The Things we leave unfinished - Rebecca Yarros - E-Book
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Rebecca Yarros

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Beschreibung

Ein emotionales Meisterwerk von einer New-York-Times-Bestsellerautorin. Der TikTok-Erfolg endlich auf Deutsch. Georgia Stanton steht am Tiefpunkt ihres Lebens. Nach einer schmerzhaften Scheidung kehrt sie in ihre Heimat Colorado zurück, um sich um den literarischen Nachlass ihrer Urgroßmutter zu kümmern. Scarlett Stanton war eine erfolgreiche Liebesromanautorin. Nur ein einziges Buch hat sie nie beendet – die Geschichte ihrer eigenen großen Liebe, die sie in den Wirren des Zweiten Weltkriegs fand und verlor. Noah Harrison befindet sich als Autor auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Er bekommt von seinem Verlag die einzigartige Chance, das letzte Manuskript seines literarischen Idols zu beenden. Wäre da nicht Georgia. Georgia, die ihm auf jedem Schritt des Weges widerspricht und ohne deren Segen er kein einziges Wort schreiben darf. Und die ihn mit jedem Tag mehr fasziniert … Auf zwei Zeitebenen erzählt dieser Roman von zwei großen Lieben – und von den Enden, die wir nicht kommen sehen … «Diese Geschichte haut einen um.» Publishers Weekly  «Mit seinen zwei gleichermaßen mitreißenden Erzählsträngen wird dieses Buch selbst abgebrühte Liebesromanleser:innen für sich einnehmen.» Kirkus Reviews

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Seitenzahl: 715

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Rebecca Yarros

The Things we leave unfinished

Roman

 

 

Aus dem Englischen von Nina Bellem

 

Über dieses Buch

Was ist ein Happy End?

 

Georgia Stanton steht am Tiefpunkt ihres Lebens. Nach einer schmerzhaften Scheidung kehrt sie in ihre Heimat Colorado zurück, um sich um den literarischen Nachlass ihrer Urgroßmutter zu kümmern. Scarlett Stanton war eine erfolgreiche Liebesromanautorin. Nur ein einziges Buch hat sie nie beendet – die Geschichte ihrer eigenen großen Liebe, die sie in den Wirren des Zweiten Weltkriegs fand und verlor.

Noah Harrison befindet sich als Autor auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Er bekommt von seinem Verlag die einzigartige Chance, das letzte Manuskript seines literarischen Idols zu beenden. Wäre da nicht Georgia. Georgia, die ihm auf jedem Schritt des Weges widerspricht und ohne deren Segen er kein einziges Wort schreiben darf. Und die ihn mit jedem Tag mehr fasziniert …

 

Auf zwei Zeitebenen erzählt dieser Roman von zwei großen Lieben – und von den Enden, die wir nicht kommen sehen …

Vita

Rebecca Yarros ist seit über 20 Jahren mit einem Air-Force-Piloten verheiratet, hat sechs Kinder zwischen Schul- und Uni-Alter und lebt in Colorado. Ihre jüngste Tochter kam als Pflegekind in die Familie, bevor Rebecca und ihr Mann sie adoptierten. Sie kämpft mit ihrer gemeinnützigen Organisation «One October» mit ganzem Herzen für Kinder in Not. Sie hat bereits Bücher in unterschiedlichen Genres geschrieben und ist New-York-Times-Bestsellerautorin. «The Things we leave unfinished» wurde mit fast 40 Millionen Abrufen zum viralen Hit auf TikTok. Weitere Informationen über die Autorin und ihre Bücher sind auf ihrer Homepage zu finden: rebeccayarros.com

 

Nina Bellem ist im Ruhrgebiet geboren und aufgewachsen. Nach ihrem Studium zog es sie nach Korea und Hawaii, bevor es nach Berlin ging. In der großen Stadt machte sie es sich mit Mann und Reiseführern gemütlich und wechselte vom Agenturleben in die Freiberuflichkeit. Nachdem Berlin aber zu eng wurde, ging es mitsamt Mann und Reiseführern zurück ins schöne Ruhrgebiet, wo sie auch heute noch lebt.

Impressum

Die Originalausgabe erschien 2021 unter dem Titel «The Things We Leave Unfinished» bei Amara/Entangled Publishing, LLC.

 

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, September 2023

Copyright © 2023 by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg

«The Things We Leave Unfinished» Copyright © 2021 by Rebecca Yarros

Redaktion Marion Labonte

Zitate auf den Seiten 279 und 475 aus Jane Austen, Stolz und Vorurteil. Aus dem Englischen von Helga Schulz, München 1997

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages.

Covergestaltung ZERO Werbeagentur, München

Coverabbildung Shutterstock

Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation

Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

ISBN 978-3-644-01856-3

www.rowohlt.de

 

Alle angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Printausgabe.

Für Jason

 

In Gedenken an die Tage, an denen die Granatsplitter zu spüren sind und uns daran erinnern, dass wir nach zweiundzwanzig Jahren in Uniform und fünf Kriegseinsätzen zu denen zählen, die das Glück auf ihrer Seite haben, mein Liebster.

Wir sind der Blitzeinschlag.

Mein liebster Jameson,

 

dies ist nicht unser Ende. Mein Herz wird immer bei dir sein, egal wo wir auch sind. Für eine Liebe wie die unsere sind Zeit und Entfernung nicht mehr als kleine Unannehmlichkeiten. Ob nun Tage, Monate oder sogar Jahre vergehen, ich werde warten. Wir werden warten. Du wirst mich dort finden, wo der Bach in einer Biegung um die sich wiegenden Espen fließt, so, wie wir beide es uns erträumt haben; genau dort werde ich warten mit dem, den wir beide lieben. Es zerreißt mir geradezu das Herz, dich verlassen zu müssen, aber ich tue es für dich. Ich sorge für unsere Sicherheit. Ich werde für den Rest meines Lebens jede Sekunde, jede Stunde, jeden Tag auf dich warten, und wenn das nicht reicht, dann in Ewigkeit, denn genauso lange werde ich dich lieben, Jameson.

 

Komm zurück zu mir, mein Liebster.

Scarlett

Kapitel 1

Georgia

Georgia Ellsworth. Ich strich mit dem Daumen über meine Kreditkarte und wünschte, ich könnte so fest reiben, dass die Buchstaben verschwinden. Sechs Jahre Ehe, und das Einzige, was ich daraus mitgenommen hatte, war ein Name, der nicht einmal mir gehörte.

In ein paar Minuten würde ich nicht einmal den mehr haben.

«Nummer achtundneunzig?», rief Juliet Sinclair von ihrem Arbeitsplatz aus durch die Plexiglasscheibe, als wäre ich nicht die einzige wartende Person in der Meldestelle in Poplar Grove, und das schon seit einer geschlagenen Stunde. Heute Morgen war ich nach Denver geflogen und dann bis nachmittags durchgefahren, ich war nicht einmal zu Hause gewesen – das zeigte, wie verzweifelt ich die letzten Reste von Damian in meinem Leben loswerden wollte.

Hoffentlich würde mit dem Verlust seines Namens auch der Schmerz über den Verlust von ihm und sechs Jahren meines Lebens abnehmen.

«Hier.» Ich steckte meine Kreditkarte weg und trat zu Juliet vor die Glasscheibe.

«Wo ist deine Nummer?», fragte sie, streckte mir die Hand entgegen und grinste zufrieden. Ein Grinsen, das sich seit der Highschool kaum verändert hatte.

«Ich bin die Einzige hier, Juliet.» Die Erschöpfung pochte in jedem Nerv meines Körpers. Sobald ich das hier überstanden hatte, würde ich mich in einem von Grans großen Sesseln zusammenrollen und die Welt für den Rest meines Lebens ignorieren.

«Die Vorschriften besagen …»

«Ach, hör auf, Juliet.» Sophie verdrehte die Augen, als sie in Juliets Kabine trat. «Außerdem bin ich diejenige, die Georgias Unterlagen bearbeitet hat. Geh und mach Pause oder irgendetwas anderes.»

«Na schön.» Juliet gab ihren Platz für Sophie frei, die ein Jahr vor uns ihren Abschluss gemacht hatte. «Schön, dich mal wieder gesehen zu haben, Georgia.» Ein künstlich süßes Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie sich vom Tresen entfernte.

«Danke, gleichfalls.» Ich schenkte ihr das geübte Lächeln, das mir in den letzten Jahren als Klebstoff gedient hatte, damit ich nicht zerbrach, während alles um mich herum zerfiel.

«Entschuldige bitte.» Sophie schauderte leicht, rümpfte die Nase und rückte ihre Brille zurecht. «Sie ist … Na ja, sie hat sich eben kaum verändert. Wie auch immer, mit den Unterlagen scheint alles in Ordnung zu sein.» Sie reichte mir die Papiere zurück, die mir mein Anwalt gestern Nachmittag zusammen mit meiner neuen Sozialversicherungskarte gegeben hatte, und ich steckte sie in den Umschlag. Welch eine Ironie, dass mein Leben aus den Fugen geraten war, die physische Manifestation dieser Auflösung aber von einer perfekten Heftklammer zusammengehalten wurde. «Ich habe die Scheidungsvereinbarung und das ganze andere nicht gelesen», sagte sie leise.

«Es stand in der Celebrity Weekly!», zwitscherte Juliet aus dem Hintergrund.

«Diesen Boulevardmüll liest nicht jeder!», rief Sophie als Antwort über ihre Schulter, dann schenkte sie mir ein mitfühlendes Lächeln. «Alle hier waren wirklich stolz darauf, wie du hocherhobenen Hauptes weitergemacht hast während … all dem.»

«Danke, Sophie», antwortete ich und schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter. Das Einzige, was noch schlimmer war als das Scheitern einer Ehe, vor der mich alle gewarnt hatten, war die Tatsache, dass mein Liebeskummer und meine Demütigung auf sämtlichen einschlägigen Websites und Illustrierten für die Liebhaber von Klatsch und Tratsch ausgebreitet waren, die jeden Bericht über eine persönliche Tragödie als Guilty Pleasure verschlangen.

Meinen Kopf hoch erhoben und den Mund geschlossen zu halten, wenn Kameras auf mich gerichtet waren, war genau das, was mir in den vergangenen sechs Monaten den Spitznamen «Die Eiskönigin» eingebracht hatte, aber wenn das der Preis dafür war, den letzten Rest meiner Würde wahren zu können, dann war es das wert.

«Also, kann ich sagen: Willkommen zu Hause? Oder bist du nur zu Besuch hier?» Sophie reichte mir ein kleines bedrucktes Papier, das meinen vorläufigen Führerschein darstellte, bis der neue mit der Post kam.

«Ich bin wieder zu Hause.» Meine Antwort hätte ich genauso gut über das Radio verbreiten können. Juliet würde dafür sorgen, dass es noch vor dem Abendessen jeder in Poplar Grove erfuhr.

«Na, dann: Willkommen zu Hause!» Sie lächelte strahlend. «Man munkelt, dass deine Mom auch in der Stadt ist.»

Mir drehte sich der Magen um.

«Wirklich? Ich … äh … war noch nicht im Haus.» Man munkelt bedeutete, dass Mom entweder in einem der beiden Lebensmittelläden oder in der örtlichen Bar gesichtet worden war. Die zweite Möglichkeit war viel wahrscheinlicher. Vielleicht war es aber auch eine gute …

Beende den Satz nicht.

Ich wollte nicht einmal daran denken, dass Mom hier sein könnte, um mir zu helfen, das würde sowieso nur mit einer herben Enttäuschung enden. Sie wollte etwas.

Ich räusperte mich. «Wie geht es deinem Vater?»

«Es geht ihm gut! Sie glauben, dass sie diesmal alles entfernt haben.» Sie verzog das Gesicht. «Es tut mir wirklich leid, was dir passiert ist, Georgia. Ich kann mir nicht mal vorstellen, dass mein Mann …» Sie schüttelte den Kopf. «Wie auch immer, das hast du nicht verdient.»

«Danke.» Ich wandte den Blick ab, er fiel auf ihren Ehering. «Grüß Dan von mir.»

«Mache ich.»

Ich trat hinaus in die Nachmittagssonne, die die Main Street in ein beruhigendes, friedliches Licht tauchte, und seufzte erleichtert auf. Ich hatte meinen Namen wieder, und die Stadt sah genau so aus, wie ich sie in Erinnerung hatte. Familien genossen schlendernd das Sommerwetter, Freunde unterhielten sich vor der malerischen Kulisse der felsigen Berge. Die Einwohnerzahl von Poplar Grove war niedriger als die Anzahl Meter, die das Städtchen über dem Meeresspiegel lag, aber hoch genug für den Bedarf an einem halben Dutzend Ampeln, und die Gemeinschaft war so eng, dass Privatsphäre ein seltenes Gut war. Oh, und es gab eine ausgezeichnete Buchhandlung.

Dafür hatte Gran gesorgt.

Ich warf meinen Papierkram auf den Beifahrersitz des Mietwagens und hielt inne. Mom war wahrscheinlich gerade im Haus – ich hatte es nach der Beerdigung nie von ihr zurückverlangt. Plötzlich hatte ich es nicht mehr so eilig, dorthin zu fahren. Die vergangenen Monate hatten mir mein Mitgefühl, meine Kraft und sogar meine Hoffnung geraubt. Ich war mir nicht sicher, ob ich mit Mom würde umgehen können, wenn ich nur noch Wut in mir trug.

Aber jetzt war ich wieder zu Hause, wo ich mich erholen konnte, bis ich wieder heil war.

Erholung. Das war genau das, was ich brauchte, bevor ich auf Mom traf. Ich ging über die Straße zu The Sidetable, dem Laden, den Gran einst zusammen mit einer ihrer engsten Freundinnen eröffnet hatte. Laut ihrem Testament war ich nun stille Teilhaberin. Ich war … eigentlich alles.

Beim Anblick des Zu-Verkaufen-Schilds an der ehemaligen Tierhandlung von Mr. Navarro wurde mir das Herz schwer. Es war ein Jahr her, seit Gran mir von seinem Tod erzählt hatte, und das hier war eine erstklassige Immobilie an der Main Street. Warum hatte sich kein anderes Geschäft dort eingemietet? Hatte Poplar Grove zu kämpfen? Der Gedanke lag mir wie saure Milch im Magen, als ich den Buchladen betrat.

Es roch nach Papier und Tee, gemischt mit ein wenig Staub und Heimat. Während meiner Zeit in New York hatte ich in keiner Ladenkette auch nur annähernd einen so beruhigenden Duft gefunden, und mit dem ersten Atemzug spürte ich, wie mir die Trauer in den Augen brannte. Gran war seit sechs Monaten fort, und ich vermisste sie sehr. Das Loch in meinem Herzen war so groß, dass ich bisweilen dachte, ich würde zusammenbrechen.

«Georgia?» Mrs. Riveras Kinnlade klappte kurz herunter, dann lächelte sie breit, während sie hinter dem Tresen ihr Telefon zwischen Ohr und Schulter balancierte. «Peggy, warte mal eine Sekunde.»

«Hey, Mrs. Rivera.» Ich grinste und winkte in Richtung ihres beruhigend vertrauten Gesichts. «Meinetwegen müssen Sie nicht auflegen. Ich wollte nur mal kurz vorbeischauen.»

«Es ist so schön, dich zu sehen!» Sie blickte auf ihr Telefon. «Nein, nicht dich, Peggy. Georgia ist gerade reingekommen!» Der Blick ihrer warmen braunen Augen fand wieder meinen. «Ja, die Georgia.»

Ich winkte noch einmal, während sie das Gespräch fortsetzte, und ging dann nach hinten in den Bereich für Liebesromane, wo zahlreiche Regale allein die Bücher beherbergten, die Gran geschrieben hatte. Ich nahm den letzten Roman, den sie veröffentlicht hatte, in die Hand und schlug das Buch auf, um einen Blick auf ihr Gesicht werfen zu können. Wir hatten die gleichen blauen Augen, aber sie hatte um ihren fünfundsiebzigsten Geburtstag herum aufgehört, ihre schwarzen Haare zu färben – ein Jahr, nachdem Mom mich das erste Mal vor ihrer Haustür abgeladen hatte.

Auf dem Foto trug Gran Perlen und eine Seidenbluse, obwohl sie ansonsten immer nur eine von der Gartenarbeit verschmutzte Latzhose und einen Sonnenhut angehabt hatte, der breit genug war, um dem ganzen Bundesstaat Schatten zu spenden. Das Lächeln jedoch war dasselbe. Ich griff nach einem anderen, früher erschienenen Buch von ihr, nur um eine weitere Ausgabe dieses Lächelns zu sehen.

Die Türglocke läutete, und einen Moment später tauchte direkt hinter mir im Gang mit der Belletristik ein Mann auf und begann zu stöbern, während er telefonierte.

«Eine moderne Jane Austen», las ich flüsternd das Zitat auf dem Umschlag vor. Gran war die größte Romantikerin, die ich kannte, was mich immer wieder in Erstaunen versetzt hatte, und doch hatte sie die allermeiste Zeit ihres Lebens allein verbracht und Bücher über die Liebe geschrieben, die sie selbst nur für ein paar Jahre hatte erleben dürfen. Als sie Grandpa Brian heiratete, war ihnen nur ein Jahrzehnt vergönnt, bevor ihn der Krebs dahinraffte. Vielleicht waren die Frauen in meiner Familie verflucht, was ihr Liebesleben betraf.

«Was zum Teufel ist das?» Der Mann wurde lauter.

Ich hob die Augenbrauen und warf einen Blick über die Schulter.

Er hielt ein Noah-Harrison-Buch in der Hand, auf dem – natürlich – zwei Menschen in der typischen Kurz-vor-dem-Kuss-Haltung zu sehen waren.

«Weil ich mitten in den Anden meine E-Mails nicht gecheckt habe. Also ja, ich sehe das neue Buch jetzt zum ersten Mal.» Der Typ kochte förmlich vor Wut, er nahm einen weiteren Harrison und hielt beide direkt nebeneinander. Zwei verschiedene Paare, bei beiden die exakt gleiche Pose.

Ich würde auf jeden Fall bei meiner Buchwahl bleiben, oder zumindest bei irgendeinem anderen Titel aus dem Liebesroman-Genre.

«Sie sehen genau gleich aus, das ist ja das Problem. Was war falsch an den alten … Ja, ich bin stinksauer! Ich bin seit achtzehn Stunden unterwegs, und falls du es vergessen hast: Ich habe meine Forschungsreise abgebrochen, um herzukommen. Ich sage dir, sie sehen genau gleich aus. Warte, ich beweise es dir. Miss?»

«Ja?» Ich drehte mich ein kleines Stück zur Seite – und starrte unmittelbar auf zwei Buchcover, direkt vor meinem Gesicht. Geht’s noch näher?

«Sehen die Ihrer Meinung nach gleich aus?»

«Ja. Sie sind eigentlich austauschbar.» Ich schob das erste von Grans Büchern zurück ins Regal und verabschiedete mich in Gedanken leise, so wie jedes Mal, wenn ich eines ihrer Werke in einer Buchhandlung besuchte.

Würde ich sie irgendwann nicht mehr so sehr vermissen?

«Verdammt. Sie sollen nicht gleich aussehen!», schnauzte der Typ. Hoffentlich war das an den armen Menschen am anderen Ende der Leitung gerichtet, denn falls er in diesem Ton mit mir sprach, würde das nicht gut für ihn ausgehen.

«Na ja, nur zu seiner Verteidigung: Seine Bücher lesen sich auch alle gleich», murmelte ich. Scheiße. Bevor ich es verhindern konnte, waren mir die Worte auch schon herausgerutscht. Ich schätze, mein Filter war genauso abgestumpft wie meine Gefühle. «Entschuldigung, das …» Ich drehte mich ganz zu ihm, hob den Blick und fand mich zwei dunklen Augenbrauen gegenüber, die sich erstaunt über zwei ebenso dunklen Augen wölbten. Whoah.

Mein angeknackstes Herz machte einen Sprung – genau wie bei den Heldinnen in Grans Büchern. Er war der umwerfendste Mann, den ich je gesehen hatte, und als Ex-Frau eines Filmregisseurs war ich in dieser Hinsicht bisher nicht zu kurz gekommen.

Oh, nein, nein, nein. Du bist immun gegen gut aussehende Männer, warnte mich die logische Hälfte meines Gehirns, aber ich war zu sehr mit Anstarren beschäftigt, um sie zu hören.

«Die Bücher lesen sich nicht …» Er blinzelte. «Ich ruf dich später noch mal an», beschied er, nahm beide Bücher in eine Hand, legte auf und steckte sein Handy in die Tasche.

Er war etwa in meinem Alter – Ende zwanzig, vielleicht Anfang dreißig – und mindestens eins achtzig groß. Seine Frisur sah aus, als wäre er gerade erst aufgestanden, das schwarze Haar fiel über gebräunte, olivfarbene Haut bis hinunter zu seinen erhobenen schwarzen Augenbrauen und diesen unglaublich dunklen braunen Augen. Die Nase war gerade, seine wohlgeformten Lippen erinnerten mich daran, dass ich schon lange nicht mehr geküsst worden war, und sein Kinn bedeckte ein leichter Bartschatten. Er schien nur aus kantigen, wie gemeißelten Gesichtszügen zu bestehen, und angesichts der Art und Weise, in der sich die Muskeln auf seinen Unterarmen bewegten, würde ich darauf wetten, dass er sich im Fitnessstudio ziemlich gut auskannte … und wahrscheinlich auch im Schlafzimmer.

«Haben Sie gerade gesagt, die Bücher lesen sich alle gleich?», fragte er langsam.

Ich blinzelte. Stimmt ja. Die Bücher. Ich verpasste mir insgeheim eine Ohrfeige, weil ich wegen eines hübschen Gesichts den Faden verloren hatte. Ich hatte erst seit knapp zwanzig Minuten meinen alten Namen zurück, und Männer standen in absehbarer Zukunft nicht auf dem Speiseplan.

Außerdem kam er nicht einmal aus der Gegend. Achtzehn Stunden Reise hin oder her, seine maßgeschneiderten Hosen posaunten die Designerkleidung geradezu heraus, und die Ärmel seines weißen Leinenhemds waren in diesem lässig-unordentlichen Stil aufgerollt, der alles andere als lässig war. Männer in Poplar Grove hatten nichts mit Tausend-Dollar-Hosen am Hut und auch keinen New Yorker Akzent.

«Na ja, ziemlich gleich. Junge trifft Mädchen, sie verlieben sich ineinander, es kommt zu einer Tragödie, jemand stirbt.» Ich zuckte mit den Schultern und war stolz darauf, dass meine Wangen nicht glühten und mich möglicherweise verrieten. «Dann noch eine Prise Gerichtsdrama, ein bisschen unbefriedigender, aber poetischer Sex und vielleicht eine Szene am Strand, und das war es. Falls Ihnen diese Art von Buch gefällt, machen Sie mit keinem von beiden etwas falsch.»

«Unbefriedigend?» Seine Augenbrauen zogen sich zusammen, dann sah er von dem einen zu dem anderen Buch und schließlich mich an. «Es stirbt nicht immer jemand.»

Offenbar hatte er ein oder zwei Harrison-Bücher gelesen. «Okay, nur in achtzig Prozent der Fälle. Überzeugen Sie sich einfach selbst», schlug ich vor. «Das ist jedenfalls der Grund, warum er auf dieser Seite des Ladens im Regal steht», ich deutete auf das Schild mit der Aufschrift «Belletristik», «und nicht auf dieser Seite.» Mein Finger schwenkte zu dem Schild «Liebesromane».

Seine Kinnlade klappte für eine Millisekunde herunter. «Vielleicht beinhalten seine Geschichten auch einfach mehr als Sex und unrealistische Erwartungen.» Seine Attraktivität sank um ein oder zwei Stufen, als er eines meiner liebsten Aufreger-Themen direkt ansprach.

Meine Nackenhaare stellten sich auf. «In Liebesromanen geht es nicht um unrealistische Erwartungen und Sex. Es geht um Liebe und die Überwindung von Widrigkeiten durch etwas, das man als universelle Erfahrung betrachten kann.» Das war es, was Gran und die Lektüre Tausender Liebesromane mich in meinen achtundzwanzig Jahren gelehrt hatten.

«Und offenbar auch um befriedigenden Sex.» Er hob eine Braue.

Ich befahl mir selbst, nicht zu erröten, denn seine Lippen schienen das Wort regelrecht zu liebkosen.

«Hey, wenn Sie Sex nicht mögen oder es Ihnen unangenehm ist, wenn eine Frau ihre Sexualität auslebt, dann sagt das mehr über Sie aus als über das Genre, denken Sie nicht?» Ich neigte den Kopf zur Seite. «Oder haben Sie etwas gegen Happy Ends?»

«Ich mag Sex, ich bin sehr für Frauen, die ihre Sexualität ausleben, und Happy Ends mag ich auch.» Ein Knurren lag in seiner Stimme.

«Dann sind das definitiv nicht die richtigen Bücher für Sie, denn das Einzige, was sie ausleben, ist allumfassendes Elend. Aber wenn es das ist, was Sie anspricht, dann viel Spaß.» So viel zum Thema, die Eiskönigin hinter sich zu lassen. Da stand ich nun und stritt mit einem völlig Fremden in einer Buchhandlung.

Er schüttelte den Kopf. «Es sind Liebesgeschichten. Hier steht es.» Er hielt einen der Einbände hoch, auf dem zufällig ein Zitat von Gran stand. Das Zitat. Ein Zitat, um das ihr Verleger Gran zuvor so oft gebeten hatte. Als sie ihm den Wunsch schließlich erfüllte, hatte er aus dem, was sie zu sagen hatte, das Beste machen müssen.

«Niemand schreibt Liebesgeschichten wie Noah Harrison», las ich, und ein leichtes Lächeln umspielte meine Lippen.

«Ich würde sagen, dass Scarlett Stanton eine ziemlich angesehene Liebesromanautorin ist, meinen Sie nicht?» Er grinste umwerfend sexy. «Wenn sie sagt, dass es eine Liebesgeschichte ist, dann ist es eine Liebesgeschichte.»

Wie konnte jemand, der so umwerfend gut aussah, mich dermaßen auf die Palme bringen?

«Ich würde sagen, dass Scarlett Stanton nachweislich die angesehenste Liebesromanautorin ihrer Generation ist.» Ich schüttelte den Kopf, legte Grans anderes Buch dorthin zurück, wo es hingehörte, und wandte mich zum Gehen, bevor ich noch völlig ausrastete, weil dieser Kerl mit Grans Namen um sich warf, als hätte er sie gekannt.

«Also kann man ihrer Empfehlung doch vertrauen, oder nicht? Als Mann, der einen Liebesroman lesen will. Oder sind Sie der Meinung, Liebesgeschichten können nur von Frauen geschrieben werden?», rief er mir nach.

Ernsthaft? Ich drehte mich am Ende des Ganges um, und bei seinem Anblick gewann mein Temperament die Oberhand. «Was Sie bei diesem Zitat übersehen, ist der fehlende Teil davon.»

«Was meinen Sie damit?» Zwischen seinen Augenbrauen bildeten sich zwei Furchen.

«Das war nicht das Originalzitat.» Ich blickte an die Decke und versuchte, mich an Grans Worte zu erinnern. «Wie lautete es noch … Niemand schreibt so leidvoll-deprimierende Romane, getarnt als Liebesgeschichten, wie Noah Harrison. Der Verlag hat es für den Klappentext überarbeitet.» Damit ist er zu weit gegangen. Fast konnte ich Grans Stimme in meinem Kopf hören.

«Was?» Es lag vermutlich daran, dass er sich unter dem Neonlicht bewegte, aber er sah blasser aus.

«Na ja, das kommt häufiger vor.» Ich seufzte. «Ich bin mir nicht sicher, ob Sie es bemerkt haben, aber hier in Poplar Grove kannten alle Scarlett Stanton ziemlich gut, und sie hat mit ihrer Meinung nie hinterm Berg gehalten.» Ich schätze, das ist genetisch bedingt. «Wenn ich mich recht erinnere, sagte sie, dass er ein Gespür für Beschreibungen und … eine Vorliebe für Alliterationen hatte.» Das war das Netteste, was sie gesagt hatte. «Es war nicht sein Stil, der ihr nicht gefiel – nur seine Geschichten.»

Ein Muskel in seinem Kiefer zuckte. «Na ja, zufälligerweise gefallen mir Alliterationen in meinen Liebesgeschichten.» Er machte sich mit den beiden Büchern auf den Weg in Richtung Kasse. «Danke für die Empfehlung, Miss …»

«Ellsworth», antwortete ich automatisch und zuckte leicht zusammen, kaum dass ich den Namen ausgesprochen hatte. Nicht mehr. «Viel Spaß mit Ihren Büchern, Mr. …»

«Morelli.»

Ich nickte, dann verließ ich den Laden, wobei ich spürte, wie sein Blick mir zur Tür hinaus folgte, während Mrs. Rivera beide Bücher für ihn einpackte.

So viel zum Thema Ruhe und Erholung. Das Schlimmste an diesem ganzen Streit war, dass der Mann vielleicht recht hatte und die Bücher, die Gran geschrieben hatte, wirklich unrealistisch waren. Der einzige Glücklich-bis-ans-Ende-ihrer-Tage-Mensch, den ich kannte, war meine beste Freundin Hazel, aber da sie erst seit fünf Jahren verheiratet war, war auf dieses Urteil noch kein Verlass.

Fünf Minuten später bog ich in unsere Straße ein und passierte Grantham Cottage, das nächstgelegene der Mietobjekte, die Gran besaß. Es sah unbewohnt aus, etwas, das bisher … noch nie vorgekommen war. Da wir nur etwa eine halbe Stunde von Breckenridge entfernt lagen, standen die Häuser hier nicht lange leer.

Scheiße. Du hast noch nicht mit der Hausverwaltung gesprochen. Deren Versuch, mich zu erreichen, befand sich wahrscheinlich unter den Dutzenden von nicht abgehörten Sprachnachrichten oder auch unter den tausend ungelesenen E-Mails. Die Mailbox hatte zumindest aufgehört, neue Mitteilungen anzunehmen, aber die E-Mails stapelten sich weiter. Ich musste mich zusammenreißen. Den Rest der Welt interessierte nicht, dass Damian mir das Herz gebrochen hatte.

Ich bog in die Einfahrt des Hauses, in dem ich aufgewachsen war, und stellte das Auto ab. Am Scheitelpunkt der halbrunden Auffahrt stand bereits ein Mietwagen.

Mom muss hier sein. Die allgegenwärtige Erschöpfung wurde noch größer und übermannte mich.

Ich ließ meine Koffer im Auto – die würde ich später holen –, schnappte mir meine Handtasche und machte mich auf den Weg zur Eingangstür des siebzig Jahre alten Hauses, das im Kolonialstil erbaut war. Die Blumen sind verschwunden. Hier und da waren Stauden zu sehen, alle ziemlich vertrocknet, aber in den Beeten entlang der Einfahrt gab es keine leuchtenden Farbtupfer wie sonst um diese Jahreszeit.

In den letzten Jahren – als sie selbst zu schwach war, um lange kniend arbeiten zu können – war ich hergeflogen und hatte Gran beim Pflanzen geholfen. Nicht, dass Damian mich vermisst hätte … jetzt wusste ich auch, warum.

«Hallo?», rief ich, als ich das Haus betrat. Der abgestandene Geruch von Zigarettenqualm verursachte mir Übelkeit. Hatte sie in Grans Haus geraucht? Das Parkett sah aus, als wäre es seit dem Winter nicht mehr geputzt worden, und auf dem Tisch im Foyer lag eine dicke Schicht Staub. Hätte Gran ihr Haus in diesem Zustand gesehen, hätte sie vor Wut in die Tischkante gebissen. Was war mit Lydia? Ich hatte Grans Buchhalter gebeten, die Haushälterin weiterzubeschäftigen.

Die Tür zum Wohnzimmer wurde aufgestoßen, und Mom betrat den Flur, gekleidet, als würde sie jemanden erwarten. Ihr strahlendes Lächeln verrutschte bei meinem Anblick, wurde dann aber noch breiter.

«Gigi!» Sie streckte die Arme aus und zog mich in eine zwei Sekunden andauernde Mischung aus Umarmung und Rückentätscheln, was ein ziemlich gutes Sinnbild für unsere Beziehung war.

Gott, ich hasste diesen Kosenamen.

«Mom? Was machst du denn hier?», fragte ich betont sanft, um sie nicht in einen Nervenzusammenbruch zu stürzen.

Sie zuckte zusammen, dann wich sie zurück, und ihr Lächeln wurde schwächer. «Na ja … ich habe auf dich gewartet, Liebes. Ich weiß, dass es dich schwer getroffen hat, Gran zu verlieren, und jetzt, wo du deinen Mann verloren hast, dachte ich, du könntest jemanden brauchen, der dich auffängt.» Ihre Miene triefte vor Mitleid, als sie mich von oben bis unten betrachtete und mich leicht an den Schultern fasste. Sie beendete ihre Musterung mit einer erhobenen Augenbraue. «Du siehst definitiv aus wie jemand mit Liebeskummer. Ich weiß, im Moment fühlt sich alles noch schwer an, aber ich schwöre, beim nächsten Mal wird es leichter.»

«Ich will nicht, dass es ein nächstes Mal gibt», gab ich leise zu.

«Das wollen wir nie.» Ihr Blick wurde weicher, so weich, wie er mir gegenüber noch nie gewesen war.

Meine Schultern sackten herab, und die dicken Mauern, die ich über die Jahre um mich herum aufgebaut hatte, bekamen Risse. Vielleicht begann Mom noch einmal von vorn, schlug ein neues Kapitel auf. Es war Jahre her, dass wir wirklich Zeit miteinander verbracht hatten, und vielleicht hatten wir endlich einen Punkt erreicht, an dem wir …

«Georgia?» Die Frage kam von einem Mann, der jetzt in der Flügeltür zum Wohnzimmer stand. «Ist er da?»

Meine Augenbrauen wanderten fast bis zum Haaransatz.

«Christopher, gibst du uns einen Augenblick? Meine Tochter ist gerade erst nach Hause gekommen.» Mom schenkte ihm das gewinnende Lächeln, mit dem sie ihre ersten vier Ehemänner erobert hatte, dann nahm sie meine Hand und zog mich in Richtung Küche, bevor ich einen Blick in das Zimmer hinter ihm werfen konnte. «Mom, was ist hier los? Und versuch gar nicht erst, mich anzulügen.»

Bitte sei einfach ehrlich.

Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich für den Bruchteil einer Sekunde und erinnerte mich daran, dass ihre Fähigkeit, Pläne in Windeseile zu ändern, lediglich von ihrer emotionalen Distanziertheit übertroffen wurde. Sie war in beidem überragend. «Ich schließe ein Geschäft ab», sagte sie langsam und als würde sie jedes ihrer Worte sorgsam wählen. «Kein Grund zur Sorge, Gigi.»

«Nenn mich nicht so. Du weißt, dass ich diesen Namen hasse.» Gigi war ein kleines Mädchen, das zu viel Zeit damit verbracht hatte, aus dem Fenster Rücklichtern hinterherzustarren, ich aber war erwachsen geworden. «Du schließt ein Geschäft ab?» Ich verengte die Augen zu Schlitzen.

«Es hat sich ergeben, während ich darauf gewartet habe, dass du nach Hause kommst. Ist das so abwegig? Verklag mich doch, weil ich versuche, eine gute Mutter zu sein.» Sie reckte ihr Kinn und blinzelte mehrfach schnell hintereinander, schürzte leicht die Lippen, als hätte ich sie verletzt.

Ich kaufte ihr das nicht ab.

«Woher kannte der Mann meinen Namen?» Irgendetwas stimmte hier nicht.

«Dank Damian kennt jeder deinen Namen.» Mom schluckte und strich über ihr perfekt hochgestecktes ebenholzschwarzes Haar – ein verräterisches Zeichen. Sie log. «Ich weiß, dass du verletzt bist, aber ich glaube wirklich, dass du eine Chance hast, ihn zurückzubekommen, wenn wir unsere Karten richtig ausspielen.»

Sie versuchte abzulenken. Mit einem Lächeln schob ich mich an Mom vorbei ins Wohnzimmer.

Zwei Männer sprangen auf. Der eine, der durch die Flügeltür geschaut hatte, sah gut zwanzig Jahre älter aus als der andere. Beide trugen Anzüge.

«Verzeihen Sie meine Unhöflichkeit. Ich bin Georgia Ells …» Verdammt. Ich räusperte mich. «Georgia Stanton.»

«Georgia?» Der ältere Mann wurde blass. «Christopher Charles», sagte er langsam und ließ seinen Blick zur Tür schweifen, wo meine Mutter stand.

Mir fiel ein, woher ich seinen Namen kannte: Grans Verleger. Er war Programmleiter des Imprints gewesen, für das sie vor etwa zehn Jahren im Alter von einundneunzig Jahren ihr letztes Buch geschrieben hatte.

«Adam Feinhold. Freut mich, Sie kennenzulernen, Miss Stanton», sagte der andere Mann. Beide waren jetzt aschfahl und sahen zwischen meiner Mutter und mir hin und her.

«Jetzt haben wir uns ja alle vorgestellt. Gigi, du hast doch sicher Durst? Komm, wir holen dir etwas zu trinken.» Mom kam mit schnellen Schritten und ausgestreckter Hand auf mich zu.

Ich ignorierte sie, ging zu dem großen Ohrensessel am Kopfende der Sitzgruppe und ließ mich in die vertraute Bequemlichkeit sinken.

«Und was genau hat der Verleger meiner Urgroßmutter hier in Poplar Grove, Colorado, zu suchen?»

«Sie sind wegen eines einfachen Buchvertrags hier, was denn sonst.» Mom setzte sich vorsichtig auf das Ende der Couch, das mir am nächsten war, und richtete ihr Kleid.

«Welches Buch?» Ich sprach Christopher und Adam direkt an. Mom hatte viele Talente, aber Schreiben gehörte nicht dazu, und ich hatte genug Buchverträge entstehen sehen, um zu wissen, dass Verleger nicht einfach aus Spaß ins Flugzeug stiegen.

Christopher und Adam sahen sich verwirrt an, also wiederholte ich meine Frage.

«Welches Buch?»

«Ich glaube, es hat keinen Titel», antwortete Christopher langsam.

Jeder Muskel in meinem Körper spannte sich an. Soweit ich wusste, gab es nur ein einziges Buch, das Gran nicht betitelt oder verkauft hatte. Mom würde es nicht wagen … oder doch?

Er schluckte, dann blickte er zu meiner Mutter. «Wir unterschreiben nur noch ein paar Papiere und holen das Manuskript ab. Wie Sie wissen, mochte Scarlett Computer nicht sonderlich, und wir wollten etwas so Kostbares wie das einzige existierende Originalexemplar nicht den Göttern des Versands überlassen.»

Sie lachten verlegen, und Mom stimmte mit ein.

«Welches Buch?» Diesmal fragte ich Mom, und mein Magen krampfte sich zusammen.

«Ihr erstes … und letztes.» Das Flehen in ihren Augen war unübersehbar, und ich verabscheute, dass es sich direkt in mein Herz bohrte. «Das Buch über Grandpa Jameson.»

Gleich würde ich kotzen. Direkt auf den Perserteppich, den Gran so geliebt hatte. «Es ist unvollendet.»

«Natürlich, Liebes. Aber ich habe dafür gesorgt, dass sie den Besten der Besten anheuern, um es zu Ende zu schreiben», sagte Mom in einem zuckersüßen Ton, der meinen Brechreiz nicht im Mindesten linderte. «Glaubst du nicht, dass Grandma Scarlett ihre letzten Worte gern veröffentlicht gesehen hätte?» Dann schenkte sie mir das Lächeln. Das Lächeln, das für Außenstehende offen und liebevoll aussah, für mich aber die unverhohlene Drohung beinhaltete, dass ich später, wenn wir allein waren, mit ihrer Vergeltung zu rechnen hatte, sollte ich es wagen, sie öffentlich zu blamieren.

Ich hatte viel von ihr gelernt, genug, um ihr mein ganz eigenes Lächeln zu schenken. «Nun, Mom, ich glaube, wenn Gran gewollt hätte, dass das Buch veröffentlicht wird, hätte sie es zu Ende geschrieben.» Wie konnte sie das tun?

Hinter meinem Rücken einen Deal für dieses Buch aushandeln?

«Das sehe ich anders.» Mom hob die Augenbrauen. «Sie nannte das Buch ihr Vermächtnis, Gigi. Sie hätte mit den Emotionen, die das Ende des Buches mit sich gebracht hätte, nicht umgehen können, und ich finde, es ist nur angemessen, dass wir es für sie machen. Meinst du nicht auch?»

«Nein. Und da ich die einzige Begünstigte ihres Testaments bin, die Verwalterin ihres literarischen Werks, zählt allein meine Stimme.» Ich brachte die Wahrheit so emotionslos hervor, wie ich konnte.

Sie ließ die Fassade fallen und starrte mich schockiert an. «Georgia, du wirst doch nicht leugnen …»

«Sie heißen also beide Georgia?», fragte Adam irritiert.

Ich blinzelte, während sich die Puzzleteile zusammenfügten, und dann lachte ich. «Unglaublich.» Sie hatte nicht nur heimlich ein Geschäft eingefädelt – sondern sich zudem noch als ich ausgegeben.

«Gigi …», flehte Mom.

«Sie hat Ihnen gesagt, sie sei Georgia Stanton?», formulierte ich meinen Verdacht und richtete meine volle Aufmerksamkeit auf die beiden Herren im Anzug.

«Ellsworth, aber ja.» Christopher nickte, sein Gesicht errötete zusehends, als er verstand, was los war.

«Das stimmt aber nicht. Sie ist Ava Stanton-Thomas-Brown-O’Malley … Oder heißt du immer noch Nelson? Ich weiß nicht mehr, ob du deinen Namen wieder geändert hast.» Ich sah mit erhobenen Augenbrauen zu Mom.

Sie sprang auf und funkelte mich an. «Küche. Jetzt.»

«Wenn Sie uns einen Moment entschuldigen würden.» Ich schenkte den düpierten Verlagsmitarbeitern ein rasches Lächeln und machte mich dann auf den Weg in die Küche, gespannt auf ihre Erklärung.

«Du wirst mir das nicht vermasseln!», zischte sie, kaum dass wir den Raum betraten, in dem Gran jeden Samstag gebacken hatte.

Überall auf dem Tresen stand Geschirr verstreut, und der Geruch von verdorbenem Essen lag in der Luft.

«Was ist mit Lydia?», fragte ich und deutete auf die Unordnung.

«Ich habe sie gefeuert. Sie war zu neugierig.» Mom zuckte mit den Schultern.

«Wie lange wohnst du schon hier?»

«Seit der Beerdigung. Ich habe auf dich gewartet …»

«Hör auf! Du hast Lydia gefeuert, weil du wusstest, sie würde mir sagen, dass du auf der Suche nach dem Buch bist.» Purer Zorn raste durch meine Adern. «Wie konntest du nur?»

Ihre Schultern sackten herab. «Gigi …«

«Diesen Spitznamen hasse ich, seit ich acht Jahre alt war. Also noch mal: Nenn mich nicht so», schnauzte ich. «Hast du wirklich geglaubt, du kommst damit durch, dass du dich für mich ausgibst? Die haben Anwälte, Mom! Irgendwann hättest du dich ausweisen müssen.»

«Nun, es lief alles gut, bis du gekommen bist.»

«Was ist mit Helen?», schnaubte ich. «Sag mir nicht, dass du ihnen das Manuskript ohne Grans Agentin angeboten hast.»

«Ich wollte sie hinzuziehen, sobald ein offizielles Angebot vorliegt. Das schwöre ich. Sie sind nur hier, um das Buch zur Durchsicht mitzunehmen.»

Ich schüttelte den Kopf angesichts dieser absoluten … Ich hatte nicht einmal ein Wort dafür.

Sie seufzte, als hätte ich ihr das Herz gebrochen, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. «Es tut mir so leid, Georgia. Ich war verzweifelt. Bitte, tu es für mich. Der Vorschuss würde mir helfen, wieder auf die Beine zu kommen …»

«Wirklich?» Ich starrte sie an. «Es geht hier um Geld?»

«Wirklich!» Sie knallte ihre Hände auf den Granit. «Meine eigene Großmutter hat mich für dich aus ihrem Testament gestrichen. Du hast alles bekommen, mir blieb nichts!»

Schuldgefühle stachen in die ungeschützten Teile meines Herzens, in die winzigen Fetzen, die sich noch immer nicht der Wahrheit stellen und einfach nicht begreifen wollten, dass nicht jede Mutter eine Mama sein wollte, und zu diesen gehörte meine. Gran hatte sie aus ihrem Leben verstoßen – aber nicht wegen mir. «Es gibt nichts, was ich dir geben könnte, Mom. Sie hat das Buch nie fertiggestellt, und du weißt warum. Sie hat gesagt, sie hat es nur für die Familie geschrieben.»

«Sie hat es für meinen Vater geschrieben! Und ich gehöre zur Familie! Bitte, Georgia.» Sie machte eine weitläufige Geste mit dem Arm. «Das alles hier gehört dir. Lass mir nur diese eine Sache, ich schwöre, ich teile sogar mit dir.»

«Es geht nicht um das Geld.» Nicht einmal ich hatte das Buch gelesen, und sie wollte es verkaufen?

«Sagt das Mädchen, das Millionen besitzt.»

Ich hielt mich an der Kante der Kücheninsel fest, atmete tief durch und versuchte, meinen Puls zu beruhigen und mit Logik an eine Situation heranzugehen, die völlig unlogisch war. War ich finanziell abgesichert? Ja. Doch Grans Millionen waren für wohltätige Zwecke bestimmt – genau wie sie es sich gewünscht hatte, und Mom war ganz sicher kein wohltätiger Zweck.

Aber sie war mein letztes noch lebendes Familienmitglied.

«Bitte, Liebes. Hör dir einfach die Konditionen an, die sie anbieten. Mehr will ich gar nicht von dir. Kannst du mir wenigstens diesen Gefallen tun?» Ihre Stimme wurde dünner. «Tim hat mich verlassen. Ich bin … pleite.»

Ihr Geständnis traf mich mitten in meine frisch geschiedene Seele. Unsere Blicke begegneten sich, darin identische Schattierungen von dem, was Gran Stanton-Blau genannt hatte. Sie war alles, was ich noch hatte, und egal, wie viele Jahre vergangen und wie viele Therapeuten ich aufgesucht hatte, den Drang, ihr zu gefallen, ihr meinen Wert zu beweisen, hatte ich nie vollständig ablegen können.

Nie hätte ich gedacht, dass Geld das Mittel dazu sein könnte.

Aber das sagte etwas über ihren Charakter aus – nicht über meinen.

«Ich werde zuhören, aber mehr nicht.»

«Um mehr bitte ich dich auch nicht.» Mom nickte mit einem dankbaren Lächeln. «Ich bin wirklich deinetwegen hiergeblieben», flüsterte sie. «Das Buch habe ich rein zufällig gefunden.»

«Lass uns gehen.» Bevor ich noch anfange, dir zu glauben.

Die Männer wiederholten mit einem Hauch von Verzweiflung in der Stimme die Konditionen, die sie meiner Mutter genannt hatten. Ich konnte es in ihren Augen sehen – das Wissen, dass ihnen die Goldmine, die das allerletzte Buch von Scarlett Stanton darstellte, entglitt, weil sie es nie wirklich besessen hatten.

«Ich werde Helen informieren müssen. Ich bin sicher, Sie erinnern sich noch an Grans Agentin», sagte ich, als sie fertig waren. «Und die Aufführungsrechte sind vom Tisch. Sie wissen, wie Grandma darüber dachte.» Sie hasste Verfilmungen.

Christopher verzog kurz das Gesicht.

«Und was ist mit Ann Lowell?» Sie war über zwanzig Jahre lang Grans Lektorin.

«Sie ist letztes Jahr in den Ruhestand gegangen», antwortete Christopher. «Adam ist der beste Lektor im Verlag, und er hat seinen besten Autor damit beauftragt, den Rest fertigzustellen, der, wie man uns gesagt hat, etwa ein Drittel des Buches ausmacht.» Er schielte zu Mom.

Sie nickte.

Sie hatte es gelesen? Der bittere Geschmack der Eifersucht legte sich auf meine Zunge.

«Er ist der Beste», schwärmte Adam und blickte auf seine Uhr. «Millionenfach verkauft, schreibt phänomenal, mehrfach ausgezeichnet, und noch dazu ein eingefleischter Scarlett-Stanton-Fan. Er hat alles, was sie je geschrieben hat, mindestens zweimal gelesen und sich die nächsten sechs Monate für dieses Projekt Zeit genommen, damit wir das Buch schnell herausbringen können.» Er bemühte sich, mir ein beruhigendes Lächeln zu schenken. Es gelang ihm nicht.

Ich blickte ihn aus schmalen Augen an. «Sie haben einen Mann damit beauftragt, Grans Buch zu beenden?»

Adam schluckte. «Ich schwöre, er ist der Beste, wirklich. Und Ihre Mom wollte vorher mit ihm reden, um sicherzugehen, dass er der Richtige ist. Darum ist er auch jetzt hier.»

Ich blinzelte, überrascht, dass Mom so gründlich gewesen war, und schockiert darüber, dass der Autor – nein.

«Ich weiß nicht, wann er sich zuletzt um einen Auftrag bewerben musste.» Christopher gluckste.

Meine Gedanken gerieten ins Stolpern, fielen in ein tiefes dunkles Loch hinab, einer nach dem anderen, wie Dominosteine. Unmöglich.

«Er ist jetzt hier?», fragte Mom, schaute zur Tür und strich ihren Rock glatt.

«Gerade vorgefahren.» Adam deutete auf seine Apple Watch.

«Georgia, bleib sitzen. Ich führe unseren Gast herein.» Mom sprang auf und eilte zur Tür. Zurück blieben wir drei und eine unangenehme Stille, die nur von dem gleichmäßigen Ticken der Standuhr unterbrochen wurde.

«Ich habe Ihren Mann letztes Jahr auf einer Gala kennengelernt», sagte Christopher mit einem angespannten Lächeln.

«Meinen Ex-Mann», korrigierte ich ihn.

«Richtig.» Er zuckte zusammen. «Meiner Meinung nach war sein letzter Film überbewertet.»

So ziemlich jeder Film, bei dem Damian Regie geführt hatte, war überbewertet – abgesehen von Grans Verfilmung –, aber darüber wollte ich nicht sprechen.

Ein tiefes Lachen ertönte aus dem Foyer, und mir stellten sich die Nackenhaare auf.

«Er ist hier!», verkündete Mom freudig und schwang die Glastür auf.

Ich stand auf, als der Mann mit meiner Mutter hereinkam, und irgendwie schaffte ich es, nicht ins Wanken zu geraten, als er in mein Sichtfeld trat.

Sein flirtendes Lächeln verschwand, und er starrte mich an, als hätte er einen Geist gesehen.

Mein Magen revoltierte.

«Georgia Stanton, das ist …», begann Christopher.

«Noah Harrison», riet ich.

Noah – der Fremde aus dem Buchladen – nickte.

Es war mir egal, wie sündhaft schön der Mann war. Er würde Grans Buch nur über meine Leiche in die Finger bekommen.

Scarlett, meine Scarlett.

Hoffentlich findest du den Brief erst, wenn du schon halb über den Ozean bist – weit genug weg, damit du es dir in deinem wunderschönen sturen Kopf nicht wieder anders überlegen kannst. Ich weiß, wir waren uns einig, aber der Gedanke, dich monate- oder gar jahrelang nicht zu sehen, bringt mich um. Das Einzige, was mich weitermachen lässt, ist die Gewissheit, dass du in Sicherheit sein wirst. Heute Nacht, kurz bevor ich mich aus dem Bett schlich, um das hier zu schreiben, habe ich versucht, mir alles von dir einzuprägen. Den Duft deines Haares und wie deine Haut sich anfühlt. Das Leuchten in deinem Lächeln und die Art und Weise, wie du deine Lippen schürzt, wenn du mich aufziehst. Deine Augen – diese wunderschönen blauen Augen – zwingen mich jedes Mal in die Knie, und ich kann es kaum erwarten, sie vor dem Himmel von Colorado zu sehen. Du bist stark, meine Liebste, und mutiger, als ich es je sein könnte. Das, was dir jetzt bevorsteht, könnte ich nie auf mich nehmen. Ich liebe dich, Scarlett Stanton. Ich liebe dich seit unserem ersten Tanz, und ich werde dich für den Rest meines Lebens lieben. Halte daran fest, auch wenn ein ganzer Ozean zwischen uns liegt. Gib William einen Kuss von mir. Beschütze ihn, umarme ihn, und bevor du überhaupt Zeit hast, mich zu vermissen, bin ich schon wieder bei dir zu Hause, wo es keinen Luftalarm mehr gibt, keine Bombenangriffe, keine Einsätze, keinen Krieg – nur unsere Liebe.

Wir sehen uns bald wieder,

Jameson

Kapitel 2

Noah

Stanton. Die schöne, wütende Frau aus dem Buchladen war diese verdammte Georgia Stanton.

Zum ersten Mal seit Jahren war ich sprachlos.

Ich hatte diesen Moment, über den ich so oft geschrieben hatte, nie zuvor selbst erlebt, den Augenblick, in dem man einen fremden Menschen ansieht und es einfach weiß.

Bis zu der Sekunde im Laden, als sie sich umgedreht hatte, in der Hand ein Buch meiner Lieblingsautorin, und mich anschaute, als hätte ich eine Antwort auf die Traurigkeit in ihren Augen – da war dieser Moment plötzlich da gewesen … und verschwunden, als mir aufging, was sie gerade sagte.

Niemand schreibt so leidvoll-deprimierende Romane, getarnt als Liebesgeschichten, wie Noah Harrison. Diese Erklärung hatte sich, wie mit einem Brandeisen, unter Qualen und Blasen werfend in mein Gehirn eingebrannt.

«Noah?», sagte Chris auffordernd und wies auf den letzten freien Platz. Ich fühlte mich, als wäre ich mitten in eine Intervention geplatzt.

«Natürlich», murmelte ich, ging aber auf Georgia zu. «Es ist schön, Sie offiziell kennenzulernen, Georgia.»

Ihr Händedruck war warm, ganz im Gegensatz zu ihren kristallklaren blauen Augen. Ich war machtlos gegen dieses Gefühl, gegen diese starke, unmittelbare Anziehungskraft, auch wenn ich jetzt wusste, wer sie wirklich war. Ich konnte nichts dagegen tun. Im Buchladen hatten ihre Aussagen meiner sonst so typischen Schlagfertigkeit einen Dämpfer verpasst, und jetzt fehlten mir schon wieder die Worte.

Sie war umwerfend – wirklich hinreißend. Ihr Haar fiel in Wellen herab, so schwarz, dass es beinahe blau schimmerte, und der Kontrast zu ihrer zarten, elfenbeinfarbenen Haut ließ mich etwa eine Million Schneewittchen-Vergleiche anstellen. Die ist nichts für dich, Morelli. So eine will nichts mit dir zu tun haben.

Aber ich wollte sie. Ich war dazu bestimmt, diese Frau kennenzulernen – das spürte ich mit jeder Faser meines Wesens.

«Sie haben wirklich Ihre eigenen Bücher gekauft?», fragte sie und zog eine Braue hoch, während ich ihre Hand losließ.

Mein Kiefer zuckte. Natürlich war es das, was ihr in Erinnerung geblieben war. «Hätte ich sie zurücklegen und Sie glauben lassen sollen, Ihre Meinung hätte mich überzeugt?»

«Ich kann verstehen, dass Sie es durchgezogen haben.» Ein Winkel ihres unglaublich küssenswerten Mundes hob sich. «Aber es hätte diese Situation vielleicht ein bisschen weniger peinlich gemacht.»

«Ich glaube, der Zug ist in dem Moment abgefahren, als Sie gesagt haben, dass sich meine Bücher alle gleich lesen.» Und der Sex unbefriedigend ist. Alles, was ich bräuchte, wäre eine einzige Nacht, dann würde ich ihr zeigen, wie befriedigend er sein konnte.

«So ist es ja auch.»

Alle Achtung, sie legte sogar noch einmal nach. Ich war offenbar nicht der einzige Sturkopf hier.

Die andere Frau schnappte nach Luft, und sowohl Chris als auch Adam murmelten etwas und erinnerten mich damit daran, dass dies kein Freundschaftsbesuch war.

«Noah Harrison.» Ich schüttelte der älteren Frau die Hand, wobei ich ihre Gesichtszüge und ihren Hautton musterte. Das musste Georgias … Mutter sein?

«Ava Stanton», erwiderte sie mit einem strahlend weißen Lächeln. «Ich bin Georgias Mutter.»

«Obwohl sie leicht als Schwestern durchgehen könnten», fügte Chris mit einem kleinen Glucksen hinzu.

Ich unterdrückte den Drang, mit den Augen zu rollen.

Im Gegensatz zu Georgia, sodass ich mir ein Lächeln verkneifen musste.

Wir nahmen unsere Plätze ein, ich saß Georgia direkt gegenüber. Sie lehnte sich in ihrem Sessel zurück und schlug die Beine übereinander, wobei sie es irgendwie schaffte, in ihrer Jeans und dem eng anliegenden schwarzen Shirt entspannt und königlich zugleich auszusehen.

Moment. In meinem Hinterkopf regte sich etwas, als würde ich sie wiedererkennen. Ich hatte sie schon einmal irgendwo gesehen – schon vor der Begegnung im Buchladen. Bilder von ihr in einem eleganten Kleid auf irgendeiner Veranstaltung schossen mir durch den Kopf. Hatten sich unsere Wege schon einmal gekreuzt?

«Also, Noah, warum erzählst du Georgia – und natürlich auch Ava – nicht, warum sie dir Scarlett Stantons unvollendetes Meisterwerk anvertrauen sollten», sagte Chris drängend.

Ich blinzelte. «Wie bitte?» Ich war hier, um das Manuskript entgegenzunehmen. Punkt. Das war meine einzige Bedingung gewesen, bevor ich begeistert zugesagt hatte. Ich wollte der Erste sein, der es liest.

Adam räusperte sich und warf mir einen flehenden Blick zu.

War das sein Ernst?

«Noah?» Sein Blick deutete vielsagend zu den Frauen.

Schätze ja. Ich wusste nicht, ob ich lauthals loslachen oder abfällig schnauben sollte. «Weil ich verspreche, es nicht zu verlieren?» Meine Stimme wurde zum Ende hin immer höher und verwandelte meine Aussage in eine Frage.

«Beruhigend», bemerkte Georgia.

Ich verengte die Augen zu schmalen Schlitzen.

«Noah, komm, wir gehen kurz ins Foyer», schlug Adam vor.

«Ich hole ein paar Drinks für alle!», bot Ava an und stand schnell auf.

Georgia wandte den Blick ab, als ich Adam durch die gläsernen Flügeltüren des Salons in den Eingangsbereich mit der gewölbten Decke folgte.

Angesichts dessen, was ich über Stantons Vermögen wusste, war das Haus bescheiden, allerdings zeugte die handwerkliche Kunstfertigkeit, mit der die Zierleisten aus Holz und das Geländer der geschwungenen Treppe gearbeitet waren, sowohl von der Qualität der Bauweise als auch vom Geschmack der Vorbesitzerin. So, wie ihre makellosen, mitreißenden Geschichten reich an Details gewesen waren, ohne aufgesetzt zu wirken, so war ihr Haus feminin eingerichtet, ohne Gefahr zu laufen, in die Kategorie «Blumenmuster aus der Hölle» abzugleiten. Es war unaufdringlich und elegant … und erinnerte mich an Georgia, nur ohne ihr Temperament.

«Wir haben ein Problem.» Adam fuhr sich mit den Händen über sein dunkelblondes Haar und warf mir einen Blick zu, den ich bisher nur einmal gesehen hatte – als er einen Tippfehler auf einem meiner Cover gefunden hatte, das bereits im Druck war.

«Erzähl.» Ich verschränkte die Arme vor der Brust. Adam war einer meiner engsten Freunde und der besonnenste Mensch, den es im New Yorker Verlagswesen gab. Wenn er also der Meinung war, wir hätten ein Problem, dann hatten wir auch eins.

«Die Mutter hat uns glauben lassen, dass sie die Tochter ist», platzte er heraus.

«Was soll denn der Trick?» Sicher, beide Frauen waren schön, aber Ava war eindeutig ein oder zwei Jahrzehnte älter.

«Es war ein Wer-hat-die-Rechte-an-diesem-Buch-Trick.»

Mein Magen drohte, das Mittagessen wieder auszustoßen. Mit einem Mal ergab das hier einen Sinn – die Mutter wollte, dass ich das Buch schrieb … nicht Georgia. Heilige Scheiße.

«Willst du damit etwa sagen, dass der Vertrag, über den wir wochenlang verhandelt haben, kurz davor steht, zu platzen?» Mein Kiefer verkrampfte sich. Ich hatte mir nicht nur Zeit für dieses Projekt genommen, ich hatte mein ganzes Leben dafür aufgegeben, war dafür aus Peru nach Hause gekommen. Ich wollte dieses verdammte Buch, und der Gedanke, dass es mir durch die Finger gleiten könnte, war unerträglich.

«Genau das will ich dir damit sagen – es sei denn, du kannst Georgia Stanton davon überzeugen, dass du der perfekte Autor bist, um das Buch zu beenden.»

«Fuck.» Ich lebte für Herausforderungen, verbrachte meine Freizeit damit, meinen Geist und meinen Körper beim Klettern und Schreiben an seine Grenzen zu treiben, und dieses Buch war mein mentaler Everest – etwas, das mich aus meiner Komfortzone holen würde. Die Stimme einer anderen Autorin zu meistern, vor allem einer so beliebten wie Scarlett Stanton, wäre nicht nur eine professionelle Leistung. Für mich stand auch persönlich viel auf dem Spiel.

«Genau», stimmte Adam zu.

«Ich habe sie heute Morgen getroffen. Sie hasst meine Bücher.» Was nichts Gutes verhieß.

«Das habe ich schon mitbekommen. Bitte sag mir, dass du dich nicht, wie sonst immer, wie ein Arschloch aufgeführt hast?» Seine Augen verengten sich leicht.

«Ähm, Arschloch ist ein relativer Begriff.»

«Großartig.» Sein Tonfall triefte vor Sarkasmus.

Ich rieb mir über die Stelle zwischen den Augenbrauen, während ich überlegte, wie ich die Meinung einer Frau ändern konnte, die ihren Eindruck von meinem Schreiben offensichtlich schon lange vor unserem Treffen zementiert hatte. Ich konnte mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal etwas, das ich so sehr wollte, durch harte Arbeit oder ein wenig Charme nicht bekommen hätte, und es lag nicht in meiner Natur, klein beizugeben oder eine Niederlage einzugestehen.

«Wie wäre es, wenn ich dir ein oder zwei Minuten Zeit gebe, um deine Gedanken zu sammeln, und du mir dann ein Wunder präsentierst?» Adam klopfte mir auf die Schulter und ließ mich in der Eingangshalle stehen, während Ava in der Küche herumhantierte.

Ich zog mein Handy aus der Gesäßtasche und rief die einzige Person an, von der ich wusste, dass sie mir einen völlig unvoreingenommenen Rat geben würde.

«Was willst du, Noah?» Adriennes Stimme übertönte den Lärm ihrer Kinder im Hintergrund.

«Wie kann ich jemanden, der meine Bücher hasst, davon überzeugen, dass ich kein schlechter Autor bin?», fragte ich leise und wandte mich der Tür zum Büro zu.

«Hast du wirklich nur angerufen, damit ich dein Ego streichle?»

«Ich mein es ernst.»

«Es hat dich doch noch nie interessiert, was die Leute von dir denken. Was ist los?» Ihre Stimme wurde weicher.

«Es ist unglaublich kompliziert, und ich habe ungefähr zwei Minuten Zeit, um eine Antwort auf die Frage zu finden.»

«Okay. Also, erstens, du bist kein schlechter Autor, und Millionen von Menschen bewundern dich, was das beweist.» Die Hintergrundgeräusche verstummten, als hätte sie gerade eine Tür geschlossen.

«Du kannst gar nicht anders, als so was zu sagen – du bist meine Schwester.»

«Und ich hasse mindestens elf deiner Bücher», erwiderte sie fröhlich.

Ich lachte schnaubend. «Das ist eine seltsam genaue Zahl.»

«Ziemlich genau sogar. Ich kann dir auch sagen, welche Titel …»

«Das hilft mir gerade nicht weiter, Adrienne.» Ich studierte die kleine Sammlung von Fotos auf dem Tisch, dazwischen befanden sich ein paar Glasvasen. Eine davon, in Form einer Welle, war offenbar mundgeblasen und stand neben dem Bild eines kleinen Jungen, es war ungefähr Ende der Vierzigerjahre aufgenommen. Eine andere Aufnahme zeigte einen Debütantinnenball – vielleicht Avas? –, eine weitere ein Kind in einem Garten, wahrscheinlich Georgia. Schon damals hatte sie ernst und ein wenig traurig ausgesehen, als hätte die Welt sie bereits im Stich gelassen. «Ich kann mir nicht vorstellen, dass es von Vorteil ist, wenn ich Georgia Stanton erzähle, dass meine eigene Schwester meine Bücher nicht mag.»

«Was ich damit sagen will, ist, dass ich deine Plots gehasst habe, nicht deinen Schreib …» Adrienne hielt inne. «Warte, hast du gerade Georgia Stanton gesagt?»

«Ja.»

«Heilige Scheiße», murmelte sie.

«Ich habe wahrscheinlich nur noch dreißig Sekunden.» Jeder Schlag meines Herzens war wie das Herunterzählen eines Countdowns. Wie hatte das alles plötzlich so schiefgehen können?

«Was zum Teufel hast du mit Scarlett Stantons Urenkelin zu schaffen?»

«Erinnerst du dich noch, dass ich ganz zu Beginn sagte, das hier sei unglaublich kompliziert? Und woher weißt du überhaupt, wer Georgia Stanton ist?»

«Wie sollte ich das nicht wissen?»

Ava kam mit einem kleinen Tablett in den Händen durch die Eingangshalle geschlendert. Die Gläser darauf beinhalteten offenbar Limonade. Sie schenkte mir ein Lächeln, dann schlüpfte sie durch die leicht geöffnete Flügeltür.

Mir lief die Zeit davon. «Also, Scarlett Stanton hat ein unvollendetes Manuskript hinterlassen, und Georgia – die meine Bücher hasst – muss entscheiden, ob ich es zu Ende schreiben darf.»

Meine Schwester schnappte nach Luft.

«Sag was.»

«Okay, okay.» Sie verstummte, und ich konnte regelrecht hören, wie sich die Rädchen in ihrem schnellen Verstand drehten. «Du sagst Georgia, dass Damian Ellsworth unter keinen Umständen als Regisseur, Produzent oder sonst wie mit der Geschichte zu tun haben wird.»

Ich runzelte die Stirn. «Es geht hier nicht um die Filmrechte.» Der Typ war als Regisseur sowieso beschissen. Ich hatte ihn schon bei mehr als einer meiner Verfilmungen abblitzen lassen.

«Ich bitte dich. Wenn das hier ein Scarlett Stanton wird, den du zu Ende geschrieben hast, dann ist das eine richtig große Sache.»

An dem Punkt widersprach ich ihr nicht. Scarlett hatte es in den vierzig Jahren ihres Schaffens mit jedem ihrer Bücher auf die Bestsellerliste der New York Times geschafft. «Was hat Damian Ellsworth mit den Stantons zu tun?»

«Oha. Ich weiß tatsächlich mal etwas, was du nicht weißt. Wie ungewöhnlich …», sinnierte sie.

«Adrienne», knurrte ich.

«Lass es mich noch einen Moment auskosten», flötete sie.

«Ich werde diesen Auftrag verlieren.»

«Na schön.» Ich konnte förmlich sehen, wie sie mit den Augen rollte. «Ellsworth ist – seit dieser Woche – Georgias Ex-Mann. Er hat bei Die Winterbraut Regie geführt …»

«Nach dem Buch von Stanton? Das über den Mann, der in einer lieblosen Ehe gefangen ist?»

«Ja, genau das. Wie auch immer, man hat ihn erwischt, wie er seine Frau mit Paige Parker betrogen hat – bitter, nicht wahr? Das Resultat dieser Affäre ist jetzt jeden Tag fällig. Gehst du nie einkaufen? Georgia war in den letzten sechs Monaten auf der Titelseite jedes Klatschblatts. Man nennt sie die Eiskönigin, weil sie so wenig Gefühl gezeigt hat, und, na ja, du weißt schon, wegen Damians Film.»

«Ist das dein Ernst?» Es war eine clevere, aber grausame Anspielung auf die hochmütige erste Ehefrau in diesem Buch, die, wenn ich mich recht erinnerte, starb, bevor der Held und die Heldin ihr Happy End fanden.

«Es ist wirklich traurig.» Ihre Stimme klang abwesend. «Sie ist der Presse immer aus dem Weg gegangen, aber jetzt … Na ja, die Schlagzeilen sind überall.»

«Oh, Scheiße.» Ich knirschte mit den Zähnen. Das hatte keine Frau verdient. Mein Vater hatte mir beigebracht, dass ein Mann nur so viel wert war wie sein Wort, und das ultimative Wort, das waren Schwüre. Es gab einen Grund, warum ich nie geheiratet hatte. Ich machte keine Versprechen, die ich nicht halten konnte, und ich war noch nie mit einer Frau zusammen gewesen, für die ich bereit gewesen wäre, alle anderen aufzugeben. «Okay. Danke, Adrienne.» Ich ging hinüber zu den Türen des Salons.

«Viel Glück. Warte – Noah?»

«Ja?» Ich legte meine Finger auf die Messingklinke.

«Gib ihr recht.»

«Wie bitte?»

«Es geht nicht um dich, sondern um ihre Urgroßmutter. Lass dein riesiges Ego außen vor.»

«Ich habe kein …»

«Doch, hast du.»

Ich schnaubte. Die Überzeugung, der Beste in dem zu sein, was man tat, war keine Schande, aber Liebesromane waren nicht das Genre, welches ich normalerweise schrieb.

«Sonst noch was?», fragte ich sarkastisch. Wenn es darum ging, jede meiner noch so kleinen Schwächen zu beleuchten, war auf meine Schwester Verlass.

«Hmmm. Du solltest ihr von Mom erzählen.»

«Nein.» Auf keinen Fall.

«Noah, ich sage dir, Mädchen stehen auf Typen, die ihre Mom so sehr lieben, dass sie ihr sogar vorlesen. Damit gewinnst du sie für dich. Vertrau mir. Aber versuch nicht, dich durchzuflirten.»

«Ich flirte nicht …»

Sie lachte. «Ich kenne dich viel zu gut, und ich habe dich lieb, aber ich habe Fotos von Georgia Stanton gesehen, und sie ist eine Nummer zu groß für dich.»

In dem Punkt konnte ich ihr nicht widersprechen. «Wie nett. Danke, ich hab dich auch lieb. Wir sehen uns nächstes Wochenende.»

«Bitte nichts Extravagantes!»

«Was ich meiner Nichte zum Geburtstag schenke, geht nur sie und mich etwas an. Wir sehen uns dann.» Ich legte auf und betrat das Wohnzimmer. Alle Gesichter außer dem von Georgia wandten sich in meine Richtung, eines hoffnungsvoller als das andere.

Ich ließ mir Zeit, zu meinem Platz zurückzukehren, und hielt inne, um das Foto zu betrachten, das Georgias Aufmerksamkeit fesselte.

Es zeigte Scarlett Stanton, wie sie mit Brille auf der Nase an einem massiven Schreibtisch saß und auf der alten Schreibmaschine tippte, mit der sie alle ihre Bücher geschrieben hatte. Und auf dem Boden, mit dem Rücken an den Schreibtisch gelehnt, saß Georgia, ungefähr im Alter von zehn Jahren, und las.

Sie besaß die Rechte an dem Buch ihrer Urgroßmutter … nicht ihre Mutter, die Scarletts Enkelin war, was bedeutete, dass es hier eine Familiendynamik gab, von der ich keine Ahnung hatte.

Statt mich zu setzen, stellte ich mich, mit dem Rücken zum Kamin, hinter den mir zugewiesenen Sessel, hielt mich leicht an den Seiten fest und musterte Georgia, wie eine Felswand, die ich unbedingt erklimmen wollte, in der Hoffnung, den richtigen Weg, den besten Pfad zu finden. «Nun, die Sache ist so», sagte ich direkt an Georgia gewandt und ignorierte dabei alle anderen im Raum, «Sie mögen meine Bücher nicht.»

Sie hob eine Augenbraue, legte ihren Kopf leicht schief.

«Das ist okay, denn ich liebe die Bücher von Scarlett Stanton. Alle. Jedes einzelne. Ich hasse Liebesromane nicht, auch wenn Sie das von mir denken. Ich habe ihre alle zweimal gelesen, manche sogar noch öfter. Sie hatte eine einzigartige Stimme, einen unglaublichen, intuitiven Schreibstil und eine Art, Emotionen hervorzurufen, die mich einfach umhaut.» Ich zuckte mit den Schultern.

«Darin sind wir uns einig», sagte Georgia, klang aber nicht bissig.

«Es gibt in diesem Genre niemanden, den man mit Ihrer Urgroßmutter vergleichen könnte, und ich würde ihr Buch keinem anderen anvertrauen, dabei kenne ich mehr als nur ein paar Autoren. Ich bin derjenige, den Sie brauchen. Ich bin derjenige, der diesem Buch gerecht werden wird. Jeder andere, der das Niveau hat, das dieses Buch verlangt, wird es auf seine Weise verdrehen oder ihm seinen eigenen Stempel aufdrücken wollen. Ich nicht», versprach ich.

«Nicht?» Sie verlagerte ihr Gewicht auf die andere Seite.

«Wenn Sie mich dieses Buch fertigstellen lassen, wird es ihr Buch sein. Ich werde unermüdlich daran arbeiten, dass es sich so liest, als hätte sie die letzte Hälfte selbst geschrieben. Sie werden nicht erkennen können, wo sie aufgehört hat zu schreiben und wo ich angefangen habe.»

«Das letzte Drittel», korrigierte Ava mich.

«Was auch immer nötig sein wird.» Meine Augen ließen Georgias unerschütterlichen Blick nicht los. Was zum Teufel hatte Ellsworth sich nur dabei gedacht? Sie war unglaublich, atemberaubend schön, mit wunderbaren Kurven und einem Verstand, der so scharf war wie ihre Zunge. Kein Mann, der bei Sinnen war, würde eine Frau wie sie betrügen. «Ich weiß, dass Sie Zweifel haben, aber ich werde es so lange versuchen, bis ich Sie für mich gewonnen habe.»

Konzentrier dich auf das Geschäftliche.

«Weil Sie so gut sind», sagte sie mit deutlichem Sarkasmus in ihrer Stimme.

Ich verkniff mir ein Lächeln. «Weil ich wirklich verdammt gut bin.»

Sie musterte mich aufmerksam, die Standuhr neben uns zählte tickend die Sekunden, dann schüttelte sie den Kopf. «Nein.»

«Nein?» Ich riss die Augen auf, mein Kiefer verkrampfte.

«Nein. Dieses Buch ist für meine Familie etwas zutiefst Persönliches …»

«Es ist auch für mich etwas Persönliches.» Scheiße. Möglicherweise verlor ich das hier.

Ich ließ den Sessel los und rieb mir über den Nacken. «Meine Mutter hatte einen schweren Autounfall, als ich sechzehn war, und … ich habe den Sommer an ihrem Bett verbracht und ihr die Bücher Ihrer Urgroßmutter vorgelesen.» Ich ließ weg, dass dies ein Teil der Wiedergutmachung war, die mein Vater verlangt hatte. «Sogar die befriedigenden Teile.» Meine Mundwinkel wanderten gleichzeitig mit ihren Augenbrauen in die Höhe. «Es ist etwas Persönliches.»