The Rising of the Shield Hero – Light Novel 11 - Kugane Maruyama - E-Book

The Rising of the Shield Hero – Light Novel 11 E-Book

Kugane Maruyama

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Beschreibung

Nach Naofumis Erfolg in Zeltoble kehrt er nach Melromarc zurück. Nun ist es wichtig, die anderen Helden wieder auf Kurs zu bringen. Denn eins ist klar: Wenn sie alle nicht bald stärker werden, ist der Untergang der Welt besiegelt. Doch während Motoyasu nur daran interessiert ist, seine ausgebüxten Gefährtinnen wiederzufinden, durchlebt Ren eine besonders düstere Wandlung. Als dann auch noch Attentäter Jagd auf die Helden machen, wird die Lage immer chaotischer …

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Inhaltsverzeichnis

Prolog: Der Einkauf

Kapitel 1: Die Medizin des heiligen Baums

Kapitel 2: Die Rückkehr ins Dorf

Kapitel 3: Heidi

Kapitel 4: Ein Schild für den Schild

Kapitel 5: Drecksack und die Hakuko

Kapitel 6: Der Einfluss körperlichen Trainings

Kapitel 7: Der Plan, den Lanzenhelden zu fangen

Kapitel 8: Der Tag, an dem das Spiel vorbei war

Kapitel 9: Umtaufung zu Witch

Kapitel 10: Ein neuerliches Erwachen

Kapitel 11: Der Hund mit Lendenschurz

Kapitel 12: Der Beschluss

Kapitel 13: Ein Angriff nach dem anderen

Kapitel 14: Das formelle Gesuch

Kapitel 15: Der Mann mit der Maske

Kapitel 16: Der Vorteil, in fremde Welten einzufallen

Kapitel 17: Temptation

Kapitel 18: Der Blitz

Epilog: Die Versöhnung mit dem Schwerthelden

Prolog: Der Einkauf

»Hier entlang.«

Folgsam stiegen wir die Treppe hinab.

Mein Name ist Naofumi Iwatani. Eigentlich bin ich ein Student, doch ich wurde in eine andere Welt beschworen: als Held des Schildes.

Aktuell hielten wir uns in Zeltoble auf, dem Reich der Händler und Söldner. Und gerade wurden wir von Sklavenhändlern zu einem unterirdischen Sklavenmarkt geführt, um dort weitere Sklaven zu kaufen.

Nach den Wirren um die Geisterschildkröte hatte ich von der Königin Melromarcs Land und Titel verliehen bekommen. Ich hatte beschlossen, die Region zu bewirtschaften und unsere Truppe zu vergrößern, bis die nächste Schutzbestie, der Phönix, erschien oder die nächste Welle anbrach. Wir waren jedoch auf Schwierigkeiten gestoßen, und zwar in Lurolona, dem Dorf, aus dem Raphtalia stammte.

Deren Einwohner waren versklavt und misshandelt worden, bloß aufgrund ihres Subhumanoiden-Status. Dabei gehörten sie eigentlich ebenso wie die Menschen zum Volk Melromarcs. Durch mein Eingreifen waren dem Drecksack und der Drei-Helden-Kirche mittlerweile das Handwerk gelegt – die hatten nämlich hinter der Diskriminierung gesteckt. Anschließend hatte die Königin angeordnet, alle Sklaven freizulassen.

Doch leider war der Erlass ein klein wenig zu spät gekommen: Viele Sklaven waren bereits in ein anderes Reich verkauft worden, und die, die aus Lurolona stammten, hatte man zu unerhört hohen Preisen gehandelt.

Von Melromarc aus hatte ich verschiedene Anstrengungen unternommen, um sie in meine Obhut zu bringen. Das wiederum hatten sich die Händler zunutze gemacht und die Preise angehoben. Eine beklagenswerte Lage!

Es gab noch einen weiteren Grund für den Preisanstieg: Gerüchte über meine Mitstreiterin Raphtalia und ihre Heldentaten hatten sich wohl verselbständigt.

Jedenfalls waren bei den Sklaven aus Lurolona die Preise so sehr in die Höhe geschossen, dass ich sie mir nicht mehr hatte leisten können. Das hatte dazu geführt, dass wir in Zeltoble an einem Untergrundturnier teilgenommen hatten, um das nötige Geld in die Hände zu bekommen. Nach harten Kämpfen hatten wir es schließlich ins Finale geschafft, das Turnier gewonnen und die Sklaven zurückgekauft, die aus Lurolona stammten.

»Kleiner Naofumi, du willst noch mehr Leute?«

»Bis jetzt sind wir wohl kaum genug. Wir müssen ja auch das Land urbar machen.«

Die Frau, die sich gerade bei mir unterhakte, hieß Sadina. Für Raphtalia war sie so etwas wie eine große Schwester. Sie hatte ebenfalls im Kolosseum gekämpft und unabhängig von uns versucht, die Sklaven aus Lurolona zu retten.

Im Augenblick war sie in ihrer Subhumanoidengestalt. Sie konnte sich jedoch in einen Tiermenschen verwandeln: Dann sah sie aus wie ein Orca.

Wie beschreibe ich sie am besten? Sagen wir, sie war auf klassisch japanische Weise schön, wirkte ein wenig leichtlebig und betrank sich gern.

Sie war eine starke Kämpferin. Beim Turnier waren Raphtalia, Filo und ich zusammen gegen sie allein angetreten. Dennoch hatten wir lange mit ihr ringen müssen, bis wir sie endlich besiegt hatten. Na gut, wir waren ja auch gerade durch einen Fluch geschwächt. Aber stärker als gewöhnliche Abenteurer waren wir allemal.

Sadina selbst hatte gemeint, so stark sei sie eigentlich gar nicht: mithilfe von Unterstützungsmagie hatte man uns geschwächt und sie gestärkt. Aber von der Technik und den Werten her war sie schon ein ganz schönes Tier.

Dass sie sich so hartnäckig an meinen Arm klammerte, hatte übrigens einen besonderen Grund: Angeblich hatte sie einst beschlossen, demjenigen den Hof zu machen, der es fertigbrachte, sie unter den Tisch zu trinken. Und leider hatte sie gesehen, wie ich, ohne mit der Wimper zu zucken, eine Lukolfrucht gegessen hatte – die waren praktisch purer Alkohol. Seitdem baggerte sie mich ständig an.

»Hm … Du machst dir wirklich Gedanken, wie du unser Dorf wiederaufbauen kannst.«

»Na ja, klar. Es reicht nicht, sie bloß einzusammeln und zu beschützen.«

Wegen des Booms hatten dann auch noch Sklavenjäger unser Dorf überfallen. Zum Glück war es uns gelungen, die Angreifer zurückzuschlagen. Die Kinder waren gut trainiert gewesen, worauf ich auch Wert gelegt hatte. Sie durften sich nicht der Illusion hingeben, dass immer jemand da sein würde, um sie zu retten. Sie brauchten einen realistischen Blick, mussten ihr Dorf selbst beschützen wollen.

Die Leute in dieser Welt neigten dazu, sich in jeder Notlage auf die Helden zu verlassen. Es war schon ziemlich absurd, wenn man mal darüber nachdachte: Sie beschworen Leute aus anderen Welten, damit die ihre Probleme für sie lösten.

Diese Welt hatte übrigens viel von einem Videospiel: Es gab Level, und man stieg auf, wenn man Monster besiegte.

»Wie toll, kleiner Naofumi! Da verlieb ich mich ja gleich noch mal in dich!«

»Fass mich nicht an! Ich hab dir doch gesagt, dass ich auf so was keinen Bock hab.«

»Sadina, nun lass es doch bitte gut sein!«

Diese Ermahnung hatte Raphtalia ausgesprochen, ein Subhumanoidenmädchen. Einstmals war sie eine Sklavin gewesen, doch nun kämpfte sie schon lange treu an meiner Seite. Sie war die Auserwählte des Vasallenkatanas, einer Heldenwaffe aus einer anderen Welt. Ihre Kampfkraft war unbestreitbar. Da ich als Schildheld nicht angreifen konnte, erledigte sie für mich alle Feinde.

Ihre höchste Pflicht sah sie im Kampf gegen die Wellen. Themen wie Liebe und Sex stand sie ablehnend gegenüber. In der Hinsicht ähnelte sie mir. Wobei mir der ganze Kram zuwider war, seit mich damals das Miststück verleumdet hatte.

Übrigens stehen Raphtalia Miko-Trachten unfassbar gut, aber so eine trug sie aktuell leider nicht mehr: Bei ihr zählte allein die Leistung.

Sie hatte ein ausgesprochen hübsches Gesicht, dazu die Ohren und den Schwanz eines Tanukis – ein schöner Akzent, und es hatte auch wunderbar zu den Miko-Sachen gepasst. Am liebsten wollte ich, dass sie die immer trug. Insgeheim dachte ich darüber nach, ihr eine Maßanfertigung machen zu lassen.

»Du liebe Güte.«

Jetzt ärgerte sie sich über Sadina, weil die ständig an mir klebte. Sadina könnte sich ruhig mal in meine Lage versetzen und das sein lassen. Raphtalia bekam deswegen nur schlechte Laune, und ich musste sie später irgendwie versöhnlich stimmen.

»Ojeee …«

Die, die hinter mir klägliche Laute machte, hieß Rishia. Wenn es drauf ankam, konnte man auf sie zählen, und war sie erst einmal aufgebracht genug, dann leistete sie Ungeheuerliches. Im Allgemeinen war sie jedoch eher für die Kopfarbeit zuständig.

In letzter Zeit hielt sie sich etwas bedeckt, widmete sich wohl allen möglichen anderen Sachen. Ich hatte sie allerdings auch im Kolosseum nicht mitkämpfen lassen können. Dafür war sie einfach noch zu schwach, das wäre zu riskant gewesen.

»Hmmm?«

Das kleine Mädchen, das gerade seinen Kopf schieflegte, hieß Filo. In Wahrheit war sie ein Filolial. Kutschen zu ziehen war für diese Monster das Größte. Zog ein Held einen Filolial auf, entwickelte der sich auf besondere Weise. Dann konnte er Menschenform annehmen, engelsgleich, mit Flügeln auf dem Rücken. Und solang Filo den Mund zu ließ, wirkte sie auch exakt so: wie ein Engel mit blondem Haar und blauen Augen.

Vom Charakter her war sie eher einfach und naiv, aber ihr Kampfgespür war herausragend. Ich hatte noch vor Augen, wie viel sie beim letzten Kampf geleistet hatte. Da ihre Magie geblockt gewesen war, hatte sie unsere Gegnerin mit Liedern unter Druck gesetzt. Diese Technik, die sie in Kizunas Welt gelernt hatte, fiel offenbar nicht unter Magie.

Filo war insgesamt eine verlässliche Kämpferin.

»Raph?«

Diesen Laut hatte Raphi gemacht, die auf Filos Schulter saß. Sie war ein Shikigami. In dieser Welt hießen solche Wesen Gehilfen. Ich hatte sie Raphi getauft, weil ich sie aus Raphtalias Haar gemacht hatte. Hätte Raphtalia sich wie Sadina in einen Tiermenschen verwandeln können, sie hätte bestimmt genau wie Raphi ausgesehen.

»Herr Naofumi, denkst du schon wieder was Freches?«

»Nanu, Raphtalia, weißt du etwa, was in dem kleinen Naofumi vorgeht? Wie beneidenswert …«

»Schnauze.«

Nur an Raphi zu denken, verlieh meiner müden Seele gleich neue Kraft. Raphi machte bei allem gern mit, und wenn ich irgendeinen Schabernack vorhatte, war sie immer sofort zur Stelle.

Ich konnte sie stärker machen, mithilfe meines verflixten Schildes, den ich nicht mehr hatte ablegen können, seit ich beschworen worden war. In letzter Zeit konzentrierte ich mich jedoch eher auf Attribute, die im Kampf keine besondere Rolle spielten, zum Beispiel ihr Fell. Ich wollte es optimieren, bis Raphi zum perfekten Kuscheltier wurde. Ich musste bloß aufpassen, dass Raphtalia nicht Wind von der Sache bekam.

Ich war ganz schön abgeschweift. Jetzt gerade liefen wir jedenfalls durch Zeltoble, um billig weitere Sklaven einzukaufen, die wir dringend brauchten, wenn wir das Dorf wieder auf Vordermann bringen wollten.

»Wir sind da. Ja, ja.«

»Ah, endlich.«

Wir waren die Treppe hinabgestiegen und zum Sklavenmarkt gelangt. Mir fiel auf, dass die Sklaven in eigenartig prunkvollen Käfigen hockten. Im ersten saß eine Subhumanoidenfrau, der so etwas wie Teufelshörner aus dem Kopf wuchsen. Sie hatte braune Haut und war ziemlich hübsch. Ihr Körperbau war etwas kräftiger und sie hatte üppige Brüste. Insgesamt konnte man sie als einmalig schön bezeichnen. Einen gesunden Teint hatte sie auch. Anscheinend bekam sie gute Sachen zu essen. Das war jedoch nicht die Art von Sklave, nach der ich suchte. So was fiel wohl eher in eine andere Kategorie.

»Ich hab kein Interesse an Sexsklaven.«

»Nicht doch, sie gehört zur Art der Kiki. Die gehören zu den besten Kämpfern unter den Subhumanoiden.«

»Bitte?«

Sie setzte so etwas wie ein Geschäftslächeln auf und winkte mich zu sich. Irgendwie überkam mich bei dieser Sklavin ein Schaudern. Es war die Art von Gesicht, bei der ich unwillkürlich die Hand zur Faust ballte. Aber aus ihrer Sicht war es bestimmt auch ein lästiges Gespräch.

»Die scheint auch teuer zu sein. Kein Bedarf.«

Als ich das sagte, wandte sich die Sklavin eingeschnappt ab.

»Nein, nein, ich möchte sie Euch zu einem guten Preis anbieten!«

»Trotzdem …«

Irgendwie mochte ich sie nicht und wollte sie nicht kaufen. Ich hatte zwar nicht entschieden, ausschließlich Kindersklaven zu nehmen, meinen Kriterien widersprach sie also nicht, aber irgendwas störte mich dennoch.

Während ich so darüber nachdachte, kam ich plötzlich drauf: Sie hatte große Ähnlichkeit mit Bitch.

Als ich in diese Welt beschworen worden war, war sie noch eine der Prinzessinnen Melromarcs gewesen. Sie hatte mich zu Unrecht mit dem Vorwurf der Vergewaltigung belastet. Oh Mann … In was für Geschichten ich immer verwickelt wurde!

»Gehen wir dann zum nächsten Sklaven über?«

»Ja. Sorry, aber die da nehm ich nicht.«

»Ach? Wie bedauerlich …«

Sadina schmiegte sich demonstrativ an mich und warf der Frau im Käfig einen herausfordernden Blick zu.

»Wenn dir die gefällt, was hast du dann gegen mich?«, brüllte die Sklavin plötzlich.

War ihr Stolz verletzt? Sie war doch eine Sexsklavin. Ich verstand ihr Verhalten nicht. Warum wollte sie überhaupt, dass ich sie kaufte?

»Du bist einfach nicht mein Sklaventyp, das ist alles.«

»Du hast wohl ’nen Lolitakomplex!«

Jetzt beleidigte sie mich auch noch. Wie nervig …

Ich starrte die Sklavenhändler an. Von denen gab es offenbar einen ganzen Klan. Vor mir standen der aus Melromarc und der aus Zeltoble. Sie waren einander wie aus dem Gesicht geschnitten. Wollte man sie unterscheiden, musste man nach dem Farbton des Fracks gehen. Als ich sie nun anfunkelte, wandten sie rasch den Blick ab.

Na, ich wollte mal nicht zu streng sein. Sie taten sonst ja allerhand für mich.

Ich wandte mich wieder der Sklavin zu.

»Wieso sagst du so was? Das klingt ja ganz so, als wüsstest du irgendwas über mich.«

Darauf erwiderte sie nichts. Was war hier los?

»Nanu?« Sadina hielt sich affektiert eine Hand vor den Mund. »Sieht Schwesterchen etwa so jung aus?«

»Wie alt bist du überhaupt?«

»Dreiundzwanzig. Hi hi!«

Sie klimperte mich den Wimpern. Schauerlich! Bei dem Getue wurde man ja erst recht misstrauisch. Ich zog eine Augenbraue hoch.

»Es stimmt«, bestätigte Raphtalia. »Mein Vater hat mir ihr Alter verraten.«

»Verheimlichen Frauen nicht ihr wahres Alter?«

»Das gibt es natürlich auch, aber in diesem Fall sagte mein Vater damals, man müsse so langsam mal einen Bräutigam für sie finden. Wenn ich zu dem Alter, das er mir nannte, die vergangenen Jahre hinzuzähle, komme ich tatsächlich auf dreiundzwanzig.«

»Herrjemine, das weißt du noch? Kinder haben doch ein erstaunliches Gedächtnis …«

So redete sie ständig, daher hatte ich sie auch für älter gehalten. Ganz schön omamäßig, ehrlich gesagt.

Ich versuchte mir vorzustellen, wie ich wohl auf andere wirkte. Alle Sklaven, die ich gekauft hatte, waren Kinder und noch dazu überwiegend weiblich. Dabei hatte ich mich bloß auf die Sklaven aus Lurolona konzentriert; unter denen waren eben mehr Mädchen gewesen.

»Der Betonung und der Wortwahl nach müsste diese Frau …«

Rishia schien eine Ahnung zu haben, woher die Sklavin stammte. Mir war nichts Besonderes aufgefallen. Was mich wieder einmal an die Dolmetschfunktion meines Schildes erinnerte. Auch in dieser Welt gab es die verschiedensten Sprachen. Mein Schild verfügte jedoch über die praktische Funktion, jedes gesprochene Wort für mich zu übersetzen. Die Amtssprache Melromarcs wurde, soweit ich wusste, in Reichen gesprochen, in denen es viele Menschen gab.

»Na ja, darum müssen wir uns keinen Kopf machen. Du auch nicht, Rishia.«

»N… Na gut …«

»Also, weiter.«

»Sehr wohl. Ja, ja.«

»Waruuum?«, brüllte sie mir hinterher. »Warum weist du mich zurüüück?«

Ich beachtete sie nicht weiter und ging den Sklavenhändlern hinterher.

Kapitel 1: Die Medizin des heiligen Baums

»Dies wäre der Nächste.«

In diesem Käfig saß ein weiterer Subhumanoidensklave, dem Aussehen nach gesund und wertvoll. Es war ein Kind … und zwar ein Mädchen. Es lächelte mich gekünstelt an und winkte mir zu.

»Nee … Abgelehnt.«

»Häää?!«

Protest, ganz wie erwartet. Auch wenn es diesmal eine kindliche Reaktion war.

Es machte mich stutzig, dass die beiden so gesund und munter waren. Die Sklaven, denen ich bisher begegnet war, hatten mich alle aus leblosen Augen angeblickt, als hätten sie komplett aufgegeben. Selbst Kiru hatte damals nichts als blanke Furcht erkennen lassen, bis sie Raphtalia erblickt hatte. Dieses Kind hingegen sah mich mit großen, lebhaften Augen an, wie eine kleine Abenteurerin mit großen Träumen. Nie im Leben war das eine Sklavin!

Anschließend wurden mir noch weitere »Sklavinnen« gezeigt. Und auch die beschwerten sich, als ich sie abwies. So langsam ahnte ich, was das hier werden sollte. Ich sah die Sklavenhändler aus schmalen Augen an. Beide wischten sich den Schweiß von der Stirn.

»Hey.«

»Wir bedauern sehr, dass es uns nicht gelungen ist, ein Sortiment nach Euren Wünschen zusammenzustellen. Ja, ja.«

Ich seufzte. »Ich sehe schon, es geht wohl nicht anders, obwohl ich auf solche Mittel lieber verzichtet hätte.«

Ich zeigte auf die Sklavin, zu der sie mich geführt hatten, winkte sie näher – und packte sie am Revers.

»Und jetzt sag mir: Was geht hier vor sich?«, fragte ich in bedrohlichem Tonfall. »Der Held des Schildes will es wissen. Widersetzt du dich, werde ich dafür sorgen, dass dein Reich zugrunde geht.«

»Iiiek!« Das Mädchen ließ sich einschüchtern und plauderte alles aus. »P… Papa hat gesagt, ich soll den Schildhelden heiraten. Da Ihr Euch aber nur mit Sklaven umgebt, hat er einem Vermittler Geld gezahlt und …«

Sie war noch ein Kind. Sie konnte nichts dafür.

»Und du bist damit einverstanden?«

»Hä?«

»Dass er dich zum Wohl der Familie jemandem zum Geschenk macht, den du überhaupt nicht liebst?«

Das Mädchen schien noch etwas jünger zu sein als Raphtalia damals. Anscheinend benutzte der Vater sie nur, um seine eigene Stellung zu verbessern. Der Gedanke widerte mich an.

»Kehre heim und erzähle, wir hätten dich durchschaut oder so. Wenn dein Vater sich damit nicht zufriedengibt, richte ihm von mir aus, der Held des Schildes helfe Subhumanoiden, die ernsthaft in Not sind.« Ich blickte mich zu den Sklavenhändlern um. »Unter diesen Umständen lehne ich jedenfalls dankend ab.«

Es sah so aus, als wären die Mädchen und Frauen als Gruppe eingeschleust worden. Diese Brautschau hatte sicher das Subhumanoidenreich Schildwelt ausgerichtet. Reiche oder Angehörige des Kronadels hatten ihre Kinder hierhergeschickt, damit sie so taten, als wären sie Sklaven, sodass ich sie kaufte.

»Ich dachte, das Wort des Schildhelden gilt in deren Reich als absolut. Oder muss ich denen erst persönlich schreiben, dass es von Nachteil für sie ist, wenn sie mir weiter Sklaven aufdrängen?«

»Wir haben verstanden. Ja, ja. Wenn der Schildheld es wünscht, werden sie sich gewiss zurückziehen. Ja, ja.«

»Wieder einmal ganz der Schildheld: Euer Auge ist so gut, dass Ihr falsche Sklaven auf Anhieb entlarvt. Ich erschaudere geradezu!«

»Das sieht doch wohl jeder!«

Ebenso gut hätten sie herausschreien können, dass sie Mogelpackungen sind! Und die Händler hätten sich auch mehr Mühe geben können, es zu verstecken. Zum Beispiel ein paar Sklaven aus einem Reich einkaufen, in dem die Menschen als überlegen galten.

»Wie erbärmlich …« Selbst Raphtalia stand völlig neben sich. »So leicht ist Herr Naofumi wohl kaum in Versuchung zu führen. Sonst wäre es wohl kaum so schwer …«

Hm? Wovon redete sie?

»Hier kommt Schwesterchen ins Spiel. Kleiner Naofumi, ich werde dein Misstrauen gegenüber Frauen schon heilen!«

»Raph!«

Raphi ließ sich von Sadinas Begeisterung anstecken und lärmte gleich mit. Mann, ging die Frau mir auf den Geist. Ich sollte sie einfach ignorieren.

»Oh … Kleiner Naofumi, du sagst ja gar nichts. Heißt das etwa, du bist einverstanden? Jetzt gibt Schwesterchen sich aber richtig Mühe!«

Was?! Ich ignorierte sie, und sie drehte es sich einfach hin, wie sie wollte? Sie war so anstrengend!

»Dafür kriegst du eine Belohnung!«

Sie umarmte mich von hinten und drückte ihre Brüste gegen meinen Rücken.

»Mann, du nervst!«

»Herr Naofumi, beruhige dich! Und du lass es bitte gut sein, Sadina!«

»Och …«

Sadina zog sich zurück. Aber wie sie schon wieder grinste, diese Nervensäge!

»Ojeeee …«

»Meister, darf ich mich auch so an dir schubbern?«

»Nichts da.«

Jetzt dachte Filo auch noch, das sei ein Spiel: Sie nahm ihre Königinnenform an und versuchte, mich von hinten zu umarmen. Scheiße, wenn selbst ignorieren nicht half, was sollte ich denn dann tun?

»Mann … Andere habt ihr nicht? Wenn ich den Weg ganz umsonst gemacht hab, werd ich aber sauer.«

»Doch, doch! Unser Hauptangebot kommt erst noch.«

»Manchmal versucht ihr schon, mich zu bescheißen, oder?«

Ernsthaft, ich wollte mit diesen Typen gar nichts zu tun haben.

»Was genau wünscht sich der Held des Schildes denn?«

»Im Augenblick vor allem Sklaven, die handwerklich geschickt sind. Außerdem welche, die gut kämpfen können.«

Ein paar fingerfertige Leute hatten wir schon im Dorf, aber wir brauchten noch mehr. Imiya lernte bei mir, wie man Accessoires machte. Nach Möglichkeit wollte ich weitere von ihrer Sorte gewinnen. Welche, die was auf dem Kasten hatten.

»Ich verstehe. Dann folgt uns bitte.«

»Aber nicht wieder irgendwelche Schwindler anbieten.«

»Nein, nein, wir haben verstanden!«

Wir ließen uns führen … und dann zeigten uns die beiden ein paar Sklaven einer Art, die ich kannte.

»Ach, von denen habt ihr hier auch welche?«

Ich näherte mich dem Käfig, der voller Lumos war. Imiya stammte ursprünglich nicht aus unserem Dorf und kannte niemanden von früher. Vielleicht saßen in dem Käfig ja Bekannte von ihr. Das könnte die Arbeit mit ihnen erleichtern. Wie bei Raphtalia und Kiru. Ob ich einfach mal fragen sollte?

»Kennt hier irgendwer ein Mädchen namens Imiya?«

»Das ist ein geläufiger Name … Wen genau meint Ihr?«

Der Lumo, den ich angesprochen hatte – ich vermute männlich –, war ein wenig größer als Imiya. Hm … Also hießen viele so? Wenn ich ihm nicht den Nachnamen sagen konnte, war hier wohl Endstation. Wie hatte sie denn noch mal geheißen? Ich wusste nur noch, dass der Name merkwürdig lang gewesen war. Irgendwas mit Leu … Nein, es fiel mir nicht ein. War es sinnlos? Musste ich es aufgeben? Es schien beinahe so.

Ach ja: Rishia war doch hier fürs Denken zuständig! Vielleicht wusste sie es noch.

»Rishia, erinnerst du dich an Imiyas langen Nachnamen?«

»Ojeee …«

Hm, bei der Reaktion anscheinend nicht.

»Es hilft nichts. Dann müssen wir sie nächstes Mal wohl hierher mitnehmen.«

Ich wollte mich gerade geschlagen geben, da sprach Raphtalia mich an.

»Herr Naofumi, ihr Name lautet Imiya Leuthurn Reethela Teleti Kuwariz.«

Wie selbstverständlich ratterte sie den kompletten Namen herunter. Was für ein Wahnsinnsgedächtnis hatte sie bitte? Klasse Prozessorleistung! War es eine Stärke von ihr, sich lange Namen zu merken?

»Herr Naofumi, du hast doch auch schon mal den langen Namen eines Gerichts auswendig wiedergegeben.«

»Ach, stimmt, das war so! Meine falschen Filets de Sardines au Basilic.«

Im Wesentlichen Sardinen mit Basilikum. In dieser Welt gab es keine Sardinen, aber ihnen ähnelnde Fische. Basilikum gab es hier auch nicht – ich hatte mit Heilkräutern geschummelt. Nachdem im Dorf halbwegs Ordnung hergestellt gewesen war, hatte ich zum Anlass unserer Heimkehr mal etwas Französisches zubereitet. Die Erinnerung daran war noch frisch.

»Das ist doch kaum kürzer als Imiyas Name.«

»Hm …«

Bei dem Gericht wurden bloß mehrere Wörter kombiniert, daher war das nicht besonders schwierig. Bei Imiyas Namen hörte ich nur eine Aneinanderreihung von Silben.

»Ach, von der Imiya sprecht Ihr!«, sagte der Lumo-Mann.

»Also kennst du sie?«

»Das ist meine Nichte. Wie sollte ich sie nicht kennen?«

Hoppla – sah ganz so aus, als hätte ich tatsächlich einen ihrer Verwandten gefunden.

Das war ja ein Glücksfall!

»Gibt’s hier sonst noch wen aus eurer Ecke?«

»Wir haben hier noch mehrere Leute aus derselben Siedlung.«

»Okay, dann nehme ich die alle mit. Dann gibt’s ein großes Wiedersehen.«

Ich sagte dem Sklavenhändler, dass ich diesen Mann und alle Lumos aus seiner Heimat kaufen wollte.

»Sehr wohl. Ja, ja.«

»Und … Was für jemand seid Ihr nun eigentlich?«, fragte der Onkel.

»Ein Sklaventreiber. Ist das nicht klar?«

Hätte ich wahrheitsgemäß geantwortet, hätten sich gleich alle Sklaven um mich geschart. Das wäre problematisch, darum verzichtete ich lieber darauf.

»Schon wieder eine Lüge …«, beklagte sich Raphtalia.

»Sagt, geht es Imiya gut?«

»Oh ja. Sie lebt bei uns im Dorf und strengt sich ordentlich an.«

Folgsam war sie ja. Wenn auch ein bisschen durchsetzungsschwach.

»Wirklich? Ich freue mich darauf, sie wiederzusehen.«

Dass ein derart langer Name mal zu etwas gut war …

»Herrje, dann wird es bei uns demnächst ja turbulent zugehen, was?«, sagte Sadina.

»Davon geh ich aus. Ach ja, das wollte ich noch fragen: In welcher Beziehung stehst du eigentlich zu Raphtalia?«

»Ich war eine Fremde, aus derselben Gegend wie Raphtalias Eltern. Sie waren sehr gut zu mir.«

»Ach ja?«

Dann hatten sie nicht schon seit Generationen dort gelebt? Ach klar, natürlich nicht! Das Lehen, das mir überlassen worden war, war ja erst unter Eclairs Vater aufgebaut worden. Man hatte die Gegend den Subhumanoiden überlassen, um gute diplomatische Beziehungen aufzubauen. Als jedoch der Machthaber gestorben war, hatte das für die Region den Ruin bedeutet.

»Hm … Bei denen muss es wohl erst mal bleiben.«

Nachdem ich Sadinas Schulden beglichen hatte, herrschte Ebbe in meinem Geldbeutel. Mehr Sklaven zu kaufen, wäre schwierig.

»Also, kehren wir mal langsam heim, was?«

»Bitte wartet noch«, sagte der Zeltobler Sklavenhändler. »Ja, ja.«

»Was ist? Habt ihr noch was für mich?«

»Wir haben noch zwei Sklaven, die der werte Schildheld sich unbedingt ansehen sollte.«

»Wieder welche, die euch dieses Reich vermittelt hat? Von denen hab ich genug gesehen.«

»Nein, so ist das nicht … Dies ist sozusagen der heutige Hauptgang.«

»Mit Geld sieht’s bei mir aber mau aus.«

»Mit solchen Sklaven muss man vorsichtig sein – sie sind wie eine starke Arznei. Ihr aber wisst zweifelsohne mit ihnen umzugehen, daher möchten wir sie Euch günstig überlassen.«

Eine starke Arznei, soso. Giftig bei falscher Anwendung, doch heilsam, wenn man wusste, was man tat. Ach, Anschauen kostete ja nichts.

»Na schön.«

Also ließ ich mich von den Sklavenhändlern weiterführen.

»Hier wären wir nun.«

Sie hatten mich in einen Bereich geführt, in dem Sklaven isoliert untergebracht waren. Die hygienischen Bedingungen waren nicht besonders gut. Ich hatte ganz bestimmt nicht die Absicht, Wohlfahrtsarbeit zu leisten, aber bei dem Anblick wurde man ja depressiv. Ich näherte mich einem Käfig, zeigte einem Sklaven ein Arzneifläschchen und winkte ihn zu mir.

»Uuuh …«

»Das ist Medizin. Trink.«

»H… Habt Dank.«

Das hier zu sehen, war für meine seelische Verfassung nicht gut. Also gab ich den leidenden Sklaven erst einmal Medizin. Mit dem Verkauf meiner Medikamente hatte ich in dieser Welt schon viel Profit gemacht. Sicher würden sie auch hier ihre Wirkung nicht verfehlen.

»Ich glaub zwar, ihr wisst Bescheid, aber …«

»Natürlich!«, riefen die beiden Sklavenhändler. »Wir erstatten Euch hierfür einen Teil des Kaufpreises!«

»Jetzt sprecht nicht auch noch im Chor! Ist ja eklig!«

Der Zeltobler Sklavenhändler fing an, auf und ab zu hüpfen. Wie abstoßend. Ich wünschte, er würde das lassen.

Schließlich gelangten wir zu den besagten Sklaven.

»Das sind sie.«

In dem Käfig vor uns befanden sich zwei Subhumanoide.

»W… Was ist? Ich mach doch ordentlich meine Arbeit! Warum seid ihr hier?«

Dies war ein Junge, etwa zwölf, dem Aussehen nach gesund und fit.

»Huch? Bist du nicht Fohl?«

»Du bist doch … Sadina!«

Hm? Die beiden kannten einander? Ich zeigte mit dem Finger auf ihn.

Sadina nickte. »Als ich in dieses Reich kam, kämpfte der Junge im Kolosseum. Auch im Untergrund war er manchmal mit dabei.«

Ein Söldnersklave also? In Zeltoble, hatte ich gehört, gab es auch Leute, die sich in die Sklaverei begaben und kämpften. Dann war Fohl also ein Kampfsklave.

Ich zeigte auf eine zweite Gestalt, die weiter hinten auf einem Strohbett lag.

»Und wer ist das?«

»Die kenne ich nicht …«

Im Halbdunkel konnte ich sie nicht gut erkennen. Sie schien jedoch nicht in allzu guter Verfassung zu sein, hustete vor sich hin.

Ich sah erneut den Jungen an. Als Erstes sprang mir seine Haarfarbe ins Auge: weiß und schwarz. Allein an der Farbe und Beschaffenheit erkannte ich, dass dieser Sklave hochwertiger war als die anderen. Seine Augen hatten blaue Iriden, und die Pupillen waren senkrechte Schlitze wie bei einer Katze. Diese Augen ließen den Jungen einschüchternd wirken. Dazu kamen noch die wilde Miene und dieser Blick – als hätte er die ganze Welt gegen sich. Die Ohren waren für eine Katze etwas dick und rund. Zudem hatte er einen eindrucksvollen schwarz-weiß gestreiften Schwanz.

»Eigenartig«, sagte Raphtalia. »Irgendwie erinnert er mich an gewisse Gegner in Kizunas Welt …«

»So ein Zufall. Mich auch.«

»Ääähm … Meint ihr die weißen Tiger?«

Anscheinend hatte Filo die Verbindung auch hergestellt. Ja, genau das war es. Aus irgendeinem Grund erinnerte er mich an die weißen Tiger, gegen die wir in Kizunas Welt gekämpft hatten. Ich musste auch gleich wieder an die Frauen denken, die Kyo umgestaltet hatte. Mir war, als stünden wir vor der finalen Form, einem sehr gut gelungenen Hybriden zwischen weißem Tiger und Mensch. Na ja, Fohl war ja auch ein Tiermensch. Aber nach allem, was wir erlebt hatten, hatte ich hierbei gar kein gutes Gefühl.

»Der sieht teuer aus, auch wenn er ein Kind ist.«

»Ihr verschafft Euch einen ersten Eindruck und habt sogleich den Preis im Blick. Ich ziehe meinen Hut vor Euch, werter Schildheld.«

Auch Raphtalia kippte bei meiner Antwort fast um.

»Wunderbar, kleiner Naofumi, wie du das mit der Kosten-Nutzen-Analyse machst!«

Bloß nicht drauf eingehen! Aber vielleicht war es tatsächlich gar nicht so klug, von Anfang an nur aufs Geld zu schauen.

»Irgendwas hat er den anderen Subhumanoiden voraus.«

»Vortrefflich erkannt: Dieser Subhumanoide gehört der berühmten Hakuko-Spezies an.«

»Hakuko …«

»Diesen Namen trägt die Art seit uralter Zeit: Die ersten vier Heiligen sollen ihn erdacht haben.«

Haku und ko … Schrieb sich das mit den Kanji für weiß und Tiger? Las man die Zeichen falsch, konnte man zu diesem Namen gelangen. Und so lange gab es diese Art also schon? Das klang gar nicht schlecht, aber was, wenn der Junge immer größer wurde, bis er die Ausmaße der Geisterschildkröte annahm, und herumzuwüten begann? Das wäre überhaupt nicht zum Lachen.

Und wieso wurden die nun überhaupt so komisch genannt? Aber es hatte sich ja schon bei den Überlieferungen auf Cal Mira gezeigt, dass die einstigen Helden anscheinend kein Stilgefühl besessen hatten. Wobei ich vielleicht nichts sagen sollte, nachdem ich meinem Filolial den Namen Filo gegeben hatte.

»Aha … Und was machen wir jetzt mit dem?«

»Wir würden ihn dem werten Helden gerne schenken.«

»Ich glaube schon, dass er stark ist, aber wie eine Wunderwaffe sieht er jetzt auch nicht aus.«

Die weißen Tiger in Kizunas Welt waren keine unschlagbaren Feinde gewesen. Auch die Schilde, die aus deren Materialien hervorgegangen waren, hatten sich mir mit ihren schwierigen Sonderfunktionen eingebrannt. Zum Beispiel, dass durch sie alle Unterstützungsmagie unwirksam wurde. Das Katana, das Raphtalia daraus gewonnen hatte, war ebenfalls schrecklich eigenwillig im Gebrauch.

»Kann ich mir sein Level und seine Werte ansehen?«

»Selbstverständlich.«

Ich bekam eine Auflistung überreicht und warf einen Blick darauf. Ach, die beiden waren also Geschwister? Und Level 32? Dafür sah er aber noch ziemlich kindlich aus. Die Sklaven im Dorf waren etwa Level 30 und bereits ziemlich groß.

»Unerwartet hoch. Und sein Aussehen, hängt das mit seiner Art zusammen, oder ist das was Individuelles?«

»Auf dem Level sind sie noch Kinder. Das ist eine Besonderheit dieser Art: Sie können erst ab Level ٥٠ den Klassenaufstieg machen; ansonsten ist ٦٠ die Obergrenze. Ja, ja. Und nach dem Klassenaufstieg können sie dann bis Level ١٢٠ aufsteigen.«

»Wenn er erwachsen ist, wird er also noch stärker.«

»So ist es.«

Wow. Das war ja eine ganz spezielle Art. Selbst Filo hatte ihren Klassenaufstieg mit Level 40 gemacht. Was würde wohl aus diesen Kindern, wenn man ihre Level hochtrieb? Zugegeben: Mein Interesse war geweckt. Ich warf auch noch einen raschen Blick auf die Angaben über seine Schwester: Sie war erst Level 1.

»Die Hakuko sind berühmt für ihre große Kampffähigkeit. Seinerzeit haben sie mehrmals den sogenannten weisen, klugen König von Melromarc mit all seiner Kriegslist zurückgeschlagen. Ja, ja«

Er führte den Drecksack als Beispiel an? Von dem hielt ich herzlich wenig. Hatte er mithilfe seines Einflusses die Tyrannei bis hierher ausgeweitet?

»Selbst wenn du sie mit dem ›weisen, klugen König‹ vergleichst …«

»Wäre er nicht gewesen, Melromarc wäre wohl keine Hürde für sie gewesen.«

»Du preist ihn ja ganz schön an.«

»Wie dem auch sei, die Hakuko gehören zu den fünf stärksten Arten dieser Welt, die Helden ausgenommen. Ja, ja.«

»Verstehe.«

Ließen wir einmal außer Acht, dass es um den Drecksack ging. Sie sprachen hier über seine Blütezeit. Einen taktisch derart überlegenen Gegner hatten die Hakuko mit purer Kraft zurückgeschlagen. Demnach waren sie tatsächlich herausragende Kämpfer. Für mich, der ich aufs Verteidigen festgelegt war, konnte das ein wichtiger Faktor sein. Vorausgesetzt, diese Spezies barg tatsächlich eine derartige Kraft in sich.

Der Sklavenhändler näherte sich mir, um mir etwas ins Ohr zu flüstern, wohl damit das Geschwisterpaar ihn nicht hörte.

»Übrigens sind selbst diese vielgerühmten Hakuko hilflos, wenn sie es im Wasser mit der Ruka-Spezies zu tun bekommen. Ja, ja.«

»Von wem sprichst du?«

Der Sklavenhändler warf einen Blick zu Sadina hinüber.

»Huch?«

Oha, gehörte Sadina etwa auch zu einer hochrangigen Subhumanoidenart? Nun, die Schriftzeichen für Fisch und Tiger ergaben zusammengenommen Orca. Waren die Ruka wegen dieser Verbindung so stark? Aber ich sollte mich lieber aufs Verhandeln konzentrieren.

»Der Junge ist bei bester Gesundheit, aber seine Schwester leidet an einer Erbkrankheit. Sie kann nicht sehen, nicht gehen und ist so gebrechlich, dass sie wohl nicht mehr lange durchhält. Ihrem Bruder ist sie jedoch das Allerwichtigste.«

Selbst in der Sklaverei passte der Junge noch auf seine kleine Schwester auf. Als Charakter in einem Manga oder so wäre er auf jeden Fall beliebt, selbst als Antagonist. Und als Angehöriger seiner Art hatte er auch die Kraft, für seine Überzeugungen zu kämpfen. Der totale Archetyp.

»Hm.«

»Ihr könntet Bruder und Schwester auch trennen. Den Jungen lasst ihr rackern, das Mädchen setzt ihr irgendwo auf weiter Flur aus. Mit gefälschten Nachrichten lasst ihr dann den Eindruck entstehen, sie sei noch am Leben und im Krankenhaus. Habt Ihr nicht ein Monster in Euren Reihen, das gut Stimmen imitieren kann? Lasst den Jungen einfach diese Stimme hören.«

Ich hatte unter meinen Untergebenen ein Monster, das Stimmen imitieren konnte? Meine Monster machten vielerlei: den Boden umgraben, unsere Handelskutschen ziehen, Gras fressen und kämpfen … Oder meinte er Filo? Ich blickte in ihre Richtung.

»Waaas?«

»Filo, kannst du Stimmen nachahmen? Meltys oder so?«

»Kann iiich.« Und sofort legte sie los: »›Du bist ja so liebreizend, Filo!‹«

Es klang Melty zum Verwechseln ähnlich – als stünde sie gerade neben uns. Aber was für ein Satz war das überhaupt? Liebreizend? Was war hier denn los? Ich würde mit Melty offenbar mal ein Wörtchen reden müssen.

Ich bedeutete dem Sklavenhändler fortzufahren.

»Lasst ihr den Jungen im Glauben, seine Schwester sei noch am Leben, wird er gewiss bis zu seinem Tod weiterkämpfen. Und Ihr, werter Held, müsst nicht mehr tun, als eine Provision zu nehmen.«

Da unterbreitete er mir aber einen wahrhaft teuflischen Vorschlag. Es war nicht bloß abstoßend, ich würde mich mit so etwas auch ungeheuer angreifbar machen. Am Ende käme noch jemand wie Itsuki anmarschiert, mit der Absicht, den Jungen zu retten und mich dann gemeinsam mit ihm zu erschlagen. Darauf konnte ich verzichten. Ich würde so einen Angreifer natürlich erledigen, aber ich musste mir ja nicht absichtlich Feinde machen.

»Kein Wunder, dass ihr nur mit gewöhnlichen Sklaven zurechtkommt!«, tadelte ich die beiden. »Ich werde euch jetzt mal zeigen, wie man das vernünftig angeht.«

Ich bedeutete ihnen, das Schloss des Käfigs zu öffnen.

»W… Was hast du vor?«, fragte Fohl argwöhnisch.

»Halt mal kurz die Klappe, Bengel.«

»Was sagst du da? Ich bin kein Bengel!«

»Für mich siehst du wie einer aus.«

Ich ignorierte den aufbrausenden Bruder, betrat den Käfig und näherte mich dem Mädchen.

»Lass das! Fass Atla nicht an!«

Ihr Bruder stellte sich mir in den Weg. Ich holte eine Arznei hervor und zeigte sie ihm. »Ich will ihr nur das hier geben.«

Dieses Medikament hatte ich den Schild herstellen lassen. Aus eigener Kraft gelang es mir noch nicht, so schwierig war es.

Die nötige Fertigkeit – Wunderarzneirezept – hatte mir der Spirit Tortoise Sacred Tree Shield eingebracht. Mit ihrer Hilfe hatte ich diese Medizin herstellen können.

Spirit Tortoise Sacred Tree Shield 0/40 CFähigkeit freigeschaltet … Ausrüstungsbonus: WunderarzneirezeptSonderfunktion: Schutz durch die antike Flora, Segen des heiligen BaumsMeisterschaft: 0

Der Effekt des Schildes an sich lag im Dunkeln. Es war nur klar, dass es irgendetwas mit Pflanzen zu tun hatte. Mit diesem Wunderarzneirezept ließ sich nur eine einzige Medizin herstellen. Überdies brauchte ich als Grundlage dafür enorm viele Zutaten: Heilmittel, hochklassiges Heilmittel, Wundsalbe, Magiewasser und Seelenheilwasser. Man mischte das alles mit einem präzise bemessenen Anteil giftiger Substanzen, der überstehenden Flüssigkeit nach dem Filtern und dem Harz des heiligen Baums, den es irgendwo geben musste.

Kürzlich hatte ich mich daran versucht, ohne den Schild zu Hilfe zu nehmen, und war gescheitert. Ich hatte den Apotheker gefragt, um das Problem zu lösen, aber er war wütend geworden und hatte gesagt, ich sei wohl übergeschnappt. So schwierig war es, diese Arznei herzustellen. Ein kostbarer Artikel, auf den ich nur mithilfe des Schildes Zugriff hatte – und das auch nur gerade so.

Die wundersame Arznei trug den Namen Yggdrasil-Elixier. Es war das Mittel, das ich damals der rüstigen Oma mit ihrem Stil der Unvergleichlichen Veränderung verabreicht hatte. An der Wirkung bestand also kein Zweifel. Das Mittel fiel wohl in die Kategorie ähnlicher Items, die man in vielen RPGs fand und die den gleichen Namen trugen. Es war zudem mit dem Namen Weltenbaum versehen, wenn das auch eine Übersetzung sein mochte.

Wie viel Geld hatte die alte Schachtel eigentlich, dass sie sich so etwas hatte leisten können? Hatte sie den Stil der Unvergleichlichen Veränderung erfunden und damit überall auf der Welt abkassiert? Dabei war ihr Sohn so mittelmäßig! Der stach wirklich durch nichts heraus!

Jedenfalls ließ sich mit diesem grandiosen Mittel jede Krankheit mit einem Schlag heilen.

»Von jetzt an werde ich dein Herr sein. Und das hier ist das Medikament, mit dem ich deine kleine Schwester rette. Du wirst dein Leben darangeben, es zu bezahlen.«

Der Apotheker hatte gesagt, der Marktwert sei beträchtlich. Es war eine überaus wirksame Arznei, die nur dann zum Einsatz kam, wenn es sonst keine Hoffnung mehr gab. Man sagte dem Mittel sogar nach, dass man damit Tote wieder zum Leben erwecken könne. Dementsprechend viele verlangten danach.

Die Sklaven aus Lurolona hätte ich mit dem Erlös trotzdem nicht aufkaufen können; dazu hatte ich auch zu wenig auf Lager gehabt. Wir waren auch nach wie vor knapp bei Kasse, daher hatte ich die Medizin heute mitgebracht, um sie überteuert an Begierige zu verkaufen. In dieser Situation kam es mir gerade recht.

Um die Wellen zu bekämpfen, brauchten wir Kampfkraft dringender als Geld. Hier bot sich mir die Chance auf einen starken Mitstreiter. Tat ich ihm jetzt einen derartigen Gefallen, würde er sich mir künftig ganz bestimmt nicht widersetzen. Ja, so wollte ich es angehen.

»Aber nicht das du lügst.«

»Erkennst du den Geruch vielleicht?«

Der Bruder roch an der Arznei. Ich versprach mir nichts davon. Hätte er den Geruch gekannt, wäre er jetzt sicher nicht hier. Er schnupperte jedoch eine ganze Weile. Dann hob er plötzlich den Blick und schrie: »Das ist das Yggdrasil-Elixier!«

»Gut erkannt!«

Hatte der Junge eine Hundenase? Lag das womöglich auch an dieser überlegenen Art?

»A… Aber es könnte sein, dass da Gift drin ist!«

»So verbringst du dein Leben? Indem du alle Medikamente anzweifelst und jeder Arznei misstraust, die du deiner Schwester gibst?«

»Äh …«

»Falls du mir nicht glaubst, muss ich ihr das Elixier nicht geben. Aber wie rettest du sie dann? Und dich kauf ich so oder so, ob sie nun leidet oder nicht.«

Fohl knirschte mit den Zähnen. Stieß ein frustriertes Stöhnen hervor.

»Ist da jemand?«

Unter Hustenanfällen drehte sich das Mädchen um. Der Sklavenhändler hatte ja gesagt, sie sei blind. Schätzte sie Leute allein anhand der Stimme ein?

»Ich hab das Gefühl, da ist ein mächtiger, gütiger Mensch … Habe ich recht, Bruder?«

»I… Ich weiß nicht …«

»Ich spüre eine ungeheure Macht, aber …«

Langsam wandte sie sich zu mir um. Der Bruder bedeutete mir zögerlich, dass ich hingehen solle, also näherte ich mich Atla. Wie schrecklich … Sie war am ganzen Körper bandagiert. Ich sah nichts von ihrem Gesicht. Ihre Haut war übersät mit Geschwüren. Es war ein Wunder, dass sie noch lebte. Dass sie der gleichen Art wie ihr Bruder angehörte, erkannte man nur an den Ohren und dem Schwanz.

»Aber … Was ist das?«

Anscheinend hatte sie mich bemerkt und wollte nun mit mir sprechen. Der Anfang war das Wichtigste – also würde ich ihr mit der üblichen Großspurigkeit begegnen.

»Unter der Güte und der Stärke spüre ich eine tiefe Trauer …«

Eine tiefe Trauer, soso …