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Vandora City – eine Stadt, in der Moral zur Ware geworden ist. Zwischen verfallenen Straßen und korrupten Institutionen erheben sich drei Männer aus dem Dunkel: The Nose, The Teeth und The Other Guy. Gemeinsam sind sie The Unnecessary Three – jene, die handeln, wenn niemand sonst den Mut hat. In den Gassen riecht die Nacht nach Schuld, Blut und billigem Parfüm. Bürokratie, Gewalt und Hoffnungslosigkeit haben die Stadt erstickt – bis die Drei beginnen, das faulende Herz Vandoras freizulegen. Doch jedes Geheimnis, das sie aufdecken, fordert einen Preis. "The Unnecessary Three – Buch 1: Der goldene Nektar" ist ein düsterer Noir-Thriller im Stil von Frank Miller und klassischen Groschenromanen. Eine Geschichte über Loyalität, Verfall und Gerechtigkeit im Schatten der Stadt – roh, atmosphärisch und voller Schmerz. Schlüsselwörter: Noir, Mystery, Urban Vigilante, Vandora City, Thriller, Selbstjustiz, düstere Stadt, Hardboiled, Groschenroman, Frank Miller Stil.
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Seitenzahl: 173
Veröffentlichungsjahr: 2025
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The Unnecessary Three –
Der goldene Nektar
Band 1 der Vandora City Saga
Fehmi Coşkun
Impressum
Titel: The Unnecessary Three – Der Goldene Nektar
Autor: Fehmi Coşkun
Verlag: Selbstverlag
Erscheinungsjahr: 2025
ISBN: ---
Kontakt:
Fehmi Coşkun
Adresse: Keltenstraße 26, 67071 Ludwigshafen
E-Mail: [email protected]
Urheberrecht:
Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne ausdrückliche Genehmigung des Autors in irgendeiner Form vervielfältigt, verbreitet oder verarbeitet werden.
Haftungsausschluss:
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WIDMUNG
Für meine Familie –
meine Frau und unsere Kinder.
Ihr seid mein Anker, meine Geduld und meine größte Kraft. Ohne euch wäre dieser Weg dunkel und leer geblieben.
Für meine zwei Freunde,
die mit ihrem Wesen und ihrer Freundschaft die Vorlage für Figuren geschaffen haben, die größer wurden, als wir es je erwartet hätten. Ohne euch gäbe es keine Unnecessary Three.
Und für meinen geheimen Begleiter,
der nie im Licht steht, sondern immer zwischen den Zeilen schreibt.
The Quill – du hast vieles leichter gemacht und mir die Feder gereicht, wenn mir die Worte fehlten.
INHALT
Stadt der Verdammten
Jagdinstinkt
Blut und Erinnerungen
Im Bauch des Monsters
Das Wunderland Der Verdammnis
Königin der Schatten
Das Erwachen der Bestie
Der Dritte Schatten
Der FeenZirkel
Abstieg in den Untergrund
Flügel der Vergeltung
Blick Auf den Tower
ANERKENNUNGEN
„Dieses Buch ist mehr als eine Geschichte. Es ist das Ergebnis von Freundschaft, Familie und der Kraft, gemeinsam weiterzugehen, auch wenn der Weg im Dunkel liegt.”
Teil I
„In jeder Stadt, die ihre eigenen Kinder frisst, sind die Nächte länger und die Schatten hungriger.“
1
Stadt der Verdammten
Es ist nicht die Dunkelheit, die einen erdrückt, sondern das Wissen, dass sie niemals weicht. In Vandora City bringt selbst Licht keine Hoffnung – nur deren trügerische Illusion. Die Straßen sind Narben, die niemals heilen. Zwei Schatten bewegen sich durch diese Narben. Ihre Waffen sind nicht aus Stahl geschmiedet, sondern aus Schmerz. Aus Verlust. Aus der bitteren Erkenntnis, dass Warten auf Rettung bedeutet, für immer zu warten.
Es begann, wie so viele Nächte zuvor, mit einem Geruch.
◊ ◊ ◊
Ihre Patrouille nahm den abendlichen Lauf. Der Geruch führte sie durch Viertel, die im Verbrechen versanken. Straßenlaternen über ihnen flackerten, als wollten sie den Blick abwenden – zu müde, um das Dunkel noch zu durchdringen. Es war vielmehr nur ein Instinkt, der sie leitete. Jede Nacht nahmen sie die Spur auf, und jede Nacht lieferten sie die Rechnung gnadenlos ab. Das nächtliche Vandora City war kein Ort mehr, sondern ein Mythos – ein lebendiges Biest mit neonfarbenem Atem, das raunte, lockte und verschlang.
Der Regen tropfte von den Dächern, schwer wie flüssiges Blei. Einer von ihnen hob den Kopf, sah den Himmel an.
„Derselbe Gestank. Schuld verrottet nie“, dachte er. Ein kurzer Seitenblick genügte. Der andere nickte knapp – Zustimmung ohne Worte.
In den letzten Nächten fiel unaufhörlich Regen – ein geisterhaftes Mantra, das scheinbar vergeblich die Schuld der Straßen abwaschen wollte. Vandora war jedoch eine Stadt, die ihre eigene Beichte verweigerte. Sie war ein Mosaik aus Widersprüchen – bröckelnde Fassaden an der Oberfläche, während darunter eine Unterwelt pulsierte und gedieh.
Ein Schatten blieb kurz stehen, schob die Kapuze aus der Stirn. Ihre Gedanken waren heute lauter als der gesamte Lärm der Stadt.
„Regen macht's nicht besser.“ Der Begleiter strich sich mit dem Handschuh über den nassen Asphalt, roch an den Fingern.
„Wäscht die Spuren nur tiefer ein.“
Der Geruch leitete sie weiter ins östliche Alt-Vandora – einen musealen Alptraum aus halb zerfallenen Industrieanlagen des 19. Jahrhunderts. Rostige Zahnräder ragten aus den Ruinen, überwuchert von Efeu und verblassenden Erinnerungen. Einst das pulsierende Herz der Wirtschaft, war es jetzt Zufluchtsort für all jene, die sich der Kontrolle entzogen hatten: Gangs, Drogendealer und die restlichen degenerierten, verlorenen Seelen.
Ein scharfer Cocktail lag in der Luft: Öl, Urin, Unrecht. Einer von ihnen sog tief ein, hielt kurz inne.
„Noch schlimmer als damals.“ Sein Begleiter antwortete nicht, doch das kurze Anspannen der Faust war Antwort genug.
Das umliegende Gelände glich einem Schlachtfeld. Als hätte Artillerie stundenlang alles unter Feuer genommen. Fenster starrten wie blinde Augen in die Nacht. Manche waren mit Brettern vernagelt, andere nur noch leere Höhlen, aus denen der Wind pfiff. Das Geräusch glich den letzten Atemzügen eines Sterbenden. Es war, als hätte die Zeit nach dem ersten Verfall den Atem angehalten, eingefroren in einer klaffenden Wunde, die sich weigerte, zu heilen.
Frank kannte diese Straßen wie alte Narben auf seiner Haut. Der beißende Geruch von verbranntem Gummi war ihm vertraut, seit er sich in den Straßenschlachten der Neunziger in die Luft eingebrannt hatte. Und auch das metallische Aroma von Blut, das tief in den Ritzen des Asphalts lag, war für ihn kein Fremder – es war längst Teil der Stadt geworden. Manche Erinnerungen blieben, egal wie sehr man sie verdrängte.
Es gab heute kaum etwas zu tun. Ein paar Kleinkriminelle schikanieren Obdachlose – Gestalten, mehr Schatten als Mensch. Sie hielten inne. Einer der beiden neigte leicht den Kopf.
„Zu leicht.“ Ein kurzes Zucken im Mundwinkel des anderen: „Schatten schlägt man nicht zurück.“
Dann bewegten sie sich, und der Rest war nur noch ein routinierter Ablauf, dumpfe Schläge, aufgescheuchte Gestalten, die in der Dunkelheit verschwanden.
Der Rest der Gegend wirkte still, fast zu still. Als hätten sich die wirklichen Raubtiere heute tiefer in die Dunkelheit zurückgezogen, um dort etwas vorzubereiten, das noch keinen Namen hatte. Einer von ihnen blieb stehen, lauschte. „Spürst du das?“
Der andere hob nur den Blick in die Schwärze über den Dächern. „Ja. Die Ruhe. In Vandora ist das immer das Lauteste.“
◊ ◊ ◊
Mit dem Geruch in der Nase setzten sie ihren Weg gen Süden fort. Das sogenannte Velvet Quarter stand im krassen Gegensatz zum restlichen Elend der Stadt. Limousinen glitten über glatte Pflasterstraßen zu Boutiquen und teuren Restaurants. Begleitet von dem leisen Wispern korrupter Deals, die in hohen Glasfassaden abgeschlossen wurden. Es war das Viertel der Etiketten, der teuren Uhren und der falschen Versprechen. Niemand sprach es offen aus, aber jeder wusste: Das wahre Geld floss durch die Adern dieser Avenues – nicht durch offen zugängliche Konten, sondern durch Bestechung, Schmuggel, Menschenhandel.
Das Auto hielt. Türen schlugen auf. Maschinenpistolen blitzten im Laternenschein.
Frank roch ihre Panik, bevor sie die Waffen hoben. Sam bewegte sich bereits – ein Schatten mit Zähnen. Der erste Schütze flog zurück ins Fahrzeug, bevor er abdrücken konnte. Metall splitterte. Glas barst.
Ein knapper Blick reichte, der Begleiter verstand und packte die Opfer, zog sie vom Bordstein weg. Sekunden, die sich wie Minuten zogen – die Stadt verschluckte alles, und doch machten sie weiter.
Ein paar Straßen weiter floss statt Blut Champagner, der mehr kostete als ein Jahresgehalt im Osten. Der Geschmack war in beiden Fällen derselbe: bitter, mit einer Spur von Asche. Selbst die Reichen konnten ihn nicht abwaschen. Er klebte an ihnen wie Teer, sickerte in ihre Poren, färbte ihre Träume schwarz.
Sie blieben kurz stehen, beobachteten eine Gruppe, die lachend aus einem Club trat. Ein Schatten legte den Kopf schief.
„Champagner oder Blut – alles derselbe Abgang.“ Der andere verzog nur kaum merklich den Mundwinkel, Zustimmung ohne Worte.
Man durfte hier nie zu lange verweilen, alte Erinnerungen und neue Laster betörten einen an jeder Ecke. Wer im Velvet steckenblieb, war auf ewig Dienerschaft der Reichen. Oder ihr Futter.
◊ ◊ ◊
Sie kamen zum kranken Herz der Metropole. Hier war der Geruch immer unerträglich. Wie antike Seeleute dem Gesang der Sirenen verfielen, zog das Clubviertel seine Besucher unwiderstehlich an. Das Flackern der Reklametafeln war ihr Lockruf. Das dumpfe Pochen der Bässe der unsichtbare Sog, der einen tiefer in sein Reich zog – hinein in ein Meer aus Lärm, Rauch und Versprechen, die am Morgen meist wie totes Treibgut zurückblieben. Niemand entkam Vandora City. Nicht wirklich.
Die Clubs waren Kirchen einer neuen Religion – der Religion des Vergessens.
Hierher kamen sie alle: die Banker mit schmutzigen Händen, die Politiker mit leeren Versprechen, die Polizisten mit schweren Gewissen.
Sie tanzten zu einer Musik, die laut genug war, um die inneren Schreie zu übertönen. Sie tranken Alkohol, der stark genug war, um die Bilder der Wahrheit zu verwischen. Und sie liebten sich mit namenlosen Menschen. Ein fleischlicher Akt zur Befriedigung sämtlicher sinnlicher Begierden. Natürlichen, wie auch den Unnatürlichen.
Im Schatten dieser Neonlichter stach ein Junkie auf einen Dealer ein. Die Klinge war schnell – einer von ihnen schneller. Ein gezielter Ruck zog den Täter zurück in den Schatten. Ein kurzer Blick, ein kaum hörbares Knurren: „Zu langsam.“
Sein Partner spürte den dumpfen Strom von Blut über Kleidung, Richtung Asphalt. Er sog kurz den Atem ein, schüttelte den Kopf. „Alles dasselbe Muster.“
Zwei weitere Hände griffen nach Taschen und Flaschen – doch ihre Reflexe waren präziser. Vandora testete jede Nacht ihre Grenzen.
Frank hätte das Viertel gerne gemieden, so wie man Abgründe meidet, deren Tiefe man ahnt. Lust und Angst mischten sich zu einem giftigen Cocktail, der selbst seine geschulte Nase betäubte. Doch seit er seine Gabe kannte, hatten sie ihre größten Fänge in diesem Gebiet gemacht. In den Clubs roch es nach Prostitution, Drogen und Verzweiflung – ein Parfum, das scheinbar Verbrecher anzog wie Motten das Licht.
Die Zwei bewegten sich im ständigen Kreislauf durch die Venen der Stadt – kaum mehr als Umrisse in der Dunkelheit der Nacht.
Ein kurzer Blickwechsel: „Sirene?“
Ein kaum merkliches Kopfschütteln: „Nein. Ein Schrei.“
Schreie gehörten inzwischen genauso zur Klangkulisse von Vandora City wie Musik und Motoren. Ein fester Bestandteil des ekstatischen Nachtlebens, das immer neue Höhen – oder Tiefen – erreichte. Für jeden, der suchte, gab es etwas zu finden: Ekstase, Entfremdung, Tod.
Die Stadt war ein Organismus mit Krebsgeschwür – alles verzerrt, alles metastasierte. Trotzdem hielt sie sich selbst am Leben. Wo das Gesetz versagte, blühte das Verbrechen. Wo die Ordnung zusammenbrach, entstand eine neue – eine dunklere, aber effizientere. Die Straßen wurden nicht von der Polizei kontrolliert, sondern von unsichtbaren Händen, die wussten, dass Chaos profitabler war als Frieden.
Der Puls schlug nur noch im Takt der Nacht und jeder Herzschlag war ein neues Verbrechen. Kaum jemand begriff, wie sie es fertigbrachte, selbst für die dunkelsten Abgründe der menschlichen Seele Orte voller Wollust und Begierde zu erschaffen – während sie an den einfachsten Grundlagen scheiterte: öffentlicher Ordnung, einer funktionierenden Verwaltung und sauberen Straßenbild.
Die Stadtreinigung fuhr nur noch dort, wo Kameras montiert waren. Die Verwaltung war ein bürokratisches Labyrinth, durchzogen von korrumpierten Beamten, die mehr Zeit damit verbrachten, Akten zu verlieren, als sie zu bearbeiten. Man munkelte, Straßenlaternen wurden nur gewartet, wenn ein Stadtrat in der Nähe wohnte. Alles musste irgendwem einen Pluspunkt in der Gunst eines Gönners bringen. Es war ein parasitäres Leben. Eines, das sich selbst verschlang, nur um sich neu zu gebären.
Frank kannte die offiziellen Statistiken – und die wahren Zahlen dahinter. Die Mordrate war dreimal höher als angegeben. Die Vergewaltigungsfälle wurden systematisch kleingerechnet. Und die Korruptionsskandale? Die existierten nur in einer Parallelwelt, in der noch jemand glaubte, dass Recht und Gesetz mehr waren als schöne Worte auf vergilbtem Papier.
Selbst in Nächten, schwer und nass vom endlosen Regen, zog es die beiden hinaus. Sie suchten keine gewöhnliche Zerstreuung – sie jagten eine andere Art von Unterhaltung, eine, die diese Stadt im Überfluss bereithielt. Ihr Blick folgte den Straßen, dunklen Gassen, Hintereingängen zwielichtiger Clubs und Spelunken, wo Kriminelle ihre Geschäfte abwickelten. Orte, an denen man keine Namen kannte – nur Taten.
Helden? Nein. Keine Embleme, keine Kostüme, kein Pressefoto, keine Statue im Park.
Sie waren The Nose und The Teeth.
Zwei Männer mit außergewöhnlichen Talenten und einem unbändigen Willen, das Böse zu bekämpfen. Keine Helden. Nur Überlebende, die beschlossen hatten, nicht mehr zu warten.
Frank, alias The Nose, führte den Weg, wie er es seit Jahren tat. Kein klassischer Detektiv, kein Mutant oder Cyborg – seine Gabe war realer und beängstigender. Seine Nase war ein Seismograf für menschliche Abgründe. Seine Augen mussten nicht sehen, was er längst roch: Angst, Schweiß, metallische Rückstände nach einem Schusswechsel, verbrannte Drogen, das kalte Rinnsal von Blut. Alles hatte einen Duft, alles sprach – und Frank verstand es wie kein anderer.
Seine Gabe war Segen und Fluch zugleich. Er konnte Lügen riechen, bevor sie ausgesprochen wurden. Konnte Gewalt wittern, bevor sie ausbrach. Konnte den Tod erahnen, bevor er kam. Aber er konnte sie auch nicht abschalten, diese ständige Flut von Informationen, die über seine Sinne hereinbrach wie ein giftiger Regen.
Manchmal, in stillen Momenten, wünschte er sich seine alte Naivität zurück. Die Zeit, als ein Geruch nur ein Geruch war und nicht eine Enzyklopädie menschlichen Elends. Aber diese Zeit war vorbei, genau wie seine Kindheit, genau wie seine Unschuld.
Sam, alias The Teeth, ein Mann wie aus der Zeit gefallen. Breitschultrig, mit einem Gesicht, das aussah, als hätte es zwölf Schlachten geschlagen – und gewonnen. Seine Zähne waren legendär – unzerstörbar, unnachgiebig. Einmal soll er einem Mann im Kampf das Messer aus der Hand gebissen haben. In manchen Versionen sogar mit der ganzen Hand zusammen. Vielleicht war es nur eine Geschichte. Vielleicht aber auch nicht.
Sam war kein Mann vieler Worte. Er sprach lieber mit den Fäusten. Sein Gang war aufrecht, schwer, fast wie ein Pendel. Die Dunkelheit war für ihn keine Bedrohung, sondern Vertraute. Und doch glänzten seine Augen wachsam. Nicht aus Misstrauen – sondern aus Hunger. Der Hunger nach Gerechtigkeit. Oder vielleicht nur nach einem Grund.
Seine Transformation hatte in einer Nacht begonnen, die er niemals vergessen würde. Eine Nacht, in der er hilflos zusehen musste, wie eine hilflose Frau auf der Straße … Nein. Diese Erinnerung gehörte zu einer anderen Geschichte. In diese Nacht gehörte nur die Konsequenz: ein Mann, der beschlossen hatte, dass genug einfach genug war.
Früher waren seine Zähne gewöhnlich, unscheinbar, menschlich – heute Werkzeuge des Schreckens. Die Stadt hatte ihre kalten Finger in seinen Mund gelegt und daraus Waffen geschmiedet. Er konnte Stahl zerbeißen, Knochen zermahlen, Hoffnungen zerschmettern – was immer die Nacht von ihm verlangte.
Sie waren ein unorthodoxes Duo, daran bestand kein Zweifel. Ihr Ruf war mittlerweile unauslöschlich. In den Fluren der Unterwelt hallten ihre Namen wie ein Fluch, flüsternd weitergetragen, von Mund zu Mund. Manche rannten schon, wenn sie nur den Schatten ihrer Silhouetten an einer feuchten Backsteinwand erkannten.
Und Vandora lieferte ihnen, wie auch gerade jetzt, immer neues Futter für diese Legenden.
Kinder liefen spielend umher, während ein Mann eine Frau bedrängte. Einer von ihnen schritt vor, packte den Angreifer wie ein Brett und warf ihn gegen die Wand. Der andere sog den Geruch der Verzweiflung ein, konnte fast den Herzschlag des Opfers zählen.
Ein kurzes, raues Lachen: „Immer dieselben Feiglinge.“
Die Antwort kam trocken, kaum lauter als der Regen: „Und wir sind immer dieselbe Strafe.“
Solche Momente wurden Teil der Gerüchte, die sich wie Unkraut durch die Straßen zogen: Die Schatten der Stadt bewegten sich gegen sie – sie jagten die, die andere verschlangen, nur um selbst weiter bestehen zu können.
Manche nannten sie Geister, Racheengel derjenigen, die von Vandora verschlungen worden waren. Andere sagten, sie seien nur verrückte Vigilanten, die irgendwann selbst ein schlechtes Ende nehmen würden. Wieder andere glaubten, sie seien Produkte eines geheimen Regierungsexperiments, das außer Kontrolle geraten war.
Die Wahrheit war simpler und komplizierter zugleich. Sie waren zwei Männer, die genug gesehen hatten. Genug erlebt hatten. Genug verloren hatten. Zwei Männer, die erkannt hatten, dass Warten auf Rettung bedeutete, für immer zu warten. Zwei Männer, die beschlossen hatten, ihre eigenen Retter zu werden.
◊ ◊ ◊
The Hollows markierten die intensivsten Gerüche und das Ende ihrer Patrouille. Ein Musterbeispiel einer fehlgeleiteten Stadtplanung.
Wohnbezirke mit jahrzehntealter Sozialwohnungsstruktur, die längst von Hoffnungslosigkeit zerfressen war. Die Gebäude standen schief, als würden sie sich vor ihrem eigenen Zustand schämen.
Kinder spielten auch hier zwischen brennenden Mülltonnen, während ihre Eltern auf klapprigen Balkonen saßen, Bierdosen in der Hand, Waffen unter dem Sofa. Es war ein Ort, an dem man verlernte, an Morgen zu glauben.
Die Wohnblocks glichen Grabsteinen einer gescheiterten Utopie. Einst als ein ambitionierter Plan erdacht, um den Menschen Würde zu geben, waren sie zu Käfigen geworden, in denen die Stadt ihre Verlorenen sammelte. Die Wände waren dünn genug, um jedes Weinen, jeden Schlag, jeden verzweifelten Schrei zu hören. Aber dick genug, um zu verhindern, dass jemand half.
Frank war hier aufgewachsen. Kannte jeden Gang, jeden Winkel, jeden Geruch. Wusste, welche geschwollenen Augen sich hinter verschlossenen Türen verbargen und welche Fenster niemals Licht sahen.
Seine Eltern hatten hier gelebt – fast mittellos, auf der Suche nach einer besseren Zukunft. Sie hatten gearbeitet, geliebt, gelitten – bis die Stadt sie fast verschluckt hatte wie alle anderen auch.
Sam stammte aus derselben Welt, aber aus einem anderen Block. Seine Kindheit war von anderen Geräuschen geprägt gewesen: dem Knacken brechender Knochen, dem Splittern zerschlagener Möbel, dem dumpfen Aufprall von Körpern auf Betonboden. Er hatte früh gelernt, dass Stärke die einzige Währung war, die hier galt. Und er hatte beschlossen, reich zu werden.
Für einen Moment ruhte ihr Blick auf Gravestone Hill, das im Norden über allem thronte. Die Ironie des Namens war längst zur Realität geworden. Einst ein Villenviertel, heute durchsetzt von Privatsicherheitsfirmen, deren Waffenarsenal das der Stadtpolizei in den Schatten stellte. Die Reichen hatten sich nicht angepasst – sie hatten aufgerüstet. Autonome Drohnen surrten zwischen Zypressen, Kameras beobachteten selbst die Stille. Und trotzdem, oder gerade deswegen, war dies der lukrativste Ort für die organisierten Verbrechen geworden: Drogenküchen in Untergeschossen mit Weinkellerromantik. Kinderhändler mit Manieren. Killer im Maßanzug. Wer Geld hatte, fand hier den richtigen Schatten.
Die Ironie war perfekt und pervers zugleich. Je höher die Mauern, desto tiefer die Geheimnisse. Je heller die Scheinwerfer, desto tiefer die Schatten der Wahrheit. Die Elite Vandoras hatte sich ihre eigene kleine Hölle geschaffen – eine klimatisierte, gut bewachte Hölle mit Marmorboden und goldenen Wasserhähnen. Ein würdiger Grabstein für eine sterbende Stadt.
Frank blieb abrupt stehen. Der Regen roch nach rostigem Eisen und zerplatzten Hoffnungen. Frank atmete tief ein, sortierte die Informationen: Zwei Blocks östlich brannte Heroin. Drei Straßen südlich blutete jemand aus einer Stichwunde. Und überall, wie ein Grundton, der süßliche Gestank der Korruption.
Vandora sprach zu ihm. Und er hörte jedes Wort.
„Sam“, flüsterte er, ohne den Blick von der dunklen Gasse vor ihnen zu lösen. „Da ist etwas Neues in der Luft.“
Sam nickte stumm. In Vandora war ein Mann, der Gefahr wittern konnte, wertvoller als jedes Schutzgeld.
Der Geruch lag schwer in der Luft: ein morbides Parfüm aus Angst, frisch und stechend wie Essig, gemischt mit metallischem, warmem Blut – und darunter ein Schatten, der Frank an seine dunkelsten Albträume erinnerte.
„Kinder“, hauchte er, seine Stimme verlor sich in der Nacht. Die Unschuld der Kinder trug eine klare Note, etwas, das Vandora nicht verdorben hatte.
„Da draußen lodert die Sorge um Kinder, wie ein Leuchtfeuer.“
Sams Kiefer verkrampfte sich, seine Zähne mahlten, als würden sie Glas zerdrücken. Bei diesem Thema gab es keine Debatten, keine Pläne, keine Vorsicht. Nur rohe, lautlose Wut.
Wortlos verschwanden sie im Schwarz der Gasse – zwei Schatten, die Jagd auf Bestien machten und dabei selbst zur Beute werden konnten. Die Stadt keuchte ringsum, ein krankes Lungenpaar, das um jeden Atemzug rang.
In der Ferne heulte eine Sirene. Ganz nah pochte ein Herz zu schnell. Und irgendwo dazwischen – in den Ritzen der Nacht, wo Licht nur noch ein Gerücht war – wartete etwas Neues.
Etwas, das selbst Franks geschulte Nase nicht einordnen konnte.
Etwas, das nach unschuldiger Angst roch.
2
Jagdinstinkt
In Vandora City gibt es keine Unschuldigen. Nur solche, die noch nicht erwischt wurden, und solche, die bereits bezahlt haben. Die Nacht kennt keinen Unterschied zwischen Täter und Opfer – sie verschlingt beide mit derselben gnadenlosen Gier.
Aber manchmal, in den seltensten Momenten, riecht die Nacht nach Hoffnung.
◊ ◊ ◊
Der Geruch führte sie wie Bluthunde durch Vandora City. Jede Straße erzählte eine Geschichte, jede Gasse barg ungelebte Träume. Für Frank und Sam waren die Straßen mehr als Asphalt – sie waren Karten, gemalt aus Blut und zerbrochenen Versprechen.
Die Spur roch nach Angst, nach Verzweiflung. Unschuld mischte sich mit Gefahr. Und sie führte sie von den verfallenen Gassen der Hollows, in alte Erinnerungen der Stadt. Damals, als Gesetze herrschten und keine Monster ihr Unwesen trieben. Vandora war eine Stadt der Überraschungen – und nicht alle davon waren willkommen.
◊ ◊ ◊
Regen hämmerte auf die Windschutzscheibe. Ein Rhythmus, der den Motor fast übertönte. Im Inneren war es stickig, der Geruch von Diesel, kaltem Metall und Angst hing schwer in der Luft. Auf der Ladefläche drängten sich vier Kinder und eine Frau, kaum mehr als ein Mädchen selbst, in knapper Kleidung, die in dieser Situation wie Hohn wirkte. Ihre Gesichter waren bleich, die Augen weit aufgerissen. Jeder Schlag auf den holprigen Straßen ließ ihre Körper zusammenzucken wie Marionetten an den falschen Fäden.
Vorne im Fahrerhaus glommen zwei Zigaretten. Das schwache, rote Glimmen zeichnete die Umrisse der Männer im Dunkeln nach.
