirklich glaubte?

Ich konnte es mir einfach nicht erklären. Doch als ich in seine Augen blickte, hatte ich das Gefühl, ihn bereits zu kennen. Als würde etwas tief in mir ihn wiedererkennen und wüsste nur nicht ganz, wo es ihn zuordnen sollte. Da der Fremde erneut den Mund aufmachte, verflog dieses Gefühl von Verbundenheit jedoch sofort.

»Hör zu, es ist zu viel, dir alles jetzt zu erklären, aber du musst mir vertrauen und mit mir kommen, okay?« Er trat einen weiteren Schritt auf mich zu, weswegen ich automatisch einen nach hinten machte.

»Vielleicht verschwindest du einfach von hier und belästigst mich nicht weiter. Sonst rufe ich den Sicherheitsdienst.«

»Was für einen Sicherheitsdienst? Allison –«

»Ally. Mein Name ist Ally. Und das Gespräch ist hiermit beendet.« Ohne ihn noch einmal zu beachten, ging ich an ihm vorbei. Doch ich konnte meinen Herzschlag in der Gegend meiner Mandeln spüren und lauschte angestrengt auf mögliche Schritte hinter mir. Die Angst, dass er ein Wahnsinniger war, der mich jeden Moment verfolgen würde, kroch in mir hoch und als ich um eine Häuserecke gebogen war, begann ich zu rennen. So lange, bis die Hauptstraße in Sicht kam und ich mir ein Taxi heranwinken konnte, das mich in meine Wohnung brachte.

Während ich zu Hause ankam, bombardierte mich mein Handy mit Nachrichten und verpassten Anrufen. Ich stieß ein Stöhnen aus, weil mein Bodyguard mich erneut anrief.

»Ich bin schon zu Hause«, sagte ich, als ich den Anruf entgegengenommen hatte.

»Wieso? Ally, wir hatten doch gesagt, dass ich dich fahre! Du kennst den Shitstorm zu deiner Rolle im Internet. Momentan sind die Zuschauer bei Staffel zwei und da macht sich Madison nicht gerade beliebt.«

Ich verdrehte die Augen und pustete mir eine verirrte Haarsträhne aus der Stirn. »Ich weiß. Ich habe es selbst gespielt, erinnerst du dich? Sie werden die Rolle wieder mögen. Und ich bin hier zu Hause und werde mich einfach nur noch schlafen legen. Entspann dich und fahr nach Hause, okay? Gute Nacht, Mike.« Ich würgte den Anruf ab, bevor er noch etwas sagen konnte.

Ja, das Leben als Star am Chicagoer Schauspielhimmel war nicht immer so glorreich und hübsch, wie alle es sich vorstellten. Aber auch damit kam ich ganz gut klar, schließlich war ich damals schon belächelt oder für mein Schauspieltalent gehasst worden. Meine Eltern hatten mich ständig darauf getrimmt, das Beste aus mir herauszuholen. Sie hatten erwartet, dass ich eine renommierte Anwältin, Maklerin oder Ärztin wurde. Dass ich studierte und Erfolg hatte – jedoch nicht die Art Erfolg, die ich mir jetzt tatsächlich erarbeitet hatte. Ich erinnerte mich noch gut daran, wie wütend sie gewesen waren, wenn ich mal sturzbetrunken von einer Party nach Hause gekommen war und mich nicht zu benehmen gewusst hatte, und wie sie mich aus dem Haus geworfen hatten, als ich ihnen eröffnet hatte, dass ich an die Schauspielschule gehen würde. Ich biss mir auf die Unterlippe und schüttelte diese dunklen Erinnerungen von mir. Nein, darauf wollte ich mich heute Abend nun wirklich nicht konzentrieren. Ich hatte nach Monaten am Set endlich mal wieder richtig viel Freizeit. Das wollte ich mir nicht vermiesen lassen.

Gerade als ich mir eine Jogginghose und ein gemütliches T-Shirt angezogen hatte, klingelte mein Handy. Connys Name leuchtete auf und ich stieß ein Seufzen aus. Sie würde das Nein zur Party ganz sicher nicht akzeptieren.

»Hey.«

»Hey, wo bist du? Wir wollten doch ins Drews, oder nicht?«, fragte sie.

»Ich bin zu Hause und eigentlich will ich mir nur noch etwas zu essen machen und auf die Couch«, gab ich zurück und schaltete die Kaffeemaschine an.

»Nein, ausgeschlossen, Ally. Wir stürzen uns heute noch ins Nachtleben.«

»Ich habe nicht mal was zum Anziehen.«

»Mhm«, schnurrte sie genießerisch. »Da kann ich dir ganz sicher helfen. Schmeißt du gerade deine Kaffeemaschine an? Gib mir zehn Minuten, dann bin ich bei dir.«

Ich lachte, weil Conny einfach nur kaffeesüchtig war. Egal zu welcher Uhrzeit, sie verschmähte nie eine heiße Tasse des schwarzen Gebräus.

»Conny, ich werde nicht mit dir feiern gehen«, erklärte ich, doch sie hatte bereits aufgelegt und hörte meinen weiteren Protest nicht mehr.

Seufzend ging ich ins Wohnzimmer und schaltete den Fernseher an. Zu meiner Rechten befand sich eine riesige Fensterfront, die das düstere Chicago zeigte. Irgendwo da draußen war jetzt dieser bescheuerte Typ, der mir aufgelauert hatte. Ob ich ihn jemals wiedersehen würde? Eine schwache Gänsehaut kroch über meine nackten Arme und ich schüttelte die Gedanken ab. Am besten gar nicht darüber nachdenken, was passieren könnte. Vielleicht würde mir der Abend mit Conny doch guttun.

Diese kam tatsächlich die zehn Minuten später, die sie angekündigt hatte. Meine Kollegin und Freundin hielt eine Flasche Champagner in die Höhe und grinste mich breit an, ehe sie den Blick über mein Outfit schweifen ließ. Sie selbst sah natürlich absolut makellos aus in ihrem engen Kleid, das ihr gerade bis zur Mitte der Oberschenkel reichte. Es war burgunderrot und hatte einen Wasserfallausschnitt und ich erahnte die dünnen Spaghettiträger, die sich unter ihrem schwarzen, offenen Mantel versteckten.

»O Süße, das müssen wir schnellstens ändern.«

Conny war gewöhnungsbedürftig und zugegeben, wir hatten uns anfangs gar nicht verstanden, weil sie manchmal wirklich anstrengende Charakterzüge hatte. Dann hatte ich sie aber näher kennengelernt und mehr Zeit mit ihr verbracht und wir waren Freundinnen geworden. Doch nicht nur charakterlich waren wir wie Tag und Nacht: Conny war auch äußerlich das komplette Gegenteil von mir. Sie hatte einen wunderschönen dunklen Hautton und ihre eigentlich von Natur aus schwarzen Haare waren so gebleicht, dass sie fast weiß wirkten. Wenn sie eine extra Portion Silbershampoo nutzte, glänzten sie wie echtes Silber. Conny hatte beneidenswerte Kurven, die sie einzusetzen wusste. Während ich recht blass und dünn war, konnte sie den Männern und Frauen mit einem einzigen Hüftschwung den Kopf verdrehen.

Als ich bemerkte, dass ich sie ungeniert musterte, klimperten mir ihre schwarzgetuschten Wimpern entgegen.

»Du kannst immer noch ans andere Ufer wechseln, Süße.«

Ich lachte herzhaft und schüttelte den Kopf. »Du bist meine erste Wahl, sollte es jemals so kommen. Aber derzeit bin ich absolut hetero, das weißt du doch.«

Sie grinste mich an und entblößte einen Strassstein auf ihren perlweißen Zähnen. »Sag niemals nie«, schnurrte sie und drückte mir endlich die Champagnerflasche in die Hand.

»Kümmere du dich um Kaffee und Champagner, ich suche dir ein Kleid.«

Ich nickte, da es ohnehin aussichtslos war, gegen Conny anzukämpfen, und ging zurück in die Küche, wo ich zwei Tassen starken Kaffee kochte und die Flasche öffnete. Bei meiner Suche nach den richtigen Gläsern scheiterte ich, weswegen ich mich für einfache Wassergläser entschied und diese schon mal in mein Schlafzimmer brachte, wo Conny sich austobte. Als ich mit dem Kaffee zurückkam, hielt sie sich gerade ein schwarzes Minikleid vor den Körper, was niemals alles von ihr bedecken würde. Es war super eng anliegend und hatte ein tief ausgeschnittenes Dekolleté, das bis zum Hals bloß mit transparentem Stoff bedeckt wurde. Der Stoff, der wirklich etwas verdecken sollte, war vom Designer ziemlich spärlich genutzt worden.

»Was hältst du denn hiervon?«, fragte sie und wackelte anzüglich mit den Augenbrauen.

Ich zuckte mit einer Schulter. »Es ist schön, aber das hatte ich schon so oft an«, seufzte ich und ließ mich auf mein Bett fallen.

Conny verdrehte die Augen, warf das Kleid nach mir und schnappte sich vom Nachtschrank ein Glas mit Champagner, das sie in einem Zug hinunterstürzte.

»Dann wird das wohl schwieriger werden als gedacht.«

Das konnte Connys Laune allerdings nicht trüben. Wir machten Musik an, drehten die volle Lautstärke auf und während wir die ganze Champagnerflasche und jeweils zwei Tassen Kaffee tranken, suchten wir das perfekte Outfit. Conny steckte mich mit ihrer guten Laune an, sodass ich die Gedanken und Zweifel einfach beiseiteschob und mich von ihr mitreißen ließ. Wir hatten Drehpause, ich musste morgen nicht arbeiten, hatte also keine Verantwortung. Da konnte ich heute auch mal einen Abend feiern gehen.

Das Outfit bestand schließlich aus einer schwarzen Lederleggins, die sich wie eine zweite Haut an meine Beine schmiegte, und einem glitzernden schwarzen Top mit Spaghettiträgern. Conny pimpte das Outfit noch mit einem schwarzen Halsband, allerlei Ringen und Armreifen auf. Dann schob sie mir schwarze High Heels zu und grinste mich an.

»Und, wie sehe ich aus?«, fragte ich und breitete die Arme aus, um meine ganze Pracht in Szene zu setzen. Ich drehte mich langsam um die eigene Achse, zeigte meinen teils entblößten Rücken, auf dem nur die dünnen, schwarzen Träger ein Muster malten.

»Zum Anbeißen. Fährt Mike uns?«

»Mit Sicherheit«, erwiderte ich grinsend und rief meinen Bodyguard doch wieder an.

***

Wir waren schneller angekommen, als ich gedacht hätte. Da wir viel Zeit mit dem Fertigmachen vertrödelt hatten, war das Nachtleben schon voll im Gange. Mike ließ uns direkt vor dem Club raus, versprach aber, dass er hier warten würde. Ich schüttelte nur grinsend den Kopf. Mike würde sich die ganze Nacht um die Ohren schlagen müssen, denn wenn Conny und ich erst einmal tanzten, dann konnte das bis in die frühen Morgenstunden dauern.

Wir bahnten uns einen Weg an den wartenden Leuten vorbei, die in einer Schlange standen. Gerade ließ der Türsteher einen jungen Mann nicht ins Innere des angesagten Clubs, was diesen dazu brachte, einen lauten Aufstand zu machen. Der Türsteher nickte zwei Securitymännern zu, die sich um den armen Kerl kümmerten.

»Ladys«, begrüßte Jack uns mit einem leichten Grinsen auf den Lippen. Seine Hautfarbe ähnelte der von Conny und immer wenn wir hier waren, ließ sie keine Gelegenheit aus, hemmungslos mit ihm zu flirten. Dem Türsteher konnte aber durchaus Schlimmeres passieren.

»Hi, Jack. Beglückst du mich nachher mit deiner Anwesenheit oder musst du den ganzen Abend arbeiten?«, fragte Conny sinnlich und legte dem hochgewachsenen Mann eine Hand auf den Unterarm.

Er sah ihr in die Augen und ich musste mich abwenden, so intensiv und intim waren diese Blicke.

»Ich bin schon mal drinnen«, teilte ich Conny mit, doch sie war so mit ihrer Flirterei beschäftigt, dass sie mich gar nicht beachtete.

Seufzend ging ich in den Club, begrüßte die Security und bahnte mir einen Weg durch den mit Schwarzlicht ausgestatteten Flur. Es war wie ein Tunnel, der in den großen Hauptraum führte. Links und rechts befanden sich Stehtische, ein paar Sitzecken waren in die Wände eingelassen und ab und an zweigte ein Gang zu den Toiletten ab. Die lauten Bässe drangen bereits zu mir und ich ging bis zum Ende des Tunnels, ließ quatschende und knutschende Leute hinter mir und schob den Vorhang zur Seite, der den Flur von dem eigentlichen Hauptraum trennte. Dicke, warme Luft schwang mir entgegen und der Geruch nach Schweiß und Alkohol.

Ich drängte mich an den tanzenden Menschen vorbei und schob mich durch die Menge auf die Bar zu. Als ich mich kurz umsah, entdeckte ich zwei Tänzerinnen auf Podesten, die ihr Bestes gaben. Lasziv bewegten sie sich zur Musik, ließen ihre Hände über ihren eigenen Körper gleiten und schienen die Blicke und Aufmerksamkeit der Männer zu genießen. Kopfschüttelnd wandte ich den Blick ab und schaute den Barkeeper an.

»Was darf es sein?«, fragte er mich und seine grünen Augen blitzten im Licht.

»Tequila«, rief ich ihm über das Wummern der Musik zu und er nickte zum Zeichen, dass er mich verstanden hatte. Dann füllte er zwei Gläser, schob mir einen Salzstreuer zu und legte mit einer Zange eine halbe Scheibe Zitrone auf das Glas. Er selbst nahm eines der beiden Gläser und prostete mir grinsend zu, nachdem er sich etwas Salz auf die Hand geschüttet hatte.

Ich schmunzelte und ließ mich drauf ein, tat es ihm gleich und kippte den brennenden Alkohol meine Kehle hinab. Angewidert verzog ich das Gesicht, konnte mir dann aber ein Grinsen nicht verkneifen.

Plötzlich legte sich eine Hand auf meine Schulter und ich drehte mich um. Mein Blick glitt an Conny vorbei, die sich neben mich stellte, und ich meinte, in der Menschenmasse diesen Kerl auszumachen, der mich nach dem Dreh angesprochen hatte. Er stand einfach nur zwischen den feiernden Menschen und sah zu mir herüber. Mein Herzschlag beschleunigte sich und das hatte nichts mit dem Alkohol oder meiner eben noch so ausgelassenen Stimmung zu tun.

»Erde an Ally!«, riss Conny mich aus meiner Starre und ich schaute zu ihr. Ihr Blick suchte die Masse ab, doch anscheinend fand sie nichts, was ihr optisch gefiel. »Wen starrst du denn so an?«

»Niemanden«, gab ich zurück und sah erneut über die Schulter. Doch der Fremde war verschwunden und ich schüttelte leicht über mich selbst den Kopf. Vermutlich hatte ich mir das nur eingebildet.

Conny schob mir ein hohes Cocktailglas mit bunter Flüssigkeit zu und grinste mich an. Sie erhob ihr eigenes Glas und prostete mir zu.

»Auf uns. Und den Abend.«

»Auf uns«, erwiderte ich und stieß mit meinem Getränk gegen ihres, ehe ich einen langen Zug aus dem Strohhalm nahm. Der süßliche Geschmack von Orangensaft, Maracuja und Blue Curaçao lag schwer auf meiner Zunge und der Alkohol brachte Hitze in meine Wangen. Dennoch nahm ich noch einen Schluck, ließ den Alkohol heiß meinen Körper fluten und spürte, wie Hemmungen und Grenzen verschwammen.

»Lass uns tanzen!«, rief ich Conny zu, stellte mein Glas ab und zog sie an der Hand mit durch die Masse. Wir bahnten uns einen Weg in die Mitte der Tanzfläche, der DJ legte den neusten Song auf und wir bewegten uns im Takt der Musik. Ein Kerl tanzte Conny an, sie ließ es zu und grinste ihn an, während er die Hände an ihre Hüften legte. Ich schloss die Augen und fühlte den Bass unter meinen Füßen, er kroch mit jedem Wummern weiter in meinen Körper und ließ mich vibrieren. Ich tanzte, bis ich nicht mehr konnte. Und dann tanzte ich weiter, bis mein Mund ausgetrocknet war und ich dringend etwas zu trinken brauchte. Conny war schon vor einer Weile mit dem Typen abgezischt, also schob ich mich allein zurück zur Bar, wo ich ein Glas Wasser orderte.

Mein Atem ging unregelmäßig und mein Puls hämmerte im Takt der Musik in meinen Ohren. Dankbar nahm ich das Glas Wasser und führte es gerade an die Lippen, als eine Hand vorschnellte und mein Handgelenk fest umschlossen hielt. Ich erschreckte mich so sehr, dass ich zusammenzuckte und das Wasser überschwappte. Die Flüssigkeit benetzte meine Finger und erschrocken schaute ich zu dem Kerl auf, der mich gepackt hatte. Es war der Typ, der mich vorhin abgefangen hatte.

»Was zur Hölle fällt dir ein?!«

»Sei mir lieber dankbar«, knurrte er und riss mir das Glas aus den Händen. Er schenkte dem Barkeeper einen vernichtenden Blick, der ertappt die Augen aufriss und sich schnell abwandte, als wäre er äußerst beschäftigt. Komisch. Was hatte das zu bedeuten?

Der Nebel in meinem Kopf nahm zu und alles in mir schrie nach alkoholfreier Flüssigkeit. Trotzdem wehrte ich mich nicht, während der Typ mich mit sich zog und wir durch den Vorhang traten. Im Flur war es kühl und ich atmete tief durch. Er verfrachtete mich in eine ruhige Sitzecke und ich ließ mich höchst ungalant darauf plumpsen.

»Was sollte das?«, fragte ich mit träger Zunge.

Er verdrehte die Augen, kniete sich allerdings vor mich und reichte mir eine geschlossene Wasserflasche. »Trink lieber das.«

»Wasser statt Wasser? Was ist nur los mit dir?« Obwohl ich dem Kerl absolut nicht vertraute und diese Begegnungen mit ihm mehr als seltsam waren, griff ich nach der Flasche und schraubte sie auf. Meine Kehle schrie nach Flüssigkeit und ich kippte in einem Zug den halben Inhalt hinunter.

»Trink aus«, knurrte er.

Verärgert drückte ich ihm kraftvoll die Flasche gegen die Brust, was diese dazu brachte, ihren Inhalt teilweise auf sein Shirt zu verteilen.

»Was stimmt denn nicht mit dir? Erst lauerst du mir nach dem Dreh auf und erzählst irgendeinen Schwachsinn, jetzt darf ich im Club nicht mal ein Glas Wasser trinken und hier draußen befiehlst du mir, deine Flasche auszutrinken. Spinnst du?« Meine Stimme wurde lauter und ich machte Anstalten, aufzustehen und zu gehen.

Er drückte mich sanft, aber bestimmt zurück in die Polster.

»Ich weiß nicht einmal deinen Namen«, schnaubte ich und drehte das Gesicht weg. Wütend verschränkte ich die Arme vor der Brust und wusste, dass ich mich wie ein trotziges Kind verhielt. Doch es war mir egal. Der Typ war bescheuert.

»Caleb.«

»Was?«, fragte ich perplex und schaute ihn an.

Er zuckte mit einer Schulter und das erste Mal zeigte sich ein schwaches Grinsen auf seinen Lippen. »Mein Name. Caleb«, wiederholte er für mich.

Ich nutzte das Licht und seine Nähe zu mir, um ihn genauer zu betrachten. Er sah gar nicht schlecht aus. Die Augen waren von einem hübschen Graublau und erneut hatte ich das Gefühl, ihm irgendwo schon mal begegnet zu sein. Doch das war Schwachsinn und ganz sicher auf den Alkohol zurückzuführen.

Ich versuchte mich auf sein Gesicht zu konzentrieren, mein Blick glitt weiter nach oben. Sein Haar wirkte flauschig und ich verspürte den Drang hineinzugreifen. Wie bei einem Hund, der vor Plüsch beinahe platzte. Durch den Alkohol war meine Hemmschwelle leider auf die Größe einer Bodenleiste gesunken, weswegen ich die Hand hob und meine Finger zwischen seine Haare schob.

»Die sind so weich«, sagte ich überrascht, doch ich spürte, wie Caleb sich unter meiner Berührung versteifte.

»Okay, vielleicht müssen wir dich erst nüchtern kriegen.« Er umfasste mein Handgelenk und zog meine Finger von seinem Kopf, was mich veranlasste, die Augenbrauen zornig zusammenzuziehen.

»Wir laufen jetzt ein Stück zusammen, okay?«

»Nein. Mein Bodyguard wartet draußen.«

»Dein Bodyguard? Wow.« Er ließ mein Handgelenk los, fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und schloss für den Bruchteil einer Sekunde die Augen. Mit Zeigefinger und Daumen kniff er sich in den Nasenrücken und ich betrachtete ihn erneut ungeniert. Lange Wimpern zeigten sich und warfen kleine Schatten auf seine Wangen. Mann! Wieso war der Kerl so hübsch? Und wieso war es mir ohne Alkohol im Blut vorhin nicht aufgefallen?

»Hör zu, ich muss dringend in Ruhe mit dir sprechen. Und das am besten, wenn du nüchtern bist. Meinst du also, du könntest deinem Bodyguard sagen, dass wir einen Spaziergang machen?« Er ließ die Hand sinken und sah mir direkt ins Gesicht.

»Wieso sollte ich dir vertrauen? Du hast mir mein Wasserglas geklaut. Ich habe dafür Geld bezahlt«, gab ich zurück und konnte mir ein albernes Kichern nicht verkneifen. Ich war echt betrunken.

Caleb stierte mir mit eisernem Blick in die Augen. Das eigentlich helle Blaugrau wirkte hier im Schwarzlicht regelrecht strahlend und war gleichzeitig ein Kontrast zu dem weißen Rund um seine Iris.

»Ich habe dich davor bewahrt, K.-o.-Tropfen zu schlucken.«

Nun war es an mir, die Augen weit aufzureißen und ihn fassungslos anzustarren.

»Was?!«

»Der Barkeeper hat dir etwas in den Drink gemischt. Wer weiß, was er angestellt hätte.« Er zuckte mit den Schultern, als wäre das keine große Sache.

Mir jedoch fuhr ein eiskalter Schauer den Rücken hinab. Der Barkeeper hatte was versucht?! O mein Gott! Das musste man doch sicher melden, oder so?

»Aber er war doch so nett«, flüsterte ich weiterhin völlig fassungslos.

Caleb fuhr sich über das Gesicht und schien ein genervtes Stöhnen zu unterdrücken.

»Deine Katze ist vielleicht nett, der Typ sicher nicht. Komm schon, lass uns hier endlich weg.«

»Welche Katze?«, fragte ich verwirrt und ließ mir von ihm aufhelfen. Wie automatisch verschränkte ich meine Finger mit seinen, als er mich an der Hand mit nach draußen zog. Er löste sie augenblicklich und packte mich erneut am Handgelenk, als würde ihn diese Art von Berührung nerven. Ich versuchte mir diese Eigenschaft von ihm zu merken, damit ich nicht erneut diesen Fehler beging.

»Bye, Ally. Sei vorsichtig«, rief Jack mir noch zu und ich hob die Hand zum Winken, ehe ich weiter hinter Caleb herstolperte. Es war gar nicht so einfach, seinen langen Beinen auf High Heels zu folgen. Vor allem nicht in meinem betrunkenen Zustand.

Mike stieg alarmiert aus der schwarzen Limousine, die schräg gegenüber vom Club geparkt war, als er Caleb und mich entdeckte. Ich stemmte mich gegen Caleb und befreite mich aus seinem Griff, um zu meinem Bodyguard zu gehen. Er sah müde aus. Und sofort nistete sich das schlechte Gewissen in mir ein, denn ich hatte ihn die ganze Nacht hier sitzen lassen, während zu Hause seine Familie auf ihn wartete.

»Es ist alles in Ordnung, Mike«, beruhigte ich ihn sofort, als er ein paar Schritte vor mir stehen blieb und ich die Sorge in seinen Augen erkennen konnte.

»Ally, mir ist nicht ganz wohl dabei, dich mit diesem Kerl allein zu lassen.«

»Ist schon gut. Er hat mich vor K.-o.-Tropfen bewahrt«, erzählte ich brühwarm.

Mike kam einen weiteren Schritt auf mich zu. Unruhe huschte über seine Gesichtszüge, wurde von Zorn abgelöst und er kniff die Augen zusammen.

»Was? Wer hat dir was unter deinen Drink gemischt? Ich werde diesen Kerl eigenhändig zur Polizei zerren!«

Ich machte eine wegwerfende Handbewegung. »Das war der Barkeeper, das Schwein.«

Mike stieß ein erzürntes Schnauben aus und griff sich den ersten Mann mit Securityausweis, den er zu fassen bekam.

Ich schloss für einen kurzen Moment die Augen und fuhr mir über die Stirn. Müdigkeit und Kopfschmerzen bahnten sich an. Caleb, der mittlerweile zu uns aufgeschlossen hatte und jetzt neben mir stand, schien ungeduldig zu werden.

»Können wir endlich gehen?« Er klang genervt, doch ich schüttelte den Kopf. Zwar hatte ich wirklich eine Unmenge an Alkohol in meinem Blut, doch so naiv und dumm, einfach mit ihm mitzugehen, war ich nicht. Ich wollte Mike dabeihaben, auch wenn ich ein verdammt schlechtes Gewissen ihm gegenüber hatte. Er sollte zu Hause bei seiner Familie sein und nicht mit mir hier draußen.

»Die Security kümmert sich drum. Kann ich euch fahren?«, fragte mein Bodyguard, als er zu uns zurückkam.

Ich nickte, bevor Caleb mit einem Nein antworten konnte. Mein Herz schlug viel zu schnell.

»Bitte«, schob ich hinterher und ging auf den schwarzen Wagen zu. Ich ließ mich auf den Rücksitz gleiten, kurz danach gesellte sich dieser Caleb neben mich und schmiss die Tür eine Spur zu laut zu.

»Hey, das ist doch kein Panzer«, murmelte ich entrüstet und zog die Augenbrauen zusammen.

Anstatt mir zu antworten, wandte sich Caleb direkt an Mike und sagte ihm, wo er uns hinfahren sollte. Kurz darauf setzte sich der Wagen in Bewegung. Ich sah aus dem Fenster und ließ die Lichter an mir vorbeiziehen.

Insgeheim hoffte ich, dass ich keinen Fehler beging. Zwar hatte ich meinen Bodyguard an meiner Seite, doch wer wusste schon, wo Caleb uns hinführte? Und wieso wurde ich das Gefühl, dass wir uns kannten, immer noch nicht los?

Kapitel Zwei

Sam

»Schau nicht zurück, lauf einfach!«, schrie ich meiner kleinen Schwester zu und schubste sie weiter voran. Wir waren nicht mehr weit von einem der Höllentore entfernt, welches uns auf die Erde bringen würde. Mir war klar, dass wir unser restliches Leben stets auf der Flucht sein würden, doch das war mir egal. Alles war besser, als hier zu verschmoren.

»Ich kann nicht mehr«, keuchte Laurie und blieb stehen.

Meine Atmung ging ebenfalls unregelmäßig, doch ich konnte das Bellen der Höllenhunde direkt hinter uns hören. Sie waren nicht mehr weit entfernt.

»Es ist nur noch ein kleines Stück, meinst du, du schaffst das? Mir zuliebe?« Ich sah meiner Schwester fest in die Augen. Sie war erst vierzehn, ihre honigblonden Haare ähnelten meinen. Während ihre Augen jedoch dunkel waren, hatte ich das strahlende Blau unserer Mutter geerbt.

Laurie nickte, tapfer, wie sie war, und ich griff nach ihrer Hand. Wir durften keine Zeit mehr verlieren. So schnell uns unsere Beine trugen, liefen wir weiter den Pfad hinab, vorbei an knorrigen, toten Bäumen, über heißen Staub, der immer wieder aufgewirbelt wurde und mir die Sicht nahm. Bis wir am Höllentor ankamen. Abrupt stoppte ich.

Sie waren bereits da. Verdammt.

»Sieh mal einer an«, zischte Agash, einer der Alphadämonen.

Alphas waren die mächtigsten Dämonen in der Hölle und führten meistens ein ganzes Rudel dieser Kreaturen an. Ihre Kräfte waren … furchteinflößend. Ich presste die Lippen aufeinander und schob Laurie hinter mich, um sie zu schützen.

»Lass uns einfach gehen, Agash!«

Die roten Augen, die seinen grotesken Stierkopf schmückten, blitzten. Er stieß einen kehligen Laut aus, der wohl ein Lachen hätte werden sollen. Hinter uns ertönte das Knurren der Höllenhunde, die so was wie die Wächter der Hölle waren, und als ich mich umsah, waren wir umzingelt.

»Der Boss wird nicht begeistert davon sein, dass du fliehen wolltest.«

Ich wusste, wie aussichtslos diese Situation war. Mein Herz klopfte wie wild, doch mein Verstand war messerscharf und ruhig. Ungeachtet der Dämonen und Höllenhunde, die uns definitiv geschnappt hatten, drehte ich mich zu Laurie herum und ging auf die Knie. Ich fasste meine kleine Schwester an den Schultern und versuchte mich an einem aufmunternden Lächeln.

»Wenn sich die Möglichkeit bietet, lauf weg, okay? Finde Reed, Laurie. Er wird dir helfen.«

In Lauries Augen bildeten sich Tränen, während sie vehement den Kopf schüttelte. »Nein, Sam, ich geh nicht ohne dich.«

Ich strich ihr sacht über das Haar. »Ich werde dich finden, okay? Ich finde dich und dann sind wir wieder zusammen. Vertrau mir.«

Sie schluchzte und ich drückte sie kurz tröstend an mich. Danach stand ich auf, packte mein Messer, das an meinem Gürtel befestigt war, und griff den ersten Dämon an, der in meiner Nähe stand. Geifernd stürzten sich die Höllenhunde auf mich, während ich aus dem Augenwinkel beobachtete, wie Laurie losrannte. Erleichterung durchflutete mich, obwohl ich just in diesem Moment von hinten angegriffen wurde. Ich keuchte, als mir jemand in die Kniekehlen trat und mich so zu Boden beförderte. Ein weiterer Dämon tauchte auf, stürzte sich auf mich und presste mich auf den heißen Boden. Ich schaffte es, meinen Kopf in Richtung von Laurie zu drehen, und sah, wie auch sie ergriffen wurde.

»Nein!«, schrie ich und begann mich zu wehren. »Ihr Schweine! Lasst sie in Ruhe!«

Ein Faustschlag traf mich mitten ins Gesicht und schaltete alle Lichter aus.

***

Hände hielten mich fest, während ich mitgeschleift wurde. Meine Sicht verschwamm immer wieder, ich spürte die Hitze, die von meinem Umfeld ausging. Am präsentesten war allerdings der Schmerz, der überall in meinem Körper wütete. Sie hatten mich erwischt, in dem Moment, in dem ich mit Laurie hatte fliehen wollen.

Laurie.

Verdammt! Wo war sie? Hatten sie sie auch gefangen genommen? Oder hatten sie sie vermutlich bereits getötet? Ich wusste es nicht, doch ich war zu schwach, um mich erneut zu wehren, erneut gegen die Dämonen um mich herum anzukämpfen.

Plötzlich wurde ich nach vorne gestoßen und landete auf meinen Knien. Ich keuchte vor Schmerz auf und versuchte gleichzeitig mich aufzurichten. Blut tropfte auf den Boden unter mir, Blut, das aus einer der zahlreichen Verletzungen floss, die sie mir zugefügt hatten.

»Sam, liebe Sam«, begrüßte mich eine tiefe Stimme, die mir trotz der allesverschlingenden Hitze einen eiskalten Schauer über den Rücken jagte.

Ich starrte auf das dunkelrote Blut, zwang meine Sicht, sich wieder zu klären, und schüttelte den Kopf, um den Nebel daraus zu vertreiben. Es wurde besser, denn ich konnte fühlen, wie die Wunden sich bereits zusammenfügten. Wie das Gewebe des menschlichen Körpers heilte. Dabei war doch nichts mehr wirklich menschlich an mir.

»Ich bin enttäuscht von dir.«

Ich schaffte es, den Kopf zu heben und mein Gegenüber anzusehen. Er saß auf seinem Thron aus Knochen, ein hämisches Grinsen auf den Lippen. Die schwarzen Haare waren zurückgekämmt, der perlweiße Anzug saß perfekt an seiner muskulösen Gestalt.

»Wo ist sie?«, wollte ich durch zusammengebissene Zähne wissen. Als ich aufstehen wollte, packten mich erneut Hände, rissen meine Arme nach hinten und ich stieß einen unterdrückten Schrei aus, weil meine malträtierte Schulter sich meldete. Das Ziehen und Brennen meiner Muskeln war kaum auszuhalten.

»Die kleine Laurie?«, fragte der König der Hölle mich und betrachtete im nächsten Moment seine Fingernägel, als wäre es ihm völlig egal. Und ich wusste, dass es so war.

»Sie wird sicher ganz viel Spaß bei uns haben, meinst du nicht?« Luzifer stand auf und kam zu mir herüber. Er ging in die Hocke, griff nach meinem Kinn und drückte seine Finger in mein Fleisch, sodass ich fürchtete, der Knochen würde zersplittern. Seine Augen glühten in einem gefährlichen Dunkelrot auf, als er mich betrachtete.

»Aber ich will mal nicht so sein, Sam. Du hast uns bislang immer gute Dienste erwiesen, da möchte ich dir eine Chance geben.« Er ließ von mir ab und ich atmete viel zu schnell. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich die Luft angehalten hatte, während Luzifer direkt vor mir gewesen war.

»Du kannst Laurie haben.«

»Und was willst du als Gegenleistung?«

Ein weiteres Grinsen machte sich auf seinen Lippen breit. »Du lernst schnell, Sammy. Natürlich brauche ich eine Gegenleistung, du weißt ja, die Hölle funktioniert nur mit einem ständigen Geben und Nehmen.« Er machte eine Kunstpause, ging vor mir auf und ab, als würde er überlegen. Als würde er in seinem sadistischen Kopf nicht schon längst wissen, wie er mir mein Leben am besten zur Hölle machen konnte.

»Ich schicke dich auf die Erde«, sagte er dann und drehte sich zu mir um. »O ja, und dort wirst du die letzten verbliebenen Lichtkrieger aufspüren, sie töten und mir ihre Köpfe bringen. Jetzt, wo die Gesegnete tot ist, dürfte das kein Problem sein.«