The Rising of the Shield Hero – Light Novel 06 - Kugane Maruyama - E-Book

The Rising of the Shield Hero – Light Novel 06 E-Book

Kugane Maruyama

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Beschreibung

Auf Cal Mira endet die Aktivierung und die Helden und ihre Gefährten kehren aufs Schloss zurück. Hier sollen sie gemeinsam trainieren, um sich für die nächste Welle zu wappnen. Doch Motoyasu, Itsuki und Ren sehen dieses Abenteuer immer noch als ein Spiel an. Sie sind sich der bevorstehenden Gefahr nicht bewusst, sodass Streit vorprogrammiert ist. In dem ganzen Tumult lernt Naofumi Rishia näher kennen. Er will ihr helfen, stärker zu werden. Da es dem Mädchen jedoch enorm an Selbstvertrauen mangelt, ist das gar nicht so einfach …

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Inhaltsverzeichnis

Prolog: Glücksbringer für Cal Mira

Kapitel 1: Die Helden der sieben Sterne

Kapitel 2: Das unglückselige Mädchen

Kapitel 3: Weitere Verleumdungen

Kapitel 4: Die Bestellung

Kapitel 5: Die Ausbilderin

Kapitel 6: Der Stil der Unvergleichlichen Veränderung

Kapitel 7: Unlernbar?

Kapitel 8: Lebenskraftwasser

Kapitel 9: Der Sinn der Übungen

Kapitel 10: Das Kostüm

Kapitel 11: Die Gehilfen

Kapitel 12: Einander ausstechen

Kapitel 13: Das Gamer-Wissen fletscht die Zähne

Kapitel 14: Der Sinn der Helden

Kapitel 15: Die Geisterschildkröte

Kapitel 16: Das Königreich auf der Geisterschildkröte

Epilog: Eine beunruhigende Atmosphäre

Extrakapitel: Die großen Taten des Bogenhelden

Prolog: Glücksbringer für Cal Mira

Ich lauschte dem Rauschen der Wellen und blickte auf das Meer und den Himmel hinaus.

»Kann mir kaum vorstellen, dass die See so unruhig ist.«

»Aber Herr Naofumi, da draußen soll doch noch ein Sturm toben!«

Wir waren gerade auf dem Cal-Mira-Archipel … Allerdings nicht, um Urlaub zu machen, sondern wegen der sogenannten Aktivierung.

In Webgame-Begriffen ausgedrückt, war das ein Event, bei dem man massig Erfahrungspunkte sammeln konnte.

Hier auf Cal Mira bekam man also momentan fürs Besiegen von Monstern mehr EXP als sonst.

EXP … Nun, ich hatte mich bereits daran gewöhnt – ich war in einer fremden Welt.

»Sag, siehst du nicht die schwarzen Wolken? Wenn du ganz angestrengt zum Horizont blickst?«

»Hm …«

Ich starrte in die Ferne. Und tatsächlich: Nun, da Raphtalia es gesagt hatte, glaubte auch ich, Wolken auszumachen. Die Meereswogen waren ebenfalls hoch und der Wind war feucht.

»Du kennst dich gut aus mit dem Meer.«

»Ein wenig lernt man schon, wenn man in einem Fischerdorf aufwächst.«

»Kann ich mir vorstellen.«

Warum wir hier herumstanden und verträumt aufs Meer hinausblickten? Bis zum nächsten Programmpunkt hatten wir wenig zu tun.

Um zu erklären, weshalb ich mich in einer fremden Welt befand, muss ich alles von Anfang an erzählen.

Ich heiße Naofumi Iwatani. Eigentlich hatte ich – ein Otaku und Universitätsstudent – im Japan der Gegenwart gelebt.

Zum Zeitvertreib hatte ich in der Bibliothek in einem Buch gelesen, dem Traktat der Waffen der vier Heiligen. Dann hatte ich mich mit einem Mal in der darin beschriebenen fremden Welt wiedergefunden, dorthin beschworen als eine der Figuren aus der Erzählung: den Helden des Schildes.

Das Traktat der Waffen der vier Heiligen war eine Geschichte: Eine Welt sah sich ihrer Vernichtung durch die sogenannten Wellen des Untergangs gegenüber. Deswegen beschwor sie aus anderen Welten vier Helden, die sich den Wellen entgegenstellen sollten. Jeder von ihnen erhielt eine eigene Waffe.

Schwert, Lanze, Bogen und Schild …

Meiner Ansicht nach war ein Schild eher ein Rüstungsstück als eine Waffe, aber nun gut. Ich war auf jeden Fall zu dessen Träger bestimmt.

An einer Stelle hatte das Traktat der Waffen der vier Heiligen übrigens plötzlich aufgehört: Wo die Darstellung des Schildhelden hätte folgen sollen, hatte ich nur unbeschriebene Seiten vorgefunden.

Auf diese Weise hatte es mich jedenfalls in diese fremde Welt verschlagen.

Und hier gab es, so seltsam es klingen mag, Level und Erfahrungspunkte – ganz wie in einem Computerspiel.

Wenn man Monster besiegte, stieg das eigene Level und man bekam neue Fähigkeiten dazu. Wenn man sich konzentrierte, konnte man sich über die sogenannte Statusmagie die eigene Verfassung in Zahlenwerten ansehen.

Das war ein interessanter Aspekt dieser Welt: Je mehr man sich anstrengte, desto bessere Ergebnisse erzielte man.

Als Schildheld war ich jedoch auf die Verteidigung spezialisiert und konnte meine Gegner nur mit indirekten Mitteln bezwingen. Ich brauchte also unbedingt Gefährten.

Mit dem Schild allein Monster zu erschlagen, war ein höchst schwieriges Unterfangen.

Dafür bekam ich über den legendären Schild aber auch viele nützliche Fähigkeiten.

Die legendären Heldenwaffen ließen sich immer weiter hochrüsten, indem man ihnen Monster, Stoffe und alle möglichen anderen Dinge zum Absorbieren gab. Auf diese Weise trainierten wir im Hinblick auf die kommenden Wellen … So zumindest der Plan.

Es wäre schön gewesen, wenn wir Helden uns zu viert den Wellen hätten entgegenstellen können, doch im Reich Melromarc, in das wir beschworen worden waren, war der Held des Schildes ein Unterdrückter gewesen. Niemand hatte in meine Gruppe gewollt und als ich geglaubt hatte, endlich wenigstens eine Kameradin gefunden zu haben, hatte sie falsche Anschuldigungen gegen mich vorgebracht und ich war völlig mittellos davongejagt worden.

Dieser schwierigen Lage war ich entronnen, indem ich mir eine Gefährtin … nun, vielmehr eine Sklavin zugelegt hatte. Mit ihrer Hilfe hatte ich die erste Welle überstanden.

Das klingt nicht schön, aber so war es gewesen.

Ich hatte das kleine Mädchen namens Raphtalia für wenig Geld gekauft und sie anschließend gezwungen, gegen Monster zu kämpfen.

»Und wie wollen wir nun weiter vorgehen?«

»Na ja, bis der Sturm vorbeigezogen ist, können wir ja nicht in See stechen. Also bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als hier auf der Insel Zeit totzuschlagen.«

Dieses Mädchen, das mich so verehrte, war die eben erwähnte Raphtalia. Äußerlich wirkte sie wie achtzehn, in Wahrheit war sie jedoch viel jünger. Sie war eine sogenannte Subhumanoide und gehörte der Unterart der Waschbären an. Stellt sie euch am besten als ein Mädchen mit Waschbärohren und -schwanz vor. Ferner hatte sie ein hübsches Gesicht, langes braunes Haar und weiße, glatte Haut. Zehn von zehn Personen würden sie schön finden.

Sie war erst bloß ein Kind gewesen, doch durch schnelles Hochleveln wuchsen Subhumanoide körperlich rasch heran, sodass sie sich besser für den Kampf eigneten. Darum entsprach Raphtalias Äußeres nicht ihrem eigentlichen Alter.

Bei der ersten Welle hatte sie ihr Heimatdorf und ihre Eltern verloren, war Sklavenjägern in die Hände gefallen und hatte Schlimmes durchgemacht. Zuletzt hatte ich sie gekauft und seither begleitete sie mich.

Jener falschen Anschuldigungen wegen hatte ich mein Vertrauen in andere Menschen verloren. Nur einer Sklavin hatte ich vertrauen können: Sie wäre nicht in der Lage, ihren Meister zu verraten.

Es mag irrational klingen, doch einmal hatte Raphtalia ihre Freiheit zurückerlangt und war ein weiteres Mal freiwillig meine Sklavin geworden, nur um mein Vertrauen zu erringen.

So schlimm hatte es dann doch nicht um mich gestanden, dass ich einem Mädchen, das so weit ging, nicht hätte vertrauen können.

Nun war sie eine Partnerin, auf die ich mich verlassen konnte.

Gewissenhaft beschrieb ihr Naturell am treffendsten. Stets gab sie ihrer Mission den Vorrang und wenn ich etwas Komisches von mir gab, warnte sie mich.

Sie war fest entschlossen, sich den Wellen entgegenzustellen, weil sie ihretwegen ihre Eltern und ihren Geburtsort verloren hatte. Sie wollte verhindern, dass irgendwer sonst ein ähnliches Schicksal wie sie erlitt.

Ich brachte ihr große Achtung entgegen.

»Filo.«

»Jaaa?«

Sie planschte gerade im Meer herum.

»Wir wollen zum Markt. Was ist mit dir?«

»Ich will noch ein bisschen schwimmen.«

»Alles klar. Schwimm, so viel du magst.«

»Okaaay!«

Filo war als nächste Gefährtin dazugekommen … Sie war ein Monstermädchen.

Von der Belohnung, die ich nach der Welle bekommen hatte, hatte ich an einer Monsterei-Lotterie teilgenommen und tatsächlich war aus meinem Ei ein Monster geschlüpft: Filo.

Aus bestimmten Gründen hatte sie die Fähigkeit ausgeprägt, sich in ein engelsgleiches Mädchen mit Flügeln auf dem Rücken zu verwandeln. In ihrer menschlichen Gestalt hatte sie blondes Haar und blaue Augen.

Vor ihrem glänzenden Haar, den blitzenden, meeresklaren Augen und ihrer wolkenweißen Haut wäre jeder Kinderstar vor Neid erblasst.

Ihre Arglosigkeit konnte man ihr am Gesicht ablesen.

Mit ihrer unschuldigen Miene, ihrem kindlichen Gehabe und dem Unsinn, den sie anstellte, konnte sie selbst mich aufmuntern.

Bestimmte Sachen gingen mir manchmal auf die Nerven, aber andere hätten das vielleicht als liebenswert empfunden.

Eigentlich war sie jedoch eine Filolial-Königin. Diese Monster gehörten zu den Filolials, jenen Vogelmonstern, die gern Kutschen zogen, wuchsen aber auf eine besondere Weise heran.

In ihrer wahren Form war Filo größer als ich und sah wie eine Kreuzung zwischen Eule und Pinguin aus. Sie hatte kräftige Beine, konnte aber offenbar nicht fliegen, obwohl sie ein Vogelmonster war – vergleichbar mit einer Hausgans.

In ihr weißes Gefieder mischte sich hier und da etwas Rosa.

Ein weiteres Merkmal unterschied sie von anderen Filolials: Auf ihrem Kopf wuchs eine einzelne Schmuckfeder. In ihrer Menschenform verwandelte sich diese in eine eigenwillige Locke und war mittlerweile Filos Markenzeichen.

Sie wirkte wie etwa zehn, doch wer sich davon täuschen ließ und sie unterschätzte, brachte sich in Schwierigkeiten. Sie war schnell und verfügte über eine übernatürliche Kraft, die man ihr nicht ansah. Auf diese Gefährtin konnte ich mich verlassen.

Ich war Level 73, Raphtalia 75 und Filo 76.

Außer den beiden hatte ich keine Gefährten.

Allmählich reichte das jedoch nicht mehr. In einem RPG konnte eine Party Schwierigkeiten in der Regel durch Hochleveln lösen. Dies hingegen war die Realität, wenngleich die einer fremden Welt. Wenn die Leute nicht reichten, war man im Nachteil, da konnte man grinden, so viel man wollte.

»Und wie wollen wir uns auf die nächste Welle vorbereiten?«

»Ich möchte nach Möglichkeit noch jemanden anheuern.«

»Wir würden uns schon sicherer fühlen, wenn Melty dabei wäre, oder?«

»Die? Sie ist zwar stärker, als ich gedacht habe, aber wir werden sie wohl kaum darum bitten können.«

Melty war Filos Freundin und eine Prinzessin Melromarcs. Aufgrund gewisser Begebenheiten hatte sie uns eine Zeit lang unterstützt, aber man konnte eine Prinzessin schließlich nicht zu einer gefährlichen Wellenschlacht mitnehmen.

Ach ja: Es gab auch einen wichtigen Zusammenhang zwischen Melty und jenen unberechtigten Vorwürfen gegen mich. Aber ehe ich davon anfange, muss ich wohl mehr über das Reich namens Melromarc erzählen, in das ich gerufen worden war.

Der Held des Schildes war dort lange als religiöser Feind angesehen worden. Staatsreligion war die Drei-Helden-Kirche gewesen. Man hatte nur die anderen drei Helden angebetet und das Volk war davon überzeugt gewesen, dass es sich bei dem Schildhelden um einen Bösewicht handelte.

Und warum war dies die Staatsreligion gewesen?

In Melromarc waren Subhumanoide diskriminiert worden und Menschen hatten eine Vorzugsbehandlung genossen. Natürlich hatte es auch ein entsprechendes Gegenstück gegeben – ein Reich, in dem Subhumanoide das Sagen hatten und Menschen diskriminiert wurden. Und diese Reiche waren anscheinend … lange miteinander im Krieg gewesen.

In der Religion jenes Feindeslandes war angeblich der Held des Schildes angebetet worden. Und so war es gekommen, dass mich der König, nachdem ich gerade erst beschworen worden war, schikaniert, verleumdet und schließlich ohne eine Münze aus dem Schloss gejagt hatte.

Das war jedoch nicht … die offizielle Linie Melromarcs gewesen.

Die Welt sah sich den Wellen des Untergangs gegenüber – es war keine Zeit, sich wegen Belanglosigkeiten zu bekriegen. Die Königin, die eigentliche Machthaberin Melromarcs, hatte Melty entsandt, um zwischen ihrem Gemahl und mir, dem Schildhelden, zu vermitteln.

In Melromarc war die Thronfolge matrilinear geregelt. So musste die Königin wegen etwaiger Verhandlungen darüber, wie die Wellen anzugehen seien, die sich überall auf der Welt ereigneten, ständig ins Ausland reisen.

Auch die Heldenbeschwörung hatte eigentlich im Ausland vorgenommen werden sollen, aber die Drei-Helden-Kirche und der im Land verbliebene König hatten die Zeremonie rücksichtslos auf eigene Faust durchgeführt. Das hätte zu einem Krieg führen können, was die Königin jedoch durch Verhandlungen mit knapper Not abgewendet hatte. Wäre sie nicht gewesen, gäbe es das Reich Melromarc womöglich nicht mehr.

Wir hatten von alledem nichts wissen können. Nachdem wir die Welle überstanden hatten, hatten wir uns minderwertige Ausrüstung beschafft, finanziert mit dem Geld, das wir als fahrende Händler verdient hatten. Dieser Reisehandel hatte sich auf verschiedene Weise bezahlt gemacht. Ich hatte mir Respekt verschaffen können – allerdings nicht als Schildheld, sondern als der Heilige mit dem Göttervogel. Mit dem natürlich Filo gemeint war.

Auf diese Weise war ich zu allen möglichen Werkzeugen, Materialien und neuen Schilden gekommen und hatte es letztendlich zu einer ähnlichen Stärke wie die der anderen drei Helden gebracht.

Die Drei-Helden-Kirche hatte es natürlich gar nicht gefreut, dass jener Heilige mit dem Göttervogel in Wirklichkeit der Held des Schildes war. Zudem hatten die anderen Helden Probleme verursacht und so den Glauben ins Wanken gebracht. Schließlich hatte die Drei-Helden-Kirche zu Gewalt gegriffen. Sie hatten mir mit allen Mitteln das Verbrechen untergeschoben, Prinzessin Melty entführt zu haben – die schon erwähnte Thronerbin, die entsandt worden war, um zwischen dem König und mir zu vermitteln.

Nun waren uns neben der Krone auch noch die anderen Helden auf den Fersen gewesen. Wir waren mit dem Ziel geflohen, meine Unschuld zu beweisen.

Unterwegs hatten wir auch noch gegen jenen Adligen kämpfen müssen, der Raphtalia einstmals gefoltert hatte, außerdem gegen ein gebanntes, von ihm entfesseltes Ungeheuer.

Nachdem wir auch noch die Großkönigin der Filolials kennengelernt hatten, hatte uns die Drei-Helden-Kirche den heiligen Krieg erklärt und war angerückt, um uns eigenhändig zu vernichten.

Zu guter Letzt hatte ich mein Ass im Ärmel ausgespielt: einen verfluchten Schild, die negative Seite meines Schildes. Mit seiner Macht hatte ich schließlich das Oberhaupt der Drei-Helden-Kirche bezwungen.

Meine Unschuld war bewiesen worden.

Auch die Königin war ins Reich zurückgekehrt und hatte die Schuldigen bestraft: sowohl ihren Gemahl als auch Meltys große Schwester – das Miststück, das mich hereingelegt hatte. Mittlerweile trugen die beiden andere Namen: Drecksack und Bitch.

Ich stand seither auf einer Stufe mit den anderen Helden und konnte nun mit Melromarc im Rücken den Wellen entgegentreten.

So weit, so gut … Doch es waren sogleich neue Probleme aufgetaucht.

»Warum müssen die beiden nur zu den Feinden gehören? Ich hätte sie so gern eingeladen.«

»Stimmt … Auf die beiden wäre Verlass gewesen … Wirklich ein Jammer.«

»Allerdings …«

Die Rede war von L’Arc Berg und Therese, zwei Abenteurern, mit denen wir während der Überfahrt nach Cal Mira eine Kajüte geteilt hatten.

L’Arc war der Typ älterer Bruder – jemand, auf den man setzen konnte. Er hatte Kampferfahrung, war fürsorglich und umgänglich: Ich hatte ihn ganz gut leiden können.

Therese war eine fähige Zauberin und hatte in unserem Team, dem es an Unterstützung aus den hinteren Reihen mangelte, eine bedeutende Rolle gespielt.

Für Abenteurer hatten sie beide eine verblüffende Stärke an den Tag gelegt. Leider hatten sie sich jedoch … als Glass’ Gefährten entpuppt. Sie war eine Feindin, der wir bei unserer zweiten Welle gegenübergestanden hatten.

Vor wenigen Tagen hatten wir hier auf Cal Mira in einem Unterwassertempel eine Drachensanduhr entdeckt. Durch sie erfuhren wir, dass unmittelbar eine Welle bevorstand, sodass wir würden daran teilnehmen können. Sobald der Wellen-Endgegner, der Interdimensions-Wal, besiegt war, hatten sich L’Arc und Therese gegen uns gewandt. Später im Kampf war plötzlich noch Glass aufgetaucht und hatte die beiden unterstützt.

Letzten Endes … hatten die drei den Rückzug angetreten – womit es jetzt eins zu eins stand.

Jedoch verstanden wir nun noch viel weniger, worum es sich bei dem Phänomen der Wellen überhaupt handelte.

Unsere Gegner waren in den Wellenriss geflohen; ehe wir ihnen hatten nachsetzen können, hatte er sich geschlossen.

Was waren diese Wellen überhaupt?

Ganz am Anfang hatte ich geglaubt, es ginge dabei einfach um eine Unzahl von Monstern, die über diese Welt herfielen. Aber nach allem, was wir von unseren Gegnern gehört hatten, war ich mir dessen nun gar nicht mehr sicher. Aus irgendeinem Grund hatten sie es sich anscheinend zum Ziel gesetzt, uns Helden umzubringen.

»Bringt nichts, sich deswegen den Kopf zu zerbrechen. Schlagen wir mal ein bisschen Zeit tot und gucken uns den Markt an.«

»Gern.«

Im Augenblick hingen wir auf Cal Mira fest.

Unser Gespräch hatte sich ja darum gedreht, dass sich der Sturm bald legen würde.

Die Welle hatte sich vor der Küste Cal Miras ereignet und der besiegte Endgegner war bereits an Land gespült worden.

Ein Interdimensions-Wal.

Das Monster war zu groß und musste von den Inselbewohnern erst zerlegt werden, ehe sich daraus Materialien gewinnen ließen. Das würde noch eine Weile dauern.

»Sieh mal, Herr Naofumi – dort verkaufen sie Accessoires!«

»Hm?«

Als ich Raphtalias Fingerzeig folgte und einen Blick auf die Preise der angebotenen Artikel warf … vergaß ich alles um mich her.

»Was ist das denn?!«

Die Preise waren doch völlig übertrieben! Mir war danach, den Händler lautstark zurechtzuweisen, weil er unser Gewerbe so verächtlich behandelte.

Alles bis zum doppelten Preis des durchschnittlichen Marktwerts wäre an einem Touristenort ja noch akzeptabel gewesen, aber das Vierfache?

»Hey.«

»Ja, bitte? Was kann ich für Euch tun?«

»Die Preise sind doch viel zu hoch, meinst du nicht?«

Ich zeigte auf die Halsketten in einem Regal.

Dummy Saphire Necklace (Magie +)

Qualität: schlecht (Vertuschung) gewöhnlich

Nach den Maßstäben Melromarcs war das minderwertige Ware, die man zu einem Schleuderpreis verkaufte. Darüber hinaus waren die Sachen noch mit größter Sorgfalt manipuliert worden und sahen auf den ersten Blick gut aus. Dennoch verlangte er den vierfachen Betrag – selbst bei Stücken höchster Qualität wäre er mit dem Preis übers Ziel geschossen. Mit der Dreistigkeit konnte man es auch übertreiben.

Ich sah mir auch die anderen Sachen an und kam zu dem Schluss, dass es überall ähnlich war.

Auch bei der Betrügerei kam es auf die Art und Weise an.

»Nun, immerhin sind wir hier auf einer Inselkette fernab des Festlands, nicht wahr? Zudem sind Seereisen aktuell schwierig, da steigen die Preise natürlich ein wenig.«

»Ein wenig? Du verschleierst ja sogar ihre eigentliche Qualität!«

»Wisst Ihr, ich muss doch auch über die Runden kommen. Denkt nur einmal an die Transportkosten: Auch die steigen!«

Sein Blick war unangenehm. Dieser Verkäufer hatte vor, das Unschuldslamm zu spielen.

Er hielt mich wohl für einen simplen Nörgler! Er fuchtelte mit den Armen, um mich zu verscheuchen.

Ich hätte die Königin rufen oder ihm in meiner Funktion als Held eine Standpauke halten können, aber ich beschloss, stattdessen meinen Einfluss als Händler geltend zu machen.

»Zu meinen Bekannten zählt der Typ hier.«

Ich entrollte meine Schmuckhändler-Urkunde.

In der Zeit, als ich als der Heilige mit dem Göttervogel unterwegs gewesen war, hatte ich Beziehungen aufgebaut. Die Urkunde hatte ich von einem Schmuckhändler selbst erhalten. Da er als ziemliche Berühmtheit galt, konnte das hier eventuell Wirkung zeigen.

Erst gab sich der Verkäufer desinteressiert und warf nur einen flüchtigen Blick auf die Urkunde – doch im nächsten Moment starrte er sie an. Während er las, wurde er immer blasser um die Nase.

»Ob ich das Thema mal bei ihm anschneide? Dich werde ich mir jedenfalls merken.«

»Ei… Einen Moment!«

Mit einem Affenzahn kam er hinter seinem Verkaufstisch hervor und sank vor mir auf die Knie.

»Was? Ich hab noch zu tun.«

»Ich stelle gerade fest, dass ich mich bei den Preisschildern vertan habe! Bitte wartet kurz – ich werde meine Ware zu den richtigen Preisen anbieten!«

»Ach, lass nur. Ich wollte eh mal wieder mit dem Typ reden.«

»B… Bitte wartet! Bitte erlaubt mir, die Sachen mit dreißig Prozent Preisnachlass anzubieten!«

»Dreißig Prozent, sagst du? Von diesen Preisen?«

»Nein – natürlich vom korrekten Preis!«

»Ach nee … Ich brauch nichts.«

»S… So wartet doch! Sagen wir fü… sechzig Prozent!

»Hm, wo ist dieser Schmuckhändler wohl jetzt gerade?«

»S… Siebzig …«

»Gehörte der nicht zur Reichshandelsgilde?«

»A… Achtzig …«

»Wenn der das hört: minderwertiges Zeugs für das Vierfache des Marktwerts verkauft –dann auch noch Täuschung …«

»Ich flehe Euch an! Erlaubt mir, Euch alles mit neunzig Prozent Nachlass anzubieten!«

Das sollte wohl genügen.

»Gekauft.«

Wenn man beim Handeln mit Einschüchterung und Macht arbeitete und die Not der Leute ausnutzte, dann machte man natürlich guten Profit. Käme jenem Schmuckhändler zu Ohren, dass sich hier so etwas abspielte, würden Sanktionen folgen und der Mann müsste seinen Laden schließen. Da war diese Bestrafung aus Sicht dieses allzu vorwitzigen Verkäufers doch vorzuziehen.

»Ich sag ja gar nicht, dass du bei minimalem Gewinn massenhaft Ware raushauen sollst. Damit bereitest du nur anderen Händlern Probleme und letztendlich auch dir selbst.«

Das Gleiche ließe sich über Verkäufer sagen, die eine Ware weit unter ihrem Marktwert anboten. Man gab sich besonders großzügig, förderte damit aber die Deflation. Billiger war nicht immer besser.

Wollte man den Marktwert unbeachtet lassen und Dinge zu einem höheren Preis anbieten, musste die Situation das rechtfertigen. An Touristenorten fernab vom Kontinent war es angebracht, den Preis anzuheben.

Soweit ich sah, gab es hier jedoch keine anderen Geschäfte, die Schmuck anboten – wenn ich auch nicht wusste, ob dieser Typ sie vertrieben oder ruiniert hatte.

Es gab keine anderen Läden dieser Art; die Leute hatten also keine Wahl, als bei ihm einzukaufen, so hoch er die Preise auch trieb. Das würde schließlich den Ruf der Zunft schädigen, der er angehörte.

»Wenn die Leute was davon haben, rücken sie mit einem Lächeln auf dem Gesicht einen Haufen Kohle raus.«

»Und das heißt?«

»Denk doch mal nach: Wir stecken mitten in der Aktivierung, oder?«

»J… Ja …«

»Setz doch einfach dieses Gerücht in die Welt: ›Wer Accessoires anlegt, die aus den hier vorkommenden Erzen gefertigt sind, soll leichter hochleveln können.‹«

»Hä?«

»Versteh doch: Es ist bloß ein Gerücht! Es gibt keinen tatsächlichen Effekt, es sind nur Glücksbringer. Na, wie wäre das? Alle, die zum Hochleveln herkommen, werden dir deine Sachen gern abkaufen – aus purem Aberglauben.«

Das war das gleiche Prinzip wie bei den Talismanen, die man bei Schreinen bekam.

Sie brachten nicht wirklich etwas, aber man hatte das Gefühl, dass sie einen irgendwie beschützten.

»V… Verstehe!«

So hatte ich zumindest Geld verdient.

Wenn ich gehört hatte, dass irgendwo Arzneien benötigt wurden, bin ich hingefahren und hab’s ihnen verkauft. Ebenso wenn sie Unkrautvernichtungsmittel oder Lebensmittel gewollt hatten. Es waren hohe Beträge gewesen, aber die meisten Kunden hatten mir lächelnd das Geld überreicht.

Wichtiger als die Höhe des Preises war die Zufriedenheit des Kunden.

Als der Händler meinen Plan gehört hatte, ballte er eine Hand zur Faust, nickte und stand auf.

»Den Rest … verstehst du? Ob was dran ist, liegt im Auge des Betrachters. Wenn du das beachtest, kannst du deine Waren teuer an den Mann bringen. Und sie geben dir das Geld sogar gern. Wenn außerdem ein Anteil dieser zufriedenen Käufer verbreitet, die Sachen hätten gewirkt, bekommst du sogar noch mehr Kundschaft.«

Die Wahrscheinlichkeit, dass er so erfolgreich sein würde, war gering, aber zumindest der erste Ratschlag sollte zum Erfolg führen.

Wegen der Aktivierung bekam man mehr Erfahrungspunkte. Wenn das Hochleveltempo – wenngleich nur deswegen – schneller als sonst war, würden sich manche fragen, ob an dem Gerücht nicht etwas dran sei, und sich freuen.

Vielleicht war das auch bloßes Wunschdenken. Es hing schließlich alles von der Zahl der anreisenden Abenteurer und ihrer Stärke ab.

»Ich mach mich sofort an die Vorbereitungen!«

Der Händler drückte mir eine Kette in die Hand, schloss seinen Laden ab und stürzte sich auf die Arbeit.

»Puh.«

Das hatte ich gut gemacht. Und ich hatte umsonst eine Kette bekommen.

»Herr Naofumi …«

Raphtalia hatte die Hände an die Wangen gelegt und blickte mich sprachlos an.

Nun, von außen sah es vielleicht so aus, als hätte ich den Streit mit ihm nur angefangen, um ihn über den Tisch zu ziehen.

»Was hätte ich denn machen sollen? Der hat das Geschäft nicht ernst genug genommen.«

»Das ist mir klar, aber … Da kommt doch sicher ganz schöner Schund raus.«

»Bestimmt … Aber so ist das eben mit Glücksbringern.«

Dann kam die Königin auf uns zu.

»Ach, hier seid Ihr, Herr Iwatani.«

»Was gibt’s?«

»Ich habe mich um einen Platz gekümmert, an dem Ihr Eure Sitzung mit den anderen Helden abhalten könnt.«

»Ach, ja?«

Über dem sinnlosen Gerede schien mehr Zeit vergangen zu sein, als ich erwartet hatte.

Wir ließen uns von der Königin zu dem Schloss führen … beziehungsweise zu unserem Hotel, das wie eines aussah. Dort angekommen folgten wir der Königin eine Treppe hinauf.

»Die Gefährten der Helden werden solange in einem anderen Zimmer warten … Was ist mit Euch, Raphtalia?«

»Nun …«

Erst vor Kurzem, bei einer Zusammenkunft auf Schloss Melromarc, war zwischen den Gefährten der anderen Helden und Raphtalia Streit ausgebrochen. Eigentlich waren nur einige wenige schuld gewesen: Sie hatten Raphtalia diskriminiert. Aber nur weil das Oberhaupt des Reichs gefordert hatte, derartiges Verhalten zu unterlassen, löste es sich nicht plötzlich in Wohlgefallen auf. Man wurde schon komisch angeguckt, nur weil man zum Gefolge des Schildhelden zählte. Hinzu kam, dass Raphtalia eine Subhumanoide war. Damit gab sie eine prima Zielscheibe für Diskriminierung ab.

»Im Augenblick ist der Großteil der Heldengefährten unterwegs. Möchtet Ihr trotzdem in das bereitgestellte Zimmer?«

Damit legte die Königin ihr wohl indirekt nahe, dies ebenfalls zu tun, damit es nicht zu unnötigen Streitereien käme.

Raphtalia hatte sie verstanden. Sie nickte.

»Ich verstehe. Dann werde ich mich ebenfalls selbst beschäftigen.«

»Ich sag Bescheid, wenn irgendwas ist. Mach bis dahin, was du willst.«

»Gut.«

Ich verabschiedete mich von Raphtalia. Dann ging ich mit der Königin in das Konferenzzimmer, in dem die anderen Helden bereits warteten.

Kapitel 1: Die Helden der sieben Sterne

Auch in diesem Gemäuer gab es Wendeltreppen wie auf Schloss Melromarc. Schließlich wurde ich in ein Turmzimmer geführt, von dem aus man eine schöne Aussicht hatte.

Darin saßen bereits die anderen Helden.

»Bist du endlich da?«

Das war Ren Amaki, der Held des Schwertes.

Er war ein Junge, der gern Schwarz trug und das Erscheinungsbild eines Schwertmeisters hatte. Sechzehn Jahre war er alt.

Er hatte kurzes Haar und strahlte Intelligenz und Coolness aus. Was ich aber für eine Fassade hielt.

Seit Kurzem wussten wir, dass er Nichtschwimmer war – eine ziemliche Schwäche und schon ein bisschen erbärmlich.

Er war offenbar aus einem anderen Japan herbeigerufen worden. In seiner Welt gab es Geräte, die es einem ermöglichten, Internetwelten namens VRMMO zu betreten – ein bisschen so, als käme er aus dem Japan der näheren Zukunft.

Er hatte ein wenig gesunden Menschenverstand und ließ einigermaßen mit sich reden. Oder … zumindest eher als die anderen.

»Wo bist du denn herumspaziert?«

Hier sprach Itsuki Kawasumi, der Held des Bogens.

Er war ein melancholisch wirkender, schwächlicher Junge mit Naturlocken. Er wirkte recht jung … und wusste das ganz gut auszuspielen. In Wahrheit war er … sagen wir: ein Hitzkopf mit einem starken Gerechtigkeitssinn.

Er fand Gefallen daran, inkognito Schurken ausfindig zu machen und zu bestrafen. Seine Autorität als Held nutzte er, um die Welt zu durchstreifen und herrschendes Unrecht zu bekämpfen.

Zusammengefasst verhielt er sich gern wie ein Held aus alten Geschichten, zum Beispiel Robin Hood.

Mir kam das eher wie Hochmut vor, aber er hatte Menschen wohl tatsächlich schon geholfen.

Problematisch war, dass seine Gefährten ihn wie einen religiösen Führer anbeteten und mit ihrem anmaßenden Verhalten Unruhe stifteten. Dass er selbst das nicht unterband, war überaus ärgerlich.

Er sah von allen Helden am jüngsten aus, war aber schon siebzehn, also ein Jahr älter als Ren.

»Haste vielleicht irgendwen angegraben? Hast ja schließlich auch am meisten geleistet.«

»Pah … Das sagt der Richtige.«

»Motoyasu, gerade du solltest so etwas nicht sagen.«

»Genau. Du nicht.«

Zuletzt also Motoyasu Kitamura, der Held der Lanze.

Von uns dreien sah er am besten aus. Sein Haar hatte er zu einem … Pferdeschwanz hochgebunden. Sagt man das so?

Selbst ich als Mann musste zugeben, dass er ein hübsches, ansehnliches Gesicht hatte. Er war eher ein Schönling als ein Raubein.

Unter gewöhnlichen Umständen kam man bestimmt gut mit ihm aus. Er neigte jedoch dazu, blindlings draufloszustürmen. Wenn er von einer Sache überzeugt war, musste er unbedingt seinen Kopf durchsetzen und handelte unüberlegt.

Er galt als der Held, der immer zu seinen Gefährten stand. Von meiner Warte aus wirkte er jedoch eher wie ein Idiot, der nichts von dem, was sie ihm einflüsterten, je anzweifelte.

Mädchen gingen ihm über alles. Er hatte den Ruf, jede freie Sekunde zu nutzen, um irgendwen anzubaggern. Auch Raphtalia und Filo hatte er von Anfang an schöne Augen gemacht.

Ich hatte gehört, er hätte sogar auf Cal Mira den Mädchen nachgestellt, insofern verhielt er sich durchaus entsprechend seinem Ruf.

Die Bitch, die mich damals verleumdet hatte, zählte zu seinen Gefährtinnen und bis heute glaubte er, dass ich versucht hätte, sie zu vergewaltigen. Gelegentlich führte ihm jedoch die Königin den wahren Charakter des Miststücks vor Augen und ganz langsam … schien sich seine Haltung mir gegenüber zu verändern.

Die drei hatten eines gemeinsam: Sie alle hatten in ihrem Japan begeistert ein Game gespielt, das dieser Welt ähnelte.

Bei Ren war das ein VRMMO gewesen: Brave Star Online.

Itsuki hatte ein Konsolenspiel namens Dimension Wave gezockt.

Und das MMO, das Motoyasu kannte, hatte Emerald Online geheißen, meine ich.

Dem stand ich mit meiner Erzählung gegenüber, dem Traktat der Waffen der vier Heiligen. Inwiefern sich dieser Unterschied auswirkte, war mir völlig schleierhaft.

»Ich war nur an der Küste und hab mir das Meer angesehen«, entgegnete ich, während ich Platz nahm.

»Ah, der Sturm«, sagte Ren. »Wir kommen nicht von der Insel runter.«

»Bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als Zeit totzuschlagen: ein bisschen leveln, abgeworfene Items sammeln …«

»Stimmt«, erwiderte Itsuki.

Offenbar hatten sie verstanden, dass wir bis auf Weiteres hier festsaßen.

»Und worum geht’s bei dieser Besprechung?«

»Ist das nicht klar?«

Der Grund unserer Zusammenkunft lag auf der Hand. Blöd, das zu sagen, aber: Die drei waren als Helden viel zu schwach.

Zu Beginn unseres letzten Kampfes hatte L’Arc eine Attacke gestartet, damit sich niemand einmischte. Die drei und alle ihre Gefährten waren von Blitzen getroffen worden – und anschließend hatten sie nur noch gezuckt und waren bewegungsunfähig gewesen.

Das war eine Art Kombinationsskill gewesen. Alle, die der Angriff erwischt hatte, waren eine Zeit lang gelähmt gewesen.

L’Arc und seine Gefährtin hatten allerdings nicht Ernst gemacht, hatten niemanden umbringen wollen. Es war eine jener wohldosierten Attacken gewesen, wie man sie häufig in Animes oder Manga sah.

Wenn einen so etwas schon außer Gefecht setzte, war an einen Sieg natürlich nicht zu denken.

Anschließend hatte ich die Initiative übernommen und war unseren Feinden entgegengetreten, aber … es war ein zermürbender Kampf gewesen.

L’Arc und Therese waren wahnsinnig mächtig und obwohl ich mittlerweile auch viel stärker war, hatte ich mich bei manchen Angriffen doch gefragt, ob es das jetzt gewesen wäre. Immer wieder hatte ich Skills angewandt, die – mittlerweile deutlich stärkere – Schilde hervorbrachten, und damit L’Arc beim Angreifen oder Ausweichen behindert, während Raphtalia und Filo sie mit vereinten Kräften attackiert hatten.

Aber unsere Gegner hatten ebenso alle möglichen Tricks draufgehabt.

So ging es los: Als ich gerade geglaubt hatte, L’Arc in die Enge gedrängt zu haben, hatte plötzlich seine Sichel aufgeleuchtet und er hatte mich damit nur leicht an der Schulter berührt.

Zu dem Zeitpunkt hatte ich eine hohe Verteidigungskraft besessen und war davon ausgegangen, seinem Angriff standhalten zu können. Ich hatte jedoch eine Wunde davongetragen.

Immerhin war sie nicht tief gewesen, aber es zeigte doch, dass L’Arc ein ausgesprochen wirksames Mittel gefunden hatte, um … bei mir eine Schwäche zu erzeugen.

Es handelte sich um eine Kampftechnik, durch die sich meine größte Stärke gegen mich selbst wandte.

Je höher meine Verteidigungskraft, desto mehr Schaden nahm ich – eine Angriffsmethode, die einem gelegentlich auch in Games begegnete.

In einer computerspielartigen Welt hatte ich so etwas zwar schon als Möglichkeit in Betracht gezogen, aber nicht erwartet, dass ich tatsächlich einmal so angegriffen würde.

Meine Verteidigungskraft war meine größte Stärke, daher konnte diese Technik für mich tödlich enden.

Hätte ich einen schwächeren Schild angewählt, um die Durchschlagskraft dieser Technik zu senken, hätte ich L’Arcs übrigen Angriffen nicht mehr standgehalten.

Eine äußerst lästige Methode, die genau auf den Schwachpunkt des Schildhelden abzielte.

Glücklicherweise hatte ich auch Skills wie Air Strike Shield oder Shooting Star Shield zur Verfügung, um den Angriff unschädlich zu machen, ehe er mich erreichte. Nun jedoch hatte unser Überleben daran gehangen, ob ich noch irgendein Kaninchen aus dem Hut zu zaubern vermochte.

Mann gegen Mann hätte ich mich vielleicht verteidigen können, aber das hätte auch bedeutet, keinerlei Angriffsmöglichkeiten zu haben. Daher hatte ich koordiniert mit meinen Gefährtinnen angreifen müssen.

Aber L’Arc hatte mit Therese auch jemanden an seiner Seite gehabt. Zudem war mitten im Kampf plötzlich auch noch Glass aufgetaucht, der wir bei der vorherigen Welle begegnet waren.

Auch sie verfügte über eine effektive Attacke gegen mich, die meine Verteidigung ignorierte. Wie L’Arcs Technik hatte auch dieser Angriff mir Schaden zufügen können und somit den Schildhelden praktisch für nutzlos erklärt.

Dennoch hatten wir erbittert gekämpft und die drei schließlich mit dem Rücken zur Wand gestanden.

Doch just in dem Moment hatte L’Arc die völlig erschöpfte Glass mit Unmengen von Seelenheilwasser besprüht, einer Arznei, die SP wiederherstellte.

An das, was gefolgt war, mochte ich mich eigentlich gar nicht erinnern.

Gerade war ich noch in der Lage gewesen, alle Attacken abzuwehren, die meine Verteidigung nicht umgingen oder sie gegen mich richteten. Doch nun hatte mich Glass mit einem Mal frontal angegriffen und Attacken geführt, die meine Verteidigungskraft überstiegen hatten.

Die Heftigkeit und Geschwindigkeit ihrer Angriffe war schlichtweg erschütternd gewesen.

Raphtalia und Filo, so stark sie mittlerweile auch waren, hatten diesem Tempo nichts entgegensetzen können.

Doch dann, ich verstand nicht so recht warum, hatten die drei einen rätselhaften Rückzug angetreten und der Kampf war vorbei gewesen.

Unentschieden war ein schönes Wort, aber eigentlich waren uns Gegner davongelaufen, die wir nicht hätten besiegen können, wären sie geblieben. Gut möglich also, dass wir bei der nächsten Begegnung verlieren würden.

Hier zeigte sich unser Problem: Die anderen Helden hatten schon nichts gegen den L’Arc ausrichten können, der sich zurückgehalten hatte; was also, wenn sie sich einer derart übermächtigen Glass in den Weg stellen mussten?

Es war nicht schwer, sich vorzustellen, wie das ausgehen würde: Sie würden sofort eliminiert.

Ich hatte erfahren, dass die Wellen schlimmer wurden, wenn die Helden nicht mehr vollzählig waren. So weit durften wir es nicht kommen lassen.

Wären die Helden stark genug gewesen, dann hätte ich nicht allein gegen Glass und ihre Mitstreiter kämpfen müssen. Ich blickte die Königin an und sie nickte.

»Der zweite Informationsaustausch der vier heiligen Helden möge beginnen. Ich, Mirelia Q. Melromarc, führe auch diesmal den Vorsitz.«

Auf ihre Erklärung hin lehnten sich die anderen drei zurück.

»Informationsaustausch, hm?«

»Ich finde ja, wir haben genug erzählt.«

»Ja … Abgesehen von Naofumi.«

Schon wieder … Unwillkürlich entwich mir ein Seufzer.

»Ich hab’s euch schon mehrmals gesagt: Alle eure Hochrüstmethoden stimmen. Und weil ich sie angewendet habe, konnte ich mich bei der Welle hier auf Cal Mira gut behaupten.«

Wir hatten uns nämlich schon einmal ausgetauscht, bevor wir nach Cal Mira aufgebrochen waren. Jeder hatte erzählt, wie er stärker geworden war.

Jede Waffe verfügte über Methoden, wie man sie verbessern konnte. Auf diese Weise konnten die Helden zu weit größerer Stärke als gewöhnliche Abenteurer gelangen. Was die drei berichtet hatten, hatte jedoch überhaupt kein kohärentes Bild ergeben. Streit war ausgebrochen. Jeder hatte seine Methode für die richtige gehalten und die anderen des Lügens bezichtigt. Und dann war die Besprechung unterbrochen worden.

Später hatte ich jedoch anhand meines Schildes die Richtigkeit aller Hochrüstmethoden bestätigen können, von denen die drei mir berichtet hatten.

Ich hatte ihnen einen jener Schatten geschickt, die Melromarc als Boten nutzte, und sie aufgefordert, ihre Waffen zu verstärken. Auch persönlich hatte ich es ihnen noch einmal gesagt. Aber die Typen hatten mir nicht geglaubt und nichts von alledem getan und waren dann bei der letzten Welle im Handumdrehen aus dem Rennen gewesen.

Offenbar musste man fest an eine Hochrüstmethode glauben, um sie anwenden zu können.

Möglicherweise … sprangen diese Funktionen überhaupt nicht an, wenn man skeptische Gedanken hegte. Die Heldenwaffen verwandelten selbst Gefühle in Kraft. Wenn man den anderen Helden nicht glaubte, was sie über das Hochrüsten berichteten, tauchten auch die entsprechenden Icons nicht auf.

»Das ist doch wieder gelogen«, sagte Itsuki. »Du hast nur irgendwo einen Cheatcode gefunden! Gib’s lieber gleich zu.«

»Genau, du Schummler!«, schimpfte Ren. »Absolut unmöglich, so was!«

»Du hast uns nur nicht alles erzählt, was du übers Stärkerwerden weißt!«, unterstellte mir Motoyasu. »Niederträchtig ist das! Es macht dir wohl großen Spaß, Flittchen runterzumachen!«

Unfassbar … Ich war viel zu geschockt, um wütend zu sein.

»Ihr glaubt also nichts von dem, was ich sage … und dazu denkt ihr noch, ich hätte euch mit einem Cheat ausgestochen, mit irgendwelchen unfairen Mitteln.«

Alle drei nickten.

»Und außerdem«, sagte Itsuki, »sind deine Gefährtinnen viel stärker geworden! Machst du das auch mit deinem Schild? Schwer zu glauben!«

»Das hab ich doch auch schon erklärt: Der legendäre Schild hat Kräfte, die die Entwicklung unterstützen – und die wirken bei Raphtalia und Filo. Außerdem hat beim Klassenaufstieg Filos alberne Locke reagiert und das Ergebnis beeinflusst.«

»Ja, das kann ich bezeugen«, sagte die Königin. »Vor meinen Augen haben Herrn Iwatanis Gefährtinnen Raphtalia und Filo einen speziellen Klassenaufstieg durchlaufen und infolgedessen sind ihre Fähigkeiten sprunghaft angestiegen.«

Nun hatte es sogar die Königin bestätigt, aber die drei blickten mich immer noch misstrauisch an.

Wieso musste ich mich hier überhaupt ins Kreuzverhör nehmen lassen?

»Sagt mal … Habt ihr nie daran gedacht, mal ernst zu nehmen, was ich euch erzählt habe?«

»Hä?«, machte Ren.

»Was gibt’s da ernst zu nehmen?« wollte Motoyasu wissen.

»Genau«, sagte Itsuki. »Wir müssen nur wissen, wie man an diese Cheat-Fähigkeiten kommt.«

Ich kam bei ihnen absolut nicht weiter. Sie mussten aber stärker werden, sonst steckte ich in Schwierigkeiten. Ich meinte das auch gar nicht herablassend. Nur hatte ich bei der Wellenschlacht schmerzlich zu spüren bekommen, was für Probleme es mit sich bringt, der Schildheld zu sein.

»Denkt doch mal nach: Ein Held, der nicht angreifen, sondern nur verteidigen kann … Was hat der davon, wenn er den anderen Helden den Rang abläuft?«

»Also …«

Die drei blickten einander an, offenbar um eine Antwort verlegen. Hauptsache, sie zogen jetzt nicht irgendeinen Grund an den Haaren herbei.

»Aber du hast welche!« Itsuki sprang auf und zeigte mit dem Finger auf mich. »Angriffstechniken, meine ich!«

Hatte ich seinen Gerechtigkeitssinn getriggert? Schon ätzend, wie dieser Besserwisser sich vor mir aufplusterte.

»Sprichst du von Iron Maiden und Blood Sacrifice?«

»Genau! Du hast so mächtige Attacken … Insofern seh ich schon ein Motiv, uns abhängen zu wollen!«

Ich selbst verfügte über wenige Mittel zum Angriff.

Zum einen konnte ich auf Konterfunktionen zurückgreifen: Manche Schilde führten in dem Moment, da ein Gegner mich traf, einen Gegenangriff aus. Das könnt ihr euch vorstellen wie einen Spike Shield – einen Schild, an dem Nadeln angebracht sind. Wenn man mit der Faust dagegen schlägt, tut das natürlich nicht bloß weh. Das waren alles rein passive Gegenangriffe.

Und dann waren da noch die Skills Iron Maiden und Blood Sacrifice … Die konnte ich nur anwenden, wenn ich meinen verfluchten Schild benutzte, den Schild des Ingrimms.

Diese Skills gingen jedoch beide mit Problemen einher.

Ich atmete tief durch, ehe ich Itsuki antwortete.

»Um Iron Maiden zu starten, muss ich erst den Gegner mit Shield Prison einschließen und den Käfig dann mittels Change Shield (Angriff) verwandeln. Mit dem Angriff verbrate ich alle meine SP auf einmal. Ihr habt doch meinen Schildkäfig schon mal zerschlagen, oder nicht? Eigentlich müsstet ihr also das Problem sehen.«

»Und was soll das Problem sein?«

Das Blut war ihm offenbar in den Kopf geschossen: Er konnte nicht mehr klar denken. Ren hingegen hatte einen gekrümmten Finger an den Mund gelegt und war ins Grübeln verfallen. Motoyasu starrte mich unverwandt an.

Dann gelangte Ren zu einem Schluss.

»Das sind ja ätzende Bedingungen.«

»Oh ja! Wenn das Shield Prison zusammenbricht, kann ich es gar nicht erst verwandeln. Okay, vielleicht könnte ich den Skill einfach schneller abfeuern, aber … umständlich ist es schon.«

Es erforderte zu viele Schritte, Iron Maiden zu starten. Umso einfacher war es also für den Gegner, mich dabei zu behindern.

»Und ihr habt, wie gesagt, selbst schon mal die Iron Maiden zusammenbrechen lassen.«

Selbst wenn ich endlich dazu kam, Iron Maiden auszulösen … Was hatte es für einen Sinn, wenn der Käfig im Moment seines Erscheinens zerschlagen wurde und der Feind entkam?

Die Eiserne Jungfrau selbst kam nur schwer in Gang, daher war es ein Leichtes, sie zusammenbrechen zu lassen, ehe sie einen erwischte.

»Und was ist dann mit Blood Sacrifice?«, setzte Itsuki nach.

»Hast du’s schon vergessen? Wenn ich den Skill benutze, werde ich selbst lebensgefährlich verwundet. Nicht nur das: Alle meine Werte sind um dreißig Prozent abgesenkt, solange der Fluch nachwirkt!«

Als wir uns in die Wellenschlacht auf Cal Mira gestürzt hatten, war ich endlich einigermaßen wiederhergestellt gewesen – aber ich konnte mich doch nicht jedes Mal selbst an den Rand des Todes bringen!

»Das sind lästige Skills, für die ich teuer bezahle, und sonst habe ich keine Mittel, um anzugreifen! Der Schild des Ingrimms ist kein praktischer Schild, den ich jederzeit anwenden kann.«

Der verfluchte Schild nagte auch an meiner Seele.

»Und sonst … Warte mal, du hattest doch auch noch den Angriff, bei dem du von schwarzen Flammen umgeben bist!«

»Das taugt nur zum Gegenangriff. Außerdem ist das wieder der Schild des Ingrimms, den ich nicht ständig benutzen kann.«

Wenn ich ihn wieder und wieder anwählte, würde mich irgendwann der Zorn überwältigen. Letztendlich beruhten alle meine Attacken auf dem verfluchten Schild und waren daher keine regulär anwendbaren Mittel. Sie deswegen als Cheat zu bezeichnen, ließ ich nicht gelten.

Das Problem lag vielmehr bei dem, was wir zuvor besprochen hatten. Sie erweckten den Anschein, ein Game zu spielen, dessen Anleitung oder Tutorials sie nur überflogen hatten. Schnell war ihnen aufgefallen, dass sie die Hochrüstmethoden aus einem anderen Game, das sie kannten, hier anwenden konnten – und dann hatten sie einfach so weitergemacht. Wie drittklassige Gamer.

Da sie nicht die richtigen Stärkungstechniken einsetzten, blieben sie natürlich auf halbem Weg stecken.