There will be no surrender - Mitch Walking Elk - E-Book

There will be no surrender E-Book

Mitch Walking Elk

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Beschreibung

Die Autobiographie von Mitch Walking Elk, Angehöriger der Cheyenne-Arapahoe und Aktivist des American Indian Movements. Mitch hat irgendwie schon alles erlebt: Von den grausamen Alltag einer Boarding School, über Gefängnisaufenthalte, Alkohol, und Scheidungen bis hin zu den gefeierten Konzerten auf seinen Tournee. Er erkannte, dass Indianer in den USA für ihre Rechte kämpfen müssen und wurde Aktivist des American Indian Movements. Mitch kann seine Geschichte erzählen. Mit seinen Bildern findet er eine Realität, die uns nahe geht. Seine Worte schmerzen und berühren, wie wir es sonst nur von seiner Stimme gewohnt sind. Früher gingen seine Liedtexte unter die Haut, trieben uns die Tränen in die Augen und ließen uns sprachlos zurück, doch nun hat er mit seiner Biographie ein neues Instrument gefunden, seine Wut und seine Enttäuschung auszudrücken, aber auch seine Hoffnung und Liebe. Wir nehmen Anteil an einem Menschen, der schon oft vor dem Abgrund stand oder sogar darüber hinaus war, und es doch geschafft hat, sein Selbst zu behaupten, und sich nicht aufzugeben. Ein Mensch, der seine Wut besiegt hat und sogar imstande ist, zu vergeben. Ein bewegender Einblick in das Leben eines Musikers und Kämpfers und in einen unbeugsamen Mann. weniger anzeigen

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Mitch Walking Elk

There will be no surrender

Ich werde mich nie ergeben

Ich widme dieses Buch meiner Mutter Na-ha-ni (Killing Woman) Evalina Tasso, die mir das Leben schenkte, meinen Vorfahren, die gelitten haben, damit wir leben können, und allen von uns, die heute leben und somit die Verantwortung tragen, das Leben zu erhalten und die Lehren des Schöpfers an die künftigen Generationen weiterzugeben.

aus dem Amerikanischen übersetzt von Martin Krueger

There will be no surrender

Ich werde mich nie ergeben

Die AutobiographievonMitch Walking Elk

aus dem Amerikanischen übersetzt von Martin Krueger

Impressum

There will be no surrender, Mitch Walking ElkTraumFänger Verlag Hohenthann, 20121. Auflage eBook November 2021eBook ISBN 978-3-948878-14-6Lektorat: Ilona RehfeldtSatz und Layout: Janis Sonnberger, merkMal VerlagDatenkonvertierung: BookwireTitelbild: Elisabeth EndresCopyright by TraumFänger Verlag GmbH & Co. Buchhandels KG,HohenthannPrinted in Germany

Inhalt

Vorwort des Herausgebers

Erste Worte

Die Tsistsistas/Cheyenne

Geboren um zu kämpfen

In der Boarding School

In Helena

Im Steinbruch von Granite

Auf der Flucht

Big Mac

Im Gefängnis von Ohio

Sonnentanz in Süd-Dakota

Das American Indian Movement

Der erste Longest Walk

Endlich frei – meine Karriere

Töte einen Indianer – rette einen Zander

Lehren und Lernen

Respektiert unsere heiligen Zeremonien

Ein paar letzte Worte und Danksagung

Übersetzung der Dokumente

Nachwort des Übersetzers

Leben

Ich danke für all die Gabenund ich stehe voller Bescheidenheit vor Dir,weil Du wunderbar,mächtig und voller Mysterien bist

Ich bitte nur darum, dass Duin deinen zukünftigen Hinwendungensanft zu mir bist

Jedoch, sollte dies nicht der Fall sein,möchte ich mit dem größtmöglichen RespektFolgendes zu Dir sagen

Ich werde mich niemals ergeben

Mitch Walking Elk

Life

I thank you for all your giftsand I stand humbly before youbecause you are awesomepowerful and mysterious

I ask only, that in yourfuture dealings with methat you be gentle

However, should that not be the caseit is with the utmost respectthat I say to you

There will be no surrender

Mitch Walking Elk

Vorwort des Herausgebers

Dieses Manuskript liegt schon länger in unserer Schublade, aber erst jetzt sehen wir die Möglichkeit, es in würdiger Weise zu publizieren. Inzwischen haben wir eine große Leserschaft erreicht, sodass uns nun die Mittel und Wege offen stehen, dieses Buch auch einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Dieses Buch hat es verdient, gelesen zu werden, denn es steht stellvertretend für viele Menschen indigener Herkunft. Die Vernichtung indigener Kulturen und die Unterdrückung des einzelnen Menschen geschehen tagtäglich und überall auf der Welt. Die Systeme sind dabei immer wieder gleich: Zwangsassimilation, Raub der Bodenschätze, Vertragsbrüche, Entfremdung zur indigenen Kultur, Alkohol, Perspektivelosigkeit. Dazu gründeten die USA im Jahre 1824 sogar ein eigenes Department, nämlich das „Büro für indianische Angelegenheiten“, das dem Kriegsministerium unterstellt war. Aufgabe des Büros war es, so wörtlich, „die Indianer zu vermenschlichen, zu zivilisieren und zu christianisieren“, was beinhaltet, dass die indigene Bevölkerung nicht als vollwertige Menschen gesehen wurden. Was folgte war eine rücksichtslose Vernichtung der indigenen Kultur. Heute sprechen indianische Vertreter sogar von „kulturellen Genozid“. Die Speerspitze dieses kulturellen Genozids war die von dem Offizier Richard Henry Pratt gegründete Internatsschule (Boarding School) in Carlisle, die zum Vorbild für weitere Internatsschulen wurde. Anfänglich auf freiwilliger Basis wurden die Kinder in der Folge auch gegen den Willen der Eltern weggenommen und in die Internate eingewiesen.

Die wenigsten Eltern gaben ihre Kinder freiwillig in die Obhut fremder Menschen, sondern mussten durch drastische Strafen „überredet“ werden, ihre Kinder fortzugeben. Essensentzug, Gefängnis, Schikanen waren weit verbreitete Mittel, um Eltern davon zu überzeugen, ihre Kinder dem „Man, who counts“ (dem Mann, der zählt) mitzugeben. Manche versteckten ihre Kinder oder verheimlichten die genaue Anzahl, um wenigstens einige vor der Gier des Weißen Mannes zu retten.

Einige der bedeutendsten Medizinmänner der heutigen Zeit gehen aus diesem Akt der Verzweiflung hervor: Kinder, die von ihren Eltern versteckt wurden, damit sie das Andenken ihrer Ahnen weitertragen konnten, während ihre Brüder und Schwestern dahinsiechten und vielleicht starben. Denn das Motto dieser Internate war eindeutig: „Den Indianer zu töten, um den Menschen zu retten. Schätzungen gehen heute davon aus, dass etwa ein Drittel aller Kinder diesen Terror nicht überlebten. Trotzdem wurde das System bis in die 1970er, teilweise achtziger Jahre weitergeführt. Die Schüler, die diese Boarding Schools überlebten, waren für ihr Leben gezeichnet, entwurzelt von der eigenen Kultur und Identität. Nur wenige schafften es, aus dem anfangs sicherlich gut gemeinten Ansatz ihr eigenes Leben zu gestalten und ein angepasstes Leben zu führen, wie es sich die Obrigkeit eigentlich vorgestellt hatte. Die negativen Folgen kann man heute auf den Reservationen erleben: Resignation, Arbeitslosigkeit, Alkoholismus, Gewalt, Entfremdung von der eigenen Kultur …

Eigentlich muss es verwundern, dass es immer noch Menschen gibt, die diesem Sumpf entkommen und ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Mitch ist so ein Mensch. Vom System bereits als verwahrlostes, straffälliges Kind abgeschrieben, verbringt er erst seine Jugend und dann einen Teil seines Erwachsenenlebens in verschiedenen Besserungsanstalten und später als Krimineller in Gefängnissen. Doch er ändert sich. Das American Indian Movement prägt seine Einstellung und er entflieht dem Kreislauf aus Alkohol, Drogen und kriminellen Handlungen. Er wird zum Sonnentänzer und Pfeifenbewahrer und er entdeckt sein Talent in der Musik. Er schreibt Protestlieder und drückt in ihnen seinen Zorn auf das Weiße System aus. Eroberer und Zerstörer sind es, die ihm seinen Stolz und seine Identität genommen haben, und nun fordert er sie zurück. Mitch kämpft kompromisslos für das American Indian Movement, doch auch hier entwickelt er sich vom aktiven Kämpfer zum besonnenen Botschafter seines Volkes. Nicht anklagend, sondern erklärend zwingt er uns, ein großes Verbrechen zu verstehen, das an den indigenen Menschen begangen wurde und immer noch wird. Es schmerzt, was wir hier lesen, und immer wieder stellt sich uns die Frage „was wäre wenn“. Welchen Weg hätte Mitch nehmen können, wenn er eine behütete Kindheit gehabt hätte? Wie wäre sein Leben verlaufen, wenn er noch in den alten Traditionen seines Volkes hätte aufwachsen können? Es ist müßig, darüber nachzudenken, denn es ist, wie es ist. Trotzdem hilft uns seine Geschichte, zu begreifen, warum so viele indigene Menschen ihr Leben nicht in den Griff bekommen. Wie oft neigt man zu vorschnellen Urteilen? Immer wieder hören wir den deutlichen Vorwurf: „Die wollen ja gar nicht anders!“ oder „Die sind ja selbst schuld!“. Die! Diese „die“ sind Menschen wie Mitch, die vielleicht nie eine wirkliche Chance in ihrem Leben hatten. Nicht alle finden die Kraft, sich aus den Fesseln zu lösen und einen guten Weg im Leben zu finden. Dieses Buch erzählt von einem Menschen, der sich nie aufgegeben hat und damit auch anderen Hoffnung geben kann.

Buno Schmäling

Erste Worte

Eigentlich habe ich diese Geschichte schon vor vielen Jahren begonnen, aber aus verschiedenen Gründen hatte ich nicht das Durchhaltevermögen und das Know-how sie zu Ende zu schreiben. Jetzt, wo ich sie nun schreibe, komme ich zur Erkenntnis, dass ich vorher einfach noch nicht lange genug gelebt hatte, um bestimmte Teile dieser Geschichte zu erzählen, die später wichtig sein könnten. Nun ist die Zeit dafür gekommen und ich erkenne, dass die Lebenserfahrung von wichtiger Bedeutung ist, wenn man seine persönliche Geschichte erzählen möchte. Beim Schreiben und Lesen von dem, was ich bisher zu Papier gebracht habe, fällt mir auf, dass es eine schwierige Geschichte ist. Aber es ist auch eine gute Geschichte, und mehr noch, es ist eine wahre Geschichte. Es gab Zeiten in meinem Leben, in denen ich bereits am Rande des Grabes stand, aber ich habe niemals aufgegeben, selbst dann nicht, als ich flach mit dem Gesicht nach unten auf der Erde lag oder ich einen vollkommen falschen Weg eingeschlagen hatte. In diesen Momenten wäre es besser gewesen, ich hätte den Kurs gewechselt und wäre letztlich in eine andere Richtung weitergegangen. Trotzdem habe ich es immer wieder irgendwie geschafft.

Im Indianerland gibt es eine Geschichte über einen Eimer voller Krebse. Jedes Mal wenn einer der Krebse versucht, über den Rand des Eimers zu entkommen, ziehen ihn die anderen Krebse wieder hinein. Das geschieht wieder und wieder, und natürlich schafft es auf diese Weise kein einziger Krebs zu entkommen. Sie sind in dem Eimer gefangen und sterben dann irgendwann.

Wenn man sich diese Fabel im Indianerland erzählt, dann sind mit den Krebsen „wir“ gemeint und das „Zurückziehen in den Eimer“ steht für die Unfähigkeit, sich aus dem Sumpf zu befreien oder dass wir unsere Situation immer nur als Ausrede benutzen, um uns selbst Steine in den Weg zu legen.

Was ich persönlich an dieser Krebsfabel so bedeutsam finde, sind nicht so sehr die Krebse, die die Fluchtversuche der anderen Krebse verhindern, indem sie sich gegenseitig immer wieder in den Eimer zurückziehen, sondern dass es immer wieder einen Krebs gibt, der überhaupt versucht zu entkommen.

Mit diesem Gedanken im Kopf beginne ich diese Erzählung und hoffe, dass ich andere „Krebse“ dazu inspirieren kann, nicht nur den Wunsch zu haben zu fliehen, sondern wirklich frei zu sein.

Während ich dies schreibe, sind einige bedeutsame Dinge im Bezug auf Indianer in der Welt passiert. Ein wichtiges Ereignis war, dass 140 Nationen die „nicht-verbindliche“ Erklärung der Vereinten Nationen unterzeichnet haben, in der sie erklären, die Rechte der eingeborenen Völker anzuerkennen. Vier Länder haben dagegen gestimmt, mit der Begründung, die Resolution würde den eingeborenen Völkern zu viele Rechte zugestehen, und dies wäre unvereinbar mit der aktuellen Gesetzeslage. Kanada, Australien, Neuseeland und die Vereinigten Staaten stimmten zuerst dagegen, aber unter dem Druck der Weltgemeinschaft oder aus anderen Gründen stimmte ein Land nach dem anderen doch zu Gunsten der Eingeborenen. Eine Gemeinsamkeit dieser vier Länder ist, dass sie alle Ureinwohner hatten, die innerhalb ihrer Grenzen lebten. In Australien gibt es die Aborigines, in Neuseeland die Maori und in den USA und Kanada viele Stämme, Volksgruppen oder Nationen, die man früher als Indianer bezeichnete, die aber heute, um politisch korrekt zu sein, „Native Americans“ genannt werden. Diese sind die indigenen Völker.

Meiner Meinung nach verleiht die anfängliche Ablehnung der Deklaration durch die erwähnten Regierungen den Klagen der Eingeborenen über erlittenes historisches Unrecht noch mehr Glaubwürdigkeit.

Das Ergebnis oder die Tatsache, dass diese Regierungen ihre ursprüngliche Stimme nun zu Gunsten der Eingeborenen geändert haben, muss erst noch abgewartet werden. Aufgrund dessen, dass die Resolution nicht verbindlich ist, ist sie zwar ein legales Dokument, allerdings, bildlich gesprochen, ohne Zähne, höchstens mit Milchzähnchen. Inwieweit die Weltgemeinschaft sie wirklich unterstützt, wie sie reagiert oder dagegen ist, muss ebenfalls abgewartet werden.

Die Ungerechtigkeiten haben sich über Generationen hinweg bis in die heutige Zeit fortgesetzt und jene, die heute begangen werden, sind nur die Spitze des Eisberges. Die Auswirkung dieses Unrechts kann man als Menschenrechtsverletzungen bzw. als Missbrauch der Schöpfung an sich bezeichnen, und sie hatte und hat katastrophale Folgen für Mensch und Tier, sowie für das Land und das Wasser.

Angesichts der Auswirkungen von mehr als 500 Jahren der Lügen, des Betrugs und des Völkermords, kultureller Assimilation und Gehirnwäsche, unangemessener Gesundheitsfürsorge, finanzieller Unterstützung, Zwangssterilisation von indianischen Frauen und Vertragsbrüchen ist die Haltung der US-Regierung unangemessen und inakzeptabel. Sie ist einfach nicht ehrlich, und es gab noch nicht einmal eine Entschuldigung für all das, was zum spirituellen, mentalen, emotionalen und letztlich auch zum physischen Verfall von Millionen von Ureinwohnern beigetragen hat. Und von denen, die noch übrig sind, tragen viele Traumas mit sich herum, ohne dies je zu bemerken. Es ist eine schreiende Ungerechtigkeit, dass wir, als Nachfahren der ursprünglichen Menschen aus diesem Teil der Welt, gezwungen sind, uns Tag für Tag damit auseinanderzusetzen. Ich spende all den Nationen Beifall, die den Respekt hatten, die Erklärung zu unterzeichnen und die damit die Rechte der indigenen Völker anerkannt haben, denn nach wie vor werden die Rechte indigener Menschen mit Füßen getreten.

Im Januar 2000 hat sich Präsident Bill Clinton offiziell bei den Menschen in Guatemala für die Beteiligung der Vereinigten Staaten an ihrem Bürgerkrieg entschuldigt, der drei Jahrzehnte lang andauerte. Nicht entschuldigt hat er sich für das Unrecht, das vor allen Dingen den dortigen Ureinwohnern angetan wurde: Die Vereinigten Staaten stellten das Militär, bildeten Personal aus, lieferten Waffen und unterstützten die Regierung von Guatemala finanziell in einem Krieg, in dem fast 200.000 Menschen starben. Vier Fünftel der Opfer waren Maya-Indianer. Zwischen 1978 und 1986 wurden mehr als 400 Dörfer der dortigen Indianer völlig zerstört und buchstäblich Tausende niedergemetzelt. Guatemala ist nur eines der Länder in Nord- und Südamerika, in denen die USA bei der Vernichtung der Ureinwohner ihre Hand mit im Spiel hatte. Eingeborene in Nicaragua, Panama, Mexiko und Peru hatten unter der militärischen Unterstützung der USA in diesen Ländern zu leiden. Grundsätzlich sollte sich jeder „Indianer“, der in die Streitkräfte der USA eintreten will, darüber informieren, wo und wie die Regierung der USA an der Tötung eingeborener Menschen in unserem Teil der Welt beteiligt ist. Vielleicht wird er sich dann anders entscheiden.

Derzeitig gehört Kolumbien zu den Hauptempfängern von US-Unterstützung in diesem Teil der Welt und die eingeborenen Menschen (die Indianer) dort leiden unter den Aktionen aller militärischen Kräfte, die dort involviert sind.

Sowohl die Streitkräfte der kolumbianischen Regierung selbst, als auch einige paramilitärische Verbände, die nichts anderes als eine Erweiterung der militärischen Kräfte der kolumbianischen Regierung sind, befinden sich gegenwärtig im Kriegszustand mit zwei Guerilla-Gruppen. Die größte von ihnen ist die „FARC“, die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens.

FARC ist auch verantwortlich für den Tod von Terrence Sreitas, 24 Jahre alt, aus Los Angeles, Kalifornien, einem Hawaiianer namens Lahe‘ena‘e Gay, 39 Jahre und der 41-jährigen Ingrid Washinawatok, einer Menominee aus Keshena, Wisconsin, und zahlreicher anderer Ureinwohner. All dies geschah am 4. März 1999. Das Trio war nach Kolumbien gereist, um die Uwa Indianer im Norden Kolumbiens mit dem Bau einer Schule zu unterstützen. Sie wurden am gleichen Tag getötet, als die Clinton-Regierung für die kolumbianische Regierung unter dem Namen „Plan Columbia“ eine Summe von 300 Millionen Dollar bereitstellte, um sie im Kampf gegen die Guerillatruppen zu unterstützen. Um ihren Bürgerkrieg zu finanzieren, hatten diese nämlich damit begonnen, Kokain zu produzieren und Leute zu entführen und gegen Lösegeld freizulassen.

Die Regierung der Vereinigten Staaten ist der Ansicht, dass man es im Interesse der nationalen Sicherheit nicht zulassen könne, dass Regierungen, die den USA freundlich gesinnt sind, von Ländern jenseits der Grenze gestürzt werden. Und das schon gar nicht, wenn Amerika dort Öl- oder andere wirtschaftliche Interessen hat. Deshalb zögern auch sie nicht, in jede Regierung, die die Interessen der USA vertritt und sichert, Milliarden von Dollar wie in einen Trichter hineinzupumpen. Dass Menschen dabei umkommen, vor allem wenn es sich um Eingeborene (Indianer) handelt, ist nur von geringer Bedeutung.

Die USA geht dabei perfide vor und bildet zur Sicherung der eigenen Interessen sogar Rekruten aus, die dieses unsaubere Geschäft von der Pike auf lernen. Die mit US-Steuergeldern finanzierte „School of the Americas“ ist eine Rekrutenschule in Atlanta, Georgia. Sie befand sich ursprünglich in Panama, wurde aber später, als der Panamakanal an Panama zurückgegeben wurde, nach Ft. Benning, in Georgia verlegt. Sie bildet ausgewählte Soldaten aus Mexiko, Guatemala, Nicaragua, Peru, Ecuador, Kolumbien und anderen mittel- und südamerikanischen Ländern in der Bekämpfung von Aufständen, Guerillakriegen, dem Umgang mit hoch entwickelten Waffen und zur Informationsgewinnung aus. Zeitweise, wahrscheinlich tut man das noch immer, wurde ein Handbuch zur Folter (zum Zweck des Sammelns von Informationen) genutzt. Schließlich fiel das Handbuch in die Hände von Demonstranten und wurde veröffentlicht, was dem Militär sehr peinlich war. Gegenwärtig stammt die größte Zahl der Schulabsolventen aus Kolumbien, doch darüber hinaus erlangte es eine traurige Berühmtheit, dass Absolventen dieser Schule als Mitglieder von Todesschwadronen bekannt wurden, die Hunderte von unschuldigen Menschen in Mexiko, Guatemala, El Salvador etc. getötet haben.

Tatsache ist, dass Amerika nicht unschuldig ist und niemals unschuldig war. Man kann keine Verwüstungen anrichten, Todesschwadronen und Regierungen finanzieren und unterstützen, die unschuldige Leute umbringen und die Rohstoffe, ich nenne sie Geschenke der Erde, ausbeuten, ohne dass diese Dinge auf uns Amerikaner zurückfallen. Der Umstand, dass diese Geschenke nicht unbedingt direkt aus den Ländern kommen, in denen Menschen durch ihre Regierung zu Schaden gekommen sind, ist dabei irrelevant. Es reicht, dass Regierungen die Erde ausbeuten. Das ist die Welt, in der ich lebe, und ich fühle mich irgendwie privilegiert, dass mir diese zum Teil geheimen Informationen überhaupt zugänglich wurden.

Es ist die Geschichte eines Volkes am Beispiel des Überlebenskampfes eines einzelnen Mannes, der, während er mitten im Bauch der Bestie lebt, damit fertig werden muss, die Schäden, die die Kolonialisierung angerichtet hat, zu überwinden. Er muss die Fesseln der Assimilation abstreifen, obwohl er gleichzeitig in ihnen verfangen ist.

Dies ist eine persönliche Suche nach spiritueller Heilung. Gleichzeitig aber ist sie Teil einer lebendigen und wichtigen Widerstandsbewegung. Sie ist zwar lebendig, aber in Kämpfe verwickelt, zum einen innerhalb des indigenen Amerikas, und zum anderen in Amerika selbst.

Es ist eine Geschichte des Überlebens, die sich über mehrere Generationen des Völkermords hinzieht und die sich danach sehnt, endlich erzählt zu werden. Sie handelt von der Zerstörung einer Kultur und ihrer Menschen, von sexuellem, emotionalem und körperlichem Missbrauch, von Vernachlässigung, von Internaten, Gefängnissen, aber auch von Konzerttourneen durch Europa, Reisen nach Kanada, Mexiko und Südamerika, um indigene Menschen und ihre Belange zu unterstützen. All diese Dinge dienten als Übungsplatz für einen Menschen, dessen Geschichte in vielen Bereichen wie der Mikrokosmos für eine gesamte Nation ist.

Wir erlitten als Folge von Kolumbus Ankunft auf unserem Kontinent nichts als Leid, während andere Kulturen und ihre Repräsentanten ihren Vorteil daraus zogen und von ihr profitiert haben. Was in den amerikanischen Ländern geschehen ist und immer noch geschieht, ist purer Missbrauch und Ausbeutung. Und es ist längst nicht vorbei. Das, was in Amerika geschehen ist, hatte Konsequenzen und wird auch weiterhin Konsequenzen haben.

Wachstum kommt von dem, was noch nicht gewesen ist und dem, was noch nicht ist. Das ist eine einfache Tatsache. Die schwere Aufgabe wieder gesund zu werden, liegt auf „unseren“ Schultern und ist „unsere“ alleinige Verantwortung. Es wäre ein schwerwiegender Fehler unsererseits darauf zu warten, dass der Weiße Mann seine Fehler wiedergutmacht, wenn dort nur ein paar wenige Interesse haben, überhaupt darüber nachzudenken. Wir sind diejenigen, die die Kontrolle über unser Wohlbefinden übernehmen müssen, selbst dann, wenn die Ungerechtigkeiten andauern. Gesund werden bedeutet nicht zwangsläufig, dass wir ihre Lebensweise vollständig übernehmen und unsere ablehnen. Indem wir das ihre übernehmen, mag es uns körperlich gut gehen und wir fühlen uns sicher, aber ich zweifele ernsthaft daran, dass es uns unser kulturelles und geistiges Wohlbefinden zurückbringt.

Das genaue Gegenteil könnte der Fall sein. Ist es nicht so, dass unser ganzer Planet unter der Technologie und dem so genannten Fortschritt zu leiden hat? Ist das Wasser, das wir trinken nicht ungenießbar ohne chemische Aufbereitung? Und die Luft, die wir atmen, in manchen Gegenden völlig vergiftet, und wir atmen sie dennoch? Selbst die Tiervölker ziehen sich vor der nahenden Technologie zurück und sterben trotzdem in diesem Prozess, denn es gibt keinen Ort mehr, an dem man sich zurückziehen kann.

Die natürliche Nahrungskette ist bereits bis zu einem Punkt geschädigt, dass es gewiss ist, dass alles, was wir konsumieren oder nicht konsumieren, uns irgendwann in der Zukunft krank machen und uns vielleicht sogar töten kann. Trotzdem essen wir, was uns angeboten wird, weil wir in unseren Gedankengängen bereits so eingeschränkt sind, dass wir nicht mehr wissen, was wir für uns selbst tun können.

Man hat uns zwar an Stelle unseres religiösen Weltbilds ein anderes angeboten, doch ist nicht der Geist, der in diesem Teil der Erde Tausende von Jahren existiert hatte, immer schwieriger zu finden? Ich habe erfahren, dass „gesund werden“ bedeutet, die ursprünglichen Gesetze und Lehren, die unseren Vorfahren in diesem Teil der Erde gegeben wurden, wiederzuerlernen und zu ihnen zurückzukehren, so weit wie es eben möglich ist.

In den 70er Jahren hielt Oren Lyons, der Glaubenshüter der Onondagas, einem Volk der Irokesenkonföderation eine Rede. Er sprach zu den Leuten von Ganienkeh, die unter Berufung auf verschiedene Verträge ein Stück Land in den Adirondack Mountains im Staate New York wieder in Besitz genommen hatten. Er sprach über die Prophezeiungen, die den Ureinwohnern in diesem Teil der Welt für die Zukunft unserer Nationen gegeben worden waren. Mit großer Ernsthaftigkeit und mit mahnenden Worten sagte er, dass „unsere Generation nicht diejenige sein wird, die sich zur Ruhe bettet“.

Mitch Walking Elk

Die Tsistsistas/Cheyenne

Kapitel I

Am 29. November 1864 hatten die südlichen Cheyenne und Arapaho ihre Lager an einem Ort im südöstlichen Colorado aufgebaut. Dieser Ort wurde Sand Creek genannt. Beide Stämme gehörten zur Sprachfamilie der Algonkin; sie hatten ähnliche Bräuche und waren eine lange Zeit Verbündete.

Während dieser Zeit gab es gravierende Rassenkonflikte zwischen den Weißen und den Cheyenne, den mit ihnen verbündeten Arapaho und den anderen Stämmen. Häuptlinge beider Stämme, der Cheyenne und der Arapaho hatten an einer Friedenskonferenz mit dem Gouverneur des Staates Colorado, John Evans, teilgenommen; das glaubten sie jedenfalls. Doch bereits vor den Verhandlungen hatte Gouverneur Evans den Kongress in einer offiziellen Anfrage um die Sendung von Truppen gebeten, um den „großen Indianeraufstand“, wie er es interpretierte, effektiv niederschlagen zu können. Da der Kongress zu diesem Zeitpunkt mehr mit dem Bürgerkrieg beschäftigt war, wurde die Entsendung von Truppen verweigert, jedoch billigte der Kongress die Aufstellung eines Freiwilligen-Regiments, das 3. Colorado Freiwilligen-Regiment, das sich für einen bestimmten Zeitraum um das besondere Problem kümmern sollte. Kopf dieses zusammengeworfenen Haufens war der Methodistenprediger John M. Chivington, der auf Grund beeindruckender Führungsqualitäten im Bürgerkrieg zum Oberst befördert worden war. (Stan Hoig: The Sand Creek Massacre)

Zeitgenössische Zeugenaussagen einiger Offiziere legen die Vermutung nahe, dass Gouverneur Evans möglicherweise aus politischen Gründen den Krieg mit den Indianern wollte.

Sowohl Historiker als auch Nachfahren der überlebenden Cheyenne und Arapaho kamen jedenfalls zu dem Schluss, dass die sogenannten „Friedensverhandlungen“ nichts anderes als ein Vorspiel zum späteren Massaker am Sand Creek waren.

Auf Seiten der Cheyenne war Häuptling Black Kettle, einer der wichtigsten Cheyennehäuptlinge, bei den Verhandlungen in Denver im September des Jahres 1864, bei denen Gouverneur Evans den Vorsitz hatte. Er und Oberst Chivington waren der Ansicht, dass das Colorado Freiwilligen-Regiment geschaffen worden war, um Indianer zu töten und deshalb auch diese Aufgabe zu erfüllen hatte: nämlich Indianer zu töten.

Berichte des Kriegsministeriums enthüllten, dass Evans per Boten eine Nachricht an alle „freundlichen“ Indianer schickte, sich aus dem Krisengebiet zurückzuziehen. Er hätte allen feindlichen Indianern den Krieg erklärt und er wolle nicht, dass freundlich gesinnte Indianer für die Taten der anderen zu büßen hätten. Black Kettle folgte dem Aufruf des Gouverneurs und kam als erster zu dem Treffen. Nach den Verhandlungen führte er seine Leute zu einem Ort, der Sand Creek genannt wurde. Hier glaubte er in Sicherheit zu sein.

In den frühen Morgenstunden des 29. November wurde Black Kettles Lager von Oberst Chivington und dem 3. Colorado Freiwilligen-Regiment angegriffen. Die 700 Mann starke Truppe wurde noch durch 125 Mann aus Ft. Lyon unter dem Kommando von Major Scott J. Anthony unterstützt.

Gemäß offiziellen Untersuchungsberichten des Kriegsministeriums wird vermutet, dass das Lager von Black Kettle aus etwa hundert Zelten bestand, zu denen noch etwa zehn Tipis der Arapaho unter Häuptling Left Hand hinzukamen. In jedem Zelt wohnten fünf oder mehr Personen und mehr als die Hälfte davon waren Frauen und Kinder.

Black Kettle hatte sich schon immer um Frieden mit den Weißen bemüht. In seinem Besitz befand sich auch eine amerikanische Flagge, die er zu Beginn des Angriffs sofort an der Spitze seines Tipis anbrachte, sodass die herannahenden Soldaten sie sehen konnten. Unter dem Sternenbanner befestigte er eine kleinere, aber gut sichtbare weiße Fahne, als Zeichen, dass er Frieden wollte. Trotz der sichtbaren Friedenszeichen griffen die Soldaten an.

Der Angriff zog sich über Stunden hin und, um die Worte von B.F. Wade zu zitieren, der als Vorsitzender den Untersuchungsausschuss über das Sand-Creek-Massaker leitete, öffnete den Rahmen für unvorstellbare Grausamkeiten: „Sie gaben sich mit dem Abschlachten von wehrlosen Frauen und Kindern nicht zufrieden. Die Soldaten frönten mit Inbrunst der abscheulichsten Akte der Barbarei, die niemals zuvor solche Schande über Menschen gebracht hat, die von sich behaupten, zivilisiert zu sein. Mehr als zwei Stunden lang wurden die Gräueltaten fortgeführt, bis mehr als hundert Körper, von denen mehr als drei Viertel Frauen und Kinder waren, tot am Boden lagen.“

Es wurde zuerst berichtet, dass Black Kettle sich unter den getöteten Häuptlingen befunden hätte. Das stellte sich später als Irrtum heraus. Wie dem auch sei, er wurde vier Jahre später in einem ähnlichen Massaker in Oklahoma getötet, als die gleiche Gruppe Cheyenne vom 7. Kavallerieregiment unter General George Custer am Washita River angegriffen wurde.

In den Aufzeichnungen des Kriegsministeriums ist auch Bear Feathers als einer derjenigen angegeben, die am Sand Creek getötet wurden. Bear Feathers und seine Familie waren eine der wichtigsten Familien innerhalb des Cheyennelagers. Obwohl es keine Möglichkeit gibt, es genau herauszufinden, wird vermutet, dass auch sein Sohn Yellow Owl bei Sand Creek dabei war. Aber es ist bekannt, dass er starb, bevor der Indian Allotment Act in den 1890er Jahren in Kraft trat.

Gemäß den Bestimmungen des Indian Allotment Act von 1887, einem Erlass, der auch als „Dawes Act“ bekannt ist, wurde das Land, das den Indianern gemeinsam gehörte, in einzelne Parzellen von 160 Hektar Fläche aufgeteilt und an individuelle indianische Haushaltsvorstände verteilt, die in der Reservation eingeschrieben waren. Das verbleibende Land wurde von der Regierung beschlagnahmt und in Oklahoma, wohin man die Cheyenne und Arapaho umgesiedelt hatte, zur Besiedlung durch Weiße freigegeben. Hätte Yellow Owl zu diesem Zeitpunkt noch gelebt, dann hätte er ebenfalls eine Landzuteilung bekommen, die registriert worden wäre. Dies ist jedoch nicht geschehen.

Yellow Owl und seine Frau Good Woman hatten mindestens einen Sohn, der entweder 1855 oder 1858 geboren wurde. Sein englischer Name war Andrew Tasso. Aus irgendeinem Grund konnte ich bisher seinen Cheyennenamen nicht herausfinden, es sei denn man nannte ihn „Dahsum“, was in der Cheyennesprache so etwas wie Schatten oder Geist bedeutet. Es gibt eine Geschichte in unserer Familie, nach der der Familienname „Tasso“, welcher ja italienischer Herkunft ist, eine falsche Aussprache des Namens Dahsum ist. In jenen Tagen erhielten die Indianer ihre „kolonialisierten“ Namen auf verschiedene Art und Weise, und ich bin sicher, dass jene, die die Aufgabe hatten, unsere Vorfahren umzubenennen, oft den einfachsten Weg gewählt haben. Immerhin hört sich das Wort Dahsum ein bisschen wie Tasso an.

Ein Artikel aus der Kingfisher Times in Kingfisher, Oklahoma, vom 8. Juli 1926 berichtet, dass sich die Cheyenne in den ersten Jahren, nachdem man sie nach Oklahoma umgesiedelt hatte, gegen das schwere Leben auf der Reservation auflehnten, und dass es regelmäßig zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kam. Andrew Tasso war zumindest in die letzten dieser Versuche involviert, die Freiheit von Leben im Reservat wiederzuerlangen. Andrew Tasso, der Sohn von Yellow Owl und Good Woman und Enkel von Bear Feathers, einer der Anführer, die am Sand Creek getötet wurden, und der letzte der „Cut Finger“ Gruppe, war mein Urgroßvater. Seine Tochter, Nettie Jennie Tasso, ihr Cheyennename war Plenty Horses, war meine Großmutter und ihre Tochter Evalina Tasso ist meine Mutter. Sie ist das uneheliche Kind einer Beziehung mit Byron Adams, einem vollblütigem Hopi.

Die ArapahoDie Hinonoeina

In einem Buch über alte Indianergeschichten, welches vom Smithsonian Institute herausgegeben wurde, gibt es eine Geschichte mit dem Titel „Der Sonnentanz der Arapaho – Die Zeremonie der Opferhütte – Die Geschichte vom Gelübde einer Frau“. Sie handelt von einem Arapahokrieger und seiner Frau, die beim Beerensammeln von Uteindianern angegriffen wurden. Es wird berichtet, dass es dem Mann gelang zu entkommen und merkwürdigerweise wird er danach nicht mehr erwähnt. Die Frau indessen, ihr Name war Sour Mouth, geriet in Gefangenschaft und wurde die zweite Frau eines der Utekrieger. Dies geschah offensichtlich sehr zum Verdruss der ersten Ehefrau, die die gefangene Arapahofrau misshandelte. Nach einer Weile bemerkte die Mutter der ersten Ehefrau die missliche Lage der Arapahofrau, hatte Mitleid mit ihr und beschloss, ihr zur Flucht zu verhelfen. Die alte Frau sorgte dafür, dass die Arapahofrau genug Nahrungsmittel und ein Pferd hatte, damit sie fliehen konnte. Bei einer günstigen Gelegenheit machte sich Sour Mouth also auf den Weg. Auf der Flucht wurde ihr bewusst, in welch gefährlicher Lage sie sich befand. Sie gelobte dem Schöpfer, dass ihr Bruder die Opferhütte beim nächsten Sonnentanz, dem alljährlichen Ritual der Erneuerung und der Danksagung vieler Plainsstämme, leiten würde, wenn es ihr gelingen sollte, zu ihrem Volk zurückzukehren. Diese Zeremonie zu leiten war nicht gerade eine Kleinigkeit. Der gesamte Stamm nahm daran teil und bevor die Zeremonie stattfinden konnte, musste ein Verantwortlicher gefunden werden, der sich als Organisator verpflichtete. Meist war dies mit großzügigen Geschenken verbunden und der Organisator spendete ebenfalls das Essen.

Kurz nach dem die Frau das Gelübde abgelegt hatte, traf sie auf ihrer Flucht einen Mann, den das Smithsonian Institute als Henry North, einen französischstämmigen Kanadier identifizierte. Nachdem sie ihm offensichtlich ihre Situation verständlich machen konnte, überzeugte er sie schließlich davon, dass es das Beste wäre, ihr Pferd freizulassen und bei ihm im Planwagen weiterzureisen. Vielleicht würden die Ute auf den Trick hereinfallen und glauben, dass sie noch auf dem Pferd säße und stattdessen das Tier weiterverfolgen. Was auch immer geschehen sein mag, es gelang Sour Mouth, zu ihren Leuten zurückzukehren und das Gelübde, welches sie dem Schöpfer gegeben hatte, wurde eingelöst.

Nach ihrer glücklichen Heimkehr wurde sie aus Dankbarkeit für die geglückte Flucht auf Vorschlag ihres Bruders hin die Ehefrau des französischen Kanadiers. An dieser Stelle sollte man sich fragen, was aus dem ersten Arapahoehemann der Frau geworden ist. Wie dem auch sei, es sind nur Kinder aus der Ehe zwischen dem französischen Kanadier und Sour Mouth hervorgegangen. Eines dieser Kinder war eine Tochter namens Mary Louise North, die mit Andrew Tasso auf traditionelle Weise verheiratet wurde. Sie war die Mutter meiner Großmutter, die 1892 geboren wurde.

Wenn man diese Geschichte mit einer anderen Version vergleicht, die von einer der Töchter und Enkelinnen von Henry North erzählt wird, tauchen ein paar Unstimmigkeiten auf. Stella North war eine Cousine ersten Grades meiner Großmutter. Sie war eines von 14 Kindern aus der Ehe von Henry North, dem Sohn des französischen Kanadiers und seiner Arapahofrau Sour Mouth. Stellas Tochter, Ida Mae Mehaffey, berichtet, dass ihr von der Mutter erzählt wurde, dass sein Name Robert North und nicht Henry North gewesen sei, wie man in der Geschichte vom Smithonian Institute angegeben hatte. So könnte Henry vielleicht sein zweiter Name gewesen sein oder aber auch sein erster und er hat einen von beiden bevorzugt.

Ein anderer Widerspruch betrifft die genaue Zahl der Kinder, die dem Paar geboren wurden. Das Smithonian Institute behauptet, es wären zwei Töchter, Marie Louise und Julia, und ein Sohn namens Henry gewesen. Stella sagt, es gäbe noch ein weiteres Kind, was in dem Bericht nicht erwähnt wurde. Sein Name war Theodore.

In den Büchern „The Sand Creek Massacre, a Documentary History, first published as a report of the Joint Committee on the conduct of war, Massacre of the Cheyenne Indians” und in Stan Hoigs Berichten über das „Sand Creek Massacre” wird jeweils ein gewisser Robert North erwähnt. Beide Veröffentlichungen berichten, dass er eine aktive Rolle bei der Vorbereitung des Massakers gespielt habe, weil der dem Militär Informationen über die Absichten der Cheyenne, Arapaho, Apachen, Kiowa, Comanchen und Lakota zukommen ließ.

Ein Zitat von Robert North besagt: „Nachdem ich einer von Ute gefangenen Arapaho bei der Flucht geholfen hatte, besaß ich das absolute Vertrauen der Indianer. Ich hatte schon als Junge mit ihnen Kontakt, und im Übrigen ist meine Frau eine Arapaho. Weil ich der Gefangenen geholfen hatte, veranstalteten die Indianer mir zu Ehren ‚einen großen Medizintanz’. Das war ungefähr 55 Meilen unterhalb von Ft. Lyon, am Arkansas River, an dem sich die führenden Männer und Häuptlinge der verschiedenen Präriestämme trafen. Die Stämme der Comanchen, Apachen, Kiowas, die nördliche Gruppe der Arapaho, sämtliche Cheyenne und die Sioux schworen einander, gegen die Weißen in den Krieg zu ziehen, sobald sie sich im Frühjahr mit Munition versorgt hätten. Ich hörte, wie sie oft über diese Angelegenheiten sprachen und die wenigen, die sich dagegen aussprachen, wurden gezwungen den Mund zu halten. Sie waren wirklich in Lebensgefahr. Ich sah, wie die wichtigsten Anführer sich die Hände reichten und gelobten, dass sie sich den Weißen gegenüber freundlich verhalten würden, bis sie sich genügend Munition und Gewehre verschafft hätten, um losschlagen zu können. Die Plünderungen, um sich diese Mittel zu verschaffen, haben bereits begonnen und es ist ihr Plan, den Krieg in den ersten Frühlingstagen zu beginnen und verschiedene kleinere Siedlungen zu überfallen.“

Wenn man die Aussage von Robert North mit der „Geschichte vom Gelübde einer Frau“ vergleicht, sind die Diskrepanzen mehr als offensichtlich. In der Tat rettete er eine Arapahofrau aus den Händen der Utes und brachte sie auch tatsächlich zu ihren Leuten zurück, aber er sagt nicht, dass er diese Frau geheiratet hat. Der ‚große Medizintanz’ war höchstwahrscheinlich der Sonnentanz mit der Opferhütte und somit die Erfüllung ihres Gelübdes, in dem sie gelobt hatte, dass ihr Bruder im Falle ihrer sicheren Heimkehr den Sonnentanz ausrichten würde. Es war mit höchster Wahrscheinlichkeit kein ‚großer Medizintanz’, den man extra für ihn abgehalten hatte, auch wenn es im Verlauf der Zeremonie vielleicht eine Geste der Dankbarkeit ihm zu Ehren gegeben haben könnte.

Stan Hoig führt in seinen Berichten ferner aus, dass Robert North im Jahre 1866 eine Gruppe feindlicher Arapaho in einem Massaker an achtzig Soldaten in der Nähe von Fort Phil Kearny angeführt haben soll. Er wurde zusammen mit seiner Arapahofrau vermutlich im Jahre 1869 von Gesetzlosen gehängt, als er sich auf dem Weg zu einem Lager der südlichen Arapaho befand.

Bezüglich der Behauptung von Stan Hoig, dass er und seine Frau gehängt worden seien, sagt Ida Mae Mehaffey aus, dass dies laut Berichten ihrer Mutter nicht der Fall gewesen wäre. Seine Frau starb tatsächlich irgendwann, aber wahrscheinlich an einer Grippe oder an einer Lungenentzündung. Es ist nicht sicher, an welchem Ort sie bestattet wurde. Robert North aber zog mit seinen vier Kindern nach Oklahoma und baute dort zwei Grassodenhäuser ungefähr eine halbe Meile westlich des heutigen Stammesbüros in Concho, wo er dann eine zeitlang mit seinen Kindern lebte. Es wird vermutet, dass er auf dem alten Indianerfriedhof in Concho, Oklahoma begraben liegt.

Andrew Tasso und Mary North/Tasso bauten für sich und ihre Familie ein Haus auf dem ihnen zugeteilten Land außerhalb von Kingfisher, Oklahoma. Dort lebten sie bis zu ihrer großen Reise in die Geisterwelt. Andrew starb am 17. Dezember 1927 nach siebenjährigem Leiden an Tuberkulose, welche sich durch eine Lungenentzündung verschlechterte.

Mary Louise North/Tasso starb am 7. August 1951 an einem Hitzschlag im Kingfisher Community Hospital. Ihr Alter wurde mit 96 angegeben. An einem der heißesten Tage des Jahres hatte sie versucht in die Stadt zu gehen, was ihr zum Verhängnis wurde. Sie wurden beide Seite an Seite auf dem Indianerfriedhof, ungefähr 15 Meilen von Calumet, Oklahoma beigesetzt, dort wo auch meine Großmutter begraben liegt.

Irgendwann lernte meine Großmutter Byron P. Adams, einen vollblütigen Hopi aus Palacca, Arizona kennen. Er arbeitete damals für das Büro für Indianische Angelegenheiten (BIA) in Darlington, Oklahoma. Sie waren nie verheiratet, aber offensichtlich dauerte ihre Beziehung lange genug, sodass meine Mutter daraus hervorging. Schließlich wurde Byron ein Baptistenprediger und hatte seine eigene Kirche auf dem Gipfel der ersten Mesa in Palacca, Arizona. Diese habe ich 1992 besucht. Ich hatte nie die Gelegenheit ihn persönlich zu treffen, aber ich konnte mir die Hütte auf der Mesa ansehen, in der er geboren wurde und das Haus, in dem er lebte, und den Ort, an dem er begraben liegt. Auch konnte ich in Erfahrung bringen, dass er irgendwann in seinem Leben auch mal Dirigent eines Orchesters war. Meine Hopiverwandten erzählten mir, dass er 107 Jahre alt wurde. Er wurde hinter dem Haus, in dem er lebte, am Fuße der Mesa begraben.

Meine Großmutter arbeitete als Krankenschwester im Indian Hospital von Winnebago, Nebraska. Am 28. September 1919 brachte sie meine Mutter in Walt Hill, Nebraska, zur Welt. Sie gab ihr den Familiennamen ihres Vaters (Andrew Tasso). Später, als Mama eigene Kinder hatte, wurde dieser Familienname auch an uns weitergegeben.

Großmutter hatte einen Bruder namens Elliot, der mit einer Hochunkfrau (Anmerk. des Übersetzers: Eigenname der Winnebago) verheiratet war und in Winnebago, Nebraska, lebte. Als Oma schwanger war, zog sie dorthin, wahrscheinlich um der damaligen Schande zu entgegen, ein uneheliches Kind in sich zu tragen. Aber das sind lediglich meine eigenen Spekulationen. Nach der Geburt meiner Mutter zog meine Großmutter wieder nach Oklahoma, wo meine Mutter dann aufwuchs.

Wir waren vier Kinder. Marie Louise war die älteste und wurde 1943 geboren. Dann folgte Rosie Marie im Jahre 1947, dann kam ich und der jüngste war Lonnie, der 1952 geboren wurde. Wenn Mama nicht da war, passte die Oma auf uns auf, wenn wir nicht gerade bei einer unserer Tanten zu Besuch, oder in der Boarding School (Internat) waren. Die Erinnerungen an meine Großmutter sind insofern etwas Besonderes, weil sie, obwohl sie gezwungen war, sich der weißen Welt anzupassen, dennoch viele der alten Wege beibehalten hatte und auch praktizierte. Sie sprach noch fließend Cheyenne, aber bis auf einige Worte hat sie uns Kindern diese Sprache niemals beigebracht und ich glaube, Mama hatte zu viele Beeinträchtigungen, als dass sie die Sprache an uns hätte weitergeben können.

Großmutter stellte die Mokassins noch auf die alte Weise her und benutzte eine Ahle um Löcher in die Rohhautsohlen der Mokassins zu bohren und verwendete richtige Sehnen zum Nähen. Sie benutzte auch echte Sehnen um die Perlenmuster daraufzusticken. Sie war überall bekannt dafür, dass sie Mokassins noch auf die alte traditionelle Weise herstellte und ich war oft dabei, als die Leute zu ihr kamen, um ihre Fußabdrücke zeichnen und ihre Füße messen zu lassen für ein paar individuell gestaltete Mokassins.

Bereits in den frühen Morgenstunden saß sie da und arbeitete an ihren Mokassins und ich erinnere mich noch, wie sie auf ihrem Bett saß mit einer selbstgedrehten Bull Durham Zigarette seitlich im Mund, welche sie ständig wieder anzünden musste und vor sich hin stickte. Später wechselte sie dann die Marke und rauchte Filterzigaretten.

Ich glaube, sie war es leid, dass diese selbstgedrehten Dinger ständig ausgingen. Als ich erwachsen war, bemerkte ich eines Tages, dass sie mit dem Rauchen ganz aufgehört hatte.

Großmutter konnte wahrhaftig gute Geschichten erzählen. Immer wenn ich zu Bett ging, hörte ich ihren Geschichten zu oder unterhielt mich mit ihr. Manchmal schlief ich ein, aber sie erzählte trotzdem weiter. Ich wachte dann zwischendurch wieder auf, hörte, wie sie mich fragte, ob ich noch wach sei, und nachdem ich ihr geantwortet hatte, schlief ich doch wieder ein.

Sie erzählte uns immer von der Zeit, wie sie als kleines Mädchen aufwuchs und mit ihren Eltern in einem Planwagen, der von ein paar Pferden gezogen wurde, überall herumfuhr. Sie erzählte uns richtige Gespenstergeschichten und von Dingen, die sich im Indianerland zugetragen hatten. Einmal erzählte sie uns, wie ihr Vater einen Mann aufgelesen hatte, der ganz in perlenbesticktes Wildleder gekleidet war. Er bot ihm an, ihn mitzunehmen, egal wohin er wolle. Sie sagte, ihr Vater hätte dem Mann die Hand geschüttelt und sich mit ihm den ganzen Weg lang unterhalten, bis er aussteigen musste. Als sie weiterfuhren und sich noch einmal umdrehten war niemand mehr da. Großmutter berichtete, ihr Vater war wirklich erschrocken, als er zu Hause von dem Erlebnis erzählte.

Ein anderes Mal erzählte sie, dass sie alle eine kranke Frau besuchen wollten, die eine Freundin ihrer Mutter war. Als sie dort ankamen, wurde ihnen von jemandem, der gerade vorbeikam, um nach dem Haus zu sehen, berichtet, dass die Frau bereits vor einem Monat gestorben sei. Es wurde schon spät und so kehrten sie um, um noch vor Einbruch der Dunkelheit wieder zu Hause zu sein. Als sie schon ein kleines Stück gefahren waren, hörte sie plötzlich jemanden rufen, dass sie zurückkommen sollten. Großmutters Vater hielt den Wagen an und alle schauten zurück und sahen die Frau in der Dämmerung stehen, die ihnen zuwinkte. Natürlich kehrten sie nicht um, doch das Ungewöhnliche an dieser Geschichte ist, dass sie alle, und nicht nur einer, die Frau gesehen und gehört hatten. Das ist etwas ganz anderes, als die üblichen Gespenstergeschichten, die man sonst so zu hören bekommt.

Meine Großmutter starb im Januar 1981 im Alter von 88 Jahren an einer der zahlreichen Grippeepidemien, die über das Land hereinbrachen. Ich vermute, dass sie auch Krebs hatte. Ich erinnere mich, wie ich bis zur Taille in ihrem Grab stand, denn ich war einer von denen, die mithalfen, die Grube auszuheben. Es ist schon ein merkwürdiges Gefühl, wenn jemand, den man schon seit seiner Kindheit bis hin zum Erwachsenenalter kannte, plötzlich stirbt und einem bewusst wird, dass man ihn nie wieder sehen wird oder mit ihm sprechen kann.

Wenn man dann noch zu denjenigen gehört, die die letzte Ruhestätte vorzubereiten haben, ist das schon unheimlich, aber es hat auch etwas Heilendes. Ich kann mir vorstellen, dass die meisten Leute nicht in der Lage wären, das zu tun, aber für mich gab es kein Zögern. Unsere Großmütter sind wichtige Menschen, besonders wenn es sich um alte indianische Großmütter handelt, mit all ihrem wunderschönen Wissen aus den alten Tagen. Jeder Mensch braucht so eine Großmutter, und ich hatte eine gute.

Großmutter hatte eine ältere Schwester namens Bessie, die im Jahre 1889 geboren wurde. Bessie heiratete einen Mann namens John Crotzer. Er war 1/8 Wyondotte und 7/8 Weißer. Das Paar hatte vier Kinder, die gemäß der indianischen Tradition meine Tanten und Onkel waren. Als ich heranwuchs waren sie immer gut zu mir. Bessie war erst 41 Jahre alt, als sie schwer krank wurde. Sie starb am 24. September 1930. Am 15. Januar 1935 heirateten John und meine Großmutter und zogen kurze Zeit später nach Wyandotte, Oklahoma, zu dem Ort woher er stammte. Für uns Kinder war der Umzug nach Wyondotte eine kulturelle Katastrophe, weil es uns aus unserem traditionellen Stammesgebiet herausriss. Die beiden hatten keine weiteren Kinder. Als sie heirateten brachte Großmutter bereits unsere Mutter mit in die Ehe und nach indianischer Tradition fühlte sie sich verpflichtet, sich um die Kinder ihrer Schwestern zu kümmern. Obwohl John Crotzer nicht unser biologischer Großvater war, haben wir ihn nur so gekannt und nennen ihn heute noch so, auch wenn er schon vor 50 Jahren verstorben ist. Sie sind inzwischen alle von uns gegangen.

Unsere Mutter hatte kein leichtes Leben. Ich weiß nur nicht, ob sie sich dessen bewusst ist, oder nicht. Sie hatte einen gravierenden Sprachfehler und eine stark eingeschränkte Hörfähigkeit, die sich mit den Jahren immer weiter verschlechterte. Sie hatte auch Körperbehinderungen, die durch eine mysteriöse Krankheit ausgelöst wurden. Sie hatte sich das bereits als kleines Mädchen zugezogen und ist damit aufgewachsen. Und als ob dies alles noch nicht genug wäre, wurden bei ihr, noch bevor ich geboren wurde, psychische Probleme diagnostiziert, auf Grund derer sie einmal sogar klinisch behandelt werden musste. Vielleicht waren es die Auswirkungen dieser Krankheit, ich weiß es nicht. Trotz alledem brachte sie vier normale und gesunde Kinder zur Welt. Wir hatten alle einen anderen Vater, was uns zu Halbgeschwistern machte, aber weil keiner von uns seinen Vater kannte und wir auch gemeinsam ohne Vater aufwuchsen, fühlten wir uns als richtige Brüder und Schwestern. Obwohl ich all die Fakten kenne, fühle ich noch heute so und liebe meine Geschwister sehr, auch wenn mein Bruder Lonnie seit über 30 Jahren tot ist.

Unsere Mutter starb am 11. Dezember 2010 um 12.10 Uhr in ihrem Haus in Miami, Oklahoma an Tuberkulose. Die Ärzte stellten fest, dass ihr Schluckmechanismus nicht mehr richtig funktionierte und immer, wenn sie schluckte, Teile der Nahrung und Flüssigkeit in die Lunge gerieten. Dadurch gelangten Bakterien in die Lunge, die zur Lungenentzündung führten. Sie sagten einfach, dass es sich bei diesem Teil ihrer physischen Anatomie um altersbedingte Verschleißerscheinungen handelte.

Meine Schwestern und ich entschieden damals, sie aus dem Krankenhaus zu holen und nach Hause zu bringen. Rosie und ich, meine Töchter Iktomi Waste Winyan, Inyan Cannunpa Winyan, Tasunke Ota Winyan und Cante Hopi Winyan waren bei ihr, als sie sich auf die Reise in die Geisterwelt begab. Mein Sohn Oitanca Mani schaffte es, zu ihrer Beerdigung von Süd-Dakota zu uns herunterzukommen. Den ganzen Weg von seinem Haus in der Yankton Sioux Reservation musste er sich durch einen tobenden Blizzard (für diese Zeit typischen Schneesturm) hindurchkämpfen. Meine Mutter war die letzte ihrer Generation, und als sie starb, starb auch das Ende einer Epoche. Es war ein sehr schwieriges und trauriges Erlebnis für uns alle. Jeder, der jemals am Sterbebett eines geliebten Menschen gesessen hat, würde das so empfinden. Bevor die Herren vom Bestattungsintitut sie abholten, füllte ich die Heilige Pfeife und betete für ihren Geist. Ich hatte gehört, dass man es nicht für selbstverständlich halten sollte, dass die Geister unserer Lieben dorthin gehen, wohin sie gehören, nur weil sie „hinübergegangen“ sind. So nahm ich die Verantwortung in meine Hände und sorgte dafür, dass sie „nach Hause“ gehen konnte. Wir bestatteten sie am 15. Dezember neben ihrer Mutter auf dem Indianerfriedhof, fünfzehn Meilen von Calumet in Oklahoma. Sie wurde 91 Jahre alt.

Ich hatte eigentlich immer gewusst, dass meine Mutter das sein würde, wenn ich wieder nach Hause kam. Egal wo auch immer ich mich gerade in der Welt befand, sie würde da sein oder zumindest irgendwo in der Stadt. Ich wusste stets, dass es nie lange dauern würde, bis sie heimkehrte. Doch das wird jetzt nie wieder der Fall sein. Nach Hause gehen wird nie wieder dasselbe sein, nachdem Mama gegangen ist. Das Geschenk des Lebens ist wahrhaftig ein Segen und der Tod ist definitiv ein seltsamer Zeitgenosse.

Geboren um zu kämpfen

Kapitel II

Ich wurde als uneheliches Kind am 28. Dezember 1950 um 21.22 Uhr im Claremore Indian Hospital, in Claremore, Oklahoma, geboren. Meine Mutter nannte mich Marvin Larry Tasso. Meine Großmutter gab mir eine Woche später den Namen „Mo o da me yotz“, was in der Sprache der Cheyenne „Walking Elk“ bedeutet. Später ließ ich meinen Namen in Mitch umschreiben und nahm aus kulturellen Gründen den Familiennamen Walking Elk an. Der Name „Tasso“ ist italienisch und ich habe gehört, dass er übersetzt „Dachs“ bedeuten soll.

Natürlich ist auch das kulturell ehrenvoll und hat Kraft, aber aus Respekt für die Italiener bleibe ich lieber bei Walking Elk.

Immer wenn mein Benehmen als Kind zu wünschen übrig ließ, pflegte meine Großmutter mit dem Finger auf mich zu zeigen und sagte: „Du wurdest nach einem guten Mann benannt, warum handelst du nicht so?“

Ich habe meinen Vater nie kennengelernt und bis zum Jahre 2006 waren die einzigen Dinge, die ich über ihn hörte, das was mir meine Mutter und meine ältere Schwester Mary erzählten.

Sie sagten, sein Name wäre Clem Jones. Er war halb Choctaw und lebte im selben Haus wie Mama und meine beiden Schwestern Mary und Rosie. Er sei verheiratet gewesen und hatte andere Kinder, aber offensichtlich war er nicht gerade ein treuer Ehemann. Ich habe ihn niemals bewusst vermisst. Ich dachte auch nie daran, dass ich einen Vater hätte, bis ich als Teenager eines Tages nach Haus kam und Mama mir sagte, dass meine Schwestern, zwei seiner anderen Kinder gekommen seien, um mich kennenzulernen. Dann wurde mir im Jahre 2006 von einer Frau namens Patsy Broderick berichtet, die östlich von Miami, Oklahoma, lebte und Clem Jones Tochter sein könnte. Nach längerem Ringen mit der Ungewissheit nahm ich schließlich all meinen Mut zusammen, um meiner möglichen Halbschwester einen Besuch abzustatten und sie über Clem Jones zu befragen.

Patsy war inzwischen 69 Jahre alt und lebte zu der Zeit mit ihrem alternden Mann Chester, der inzwischen verstorben war, auf einer kleinen Farm.

Sie war mir sofort sympathisch, denn sie war ein sehr freundlicher und verständnisvoller Mensch. Sie glaubte mir die Geschichte, die ich von meiner Mutter über meine vermutliche Herkunft gehört hatte, und bestätigte, dass es da ein Kind gäbe, von dem sie und ihre ältere Schwester Gertie gehört hätten, von dem man sagte, dass ihrem Vater nachgesagt wurde, der Erzeuger dieses Kind zu sein.

Sie erzählte mir, dass Clem Jones nicht gerade ein verantwortungsvoller Vater oder Ehemann gewesen sei, dass er getrunken hätte und im Jahre 1970 an den Folgen seines Alkoholkonsums gestorben wäre. Er war ins Koma gefallen und als er starb, wurde er auf dem Friedhof in France, Oklahoma, bestattet. Wenn Clem Jones tatsächlich mein Vater war, dann wurden alle Fragen, ob mein Leben mit ihm an meiner Seite nicht anders oder besser hätte verlaufen können, damit beantwortet. Die Antwort ist ein klares Nein. Trotzdem entstand mit Patsy nach diesem Besuch eine sehr nette Beziehung und wir wurden gute Freunde. Sie bestätigte mir außerdem, dass Clem Jones zum Teil Choctaw gewesen sei.

Oklahoma wurde anfänglich als „Indianer Territorium“ bezeichnet und war aus dem Konzept der US-Regierung entstanden, alle Indianer östlich des Mississippis und alle anderen Stämme zusammenzutreiben und ins Indianerterritorium umzusiedeln. Die Holländer, die Südafrika besetzten, wendeten das gleiche Prinzip an, nur nannte man es dort nicht Reservationen, sondern „Homelands“.

Man muss sich darüber klar werden, dass in der Zeit, als die Europäer und andere Rassen sich über die ganze Welt verbreiteten, dieser Menschenschlag mit der gleichen Ideologie in Afrika, Indien, Neuseeland, Australien die Gebiete der eingeborenen Völker besetzte. Sie kamen hierher und zwangen unseren Vorfahren ihre kolonialistische Lebensweise auf.

Nur Indien hatte das Glück, die Eindringlinge erfolgreich vertreiben zu können, wir anderen nicht.

Der Nordosten von Oklahoma, dort wo ich aufgewachsen bin, ist die Heimat von mindestens elf Stämmen, die man dort auf einigen hundert Quadratmeilen zusammengepfercht hat: die Seneca und Cayuga, die beide Mitglieder der Sechs Nationen oder auch der Irokesenkonföderation sind und nach Oklahoma umgesiedelt wurden, die Peoria, Cherokee, Delaware, Quapaw, Ottawa, Miami, Wyandotte, Shawnee und Cherokee (die echten). Alle ließen sich in dieser Region nieder.

Zur Zeit meiner Geburt lebten meine Mutter und meine Großmutter noch in Wyandotte, Oklahoma. Aber sie lebten nicht mehr auf dem Lande, auf einer Farm, wie zu der Zeit als Großmutter noch mit John verheiratet war. Wyandotte ist eine kleine Stadt in den Ausläufern der Ozark Mountains, die sich von Missouri und Arkansas bis ins nordöstliche Oklahoma erstrecken. Es hat nur ein paar hundert Einwohner. Mir wurde erzählt, dass Mama mich mit dem Zug nach Hause gebracht hätte.

Die ersten sechs Jahre meines Lebens sind unvergesslich. Meine Mutter zog mit meiner Großmutter nach Miami, Oklahoma, einer kleinen Stadt mit etwa fünfzehntausend Einwohnern, die nur 18 Meilen von Wyandotte entfernt liegt. Aufgrund ihrer körperlichen und den anderen Behinderungen hatte Mama immer mit Oma im selben Haus gelebt oder als Nachbarin gleich nebenan oder auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Ich glaube, für meine Mutter war es immer wichtig, in der Nähe ihrer Mutter sein und meine Großmutter sorgte ständig für sie. Ich wurde immer zwischen Mama, der Oma und meinen Tanten Collen, Mary, Katherine (Oogie), Anna Bruce und Opa John Crotzer hin und her gereicht. Ich glaube, meine Mutter war zeitweilig nicht zu Hause, aber ich war so gut versorgt, dass ich mich gar nicht mehr erinnern kann, ob ich sie vermisst habe oder nicht.