Theorien des Todes zur Einführung - Petra Gehring - E-Book

Theorien des Todes zur Einführung E-Book

Petra Gehring

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Beschreibung

Wir alle werden sterben. Ganz einfach? Eher doch sehr kompliziert. Wovon die Rede ist, wenn jemand das Wort »Tod« verwendet, verrätselt sich, sobald man es näher begreifen will. Was das Faktum der Endlichkeit für den Zusammenhang des eigenen Lebens bedeutet, gehört zu den großen Fragen des abendländischen Denkens. Und welche Disziplin ist wissenschaftlich zuständig? Der Tod gehört überall hin und nirgends. Diese Einführung sichtet die Theoriegeschichte des Todes. Das Augenmerk richtet sich dabei – von der Antike bis heute – auf das philosophische Nachdenken über den Tod. Muss man ihn fürchten? Welche Bedeutung kommt ihm zu? Was ist er überhaupt? Eine Frage, die sich durch alle Kapitel des Buchs zieht, ist diejenige nach den Spuren einer Todespolitik. Nicht nur in der Philosophie der Moderne lassen sich solche Spuren finden.

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Seitenzahl: 259

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Theorien des Todes zur Einführung

Petra Gehring

Theorien des Todes zur Einführung

Wissenschaftlicher BeiratMichael Hagner, ZürichDieter Thomä, St. GallenCornelia Vismann, Weimar †

Junius Verlag GmbHStresemannstraße 37522761 Hamburgwww.junius-verlag.de

© 2010 by Junius Verlag GmbHAlle Rechte vorbehaltenCovergestaltung: Florian ZietzTitelbild: Brett East, Vanitas 11Veröffentlichung der E-Book-Ausgabe März 2016ISBN 978-3-96060-022-0Basierend auf Printausgabe:ISBN 978-3-88506-676-73. Aufl. 2013

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Zur Einführung …

… hat diese Taschenbuchreihe seit ihrer Gründung 1978 gedient. Zunächst als sozialistische Initiative gestartet, die philosophisches Wissen allgemein zugänglich machen und so den Marsch durch die Institutionen theoretisch ausrüsten sollte, wurden die Bände in den achtziger Jahren zu einem verlässlichen Leitfaden durch das Labyrinth der neuen Unübersichtlichkeit. Mit der Kombination von Wissensvermittlung und kritischer Analyse haben die Junius-Bände stilbildend gewirkt.

Von Zeit zu Zeit müssen im ausufernden Gebiet der Wissenschaften neue Wegweiser aufgestellt werden. Teile der Geisteswissenschaften haben sich als Kulturwissenschaften reformiert und neue Fächer und Schwerpunkte wie Medienwissenschaften, Wissenschaftsgeschichte oder Bildwissenschaften hervorgebracht; auch im Verhältnis zu den Naturwissenschaften sind die traditionellen Kernfächer der Geistes- und Sozialwissenschaften neuen Herausforderungen ausgesetzt. Diese Veränderungen sind nicht bloß Rochaden auf dem Schachbrett der akademischen Disziplinen. Sie tragen vielmehr grundlegenden Transformationen in der Genealogie, Anordnung und Geltung des Wissens Rechnung. Angesichts dieser Prozesse besteht die Aufgabe der Einführungsreihe darin, regelmäßig, kompetent und anschaulich Inventur zu halten.

Zur Einführung ist für Leute geschrieben, denen daran gelegen ist, sich über bekannte und manchmal weniger bekannte Autor(inn)en und Themen zu orientieren. Sie wollen klassische Fragen in neuem Licht und neue Forschungsfelder in gültiger Form dargestellt sehen.

Zur Einführung ist von Leuten geschrieben, die nicht nur einen souveränen Überblick geben, sondern ihren eigenen Standpunkt markieren. Vermittlung heißt nicht Verwässerung, Repräsentativität nicht Vollständigkeit. Die Autorinnen und Autoren der Reihe haben eine eigene Perspektive auf ihren Gegenstand, und ihre Handschrift ist in den einzelnen Bänden deutlich erkennbar.

Zur Einführung ist in verstärktem Maß ein Ort für Themen, die unter dem weiten Mantel der Kulturwissenschaften Platz haben und exemplarisch zeigen, was das Denken heute jenseits der Naturwissenschaften zu leisten vermag.

Zur Einführung bleibt seinem ursprünglichen Konzept treu, indem es die Zirkulation von Ideen, Erkenntnissen und Wissen befördert.

Michael HagnerDieter ThomäCornelia Vismann

Inhalt

Vorbemerkung

1. Politische Ordnung und philosophischer Tod

1.1 Kosmologische Motive

1.2 Was man trotz Nichtwissen über den Tod sagen kann

1.3 Die sokratische Geste

2. Von der Sorge um sich zum Schrecken des Jenseits

2.1 Der Tod als Aufgabe und Übung betrachtet

2.2 Das christliche Jenseits

2.3 Heil und Angst

3. Körper – Seele – Ende: Tod und Vernunft

3.1 Die Körpernatur und das Seelenproblem

3.2 Ärztewissen, klinischer Blick

3.3 Selbstmord oder Freitod?

4. Der Tod in der Epoche des Lebens

4.1 Romantische Todesnatur

4.2 Soziologisierung des Todes

4.3 Der Tod der Arten

4.4 Tod als Lebensfunktion

5. Tod oder Lebensende?

5.1 Ambivalenzen der Lebensphilosophie

5.2 Vernichtung

5.3 Tod und Technik

6. Die deregulierten Tode und ihre Aktualität

6.1 Hirntod

6.2 Sterben als psychologisches Projekt

6.3 Liberale Sterbehilfe und biologische Todlosigkeit

7. Schluss

Anhang

Anmerkungen

Weiterführende Literatur

Zitierte Literatur

Über die Autorin

Vorbemerkung

»Die menschliche Ungewißheit dem Eintreten des Todes gegenüber ist nicht einfach eine Lücke der biologischen Wissenschaft, sie ist ein Nichtwissen von der eigenen Bestimmung, und dies Nichtwissen ist selbst ein Akt, in dem sich ebensowohl eine Anwesenheit wie eine Abwesenheit des Todes konstituiert.«1

»Ich will, daß der Tod mich beim Kohlpflanzen antreffe – aber derart, daß ich mich weder über ihn noch gar über meinen unfertigen Garten gräme.«2

Wir alle werden sterben. Ganz einfach? Eher doch sehr kompliziert. Denn wovon ist die Rede, wenn jemand das Wort »Tod« verwendet? Kann man sich dieses unbekannte Etwas vorstellen? Muss man es fürchten? Und wie erfasst man es mittels einer Theorie? Antworten auf solche Fragen fallen schwer. Der Tod ist ein negativer Sachverhalt, eine Abwesenheitserfahrung. Jemand stirbt, ist gestorben, verschwindet. Ein mehr oder weniger vertrauter Körper zerfällt, eine Stimme ist nicht mehr da. Das sind Fakten, die im Zweifel nicht zu leugnen sind. Und doch kaum zu begreifen.

Es gibt wissenschaftliche Disziplinen, die in der einen oder anderen Weise für den Tod zuständig sind – die Medizin, die Psychologie, die Theologie, die Ethik, das Recht, die Geschichtswissenschaft. Zugleich ist der Tod etwas Höchstpersönliches. Was ihn anbelangt, herrscht ein Vorrecht der intimen Empfindung. Wie wollte ich sagen, was jene Endlichkeit der mir nahen Personen wie auch meiner selbst bedeutet? Ist hier nicht überhaupt die Grenze des Sagbaren erreicht? So ist ›der‹ Tod eine in sich gebrochene Sache. Wir sind konfrontiert mit zahlreichen wissenschaftlichen Perspektivierungen seines Soseins. Und wir sehen ihn als existenzielles Faktum: Lässt sich etwas Endgültigeres denken, etwas das finsterer, unerbittlicher wäre als ›er‹?

Theorien des Todes existieren, seit es Theorie gibt, also seit zweieinhalbtausend Jahren. In dem Maße, wie Wissenschaft zunehmend »Disziplinen« ausdifferenziert, durchquert das Nachdenken über Tod und Sterben die verschiedensten Fächer. Dazu kommt die Fülle kultur- und alltagsgeschichtlicher Archive: Gebrauchstexte, bildliche Darstellungen, bewahrte Zeugnisse und Relikte, Rituale des Abschiednehmens, der Bestattung, der Trauer. Wie legt man vor diesem Hintergrund eine Einführung in Theorien des Todes an?

Drei Ausgangsentscheidungen prägen dieses Buch. Zum einen diejenige, dass die Frage nach den Theorien des Todes in einen geschichtlichen Zusammenhang gehört. Anders gesagt: Der Tod ist nichts ewig Menschliches, er ist nicht immer gleich. Zwar legt das Faktum des Sterbenmüssens nahe, ›er‹ – der Tod – sei eine autonome Macht, da regiere die Faust des Schicksals oder zumindest die Natur. Dennoch können wir nicht davon ausgehen, dass es eine überhistorische Erfahrung oder Bedeutung des Todes gibt. Das, was unter dem Namen thánatos, mors, death, mort oder Tod vorgestellt, gedacht und erwartet wird, unterliegt genauso dem geschichtlichen Wandel wie all das, was vor dem Tod liegt: Leben, Welt, Wirklichkeit selbst. Mit den Todeserfahrungen unterscheiden sich auch die Todestheorien der verschiedenen Epochen. Wie radikal sich Todeskonzepte verändern und wie wenig in puncto Tod selbstverständlich ist: eben das will diese Einführung zeigen.

Eine zweite Ausgangsentscheidung betrifft das Problem des disziplinären Zugangs. Theorien des Todes sind über Expertenkulturen verteilt. Weder gibt es eine fächerübergreifende Thanatologie, noch wäre eine solche möglich – es sei denn als »nomadisierende Wissenschaft«, wie ein Soziologe unlängst vorschlug (Feldmann 2004, 7). So ist das wissenschaftliche Todesdenken begrifflich und methodisch fragmentiert. Beklagen muss man das nicht. Es sollte jedoch klar sein, woher der Wind weht – das heißt, welchen Zugang und welchen Weg durchs Themengebiet man wählt und welchen nicht. Diese Einführung bekennt sich zu einem exemplarischen Vorgehen. Die Kapitel ordnen sich chronologisch, bieten aber keine durcherzählte Geschichte, sondern leuchten markante Stationen des (europäischen) Todesdenkens aus. Theorien verschiedener, aber keineswegs aller Disziplinen kommen zur Sprache, denn begriffliche Fassungen des Todes stehen im Vordergrund, nicht Messwerte. Das bedeutet insbesondere, dass Todesursachentheorien und überhaupt naturwissenschaftliche Einzelheiten zurückstehen. Medizinische oder sozialwissenschaftliche Einsichten finden vor allem dort Erwähnung, wo sie das allgemeine Verhältnis zum Tod berühren und über Fächergrenzen hinaus diskursrelevant werden. Das ist etwa der Fall, wenn sich (wie beim Thema Suizid oder beim »Hirntod«) explizit Diskussionen um medizinische Todeskriterien ranken oder aber wenn (wie im Fall von Sterbestatistik) Auswirkungen von empirischen Konturen ›des‹ Todes auf die Agenda der Theoriebildung – und namentlich der philosophischen Theoriebildung – unübersehbar sind. Grundsätzlich gilt das besondere Interesse der Autorin also dem reflexiven und vielfältigen Todesdenken der Philosophie. Es sollen aber auch Aspekte einer Politik- und Machtgeschichte des Todes deutlich werden, denn die Philosophie ist keine Königsdisziplin und auch keine transdisziplinäre Übersichtswissenschaft. Sie hat in Sachen Tod keine letzte Expertise. Allerdings hat die Philosophie ein sehr langes Gedächtnis begriffs- und theoriegeschichtlicher Art. Und sie scheut nicht zurück vor der Größe des Themas.

Eine dritte Ausgangsentscheidung besteht darin, einen Schwerpunkt auf die Todestheorien der Moderne zu legen. Was prägt Todeskonzepte in den vergangenen zweihundert Jahren und was sind die Merkmale von Theorien des Todes heute, im Zeitalter von Biomedizin und Lebenswissenschaften, von steigender Lebenserwartung, von neuen Formen der psychologischen Bearbeitung des Sterbeprozesses und überhaupt von technischen Visionen – bis hin zur Idee eines in virtuellen Räumen vom Tod befreiten »transhumanen« Lebens? Tatsächlich verändert sich heute im Todesdenken einiges. In den Wissenschaften wie auch in der Alltagsperspektive scheint an die Stelle dessen, was über Jahrhunderte »Tod« hieß, der diesseits des Todes gelegene und besser fassbare Prozess des Sterbens zu treten. Eine solche (mögliche) Verschiebung des Nachdenkens über den Tod hin zu einem Diskurs des »Sterbens« wird in dieser Einführung ebenso diskutiert wie Thesen zum Verschwinden des Todes (Ariès 1978) oder auch zu einer »neuen Sichtbarkeit« des Todes in der Moderne (Macho/Marek 2008). Schon erwähnt wurde das Interesse der Autorin an aktuellen sterbepolitischen Problemlagen: Mit der These einer zunehmenden Politisierung des Sterbens bezieht diese Einführung – nicht unbedingt technikkritisch, aber machtanalytisch – Position. Gleichwohl soll auf jede Moralisierung des Redens über den Tod verzichtet werden. Faites vos jeux. Nichts ist geklärt, nichts abgeklärt.

1. Politische Ordnung und philosophischer Tod

»Also, Bester, sieh zu, ob nicht das Edle und Gute etwas ganz anderes ist als das Erhalten und Erhaltenwerden, und ob nicht ein Mann, der es wahrhaft ist, eben dieses, nur zu leben, solange es irgend geht, muß dahingestellt sein lassen und keineswegs am Leben hängen …«3

Dass die Toten den Lebenden schon früh ein Gegenstand der Sorge waren, zeigen prähistorische Zeugnisse. Mit einiger Sicherheit besaßen bereits die archaischen Vorfahren des homo sapiens eine Bestattungskultur (Leroi-Gourhan 1964/65, 144ff.). Auch Praktiken der Erinnerung an Gestorbene zählen wohl zu den unabdingbaren Merkmalen von Kultur. Erst in der antiken griechischsprachigen Überlieferung finden wir jedoch Formen eines theoretischen Nachdenkens über den Tod – Überlegungen also, in denen sich eine forschende Neugier ausspricht und neben der Frage nach dem guten Sterben auch die Unbegreiflichkeit des Todes diskutiert wird. Und zwar als offenes Problem.

Der Beginn einer solchen problematisierenden Todestheorie ist nicht der Beginn des Todesdenkens. Für das alte ägyptische Reich lassen steinerne Monumente, Grabinschriften, heilige Texte ein intensives Erinnerungswesen ahnen, in dessen Zentrum das Ringen mit dem Tod, dem unwiderruflichen Verschwinden, steht. Die Gemeinschaft richtet große Anstrengungen darauf, die Namen und die Körper der Toten zu bewahren, auf diese Weise bleiben sie Teil der Welt (Assmann 1988). Auch der Sonnengott gleicht einem Leichnam. Darin, diesen Gott rituell zu versorgen und seine nächtlich wiederkehrende Begegnung mit dem Lebendigen zu sichern, liegt der Schlüssel zum Inganghalten des ganzen Kosmos, das »Geheimnis der Geheimnisse« (Assmann 1998, 21) der ägyptischen Kultur. Das ägyptische Wissen über den Tod ist gerahmt von Erzählungen, wir sprechen im Rückblick von »Mythen« und meinen damit, dass feste Glaubensvorstellungen das damalige Todesdenken prägten. Ob dieses Bild einer fraglosen, »mythischen« Totenreligion einer vergangenen Gegenwart gerecht wird, lässt sich mit Gewissheit nicht sagen. Sollte es in vorgriechischer Zeit bereits theoretische Texte gegeben haben – individuelle Niederschriften, informelle, fragende und dabei doch verallgemeinernde Aussagen zum Tod – so kennen wir sie schlicht nicht.

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