Thema Klarinette - Hans-Jürgen Schaal - E-Book

Thema Klarinette E-Book

Hans-Jürgen Schaal

4,8
9,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Die Geschichte der Klarinette reicht weit zurück, denn bereits in altägyptischer Zeit, in der klassischen Antike und im Mittelalter wurden schon Einfachrohrblattinstrumente gespielt. Als Vorläufer gilt das Chalumeau. Um 1700 begannen deutsche Instrumentenbauer – allen voran Johann Christoph Denner –, das Chalumeau weiterzuentwickeln. Seitdem hat das Instrument – in all seinen Facetten – einen beeindruckenden Siegeszug in der Musikwelt genommen. Keine Musikrichtung kommt ohne es aus. In der sinfonischen Blasmusik ist die Klarinette ebenso zu Hause wie im Klezmer, im Jazz und in der Volksmusik. Ein großer Freund war schon Wolfgang Amadeus Mozart, der 1778 an seinen Vater schrieb: '. ach, wenn wir nur clarinetti hätten! – sie glauben nicht was eine sinfonie mit flauten, oboen und clarinetten einen herrlichen Effect macht!' Dieses Buch befasst sich, wie der Untertitel verdeutlicht, mit 'Fachlichem, Praktischem und Unterhaltsamem' zum Thema Klarinette. In dem Artikel 'Wie die Klarinette wurde, was sie ist' befasst sich der Autor mit 'dem ewigen Patienten'. Und natürlich spielt die Entwicklungsgeschichte des Instruments eine Rolle. Auch und vor allem die Praxis kommt nicht zu kurz: Die Rolle der verschiedenen Klarinetten im Blasorchester wird ebenso behandelt wie 'Etüdenmaterial', 'Intonationsprobleme' oder das 'Überblasen'. Und selbstverständlich kommen einige ausgewählte Protagonisten zu Wort. Die Reihe clarino.extra dient dem Leser als gleichermaßen praktisches wie unterhaltsames Nachschlagewerk und beinhaltet thematisch sortierte Fachartikel aus der Zeitschrift Clarino bzw. clarino.print.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 149

Bewertungen
4,8 (18 Bewertungen)
15
3
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



clarino.extra

Band 9

Thema Klarinette

Fachliches, Praktisches und Unterhaltsames

DVO Druck und Verlag Obermayer GmbH

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

© DVO Druck und Verlag Obermayer GmbH, Buchloe 2011

Mehr über unsere Bücher und Zeitschriften: www.dvo-verlag.de

Alle Rechte vorbehalten

Nachdruck nur mit Genehmigung des Verlags

Umschlaggestaltung: Stefanie Waldmann

Lektorat: Katja Brunk

Satz und Druck: DVO Druck und Verlag Obermayer GmbH

ISBN 978-3-943037-14-2

Editorial

Der Klarinettist Giora Feidman hat mir einmal in einem Interview unmissverständlich seine Meinung kundgetan: »Ein Klarinettist, der die Bassklarinette spielt, ist noch lange kein Bassklarinettist.« Worauf er hinauswollte war, dass jedes Mitglied der Klarinettenfamilie ein vollwertiges ist – und vor allem, dass jedes Instrument für sich »eine Institution« ist. Natürlich könne ein B-Klarinettist auch die Bassklarinette spielen – aber schließlich könne ein Hornist ja auch Tuba blasen.

Die Geschichte der Klarinette reicht weit zurück, denn bereits in altägyptischer Zeit, in der klassischen Antike und im Mittelalter wurden bereits Einfachrohrblattinstrumente gespielt. Als Vorläufer gilt das Chalumeau. Um 1700 begannen deutsche Instrumentenbauer – allen voran Johann Christoph Denner –, das Chalumeau weiterzuentwickeln. Seitdem hat das Instrument – in all seinen Facetten – einen beeindruckenden Siegeszug in der Musikwelt genommen. Keine Musikrichtung kommt ohne sie aus. In der sinfonischen Blasmusik ist sie ebenso zu Hause wie im Klezmer, im Jazz und in der Volksmusik. Ein großer Freund war schon Wolfgang Amadeus Mozart, der 1778 an seinen Vater schrieb: »...ach, wenn wir nur clarinetti hätten! – sie glauben nicht was eine sinfonie mit flauten, oboen und clarinetten einen herrlichen Effect macht!«

Dieses Buch befasst sich, wie der Untertitel verdeutlicht, mit »Fachlichem, Praktischem und Unterhaltsamem« zum Thema Klarinette. Historisches spielt eine Rolle, und vor allem die Praxis kommt nicht zu kurz. Und selbstverständlich kommen einige ausgewählte Protagonisten zu Wort.

Die Reihe clarino.extra dient dem Leser als gleichermaßen praktisches wie unterhaltsames Nachschlagewerk und beinhaltet thematisch sortierte Fachartikel aus der Zeitschrift Clarino bzw. clarino.print. Im Januar des Jahres 1990 erschien die erste Ausgabe der Clarino – internationale Zeitschrift für Blasmusik. Seit nunmehr über 20 Jahren informiert diese Zeitschrift – mittlerweile mit dem Namen clarino.print – über die internationale Bläser-musik. Die Inhalte sind aktuell, erstklassig recherchiert, fundiert und beziehen Position.

Klaus Härtel

Chefredakteur clarino.print

Fotonachweise

Herbert WittalWilfried HöslKlara GierigAndré KrellmannMats BäckerThomas Rabsch

Das unmögliche Instrument - Wie die Klarinette wurde, was sie ist

Ihr Tonumfang ist der größte aller Blasinstrumente und theoretisch nach oben unbegrenzt. Ihre Dynamik reicht von ppp bis fff, ihr Klangverhalten umfasst mehrere Persönlichkeiten zwischen mysteriös und schrill. Vor allem aber ist die Klarinette eines: ein ewiger Patient.

Weit über Nürnberg hinaus genoss Johann Christoph Denner den Ruf, einer der besten Instrumentenbauer zu sein. Vor allem die neuen Instrumente aus Frankreich, den zierlichen Hautbois, der schnell den alten Pommer verdrängt hatte, und die flûte à bec, die Schnabelflöte, baute keiner weit und breit so kunstreich wie er. Denner hätte zufrieden sein können, doch er war ehrgeizig: Ob es wohl möglich wäre, fragte er sich, dem Chalumeau, diesem alten, einfachen Volksinstrument mit Anschlagzunge, ebenfalls eine zeitgemäße Gestalt zu geben, sodass die Herren Compositeure sich seiner genauso annähmen wie der Oboe und der Blockflöte? Das Problem beim Chalumeau war der geringe Tonumfang, der gerade mal die Oktave erreichte – eindeutig zu wenig für anspruchsvolle Musikwerke. Denner begann zu basteln: Er nahm eine Blockflöte, applizierte ihr ein einfaches Rohrblatt, bohrte zusätzliche Tonlöcher, die über Hebel zu bedienen waren – und hatte Erfolg damit. Tonsetzer wie Telemann und Graupner verlangten in ihren Partituren bald diesen neuen Chalumeau.

Doch Denner war nicht zufrieden. Er und sein Sohn experimentierten weiter, gaben dem Chalumeau Birne (Mundstück) und Stürze (Schallbecher) und veränderten Länge und Form der Röhre. Mithilfe eines besonderen Tonlochs gelang es Denner schließlich, dass man das Instrument überblasen konnte: Das war bei der Oboe das Geheimnis ihres Erfolgs gewesen. Doch dummerweise sprang Denners Instrument beim Überblasen nicht in die Oktave, sondern in die Duodezime, die Quint über der Oktave. Denner kannte noch nicht den Begriff der geschlossenen Röhre, aber das Prinzip war ihm wohl von der gedackten Orgelpfeife her vertraut: Das enge zylindrische Rohr seines neuen Instruments in Verbindung mit dem besonderen Mundstück lässt die Schallwelle im Rohr hin und zurück wandern. Der Grundton klingt daher eine Oktave tiefer als erwartet und die Schwingung ist nicht halbierbar, sondern springt beim Überblasen gleich in den 3. Partialton, den 2. Oberton.

Und damit fingen die Probleme an. Wenn die erste Lage eineinhalb Oktaven umfasst, brauchte das Instrument nicht 11 Tonschritte, sondern 18, also mehrere zusätzliche Tonlöcher – und wie sollte man das Spiel darauf mit nur 10 Fingern bewältigen? Schlimmer noch: Beim Überblasen in die Duodezime entsprachen die Tonlochabstände nicht mehr der temperierten Stimmung – das Instrument klang falsch und verstimmt. Ein Irrweg, eine Sackgasse, eine Fehlgeburt? Es gab kein Zurück: Komponisten wie Vivaldi und Händel stürzten sich geradezu auf Denners Erfindung, die 1732 den Namen »Klarinette« (kleine Clarin-Trompete) erhielt – wegen des klaren, durchdringenden Tons des Überblasregisters. Tonumfang, Dynamik, Klangflexibilität machten das Instrument bald unverzichtbar. Mozart erklärte den Erfolg der Klarinette mit ihrer Nähe zur menschlichen Stimme: Zu seiner Zeit hatte sie bereits fünf Zusatzklappen.

200 Jahre lang waren die Instrumentenbauer damit beschäftigt, dieses wundervolle, unmögliche Instrument zu retten – seine Fehler zu korrigieren, seine Unzulänglichkeiten auszutricksen. Man hat den Tonumfang der Klarinette erweitert, Klang und Intonation verbessert und ihre virtuose Spielbarkeit erleichtert. Man hat zusätzliche Löcher gebohrt, ständig neue Klappen, Hebel, Rollen, Federn und Ringe angebracht. Man fand Lösungen, Teillösungen, Hilfslösungen und viele Kompromisse. Letztlich liegt es am Spieler, die Defizite des Instruments durch Ansatz und Tongebung auszugleichen. In den Worten des berühmten klassischen Klarinettisten Jack Brymer (1915 bis 2003): »Die Fähigkeit, Klarinette zu spielen, ist die Fähigkeit, die Unvollkommenheiten des Instruments zu überwinden.«

Ein Jahrhundert nach Denner räumte ein gewisser Iwan Müller aus Reval mit einigen Kompromissen auf. Er veränderte das Klarinettenblatt, führte die Blattschraube ein sowie »erhabene« Ringe um die Grifflöcher. Vor allem ging es ihm um die Tonreinheit des Instruments: Müller berechnete die akustisch korrekte Platzierung aller Tonlöcher für alle Register und kam zu dem Schluss, dass er 13 Klappen benötigte. Da der Hebeldruck nicht immer ausreichte, um die Klappen fest zu schließen, erfand er dafür die Löffelklappe mit luftdichtem Lederpolster. Am Konservatorium in Paris verweigerte man ihm dennoch die Anerkennung, denn Konservatorien denken natürlich konservativ. Müllers chromatische Klarinette empfand man dort als Bedrohung des Charakters der einzelnen Tonarten und damit als Angriff auf die Klarinettenfamilie. Die Müller-Klarinette blieb eine deutsche Angelegenheit.

Spieltechnische Erleichterungen

30 Jahre später entschied man in Paris anders, aber diesmal waren die Erfinder auch Franzosen. Der Virtuose Hyacinthe Klosé und der Instrumentenbauer Louis-Auguste Buffet entwickelten um 1840 eine »clarinette à anneaux mobiles« mit 17 Klappen. Sie griffen bei der Verbesserung der Intonation auf die Prinzipien der Böhm-Flöte zurück, adaptierten deren Klappen- und Hebelsystem und führten bei der Klarinette die Ringklappe ein, die die Fingerkuppe »vergrößert«, um größere Löcher zu schließen und gleichzeitig eine zweite Klappe an anderer Stelle bewegen kann. Klosé waren aber auch spieltechnische Erleichterungen wichtig: die Reduzierung von Gabelgriffen, die Entlastung der kleinen Finger, Alternativgriffe für schnelle Läufe. Als Klarinettenprofessor am Pariser Konservatorium hatte Klosé genug Einfluss, um das Instrument durchzusetzen, und lieferte seinen Studenten auch gleich Lehrwerk und spezifische Kompositionen für die neuartige Grifftechnik. Erst die deutsche Firma Mollenhauer taufte Klosés Erfindung 20 Jahre später »Böhm-Klarinette«.

Der Belgier Eugène Albert hat sich einige bautechnische Elemente der Böhm-Klarinette ausgeliehen und damit um 1860 die deutsche Müller-Klarinette verbessert. Zweifellos war Alberts Instrument intonationsgenauer als die Böhm-Klarinette seiner Zeit. Als in den USA 1865 die Sklaverei abgeschafft wurde und Afroamerikaner erstmals gebrauchte Armee-Instrumente erwerben konnten, war die Albert-Klarinette der Standard – und wurde zum Instrument des New-Orleans-Jazz. Alle frühen Jazzklarinettisten – Sidney Bechet, Barney Bigard, Johnny Dodds, Edmond Hall, Jimmie Noone und Dutzende anderer – spielten die Albert-Klarinette. Sie schätzten ihren vollen, runden Klang und die Biegsamkeit der Töne. Raymond Burke (1904 bis 1986) sagte: »Ich habe nie Böhm-System gespielt. Ich frage mich, wozu sie das überhaupt bauen. Wozu all die Tasten und ein halbes Dutzend Alternativen, um einen Ton hervorzubringen? Je weniger Tasten und Löcher, desto besser!« Selbst Woody Allen spielt in seiner Dixie-Band Albert-Klarinette – zwecks größerer Authentizität: »Die Grifftechnik muss wohl die Phrasierung beeinflussen.« Auch in der türkischen und Klezmer-Musik hat sich das Albert-System erhalten.

Die letzten größeren Neuerungen am deutschen System entwickelte um 1890 der Klarinettist Oskar Oehler, ein Gründungsmitglied der Berliner Philharmoniker. Ihm ging es bei seiner 22-Klappen-Klarinette vor allem um eine klangliche Verbesserung: Die Idee für die Oehler-Mechanik kam ihm im Wirtshaus nach dem dritten Bier. Auch viele andere ingeniöse Instrumentenbauer und Virtuosen haben an der Klarinette mitgebastelt, um einige ihrer Unvollkommenheiten zu korrigieren. Hier sind nur ein paar der wichtigsten Namen: Adolphe Sax (Ringklappen), Carl Baermann (Doppelhebel), Joseph Tyler (Cis-Patent), Robert Stark (Trillerklappe), Pupo Pupeschi (Mechanik) oder Rosario Mazzeo (Ringhebel). Neben der Böhm-Klarinette gibt es auch die Voll-Böhm, neben der Oehler-Klarinette auch die Voll-Oehler. Der Klarinetten-Historiker kennt außerdem die Reform-Boehm von Wurlitzer, die weiterentwickelte Böhm von Antonio Romero y Andía (28 Löcher, neue Griffhaltung), die Patentklarinette von Heckel, die Deutsche Normalklarinette von Mollenhauer, die Wiener Klarinette, die Baermann-Ottensteiner oder die Schmidt-Kolbe. Klarinettenbau ist eine schwierige Wissenschaft.

Bis heute ungeschlichtet ist der Streit zwischen Böhm-System und deutschem System. Die Böhm klingt schärfer, heller, vielfältiger, begünstigt das Vibrato, die Virtuosität, die schnellen Läufe, die Eleganz und den Geldbeutel. Die Oehler oder Albert klingt wärmer, dunkler, obertonärmer, begünstigt die Tonbeugung und das Glissando, verlangt Gabelgriffe, Zungen- und Fingertricks. Trotz seines Vornamens ist ausgerechnet der Dixieland-Bläser Albert Nicholas (1900 bis 1973) – anders als seine Kollegen – seiner Albert-Klarinette einst untreu geworden: »Sie musste überholt werden und ich ließ sie dafür nach Frankreich schicken. Ich musste mich in der Zwischenzeit mit einer Böhm behelfen und als die Albert wiederkam, hatte ich die Griffe vergessen...«

Hans-Jürgen Schaal

Erschienen in clarino.print 5/2010

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!