The Sky is No Limit - Nicola Winter - E-Book
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The Sky is No Limit E-Book

Nicola Winter

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Beschreibung

Schon als Kind begeistert sich Nicola Winter für das Fliegen – doch für eine Ausbildung als Pilotin bei der Lufthansa ist sie zu klein. Als sie von der Kampffliegerausbildung der Bundeswehr erfährt, weiß sie daher sofort: Das ist es. Mutig setzt sie sich in den Aufnahmetests durch und schafft das, wovon Viele träumen – sie macht ihre Leidenschaft zum Beruf. In den schnellsten Jets der Welt lernt Nicola Winter, mit Höhenflügen, Absturzgefahr und Extrembedingungen umzugehen und was es bedeutet, in brenzligen Situationen voranzugehen. Als sie 2022 in die Astronauten-Reserve der European Space Agency aufgenommen wird, steht sie vor einer persönlichen Herausforderung, die zeigt, wie hochrelevant ihre Erfahrungen als Pilotin auch auf festem Boden sind. Lebensklug und voller Inspiration erzählt Nicola Winter von ihren Erlebnissen am Rande des Machbaren und zeigt auf, welche Führungsqualitäten und Stärken wichtig sind, um in krisenreichen Zeiten sich selbst und andere zu Resilienz und Hochleistungen zu führen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 309

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

»Was kann passieren, wenn du mal richtig Gas gibst?«

Nicola Winter findet es heraus: Als eine der ersten Jetpilotinnen Deutschlands erreicht sie das, wovon viele träumen – sie macht ihre Leidenschaft, das Fliegen, zum Beruf. Fortan lernt sie, in Extremsituationen mit kühlem Kopf zu handeln, und erkennt: Was im Cockpit essentiell ist, führt auch in Beruf und Alltag unweigerlich zum Erfolg.

Klug und mit Humor erzählt Nicola Winter von den großen Fragen ihres Lebens- und Berufsweges: Kann man eine neue Sache völlig talentfrei angehen? Wie besteht man als Neuling im Team? Wieso machen Nachbesprechungen unschlagbar? Was hält ein High-Performance-Team zusammen? Und warum können Fluchen (oder ein HipHop-Song) zur rechten Zeit Wunder bewirken?

In zehn fundierten und inspirierenden Lektionen zeigt sie auf, worauf es ankommt, um sich selbst und andere auch in schwierigen Zeiten zu Resilienz und Hochleistung zu führen. Immer nach dem Credo: Einfach mal ausprobieren, Lehren ziehen, und weitermachen!

»Dieses Buch motiviert und begeistert bis zum letzten Kapitel!«

Prof. Dr. Dr. Philipp Merkt, Professor für Führung und Krisenmanagement

Inklusive QR-Codes mit exklusivem Bonusmaterial

Über die Autorin

Nicola Winter war über ein Jahrzehnt Jetpilotin bei der Bundeswehr und steuerte als eine von nur drei Frauen in der Luftwaffe den Eurofighter. Nach ihrer Zeit bei der Bundeswehr arbeitete sie zunächst als Beraterin für McKinsey & Co. und als Rettungssanitäterin, bevor sie als Ingenieurin für Luft- und Raumfahrttechnik ins Raumfahrt-Projektmanagement wechselte. Heute ist Nicola Winter renommierte Speakerin, Beraterin für Krisenstäbe und Unternehmen, promovierende Expertin im Bereich der bemannten Raumfahrt sowie Dozentin für Notfall- und Krisenmanagement. Bereits zum zweiten Mal bestand sie 2022 ein offenes Astronautenauswahlverfahren und gehört seitdem zur aktuellen Astronauten-Reserve der ESA.

Nicola Winter

The Sky is No Limit

Eine Jetpilotin über Krisenkompetenz, schnelle Entscheidungen und neue Horizonte

10 Wege zum Erfolg in Job und Alltag

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

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Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter www.dnb.de abrufbar.

© 2024 Ariston Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Alle Rechte vorbehalten

Entstanden unter Mitarbeit von Anne Jacoby

Redaktion: Marie Melzer

Umschlaggestaltung: wilhelm typo grafisch unter Verwendung eines Motivs von Carsten Arnold

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN 978-3-641-32303-5V002

Inhalt

Crash

I Begabung: Talent ist Training

»Mach das!«

Mit Turbulenzen leben lernen

Nicht nur für Genies

»Geht doch!«

Lernen, fliegen zu lernen

Talent ist ein Mythos

Training macht den Unterschied

II Disziplin: Willen muss man lernen wollen

Weiterlaufen, immer weiter

Disziplin braucht langsames Denken

Langsames Denken macht den Tank leer

Wer durchhalten will, muss smart sein. Nicht hart.

Rechtzeitig Treibstoff auffüllen

Haltung ist eine Entscheidung

III Gelassenheit: Mit Seneca in der Zentrifuge

Mit vielfachem Achterbahn-Wumms

Denken ohne Sauerstoff

Wie hoch ist zu hoch?

Tauchgang im Hubschrauber

Durchdenken statt »zusammenreißen«

IV Entscheidungsfindung: Unter Druck richtig handeln

Staub, Schweiß und Tränen

Was denkst du, während du abstürzt?

Was ist eine gute Entscheidung?

Warum wir beim Denken falsch abbiegen

Zuerst Werte priorisieren, dann entscheiden

FORDEC und andere Entscheidungshilfen

V Teambuilding: Flügel an Flügel fliegen lernen

»That’s what she said« …

In Formation fliegen lernen

Von vielen Einzelkämpfern zum High Performance Team

Leistung bringt Sympathie. Nicht umgekehrt.

»Every man for himself?«

Zurück in Deutschland

Kritik statt Kaffee genießen

Einmal Monster, immer Monster

VI Risiko: Ja zur Krise

Mut: Ein beschissenes Gefühl

Risiken richtig abwägen

Nachttiefflug. Blind.

Risiken (rückwärts) lesen

Das Präventionsparadox

Alarm im Cockpit

Jede Krise braucht dein »Ja!«

Den Ernstfall planen

Üben, üben, üben

Katastrophentraining – nur im Kopf

Stand-up!

VII Kommunikation: Klartext unter Druck

Warum Piloten zwei Sprachen sprechen

»Fight’s on!«

Erst anweisen. Später erklären.

Desaster auf Teneriffa

Eurofighter gegen Eurofighter

VIII Leadership: Smarter Führen

Aller Anfang ist … müde

Führen ohne Zuckerbrot und Peitsche

Führen durch Vorbild

Führen von vorne

Einsatz im Baltikum

Mission Command: Führen mit Auftrag

Ein gutes Pferd springt nur so hoch, wie es muss.

Top Gun – Bescheiden, glaubwürdig, zugänglich?

Warum 10 Prozent formale Autorität reichen

Führen heißt auch: dienen

Führen ist anstrengend

Superwaffe Empathie

IX Debriefing: Projekterfolg zeigt sich im Rückspiegel

Plan – Brief – Execute – Debrief

Dumm sterben? Lieber nicht.

Debriefing macht unschlagbar

Ein neuer Blick auf Fehler

X Resilienz: Auf dem Weg zu den Sternen darf man auch mal stolpern

Stress ist Energie pur

Vorbereitung: Cool bleiben unter Druck

Fokus: Knöpfe drücken mit Epikur

Resilienz: Von der Kunst, 720 Chancen zu sehen

Wie gewonnen, so zerronnen

Dankbarkeit: Viele Wege führen zu meinen Sternen

Mit jedem Schock ein bisschen stärker

3, 2, 1 … und ich fliege doch

Dank

Bildnachweis

Anmerkungen

Crash

Die meisten Menschen leben so, als gäbe es immer ein »Morgen«. Manchmal vergessen sie dabei, wirklich zu leben. Das war bei mir nicht anders. Aber ich hatte Glück – ich durfte dem Tod schon früh ins Auge blicken.

Es war im Oktober 2000, ich war 15 Jahre alt und trainierte unbeschwert mit meiner Segelmannschaft im Trainingslager am Gardasee, als eines Abends meine Mutter anrief: »Der Jobst ist abgestürzt. Wir waren zusammen fliegen und er ist abgestürzt.« Jobst war mein Stiefvater, erst zwei Jahre war er mit meiner Mutter verheiratet. Jetzt war er tot.

Eine Todesnachricht am Telefon zu bekommen, ist ein völlig surreales Gefühl. Ich weiß noch, wie ich mit dem kantigen Mobiltelefon am Ohr in diesem winzigen Badezimmer stand, das zu unserem Zimmer in der Trainingslager-Pension gehörte. Direkt neben mir föhnte sich meine Trainingspartnerin lautstark die Haare. Ich verstand kaum, was meine Mutter sagte, und selbst das, was ich verstand, kam nicht wirklich bei mir an. Nur das Gefühl, das dieser Anruf bei mir hinterlassen hat – daran erinnere ich mich bis heute genau: In meiner Magengrube öffnete sich ein Loch. Schwarz, groß, es sank tiefer und tiefer in mich hinein. Dieses Loch werde ich nie vergessen. Der Tod ist endgültig und absolut. Er lässt nicht mit sich verhandeln: Tot ist tot.

Für mich war nichts mehr wie zuvor, für alle anderen ging das Trainingslager munter weiter. Ich fuhr allein mit dem Zug von Italien nach Hause: Heraus aus einer lustigen, spannenden Zeit mit meinen Jugendfreunden, hinein in die tieftraurige Realität meiner Familie – und in mein eigenes, neues Leben als Erwachsene.

Jobst Baeumer, mein Stiefvater, war einer der besten Drachenflieger seiner Generation und amtierender Deutscher Meister. Als studierter Luftfahrtingenieur war er Technikchef des Deutschen Ultraleichtverbandes und zuständig für die technische Prüfung aller neu zuzulassenden »Ultraleichts« – das sind kleine, sehr leichte motorgetriebene Luftfahrzeuge für maximal zwei Personen. Jobst war ein typischer Hippie der 1990er Jahre: Er liebte seinen langen, zotteligen Bart, Grünkernpfannkuchen und genoss es, ungebunden von Startplatz zu Startplatz zu ziehen.

Jobst flog und testete die verrücktesten Konstruktionen und ließ auch in der Wettkampffliegerei kaum eine Gelegenheit aus, zu starten und zu gewinnen. Einer seiner Lieblingssprüche war: »Ich will nur 40 Jahre alt werden, danach ist sowieso Schluss mit dem richtigen Leben.« – Bis er mit Mitte 30 meine Mutter kennenlernte. Die beiden wurden ein Paar, kauften ein Haus, und Jobst stellte fest, dass das Leben ja auch jenseits der 40 noch lebenswert sein konnte.

Am 28. Oktober 2000, einem schönen Herbstsamstag, beschlossen Jobst und meine Mutter, einen einfachen, kleinen Rundflug mit ihren motorisierten Ultraleicht-Trikes zu unternehmen. Sie in ihrem, er in seinem. Jobst kam an diesem Tag nur wenige Kilometer weit, dann passierte es: Plötzlich schnalzten seine Tragflächen jäh nach oben weg. Freier Fall. Eine Sekunde, zwei, drei, vier … vorbei. Es ging so schnell, dass es ihm nicht mehr gelang, seinen Rettungsschirm auszulösen. Er war sofort tot – im Alter von genau 40 Jahren.

Es folgten Wochen voller Trauer, Schmerz und Unsicherheit: Wie begleitet man die eigene Mutter in einer solchen Phase – mit 15? Ich habe mir damals sehr viel Verantwortung auf die Schultern geladen, aus heutiger Sicht hat das wohl kaum einen Unterschied gemacht. Und ich habe viel über den Tod nachgedacht. Wie er uns jederzeit einfach so aus heiterem Himmel erwischen kann, wie kurz das Leben unter Umständen sein kann und was es bedeutet, bis dahin wirklich gelebt zu haben.

Ich habe dieses Gespräch nie mit ihm geführt, aber ich habe mir oft vorgestellt, Jobst zu fragen, ob es sich gelohnt hat, sein Leben so zu leben, wie er es getan hat. Ob er es wieder genauso tun würde, ob er diese Risiken wieder genauso eingehen würde? Und ich weiß, seine Antwort wäre immer: »Ja!« Natürlich hätte er gerne länger gelebt, mehr erlebt. Aber niemals um den Preis eines langweiligeren Lebens. »Weil nicht die Quantität zählt, sondern die Qualität«, hätte er gesagt. »Selbstverständlich ist ein langes, spannendes Leben das schönste Ergebnis. Aber wenn beides nicht geht? Dann ist erfüllend besser als einfach nur lang.«

Damals saß ich nachts oft und lange wach, schaute aus dem Fenster und fragte mich: »Wenn du jetzt sterben würdest, wärst du zufrieden mit deinem Leben, so wie du es bisher gelebt hast? Hast du das Beste aus deiner Zeit gemacht?« Natürlich nicht, könnte man lapidar antworten: »Mit 15 Jahren kann man noch nicht das Beste aus seinem Leben gemacht haben.« Doch stimmt das? Natürlich ist es möglich, auch aus fünf, fünfzehn oder fünfundzwanzig Jahren das Bestmögliche herauszuholen. Warum auch nicht? Nur: Hatte ich das?

Damals wurde mir klar, dass ich gerade nicht dabei war, mein Leben voll zu leben. Stattdessen dachte ich in Warteschleifen: »Wenn die Schule vorbei ist, fängt das Leben an …«, »Wenn ich mit dem Studium fertig bin, fängt das Leben an …«, »Wenn ich endlich von zu Hause ausziehen kann und mein erstes eigenes Geld verdiene, fängt das Leben an …« Im Herbst 2000 wurde mir endlich bewusst, dass mein Spiel schon vor fünfzehn Jahren angepfiffen wurde und ich besser endlich von der Ersatzbank aufstand und anfing mitzuspielen.

Seit dieser Zeit ist der Tod mein bester Freund, mein ständiger Wegbegleiter, und ich frage mich gerne und oft: »Wenn es hier und jetzt vorbei ist, bist du dann zufrieden mit dem, was du daraus gemacht hast? Könntest du hier und jetzt ›Sie hat wirklich gelebt!‹ auf deinen Grabstein schreiben?« Seit nun mehr als zwanzig Jahren ist meine Antwort jeden Tag: »Ja.«

Weil ich gegen alle Widerstände dann das getan habe, was ich tun wollte: Fliegen.

Das heißt natürlich noch lange nicht, dass ich fertig bin. Ich habe mich bereits zwei Mal als Astronautin für eine Mission im Weltall qualifiziert – und ich würde das auch gerne noch umsetzen.

Doch seit meinem – für jeden überraschenden – Senkrechtstart in die Kampffliegerei ist mehr passiert, und ich habe mehr gelernt, als ich mir je hätte träumen lassen. Ich durfte Einsätze über Estland fliegen und große Übungen in ganz Europa erleben, junge Kampfpiloten in der texanischen Wüste ausbilden und daran arbeiten, Cockpits intelligenter und sicherer zu machen. Und jetzt – zu meiner großen Freude – ein Buch schreiben mit meinen zehn wichtigsten Learnings. Diese sind:

Begabung: Talent ist TrainingDu kannst fast alles lernen, wenn du bereit bist, die nötige Zeit und Energie zu investieren. Es ist deine Entscheidung.Disziplin: Willen muss man lernen wollenDisziplin bedeutet nicht mehr Druck, sondern dass du deine Kräfte und Ressourcen klug einteilst.Gelassenheit: Mit Seneca in der ZentrifugeKonzentriere dich auf das, was du kontrollieren kannst, und akzeptiere das, was du nicht ändern kannst.Entscheidungsfindung: Unter Druck richtig handelnReagiere nicht in der Schrecksekunde, sondern behalte die Kontrolle über dich und die Situation. Analysiere die Situation einmal strukturiert und triff eine Entscheidung.Teambuilding: Flügel an Flügel fliegen lernenHochleistungsteams brauchen die richtigen Leute am richtigen Platz, ein gemeinsames Verständnis von Sinn und Zweck des Teams und den gemeinsamen Willen, fürei-nander Leistung zu erbringen.Risiko: Ja zur KriseGutes Risikomanagement berücksichtigt deine Prioritäten, findet strukturiert Risiken, bestimmt faktenbasiert ihre Wahrscheinlichkeiten – und mündet in Prävention.Kommunikation: Klartext unter DruckAlltagskommunikation und Krisenkommunikation unterscheiden sich radikal. Schalte bewusst um und bereite dein Team empathisch auf beide Kommunikationsformen vor.Leadership: Smarter FührenKenne die Herausforderungen, die dein Team bewegen. Führe mit Auftrag: Klar, prägnant, flexibel – das Ziel vor Augen mit Freiraum in der Umsetzung. Sei Menschenführer, nicht nur Manager.Debriefing: Projekterfolg zeigt sich im RückspiegelProjekterfolg zeigt sich im Rückspiegel: Intensive Nachbesprechungen ersparen dir die quälende Wiederholung der immer gleichen Fehler. Jede Beobachtung ist ein Symptom für ein Problem – nicht immer für das offensichtlichste.Resilienz: Auf dem Weg zu den Sternen darf man auch mal stolpernPersönliche Resilienz und wie man erfolgreich scheitert – auf dem Weg ins All und zum Erfolg.

Vielleicht ist nicht jeder einzelne Punkt für jeden Leser und jede Leserin gleich relevant– meine Hoffnung ist, dass jeder mindestens drei Themen finden kann, die wirklich erhellen, amüsieren und eine echte positive Veränderung bewirken können.

Die Fliegerei, die Luftfahrt insgesamt und die Raumfahrt sind außerdem wunderbare visuelle Themen. Sie lassen sich in einem Buch gut beschreiben – sie machen aber auch in Ton und Bild Freude. Deswegen gibt es zu jedem Kapitel einen QR-Code, hinter welchem sich Bonusmaterialien, weiterführende Erklärungen, Fotos und Videos befinden.

Viel Freude beim Lesen und ganz im Sinne eines guten Debriefings freue ich mich über jedes Feedback!

Eure Nicola Winter

»Ich habe keine

besondere Begabung,

sondern bin nur

leidenschaftlich neugierig.«

Albert Einstein

I Begabung: Talent ist Training

»Was willst du werden, wenn du groß bist?« Eine typische Tantenfrage, die wir alle kennen und die mich als Jugendliche sehr nervt. Aus zwei Gründen: Erstens weiß ich, seit ich denken kann, ganz genau, was ich machen will: Ich will Lufthansa-Pilotin werden.

Ich liebe das Fliegen und habe – wie meine Mutter, mein Vater und sogar meine Großmutter – schon als Jugendliche eine eigene Drachenfluglizenz. Ich liebe Flugzeuge und Flughäfen und verschlinge alle Geschichten über die Flugpioniere der 1920er Jahre: Wie Elly Beinhorn um die Welt flog oder wie Beate Uhse (ja, »diese«) als eine der besten Testpilotinnen Deutschlands mit den schönsten Maschinen aufstieg. Wunderbar!

Ich verfolge den Plan, Pilotin zu werden, bis ich mit 15 oder 16 Jahren zu meinem Entsetzen feststellen muss, dass ich über eine Körpergröße von 1,60 m nicht hinauskommen werde. Das ist in meiner Welt der Super-GAU und damit auch der zweite Grund, warum mich die Tantenfrage so endlos nervt: Die prestigeträchtige Lufthansa stellt Piloten erst ab einem Mindestgardemaß von 1,65 m ein. Und selbst mit viel Geschick, so viel ist mir klar, kann ich in der Untersuchung nicht 5 Zentimeter dazu schummeln. Kurz: Ich weiß zwar genau, was ich tun will, aber der Weg in diese Zukunft ist für mich versperrt.

Was tun? Als Erstes versuche ich, an meinen 160 Zentimetern zu schrauben. Ich überrede meinen Vater, mich zu einem Orthopäden zu bringen, um über die Möglichkeiten einer Beinverlängerung zu sprechen. Hier stellt sich zu meinem großen Frust heraus, dass bei gesunden, sportlichen Jugendlichen eine operative Beinverlängerung rundweg abgelehnt wird.

Zweitens recherchiere ich bei allen Fluggesellschaften nach ihren Einstellungsvoraussetzungen – und siehe da: Die Lufthansa ist die einzige Airline, die auf einer Körpergröße von 1,65 m besteht. Warum, weiß ich bis heute nicht. Alle anderen Airlines akzeptieren auch deutlich kleinere Piloten. Aber, und jetzt kommt das große Aber, die Lufthansa war und ist auch die einzige Airline, die die Ausbildungskosten komplett vorfinanziert und eine Jobgarantie gibt. Für alle anderen Optionen muss man den Flugschein bei einer kommerziellen Flugschule absolvieren und selbst finanzieren.

Die erste 70000-Euro-Frage meines Lebens lautet also: Traue ich mir zu, einen riesigen Kredit aufzunehmen, die Ausbildung erfolgreich zu absolvieren und dann einen Job zu finden, um diese horrende Summe zurückzuzahlen?! Die Antwort ist ganz einfach: »Nein!« Ich traue es mir nicht zu. Ich habe keinerlei Anhaltspunkte für mein fliegerisches Talent. Ich habe zwar einen Drachenflugschein, aber in einem richtigen Flugzeug kam ich nie über den Passagierstatus hinaus. Was, wenn ich talentfrei bin?

»Mach das!«

Ich suche also weiter – und stolpere zufällig über ein episches Video, das mir tief unter die Haut geht. (Zur Erinnerung: Wir befinden uns im Jahr 2003, also noch vor der YouTube-Ära.) Als ich im Zuge der Recherchen für dieses Buch das Video jetzt noch mal gesucht, gefunden und die Kommentare auf YouTube gelesen habe, wurde mir klar: Ich war nicht die Einzige, um die es nach diesem Video geschehen war. Mindestens zwei anderen Jetpiloten ging es genauso.

Zu den Synthie-Pianoklängen und der Gänsehautstimme von Evanescence steigen Schweizer Kampfjets in den Himmel, zu wummernden Beats stürzen sie sich in Schluchten, steigen gefährlich nah auf an Felswänden, schießen in Formation in den Nachthimmel, drehen Kreise, ziehen kopfüber über Meere, über Wälder hinweg, bis sie elegant wieder am Boden aufsetzen. Episch! Und das ganze vier Minuten lang!

Der Film katapultiert mein jugendlich-tagträumerisches Ich mit einem Schlag in das nächste Lebenskapitel: einen Jet fliegen! Das ist die rettende Idee! Mein Puls rast. Meine Augen werden größer und größer, ich sehe mich schon selbst mit Pilotenhelm im Cockpit, bis das Video plötzlich zu Ende ist … und ich in der Realität aufschlage. Autsch.

Als Spross einer Fliegerfamilie kenne ich zwar viele Piloten, aber keinen einzigen Jetpiloten. Ich habe zwar einen Drachenflugschein, auch einen Segelschein, ich habe sogar als Leistungssportlerin viele Skirennen bestritten – ein bisschen sportlich, ein bisschen »tough« bin ich wahrscheinlich schon. Aber ich habe keinen echten Motorflugschein und keine Ahnung. Was, wenn die Fliegerstaffeln nicht wirklich auf eine ziemlich kleine, ziemlich zierliche, ziemlich extrovertierte Abiturientin aus dem hintersten Oberbayern warten? Wo stehen diese Jets überhaupt? Wie geht’s zur … Bundeswehr?

Herbst 2003, Arbeitsamt München II, ein trister roter Backsteinbau, drinnen eine »Karrieremesse« mit Ständen von Arbeitgebern, die sich bemühen, für potenzielle Azubis »hip« auszusehen. Nun ja. Ich weiß, dass auch die Bundeswehr hier präsent sein wird – und bin mit einer Freundin extra vom Land nach München gefahren. Und dann stehe ich da: Vor einem großen Stand mit vielen Respekt einflößenden Soldaten in akkuraten Uniformen. Dazwischen sogar ein echter, junger Jetpilot in seiner lässigen, grauen Fliegerkombi. Die Coolness der Anwesenden ist riesig, noch größer aber ist der Kloß in meinem Hals. Denn in meinem Kopf spukt dieses Szenario: »Guten Tag, ich möchte gerne Jetpilotin werden!« »Hahaha! Du!? Vergiss es!«

Ganze 45 Minuten lang schleiche ich um den Stand herum, dann raffe ich sämtlichen Mut zusammen, den mein 18-jähriges Ich aufbringen kann, und spreche den Jetpiloten an. Räusper. »Hallo? Ich möchte, also äh, Jetpilotin werden.« Dieser schaut mich an … und meint dann freudestrahlend: »Ja, das wäre doch klasse! Mach das!«

Woooaaahhh.

Die tiefe Dankbarkeit, die ich diesem namenlosen Piloten seitdem entgegenbringe, prägt mein Handeln im Umgang mit Menschen bis heute. Ein einfacher, kurzer Satz. Eine simple Interaktion, und ein ganzes Leben wird auf eine unglaubliche Bahn gesetzt. Durch seine Worte fand ich den Mut, mich zu bewerben. Ich fand die Motivation, mich auf die Auswahltests sehr gut vorzubereiten, ich fand den Willen, bestehen zu wollen und die Verpflichtungserklärung (den »Arbeitsvertrag« mit der Bundeswehr) dann auch wirklich zu unterzeichnen.

Nach der Karrieremesse und der so positiven Reaktion des Jetpiloten am Stand bin ich euphorisch. Einen kurzen Moment lang hätte ich die ganze Welt umarmen können und in meinen kühnsten Träumen sehe ich mich im Jet durch tiefe Alpentäler düsen. Doch so groß die Freude ist, endlich mein Ziel zu kennen, meine Vision und den einen realistischen Weg dorthin gefunden zu haben, so groß ist auch mein Respekt vor dem ersten Schritt in diese Realität. Dieser Schritt ist groß. Stichwort: Auswahlverfahren. Um die Auswahltests für Jetpiloten ranken sich unendlich viele Mythen. »Du musst perfekte Augen haben.« »Du musst superfit sein.« »Das schaffen sowieso nur Superhelden.« Normale Menschen wie ich schaffen das also eh nicht?

Logisch gesehen kann man in einem Auswahlverfahren nicht verlieren: Im schlimmsten Fall hat man den Job weder vorher noch nachher. Aber emotional steht viel auf dem Spiel: Das eigene Ego, das eigene Selbstwertgefühl. Solange ich mich nicht bewerbe, muss ich den harten Fakten nicht ins Auge sehen, solange kann ich träumen. Aber da die Bundeswehr, wie viele staatliche Organisationen, eine lange Vorlaufzeit bis zum Einstellungstermin hat und ich nach der Schule nicht ein ganzes Jahr verlieren will, muss ich das bequeme Nest verlassen und flügge werden. Schnell.

Am gleichen Abend schleiche ich schweren Herzens zu meinem Vater: »Papa, ich muss dir was sagen. Setz dich mal.« Mein Vater wird blass um die Nase. Er setzt sich auf den nächsten Stuhl. Er schaut mir prüfend in die Augen. Runzelt die Stirn. Rechnet offenbar mit dem Schlimmsten. Ich auch. Ich zögere. Dann platzt es aus mir heraus: »Ich will zur Bundeswehr und Kampfjets fliegen!«

Die Welle der Erleichterung, die über das Gesicht meines Vaters huscht, irritiert mich. Warum grinst er so? Ich hatte Sorge, vielleicht Ablehnung oder auch nur Verwunderung erwartet. Nicht Erleichterung. Rückblickend muss ich schmunzeln. Es gibt bei einer 18-jährigen Tochter nun wirklich einige Szenarien, die sich ein Vater deutlich weniger wünscht als den Berufswunsch »Jets fliegen«. Er sieht mich eine Weile an. Ich frage ihn, ob ich mir die Bewerbungstests wirklich zu trauen soll. »Wenn du das wirklich willst«, sagt er schließlich, »dann gibst du jetzt mal richtig Gas und schaust, wie weit du kommst. Vielleicht kommst du nicht genau da an, wo du jetzt hinwillst. Aber irgendwo kommst du an!«

Ja, cool. Aber … wie geht das? Wo ist der Hebel, mit dem man »richtig Gas gibt«? Ich beginne zu recherchieren. Ich lese jeden Bericht über das Auswahlverfahren, den ich online finden kann, kaufe jedes Buch zum Thema und frage jeden Piloten, der mir über den Weg läuft. (Heimvorteil in einer Fliegerfamilie …)

Ergebnis, zu meiner großen Erleichterung: Pilotenprüfungen sind keine Raketenwissenschaft. Die Konzentrations- und Simulationstests sind bekannt – dafür gibt es Vorbereitungssoftware und Vorbereitungsseminare.

Und so kommt es, dass ich in den Faschingsferien 2004 in einem muffigen Raum in der Nähe des Frankfurter Flughafens sitze und verkrampft versuche, einen Joystick unter Kontrolle zu bringen, statt für mein Abitur zu lernen.

Mit Turbulenzen leben lernen

Wer Jetpilot werden will, muss über drei Hürden springen. Erste Hürde: Offiziersauswahl. Zweite Hürde: Fliegerische und medizinische Erstuntersuchung. Dritte Hürde: Fliegerische Lernprobe – damit ist eine Prüfung am Flugsimulator gemeint, bei der man zahlreiche Turbulenzen meistern soll. Ohne Crash.

Die Offiziersauswahl läuft wie die Bewerbung in großen Firmen ab: Motivationsschreiben, Bewerbungsgespräch, Gruppenspielchen. Im Grunde ein klassisches Assessmentcenter. Jedenfalls keine große Hürde. Schaffe ich. Check.

Die schwierigste Hürde ist die zweite: die fliegerische und medizinische Erstuntersuchung. Hier müssen alle hoffnungsvollen Pilotenanwärter in verschiedenen Computertests zeigen, was sie koordinativ und kognitiv draufhaben. Die meisten fallen durch.

Und das ist der Punkt, an dem ich Gas geben muss. Deshalb sitze ich eine ganze Woche in einem Vorbereitungsseminar und übe die verschiedensten Tests. Ich merke mir auf Zeit Symbole und Zahlen, ich rechne, schalte, ziele, bis mir der Kopf raucht. Ich bekomme sogar ein kleines Coaching mit seltsamen Hinweisen, wie man sich insgesamt während des Auswahlverfahrens verhalten sollte. Erste Regel: Pokerface … Zu diesem Zeitpunkt ahne ich nicht, dass genau das mir im Pilotentest den Kopf retten würde …

Dann ist der Tag da. Zu meiner Verblüffung besteht mein Pilotentest aus nur vier Aufgaben: Zwei Tests prüfen meine Koordinationsstärke und zwei das Thema Mehrfachbelastung, also meine Multi-Tasking-Fähigkeiten. Dann die Enttäuschung: Nur zwei dieser Tests kenne ich aus meinem Vorbereitungsseminar … aber immerhin!

Koordination: Ich werde vor einen sehr einfachen Flugsimulator gesetzt und soll einen Joystick und einen Schubhebel bedienen. Auf dem Bildschirm ist ein Fadenkreuz und dahinter eine Bergspitze mit einem Gipfelkreuz zu sehen. Die einzige Aufgabe besteht darin, das Fadenkreuz auf dem Gipfelkreuz zu halten – während allerdings das Flugzeug durch Turbulenzen gerüttelt wird und bebt und zittert und wackelt. Heftig! Dieser Test ist komplett neu für mich. Ich kämpfe eine gefühlte Ewigkeit. Zwar gelingt es mir, das Fadenkreuz halbwegs in die richtige Richtung zu bringen. Aber genau? Genau treffe ich es nie.

Multi-Tasking: Auf dem Bildschirm sind die Cockpit-Anzeigen für Höhe, Geschwindigkeit, Kurs und eine Uhr zu sehen. Die Aufgabe besteht darin, in einer bestimmten Zeit eine bestimmte Höhe zu gewinnen und eine Kurve zu fliegen. Also zum Beispiel in zwei Minuten 1000 Fuß (gut 300 Meter) zu steigen und einen 360°-Kreis zu fliegen. Und das bitte nicht irgendwie, sondern schön konstant und gleichmäßig.

Als uns diese Aufgabe erklärt wird, habe ich ein sehr breites Grinsen im Gesicht: Da ist er wieder, der Test, den ich eine Woche lang jeden Tag intensiv geübt habe. Ich weiß also genau, wie viel Steigen oder Sinken ich pro Minute einleiten muss, damit die Zeit am Ende genau stimmt. Auch der Kurvenflug ist für mich ein Kinderspiel. Nur das Tempo nicht. Die Geschwindigkeitsanzeige kostet mich Nerven. Jedes Mal, wenn ich sie mühsam richtig eingestellt habe, kommt eine neue »Turbulenz« und macht alles zunichte. Alle vier Parameter gleichzeitig im Blick zu haben und nichts zu übersehen, schon allein das ist eine echte Herausforderung. Und dann immer wieder diese Störfaktoren, immer genau dann, wenn ich die verlangte Geschwindigkeit von 180 Knoten genau … Moment mal …

Mit geht ein Licht auf: Der Computer stört meine Geschwindigkeit nur dann, wenn ich das Ziel von 180 Knoten genau erreiche! Stelle ich 179 Knoten ein, bleibt alles ruhig. Ha! Ich jubiliere innerlich, ein bisschen verstanden zu haben, wie ein Prüfungssimulator tickt. Und ich bin mir sicher: Auch bei 179 Knoten bekomme ich einen großen Teil der möglichen Punkte – nur mit viel weniger Stress. Am Ende habe ich richtig Spaß mit diesem Test und bin fast traurig, als er vorbei ist. Doch ob das insgesamt ausreichen kann?

Nicht nur für Genies

Am Abend werden uns die Testergebnisse von einer Flugpsychologin eröffnet. Ein schwerer Gang zur eigenen Urteilsverkündung – so fühlt es sich für mich an. Ich habe mich während der Tests mal gut, mal schlecht gefühlt – schwanke innerlich also zwischen »Hurra!« und »Verdammt!«

Die Psychologin beginnt mit dem Koordinationstest: Grobmotorisch bin ich durchschnittlich gut begabt, feinmotorisch ist meine Leistung katastrophal. Ich bekomme nur 10 Prozent der möglichen Punkte. 10 Prozent! Ein vernichtendes Urteil. Dann der Multi-Tasking-Test: Herausragende Leistungen in allen Bereichen. Meine Geschwindigkeitskontrolle war absolut außergewöhnlich und weit über dem Durchschnitt. Die Ergebnisse von Test Nummer drei und vier: normal.

Mein Herz pocht. Ich sehe die Psychologin an. Ein Test herausragend, ein Test katastrophal, zwei mittelgut – was bedeutet das? Sicherlich das Ende. »Wir kombinieren immer die Ergebnisse aus zwei Untersuchungen und nehmen dann den Durchschnittswert für die tatsächliche Eignung«, erklärt sie mir. »Ihr katastrophales Ergebnis in der Motorik können Sie mit dem Multitasking gut ausgleichen. Am Ende bedeutet es, dass Sie eine durchschnittlich gute Eignung zur Jetpilotin bekommen. Ein B auf der Skala von A für hervorragend bis D für wirklich nicht.«

Den Stein, der mir vom Herzen fällt, hätte man in jedem Seismografen messen können. Ich habe das scheinbar Unmögliche geschafft, die erste Eignungsprüfung bestanden, und dabei einige wichtige Dinge gelernt:

Eine Eignungsprüfung für einen Beruf besteht man nicht, indem man sich auf den Beruf vorbereitet, sondern auf die Eignungsprüfung. Akribisch. Mit Vollgas. Das Trainieren von »Testkompetenz« erfordert fachliches Lernen und die Entwicklung von Kommunikationsfähigkeiten und Stressresistenz, um Leistung unter Testbedingungen effektiv demonstrieren zu können.1 Das zu üben ist legitim und sogar notwendig.Ein tiefes Verständnis der Testinhalte und -formate macht einen riesigen Unterschied. Ich hatte eine ganze Woche viele verschiedene Tests geübt, um am Ende nur zwei davon wirklich zu brauchen. Aber diese Tests waren erfolgsentscheidend.Jetpiloten müsse keine Genies sein. Man braucht keine Inselbegabung in einem Bereich – und auch keine Mehrfachhochbegabung. Wenn die Kombination der verschiedenen Fähigkeiten insgesamt das geforderte Level erreicht, dann reicht das.

Ich war bei Weitem nicht die beste Kandidatin, die die Bundeswehr jemals gesehen hatte. Aber ich bekam die Chance, ihnen zu zeigen, was aus mir werden kann. Check!

»Geht doch!«

Der medizinische Check-up dauert drei Tage und ist mit Abstand die gründlichste Untersuchung, die ich bis dahin über mich ergehen lassen muss. Bluttest, Urintest, Ruhe-EKG, Belastungs-EKG, EEG, Sehtest, Hals-Nasen-Ohren-Check, Ultraschall, MRT, Allergietest, Orthopädie-Check, bis es zum Zentimetermaß geht. Warum dieser für die Bundeswehr mit Abstand unaufwendigste und für mich mit Abstand gefährlichste Test erst so spät angesetzt wird? Vermutlich hat mein zukünftiger Arbeitgeber die Bewerberkategorie »Frau, klein« nicht mitgedacht …

Die Prüferin vermisst meine Oberschenkellänge, Körpergröße, Taillenumfang, Sitzhöhe, um dann in einer Tabelle nachzusehen, für welche Flugzeugmuster ich geeignet bin. »So, Frau Winter, Sie sind für alle … ähh … nein … keine Flugzeugmuster geeignet.« Ich mache große Augen. »Huh, wieso nicht?« Ich bin mir sicher, dass ich die Mindestgröße von 1,60 m grade so erreicht habe. »Sie brauchen eine Oberschenkellänge von 55 cm und Ihre sind 54,5 cm lang. Damit passen Sie auf keinen Sitz!«

Vorbei. Gescheitert an einem Beinknochen, auf den ich keinen Einfluss habe. Mit Kloß im Hals sehe ich die Jets davonfliegen, ohne mich. Doch so schnell will ich mich nicht geschlagen geben. »Aber das sind doch nur 0,5 Zentimeter«, sage ich so lässig wie möglich. »Ich saß während der Messung wirklich sehr ungünstig und falsch. Könnten wir das nicht noch mal messen, nur um sicherzugehen?« Die Prüferin sieht mich an und nickt. Zack, sitze ich wieder auf dem Vermessungsgerät und rutsche, so weit es nur irgendwie geht, mit meinen Knien und meinem Gesäß nach vorne. »Ach sehen Sie, das sind ja doch 55,6 Zentimeter. Na dann!« Der Medizintest ist also bestanden … aber wie ich in der Realität auf einen Schleudersitz passen würde, zeigte sich erst viel später. Spoiler: Ein kleiner, leichter Mensch »schleudersitzt« sehr viel sicherer als ein breiter, schwerer Mensch …

Lernen, fliegen zu lernen

Die fliegerische Lernprobe ist die letzte Hürde auf dem Weg ins Cockpit. Sie dauert eine ganze Woche. Jeden Tag gibt es Theorieunterricht, ein Briefing, einen Simulatorflug und eine Nachbesprechung. Ein Debriefing. Dabei kommt es in dieser Phase weniger darauf an, wie gut jemand schon fliegen kann. Es geht vielmehr darum, wie gut jemand fliegen lernen kann. Kann die Kandidatin zuhören und neues Wissen schnell umsetzen? Wird sie von Flug zu Flug besser?

Am letzten Tag dieser Woche steht der große Abschlussflug im Simulator an: Es geht darum, vom Flugplatz wegzufliegen, mit einer Karte zu navigieren, bestimmte Wegpunkte zu finden und dann mit einem Notfall zurechtzukommen.

Der Flug beginnt reibungslos, ich bin gut vorbereitet. Maschine anlassen – check. Starten – check. Erster Wegpunkt – check. Zweiter Wegpunkt, dritter, vierter, fünfter … äh … wo bin ich? Ich sehe grün, hellgrün und wieder grün. Nur grün! Hilfe! Da fällt es mir wieder ein: cool bleiben. Nichts anmerken lassen – nicht zappeln, nicht brabbeln. Da! Ein schöner, blauer Fluss taucht in der 90er-Jahre-Testsimulator-Grafik auf. Das ist der Hinweis, den ich verzweifelt suche. Mein Pokerface sitzt. Von meinen Schweißperlen bekommen die Prüfer hoffentlich nur wenig mit …

Alarm! Rote Lampe! Triebwerksschaden. »Flieg bei Schaden einen »Straight-in« zum nächsten Flugplatz!«, haben sie gesagt. Ich habe das so verstanden, dass man möglichst gerade und ohne Umschweife auf den Flugplatz zufliegt und direkt landet. Doch als ich dem Flugplatz näher komme, erkenne ich, dass das ein Fehler war. Ich fliege genau im rechten Winkel, also mit der Nase quer zur Landebahn! So kann ich nicht aufsetzen! Was tun!??

Pokerface. Nachdenken. Die Anweisung ist: »Flieg einen Straight-in, lande so schnell wie möglich, du bist ein Notfall.« Wenn ich jetzt eine große Kurve um den Platz fliege, um die Flugzeugnase in eine Linie mit der Landebahn zu bringen, ist das auf keinen Fall mehr »schnellstmöglich«. Also direkt abdrehen und auf dem kurzen Weg zur Landebahn kommen?

Der Prüfungs-Simulator besteht nur aus zwei großen Bildschirmen und einem kleinen, Cockpit-ähnlichen Arbeitsplatz. Anders als bei einem echten Flugsimulator kann ich nicht nach rechts, links und unten schauen. Wenn sich die Landebahn aus meinem Gesichtsfeld bewegt, ist sie für mich … weg.

Ein einziger Satz aus meinem Vorbereitungsseminar Wochen zuvor poppt in meinem Kopf hoch. »Egal, was du tust: Entscheide dich! Zieh deine Entscheidung durch. Sage, dass dein Weg deiner Meinung nach der effektivste Weg war, um den Notfall zu lösen.«

Ich atme einmal tief ein, und entscheide mich für den direkten Weg. Ich fliege die Landebahn weiter im rechten Winkel an, warte, bis sie aus meiner Sicht verschwindet, zähle im Kopf bis fünf und fliege dann eine steile Abschwungkurve. Ich sehe grün. Hellgrün. Grün. Die Sekunden dehnen sich zur Ewigkeit. Ich schicke ein Stoßgebet zum Himmel. Ich drehe, drehe, drehe. Da! Die Landebahn! Sie erscheint direkt vor mir, ich setze auf, ich bremse hart. Stehe.

Ich hätte am liebsten laut losgelacht, aber verziehe keine Miene. Cool as a cucumber, also betont lässig, steige ich aus dem Simulator aus und marschiere zum Debriefing. »Was haben Sie sich denn dabei gedacht?«, war die erste und einzige Frage der Prüfer. »Ein Straight-in bedeutet, dass Sie gerade, straight!, in Richtung Landebahn anfliegen! Wie jeder Airliner, immer!« Kleine Flieger und Militärmaschinen, so dozieren sie weiter, kennen zwar auch eine Platzrunde und eine Endanflugkurve – gemeint ist eine lange, weite Kurve. Aber die richtige Idee für diesen Prüfungsflug wäre ein langer, gerader Endanflug gewesen. Jedenfalls nicht Nicolas Kamikaze-Manöver. Schluck.

Doch auch auf Notfälle dieser Art bin ich vorbereitet. »Das«, sage ich möglichst cool und im Brustton der Überzeugung, »war meiner Meinung nach der effektivste Weg, um den Notfall zu lösen!« Pokerface. Die beiden Prüfer blicken mich an. Auf ihren Gesichtern macht sich ein Grinsen breit. »Ja, also das war tatsächlich gut gemacht! Sie haben bestanden! Gratulation.« 

Talent ist ein Mythos

In der Fliegerei muss man zwei Dinge beherrschen: das Große und das Feine. Und das Leben hatte damals eine gute und eine schlechte Nachricht für mich: Ich hatte eine gewisse Veranlagung für das eine und ein eher überschaubares Talent für das andere. 

Das »Große« in der Fliegerei ist, das Big Picture, wenn ich den Gesamtüberblick behalten kann, Informationen gut sortieren und mein Flugzeug effektiv dahin bringen kann, wo es zu diesem Zeitpunkt sinnvollerweise sein soll. Wie ein Fußballspieler, der auf dem Platz den Überblick behält und jederzeit taktisch richtig steht.

Das »Feine« in der Fliegerei ist die Feinmotorik. Die Fähigkeit, das Flugzeug wirklich präzise zu kontrollieren und im Zentimeterbereich passgenau zu steuern. Wie ein Fußballer, der perfekte Dribblings und Ballakrobatik beherrscht.

Den Überblick behalten, Informationen strukturieren, Aufgaben ordnen – das war meine Stärke. In enger Formation fliegen oder gar in der Luft tanken und dabei einen 70 Zentimeter kleinen Korb mit dem Ausleger meines Flugzeuges treffen – schwierig, schwierig!

Wenn ich an das Konzept von »unveränderlichem Talent« glaube, in einem Bereich aber keines habe, stehe ich vor einer unüberwindlichen Hürde. Und dann? Den Berufswunsch aufgeben? Eben nicht! Viel sinnvoller ist es, diese falsche Vorstellung von »Talent« über Bord zu werfen. Und sich stattdessen mit »Lernen« zu befassen.

Heute liebe ich es, meine kleine Tochter zu beobachten. Wie allen Kleinkindern macht es ihr überhaupt nichts aus, etwas nicht zu können. Aus Erwachsenenperspektive: »In etwas schlecht zu sein.« Malen – schlecht. Sandburg bauen – schlecht. Fahrrad fahren – schlecht. Kleine Kinder kennen das nicht anders, sie machen das alles zum ersten Mal. Klar klappt das nicht, Kinder wissen das intuitiv. Nur Erwachsene vergessen, wie das ist. Sie ertragen es nicht mehr, am Anfang »in etwas schlecht zu sein«. Dabei ist diese Phase kurz. Schon 20 Stunden machen einen Unterschied.

Egal, was ich 20 Stunden lang übe, danach kann ich etwas, was ich vorher nicht konnte. 20 Stunden Klavier spielen? Reicht für Für Elise. 20 Stunden Japanisch lernen? In Tokio werde ich nicht verhungern. 20 Stunden Flugunterricht? Dann kann ich schon alleine abheben. Tatsächlich: Der Ausbildungsplan für Jetpiloten sieht den ersten Alleinflug beim neunten Übungsflug vor. Nach maximal 15 Flugstunden. Das funktioniert. Nur glaubt das keiner, bis es so weit ist – auch ich nicht. Kurz gesagt:

Um gut fliegen zu können, ist nicht das Talent entscheidend, sondern das Training. Richtig lernen zu können heißt, alles lernen zu können.

Training macht den Unterschied

»Das Talent wurde ihm in die Wiege gelegt …« Begabung, Talent, Genialität interpretieren wir im Alltag und umgangssprachlich gerne so, als handele es sich um angeborene und nicht wirklich beeinflussbare Fähigkeiten. Eine natürliche Veranlagung für Hockey, Klavier, Loopings. Natürlich hoffen am Anfang alle Flugschüler, dass sich auf wundersame Weise bald herausstellt, dass sie »God’s Gift to Aviation« sind, also das Wunderkind, von dem alle träumen. Es stellt sich aber in dieser rigorosen Umgebung schnell heraus, dass es Wunderkinder nicht gibt. Dass es ein angeborenes, »unveränderliches Talent« nicht gibt. Dass es auch den stereotypen Superflieger à la Top Gun-Maverick nicht gibt. Das ist Mythos. Hollywood.

Tatsächlich gibt es Flugschüler in der Realität in allen Größen, Geschlechtern, sexuellen Orientierungen, Religionen, Hautfarben und Herkünften und unabhängig davon die ganze Bandbreite an Begabungen, wenn sie ihre Ausbildung beginnen. Einige tun sich in den ersten Flügen wahnsinnig schwer, auch nur den Landeplatz zu finden. Andere landen beim dritten Versuch, als hätten sie nie etwas anderes gemacht. Dennoch wäre bei Trainingsbeginn jede Wette verloren, wer eines Tages Weltklasse fliegt und wer nicht. Denn die Hauptaufgabe für Flugschüler am Anfang ist es nicht, den fehlerfreiesten Flug zu absolvieren, sondern zu lernen, wie man fliegen lernt. Und dabei ist nicht das Talent entscheidend, sondern das Training. Was nichts anderes heißt als:

Auch du könntest einen Jet fliegen.

Tatsächlich könnte fast jeder fast alles lernen, wenn er nur genug Zeit investiert. Dass es so ist, haben Anfang der 1990er Jahre der Psychologe K. Anders Ericsson und seine Forscherkollegen Ralf Krampe und Clemens Tesch-Römer herausgefunden. Sie teilten junge Menschen, die Geige studierten, in drei Gruppen auf: In Gruppe 1 waren die angehenden Weltklasse-Solisten, in Gruppe 2 die guten Musiker und in der dritten Gruppe diejenigen, die wahrscheinlich irgendwann an irgendeiner Schule Musiklehrer werden.