This Book May Save Your Life - Karan Rajan - E-Book

This Book May Save Your Life E-Book

Karan Rajan

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Beschreibung

»Wenn Sie medizinische Fakten von medizinischer Fiktion unterscheiden wollen, ist Dr. Karan genau der richtige für Sie. Dies ist das einzige Buch, das Sie gleichermaßen zum Lachen und zum Lernen bringt.« Dr. Julie Smith Dieses Buch ist eine Ode an unseren erstaunlichen Körper – mit all seinen Fehlern und Schwächen. Der wohl beliebteste Arzt des Internets, Dr. Karan Rajan, erklärt die seltsamen und sagenhaften Körperfunktionen, die uns in Schwung halten, gibt wertvolle Ratschläge, um gelassen gesünder zu leben, und räumt ganz nebenbei mit medizinischen Mythen auf, die sich hartnäckig halten. So rettet sein Buch vielleicht tatsächlich Leben, wenn wieder einmal Symptome gegoogelt oder die neuesten Gesundheitstipps aus dem Netz befolgt werden. Mit viel praktischem Wissen und einer großen Portion schwarzem Humor. »In einer Welt der Scharlatane und Social-Media-Schlangenöl-Verkäufer ist [Dr. Karan] eine Stimme der Vernunft ... seine Gesundheitstipps können Ihr Leben retten.« MAIL ON SUNDAY »Der Experte schlechthin für eine ganze Generation« TELEGRAPH

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Mehr über unsere Autorinnen, Autoren und Bücher:

www.piper.de

Aus dem Englischen von Monika Niehaus und Bernd Schuh

Die Originalausgabe erschien 2023 unter dem Titel This Book May Save Your Life: Everyday Health Hacks to Worry Less and Live Better bei Century, einem Imprint von Cornerstone. Cornerstone ist ein Verlag der Penguin Random House Gruppe.

© Dr. Karan Rajan, 2023

Für die deutsche Ausgabe:

© Piper Verlag GmbH, München 2024

Illustrationen: © Gwen Burns 2023

Covergestaltung: FAVORITBUERO, München

Covermotiv: Silas Manhood; Shutterstock.com; RedcupStudio/Adobe Stock

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence, München mit abavo vlow, Buchloe

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Text bei Büchern mit inhaltsrelevanten Abbildungen ohne Alternativtexte:

Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Einleitung

Lebensverlängernde Maßnahmen

Ernährung

Flüssigkeitszufuhr

Fitness

Alkohol und Tabak

1 Hast du einen Klempner im Haus?

Auf den Spuren der Verdauung

Bescheidene Anfänge

»So willst du es nicht machen«

Imbiss-Aktivierung

Runter damit

Der perfekte Gastgeber

Gemeinschaftspflege

Hirnfutter

Per Anhalter durch den Darm

In aller Munde

Schlucken für die Wissenschaft

Ode an den Ösophagus

Tür zu!

Der Geschmack von Magensäure

An der Schwelle zum Dünndarm

Halt mein Haar zurück

Gallenbitter

Der Wurmfortsatz in neuem Licht

Eau de Colon

Die Sache mit dem Schlauch

Eine kurze Geschichte des Kackens

Was passiert, wenn du auf dem Klo sitzt?

Drücken kann gefährlich sein

Ein dynamisches Geschäft

Der Kanarienvogel in der Kohlemine

Ein abschließendes Wort zum Bauchgefühl

2 Das Licht ist an

Alles übers Gehirn

Das Organ, das sich selbst benannte

Ein Crash im Gehirn

Wozu braucht man überhaupt ein Gehirn?

Samstagnacht in der Notaufnahme

Das Boxersyndrom

Hack dein Gehirn

Iss dich schlauer

Im Nebel

»Hast du einen Reset gemacht?«

Das Gehirn effizient nutzen

Hintergrundmusik ist förderlich

Rhythmisches Denken

Die Garantie verlängern

Anschalten

Beweg dich

Finde deinen Clan

Rebelliere gegen den Ruhestand

Entspann dich

Schmerz lass nach

Schmerz verstehen

Den Schmerz benennen

Das Schmerztheater

Feinabstimmung des »Schmerzsignals«

Mörderische Intelligenz

Brain 2.0 (Erscheinungstermin verschoben)

3 Die blutige Kammer

Steile Thesen übers Herz

Eine lebenslange Zulage

Schwächen des menschlichen Herzens

Fühl es pumpen

Wiederaufbau ist möglich

Die kleine blaue Pille

Mit letzter Kraft ins Ziel

Annie, are you okay?

Hollywood liegt völlig falsch

Das unbekannte Anhängsel

Ein Herz voller Löcher

Der Club der gebrochenen Herzen

Das glückliche Herz

Über Fett informiert sein

Stress

Blutdruck

Cholesterin

Blutzucker

4 Atemlos durch die Nacht

Die Lunge als Todesengel

Und atmen

Sauerstoffmechanik

Arschlochatmung

Stirb, Eindringling!

Unterstützte Atmung

5 Zusammenbruch beim Laden

Die Unzulänglichkeiten des Skeletts

Starke Stütze

Auf die Knie!

Wir können es wieder aufbauen

Die Füße zuerst

Ich hab Rücken

Drehungen und Wendungen

Brust raus

6 Augen auf

Der abenteuerliche Sehsinn

Licht an

Alles Täuschung

Auf den Kopf gestellt

Minderwertige Netzhäute

Wem kann man trauen?

Roter Nebel

Verstopfte Augäpfel

Zu viel des Guten

Im Graben landen

Natürliches und künstliches Licht

Augen und Geist fokussieren

Sehen unter Wasser

Nicht in die Sonne starr…

Was passiert, wenn man sich die Augen reibt?

Der schlimmste psychedelische Trip aller Zeiten

Warnzeichen

Gesichtslunge

Nachtsehen

Die Dunkelheit verstärken

7 Ganz Ohr

Rund um unser Gehör

Eine Welt in deinen Ohren

Der Rhythmus der Trommel

Ein Haarschnitt, den du nicht haben willst

Bist du auf Empfang?

Die Geister in deinen Ohren

Eine verborgene Superkraft

Geheime Ohrpassagen

Q-Tipps

Rock ’n’ Roll

Seekrankheit, einfach erklärt

Hörst du dieses Geräusch?

8 Nase zuhalten!

Über üble Gerüche und nasalen Durchfall

Kürzer, schärfer, schlanker, hübscher …

Nase versus Mund

Timesharing

Der Nasengärtner

Schluss mit der verstopften Nase

Warum läuft die Nase?

Schleim verstehen

Nasaler Wachwechsel

Miese Drainage

Der Schnüffeltest

Der unterschätzte Geruch

Wie riechst du?

Der Nase nach

Zu viel des Guten?

Gerüche und Erinnerungen

Über den Geruch hinaus

9 Auf die Zunge gebissen

Einmal Geschmackssinn und zurück

Geschmackszonen

Kann man hier etwas zu trinken bekommen?

Geschmacksillusionen

Das Pringle-Experiment

Traue niemandem

Gutartiger Masochismus

10 What a Feeling

Berührungen und wie sie dich außer Gefecht setzen können

Can’t touch this

Hauptsache Haut

Eine menschliche Rüstung

Unter die Haut gegangen

Über Körpergeruch

Das Gleichgewicht der Kräfte

Blitzblank

Auf ärztliche Anweisung

11 Genial genital

Unsere erstaunlichen Geschlechtsorgane

Ladehemmung und tödliche Waffen

Sperma oder Schneeflocke?

Ein tückischer Abstieg

Twist mit gutem Ausgang

Bei Lecks und Verstopfungen

Miese Nummer

Vaginale Wagnisse und Inkubatorprobleme

Ode an die Gebärmutter

Was soll die Periode?

Der große Sprung

Steinkinder

Alles über die Wasserwerke

Nicht einhalten

Für den Fall der Fälle

Bewässerungsdruck

Zum Steinerweichen

12 Augen zu und durch

Wie der Schlaf dich fertigmachen kann

Die Nachteile von Schlafentzug

Sklave des Rhythmus

Lichtzyklen

Morgenglanz

Schlaf ist eine magische Zahl

Schlafen in Häppchen

Was passiert im Schlaf?

Was passiert, wenn man nicht genug schläft?

Schlaf planen

Arbeiten von nine to five

Die Friedhofsschicht

Schlafprobleme

Parasomnie

Schlaflähmung

Schlafapnoe

13 Der Krieg gegen das Fremde

Erforschung des Immunsystems

Der Krieg im Verborgenen

Im Trainingslager

Gesichert und geladen

Waffentests

Antibiotische Apokalypse

Der Saboteur

Erdnüsse im Flugzeug?

Sind wir zu reinlich?

Krebs

14 Am Ende kommt – das Ende

Fakten über den Tod

Der Preis für ein langes Leben

Es lebe das … Leben?

Vorbereitung auf den Tod

Wann ist man eigentlich tot?

Was geschieht nach dem Tod?

Deinen Körper der Wissenschaft spenden

Danksagung

Weiterführende Literatur

Stichwortverzeichnis

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Literaturverzeichnis

Register

Einleitung

Lass mich meinen Job mal ganz ohne medizinische Fachausdrücke beschreiben. Ich schneide schlafende Menschen auf (mit ihrer Zustimmung) und entferne Sachen aus ihrem Körper. Aber ich gehöre zu den Guten! Denn obwohl ich Dinge aus ihnen heraushole, fühlen sich die mir Anvertrauten hinterher, wenn sie wieder zu Bewusstsein kommen, vollständiger. Als Allgemeinchirurg habe ich das Vergnügen, mich mit allem zu befassen, was der Körper zu bieten hat: von Eingeweiden über Gallenblasen bis hin zu blutenden Hämorrhoiden und einigem mehr.

Im Laufe meiner Karriere hatte ich das Glück und das Pech, so ziemlich alles mal mitzuerleben – von chirurgischen Wundern bis hin zu tragischen Verlusten. Dabei habe ich gelernt, dass der menschliche Körper sowohl ein biologisches Meisterwerk als auch eine gemeine Todesfalle ist.

Dieses Buch ist keine medizinische Enzyklopädie. Es wird dich auch nicht zum Arzt beziehungsweise zur Ärztin qualifizieren. Heutzutage kann man ohnehin so ziemlich alles, was man an medizinischem Wissen braucht, bei Google nachlesen – zumindest wird uns das weisgemacht. Was du hier geboten bekommst, ist eine außergewöhnliche Geschichte: Sie handelt davon, wie dein unglaublicher Körper unter anderem darauf aus ist, dich zugrunde zu richten.

Ich will hier wirklich nicht nur schwarzmalen. Doch mein optimistischer Blick auf den menschlichen Körper trübte sich von dem Moment an, als ich mein Medizinstudium begann, und so ging es weiter in all den Jahren, in denen ich Probleme, Fehler und Totalausfälle im Inneren meiner Patient:innen aufdeckte. Also dachte ich, es könnte ganz nützlich sein, einen Survival-Guide für diesen Fleischanzug zu erstellen, in dem du lebenslang gefangen bist. Wenn du meine Videos auf TikTok kennst – wo ich anfangs gepostet habe, wie man am besten kackt (pardon: defäkiert), und wo ich die Milchshake-Marke fand, die Millionen von Menschen auf meinen Kanal lockte –, dann weißt du ja, dass ich gern mit Körpermythen aufräume und Themen angehe, die niemals zu einem Tabu hätten werden dürfen. Wenn es um die Gesundheit geht, tut man uns Menschen wirklich keinen Gefallen, wenn man nicht über persönliche Themen spricht. Lass mich also diesen Fehler hier in einem Buch korrigieren, das du zur Unterhaltung oder zur Weiterbildung lesen kannst oder als Leitfaden, wie du das Beste aus deinem Körper herausholen kannst.

Letztendlich will ich dich nur sicher durch die biologischen Hinterhalte, Abgründe und Stolperfallen deines Körpers geleiten und dazu beitragen, deine Lebensqualität zu verbessern. Vielleicht kannst du deine Schlafqualität steigern, dich von Verdauungsstörungen verabschieden oder einfach die beste und effizienteste Entleerung deines Lebens genießen. Zumindest könnte die Lektüre dazu beitragen, den unvermeidlichen Verfall deines Körpers zu verlangsamen, der schon bei deiner Geburt begonnen hat. Letztendlich hoffe ich von ganzem Herzen, dass dieses Buch künftigen KI-Regierungen als Gebrauchsanleitung dienen wird, damit sie wissen, wie man einen Menschen richtig instand hält und sein volles Potenzial ausschöpft.

Meine erste Begegnung mit der Medizin hatte ich 1996. An einem besonders feuchten Nachmittag in einem Vorort von Mumbai spielte ich mit meinem Cousin eine Partie Straßenkricket. Als er auf mich zulief und zum Wurf ausholte, wurde er von einer unsichtbaren Kraft von den Füßen gerissen und stürzte krampfend zu Boden. Es war ein schrecklicher Moment. Ich fühlte mich so hilflos, und diese Hilflosigkeit hatte eine tiefgreifende Wirkung auf mich. Nachdem ich meiner Familie geholfen hatte, meinen Cousin ins Krankenhaus zu bringen, sprachen wir mit den Ärzten, die einen Blinddarmdurchbruch bei ihm diagnostizierten. Damals wusste ich noch nicht, was das bedeutete, aber in dem Moment, als ich sah, wie mein Cousin zusammenbrach, wurde mir eine einfache Wahrheit klar: Der menschliche Körper ist großartig, aber er scheint wild entschlossen zu sein, uns außer Gefecht zu setzen.

Bei den Vorstellungsgesprächen an den medizinischen Fakultäten, in denen ich mich wiederfand, nachdem ich mich für meine »Berufung« entschieden hatte, wurde immer die gleiche Frage gestellt: »Warum wollen Sie Medizin studieren?« An dieser Stelle fangen alle Anwärter:innen panisch an zu faseln, und so fantasielos wie vorhersehbar bemühen sie im Wesentlichen zwei Argumente. Erstens: »Ich möchte Menschen helfen«, und zweitens: »Der menschliche Körper fasziniert mich.«

Jeder, der mich wirklich kennt (und das sind aufgrund meiner langen und unsozialen Arbeitszeiten eigentlich nur meine Eltern und mein Hund), könnte dir sagen, dass der erste Grund nie wirklich auf mich zutraf. Ich mag Menschen, und wenn ich dein Leben retten kann, bin ich begeistert – aber letztlich bin ich davon besessen, wie der Körper funktioniert. Erst jetzt, da ich auf meine Karriere zurückblicke, wird mir klar, dass es nicht die Art von Faszination ist, die uns beim Anschauen von Tierdokus mit Sir David Attenborough ergreift. Die Wahrheit ist, dass ich mich eher ein bisschen wie ein Zuschauer bei einem Verkehrsunfall fühle. Ich kann nicht aufhören, hinzuschauen – obwohl ich es besser weiß –, weil ich entsetzt bin über das, was ich sehe. Nachdem ich zahllose chirurgische Eingriffe durchgeführt habe und mit dem Innenleben des Körpers bestens vertraut bin, kann ich getrost sagen, dass es ein Wunder ist, dass es uns als Spezies überhaupt noch gibt.

Im Grunde bist du, sind wir alle, ein lebendes, atmendes Gewebe aus ererbten Merkmalen, und dazu gehören auch Strukturen, die scheinbar keinen Zweck erfüllen. Nehmen wir zum Beispiel das Kinn. Selbst unsere nahen Vettern, der Homo erectus und der Neandertaler, hatten nicht das Bedürfnis, es zur Schau zu stellen. Letztendlich müssen wir uns einfach damit abfinden, dass wir die Summe vieler Fehler, Versuche und Irrtümer sind. Nur hat die Evolution die Beweise begraben. Die meisten zumindest.

Während meines Medizinstudiums liebte ich es, »unter die Haut zu gehen«. Vor allem die praktischen Anatomiekurse hatten es mir angetan. Ich sezierte die Bauchmuskeln und legte die gesamte Länge des Darms frei, verschiedene Blutgefäße und ein Netzwerk von Nerven, die den Körper wie Telefonleitungen durchziehen. Dieser Blick hinter die Kulissen des Lebens fühlte sich invasiv und unnatürlich an, aber auch wirklich wichtig. Deshalb beschloss ich, Chirurg zu werden. Es schien mir eine gute Gelegenheit, zu verstehen, was unseren Körper dazu befähigt, uns fertigzumachen – aber auch, wie wir ihn oder unseren Lebensstil optimieren können, um zu verhindern, dass wir vor unserer Zeit zusammenbrechen.

Wir konzentrieren uns im Alltag oft auf Oberflächlichkeiten. Unsere inneren Organe verbannen wir häufig aus dem Bewusstsein. Der Körper ist wie eine Familie, und jedes Mitglied – von der Leber und dem Magen bis zum Herz und dem Gehirn – hat seinen speziellen Anteil daran, uns am Leben zu erhalten. Doch wie in jeder Familie ist jeder Einzelne auf die Unterstützung des anderen angewiesen. Wenn also eines der Mitglieder aus der Reihe tanzt oder sich mit den anderen zerstreitet, kann die ganze Familie implodieren wie bei so mancher Realityshow.

In den sechs Jahren meines Medizinstudiums habe ich mich in diese gelegentlich dysfunktionale Familie verliebt. Ich verbrachte unzählige Stunden mit dem Betrachten der Zellarchitektur unter dem Mikroskop, dem Sezieren von Leichen in der Pathologie und der Begegnung mit Patient:innen, an denen ich lernte, wie der Körper in Krankheit und Gesundheit funktioniert. Schließlich tauschte ich Vorlesungsskripte und Multiple-Choice-Fragen gegen Krankenhauspraktika.

Mein erstes war in allgemeiner Chirurgie.

In der Nacht, bevor es begann, studierte ich noch einmal gründlich die Anatomie des Magen-Darm-Trakts. Sollte ich in der Chirurgie über die Einzelheiten der Blutversorgung des Dickdarms ausgequetscht werden, wollte ich nicht von der gefürchteten Lampenfieber-Aphasie heimgesucht werden, von der ich gehört hatte (Aphasie ist die Unfähigkeit, zu sprechen, die häufig Menschen nach einem Schlaganfall befällt, aber auch nervöse Medizinstudierende, wenn sie im Rampenlicht stehen).

Ich wurde zu einer Operation eingeteilt, bei der ein Darmkrebs entfernt werden sollte, aber das alles schien so ganz anders als in den Lehrbüchern. Ich war auch weit entfernt von der ruhigen Umgebung des pathologischen Labors, wo man die Organe in aller Ruhe erforschen und neugierig darin herumstochern konnte. Als der Chirurg den Schnitt in das Bauchgewebe machte, traf ein kleiner Strahl roter Flüssigkeit meine Nase. Das war echte Medizin. Ein lebendes menschliches Wesen hatte sein Leben in unsere Hände gelegt.

Der Einschnitt, den der Chirurg machte, enthüllte ein glitzerndes, feuchtes Inneres wie nasser Samt. Während sich der Brustkorb des Patienten hob und senkte, blickte ich in die Bauchhöhle und sah die in strohfarbenem Saft gebadeten Gedärme, die sich wanden wie Würmer in einer Schüssel. In diesem Moment machte uns die Anästhesistin darauf aufmerksam, dass die Blutung zu einem Anstieg der Herzfrequenz und einem Abfall des Blutdrucks geführt hatte. Das Trauma, das wir mit dem Skalpell verursacht hatten, hatte zu einer erschwerten Atmung geführt. Solche Beobachtungen zeigten mir endlich, dass meine bisherigen Erkenntnisse fehlerhaft waren. Erst jetzt wurde mir klar, wie weit voneinander entfernte Organe, die scheinbar nicht miteinander verbunden sind, voneinander abhängig sind, wie Mitbewohner:innen in einer Wohngemeinschaft. Wenn eine:r die Toilette verstopft, sind alle davon betroffen.

Mit einer Gelassenheit unter Stress, die ich mir erst nach einer Weile aneignen konnte, führte der Chirurg den Eingriff schnell und sicher durch. Als der Patient stabilisiert und der Tumor entfernt war, wurde mir klar, dass diese Erfahrung mehr als nur ein Leben verändert hatte.

Medizin ist eine Branche für Spezialist:innen. Ärzt:innen sind in immer engeren Fachgebieten unterwegs und entfernen sich immer weiter von ihren Vorgänger:innen, die ein Grundverständnis für jeden Bereich hatten. Das ist gut so, vor allem, wenn man selbst behandelt wird, denn schließlich will man sich darauf verlassen können, dass die Person, die einem die Gallenblase entfernt, das chirurgische Verfahren beherrscht und nicht nur ein YouTube-Tutorial auswendig gelernt hat. Auch wenn ich mich heutzutage hauptsächlich mit Gedärmen beschäftige, finde ich es immer noch hilfreich, den menschlichen Körper als Ganzes zu sehen. Schließlich kann eine einzige Variable das gesamte System verändern und sogar in ziemliche Schwierigkeiten bringen. Dieses Gleichgewicht, das manchmal auch als Homöostase bezeichnet wird, ist für das optimale Funktionieren des Menschen entscheidend. Ich möchte dir versichern, dass die Körperteile, die in deinem Inneren die Hauptrollen spielen, in einer bewundernswerten Choreografie für deine miteinander verwobenen Bedürfnisse sorgen. Aber ich kenne das Chaos hinter den Kulissen, deshalb tue ich mich schwer mit dem Applaus.

Auf der Reise, die vor dir liegt, werde ich also die Wunder des menschlichen Körpers feiern. Ich will dir aber auch nicht seine Mängel, das fragwürdige Design und so manche stümperhafte Verkabelung verschweigen, die ihn so einzigartig machen. Trotz all seiner Macken bietet dir dieses organische Lebenserhaltungssystem, in dem du dich befindest, reichlich Gelegenheit zur Anpassung und sogar zur Verbesserung. Es geht nur darum, zu verstehen, wie es funktioniert, und dann Wege aufzuzeigen, wie man es, nun ja … besser machen kann.

Eine Karriere in der Medizin ist der Nährboden für unzählige Geschichten. Nicht nur neuer und alter Krankenhausklatsch, einschließlich Witzen, Aphorismen und Anekdoten, sondern auch Berichte über obskure und häufige Krankheiten, ungewöhnliche Begegnungen und Szenarien, die uns daran erinnern, dass wir alle sterblich sind. Als Zugabe habe ich einige bizarre historische Berichte eingeflochten, die ein etwas zweifelhaftes und oft sogar unethisches Bild der Medizin zeichnen. Denn was ist Geschichte, wenn nicht die Fehler und Irrtümer, aus denen man wichtige Lehren für das Leben ziehen kann?

Bevor du die Schwelle überschreitest, muss ich dich warnen. Wenn du dir eine rosarote, zuckersüße, übertrieben optimistische Sicht auf den menschlichen Körper bewahren willst, dann ist dieses Buch nichts für dich.

Lebensverlängernde Maßnahmen

In jedem Kapitel finden sich außerdem eine Reihe von »lebensverlängernden Maßnahmen«: praktische Tricks, Ratschläge und Strategien, mit denen man sich vor dem eigenen Körper schützen kann. Ich habe nicht die Absicht, dich ans Blinzeln oder Atmen zu erinnern. Dass du die Grundlagen des Überlebens inzwischen beherrschst, davon gehe ich aus. Doch bevor es losgeht, möchte ich dir eine Auswahl von Standards zu deinem Lebensstil vorstellen, die deiner Gesundheit in jeder Hinsicht zugutekommen werden.

Ernährung

Die Ernährung ist ein wichtiger Bestandteil jeder positiven Veränderung des Lebensstils. Was dazugehört, ist heiß umstritten, und es gibt keinen Konsens über die »beste« Herangehensweise. Es wäre jedoch ratsam, den Verzehr von stark verarbeiteten Lebensmitteln auf ein Minimum zu reduzieren, da es immer mehr Beweise dafür gibt, dass sie sich ungünstig auf unsere Darmflora auswirken, übermäßig viele gesättigte Fettsäuren haben und im Allgemeinen arm an Ballaststoffen sind. Ich werde nicht für eine bestimmte Art von gesunder Ernährung werben, und ich bin mir auch darüber im Klaren, dass es ein gewisses Privileg ist, die Wahl zu haben, was man isst. Stattdessen möchte ich ganz einfach und knapp Lebensmittel hervorheben, die du aktiv auswählen und möglichst oft verzehren solltest:

Pflanzliche Lebensmittel

wie Gemüse, Obst, Vollkorngetreide, Bohnen, Nüsse und Samen. Diese sind nährstoffreich und enthalten bioaktive sekundäre Pflanzenstoffe, die entzündungshemmend wirken.

Meeresfrüchte und Fisch

(falls du überhaupt Fisch isst), insbesondere fette Fische wie Lachs, Makrele oder Sardinen, da sie reich an Omega-3-Fettsäuren sind, die für das Herz gut sind.

Fermentierte Lebensmittel

wie griechischer Joghurt, Kimchi oder Sauerkraut, die nützliche Bakterien im Darm fördern, sowie

gesunde Fette

wie ungesättigtes Olivenöl.

Letztlich ist die beste Ernährung die, die du genießt und bei der du dich wohlfühlst. Kuchen essen und gesund sein schließen sich nicht gegenseitig aus, und es gibt kein einzelnes Lebensmittel, das deine Gesundheit runiert oder verbessert; beim Essen geht es um Regelmäßigkeit und Beständigkeit. Wie immer gilt: Maßhalten ist angesagt, und allein die Dosis macht das Gift.

Flüssigkeitszufuhr

Da du ein wandelnder Wassersack bist, sollte es eigentlich selbstverständlich sein, dass du dich vor dem Austrocknen schützt. Wenn du deinem Körper Wasser entziehst, holt er es sich aus anderen Organen, einschließlich dem Gehirn, und das ist … unklug.

Umgekehrt kommt dein Körper auch mit zu viel Wasser nicht zurecht. Dein Hypothalamus – das Barometer in deinem Gehirn – arbeitet mit einer leichten Verzögerung. Es kann also eine Weile dauern, bis dein Körper merkt, dass er genug im Tank hat. Wenn du sehr durstig bist und leichtsinnigerweise 5 Liter Wasser in kurzer Zeit trinkst, werden die Zellen mit Flüssigkeit überladen. Dies führt zu einer kritischen Senkung des Natriumspiegels, einem potenziell tödlichen Zustand, der als Hyponatriämie bekannt ist.

All dies macht deutlich, wie empfindlich der Körper reagieren kann. Er hält Schneestürme, Schläge und sogar den Verlust von Gliedmaßen aus, aber wenn er zu wenig oder zu viel Flüssigkeit bekommt, endet er wie die arme Zimmerpflanze auf dem Fenstersims, die einmal eine gute Idee zu sein schien. Um gut zu gedeihen, solltest du jeden Tag etwa 2 Liter Wasser zu dir nehmen.

Fitness

Es gibt ein magisches Mittel, das jede Facette deiner Gesundheit auf der ganzen Linie verbessert. Das Problem ist nur, dass du es nicht schlucken kannst. Stattdessen musst du es auf dich nehmen oder es irgendwie angenehm gestalten, und dieses Mittel ist körperliche Bewegung. Untätigkeit ist ein stiller Killer. Das größte Übel, das uns die moderne Gesellschaft beschert hat, ist eine eher sitzende Lebensweise. Was uns von Krankenkassen an regelmäßiger Aktivität vorgeschlagen wird, ist in der Regel wenig fordernd und angeblich erreichbar. Doch sei einfach mal ehrlich und frage dich selbst: Wie oft kommst du pro Woche auf 150 Minuten mäßig intensive körperliche Betätigung, ganz zu schweigen von Krafttraining?

Es gibt jede Menge Beweise dafür, dass Sport das Risiko eines frühen Todes verringern kann. Zum einen verliert man pro Jahrzehnt etwa 5 Prozent Muskelmasse, nachdem man das reife Alter von 30 Jahren überschritten hat. Ja, genau, 30. Diese Abbaurate verdoppelt sich, sobald man das 70. Lebensjahr überschritten hat, und das ist einer der Hauptgründe, warum Krafttraining, das die Muskelkraft fördert, sowohl für die Lebensqualität als auch für die Lebenserwartung einen gewaltigen Unterschied machen kann. Letztlich kommt regelmäßiges Training jeglicher Art dem Geist ebenso zugute wie dem Körper und lässt sich leicht in ein arbeitsreiches Leben integrieren. Sport ist gewissermaßen das, was Magie im echten Leben am nächsten kommt.

Alkohol und Tabak

Niemand zwingt uns, zu rauchen oder Alkohol zu trinken, aber beide Gewohnheiten sind in unserer Kultur fest verankert. Obwohl sich seit einigen Jahrzehnten der Trend gegen das Rauchen wendet, bleibt es eine der schädlichsten Gewohnheiten, die man seinem Körper antun kann. Wer raucht, hat nicht nur eine geringere Lebenserwartung, sondern verbringt auch im Verhältnis mehr Jahre bei schlechter Gesundheit. Rauchen erhöht nicht nur das Risiko von Lungenkrebs und verschiedenen Atemwegserkrankungen enorm, sondern lässt uns auch äußerlich altern, von verfärbten Zähnen bis hin zu dünner, faltiger Haut. Darüber hinaus erhöht die chronische Entzündung, die durch das Rauchen verursacht wird, das Risiko von Herz-Kreislauf- und neurodegenerativen Erkrankungen und führt zu zellulärer Seneszenz, was wörtlich bedeutet, dass die Zellen altern und absterben. Das Gute daran ist, dass alle diese Gesundheitsrisiken rasch kleiner werden, wenn man auf das Rauchen verzichtet, und das sollte das Aufhören zu einer Selbstverständlichkeit machen.

Wenn du glaubst, dass E-Zigaretten und Dampfen gesünder sind, irrst du dich. Die langfristigen Risiken dieser neueren Tabakerzeugnisse sind zwar noch Forschungsgegenstand, aber die bisher vorliegenden Daten haben bereits zahlreiche Risiken bestätigt, die von Lungenentzündungen bis hin zu völligem Lungenversagen reichen, was sogar eine Transplantation erforderlich machen kann. Ganz einfach: Wenn du deinen Körper davon abhalten willst, dich zu töten, solltest du nur noch Luft einatmen (und bei Bedarf Medikamente!).

Und dann ist da noch der Alkoholmissbrauch, der eine erhebliche Gefahr für die Volksgesundheit darstellt. Übermäßiger Alkoholkonsum wird mit Herz- und Lebererkrankungen, Verdauungsproblemen, Gewichtszunahme und einem erhöhten Krebsrisiko in Verbindung gebracht. Auf Alkohol zu verzichten – oder zumindest deinen Konsum einzuschränken –, ist einfach eine der besten Maßnahmen, die du ergreifen kannst, um ein Leben lang etwas für deine Gesundheit zu tun.

1 Hast du einen Klempner im Haus?

Auf den Spuren der Verdauung

Wenn ich die menschliche Geschichte so betrachte, dann haben Klempner nach meiner Ansicht mehr Leben gerettet als Ärzt:innen. Fachleute aus der Chirurgie, Allgemeinmedizin und Wissenschaft ernten die gesamte Anerkennung, doch ich finde, es ist an der Zeit, endlich die bescheidene Gilde zu ehren, die für die moderne Sanitärwirtschaft und Abwasserentsorgung verantwortlich ist. Warum? Weil das Trink- und Abwassersystem eines Landes direkt mit der Gesundheit der Bevölkerung in Zusammenhang steht. Ohne Klempner würden tödliche Infektionskrankheiten wie Cholera wüten, und es würde sich kaum lohnen, etwas fürs Rentenalter zurückzulegen.

Sanitärtechnik und Medizin sehen auf den ersten Blick vielleicht wie zwei ganz unterschiedliche Branchen aus. Wenn es um die Gesundheit der Bevölkerung geht, sind sie jedoch unauflösbar miteinander verbunden.

Der Körper ist ein Tempel. Das hört man jedenfalls oft, wenn sich Gespräche um unser Wohlbefinden drehen – aber nichts könnte der Wahrheit ferner sein. Tatsächlich ist dein Körper ein komplexes Hochhaus mit maßgeschneiderten Anschlüssen, einer Reihe sich kreuzender Abflussrohre, einem Abwassersystem mit gelegentlichem Rückfluss, vielen anspruchsvollen Bewohnern und sogar ein paar Geheimgängen.

Konfrontiert mit einem Bauplan des Körpers, würden die meisten von uns wohl nach einem einzigen Blick auf dieses scheinbar undurchschaubare Gewirr von Röhren nach jemandem vom Fach rufen und sich das ganze Durcheinander erklären lassen. An dieser Stelle kommen Mediziner wie ich ins Spiel.

Genauso, wie unsere Vorfahren schließlich die Vorzüge einer öffentlichen Kanalisation verstanden, kann es manchmal eine ganze Weile dauern, bis wir kapieren, wie wichtig es ist, unser bescheidenes Rohrleitungssystem in Ordnung zu halten. Wenn dein internes Röhrengewirr ein Leck hat oder aber verstopft ist, dann geht es nicht nur darum, Profis zu rufen und seufzend die Scheckkarte zu zücken. Die Folgen können nämlich lebensbedrohlich sein.

Im Lauf der Zeit bin ich zu dem Schluss gekommen, dass meine ärztliche Tätigkeit mehr ist als das Verteilen von Pillen und Tinkturen. In meiner chirurgischen Operationskleidung sehe ich vielleicht wie ein zivilisierter Metzger aus, doch meine Rolle verlangt mehr als das. Heute sehe ich mich als eine Art Mechaniker für Menschen. Ein Biomechaniker, wenn du so willst, und ein Handwerker, genau wie der Klempner. Ebenso, wie Autos, Gebäude und Werkzeuge regelmäßig gewartet werden müssen, braucht der menschliche Körper Selbstfürsorge und Instandhaltung, um Leid, Lädierung und Leichenhalle zu vermeiden – oder zumindest hinauszuzögern. Begleite mich also auf eine Reise durch die verborgenen Röhren, die Lieferantenein- und -ausgänge, die einen zentralen Teil unserer Anatomie bilden. Die Rede ist vom Verdauungssystem.

Bescheidene Anfänge

Hast du dich jemals gefragt, wie das alles angefangen hat? Ich meine, nicht im philosophischen Sinne, sondern einfach, welcher deiner Körperteile vom Augenblick der Befruchtung der Eizelle an als Erster am Start war? Das Gehirn? Das Herz? Die Wirbelsäule oder vielleicht die Augen? Nun, die Antwort ist nicht ganz so poetisch, denn tatsächlich warst du in diesem ersten magischen Moment nicht mehr als eine Öffnung, eingedrückt in eine Ansammlung von Zellen. Ja, das ist richtig, du warst zu Anfang deines Lebens ein Arschloch.

Diese leidige Tatsache lässt sich nicht leugnen. Wir alle haben so angefangen, und das ist keine hübsche Vorstellung. Nun können die Philosoph:innen wieder hereinkommen, denn dies wirft natürlich die interessante Frage auf, ob sich gewisse Individuen jemals über diesen Punkt hinaus entwickelt haben.

Entwicklungsbiologisch sind Menschen Deuterostomier (Neumünder). Anders gesagt, gehören wir zu einer Tiergruppe, deren Blastoporus (Urmund, die erste Öffnung im sich entwickelnden Embryo) zum Anus wird. Protostomier (Altmünder) sind Tiere, deren Blastoporus zum Mund wird, doch wir beginnen ausnahmslos als Darmausgang, also als Mündung des Darms. Nachdem das Spermium die Membran der Eizelle durchdrungen hat, teilt sich der Embryo in zahlreiche verschiedene Zellen und wird schließlich zu einer Blastula. Die Blastulazellen reißen von innen auf und bilden einen Ausgang, den Blastoporus, der sich, wie du vielleicht schon vermutet hast, eines Tages zu einem wunderbaren Arschloch entwickeln wird (zweifellos ist »Urmund« eine weitaus elegantere Bezeichnung für deinen rostigen Sheriffstern, aber aus irgendeinem Grund hat sie sich nie durchgesetzt). Wie auch immer du es nennen willst, begann deine Existenz als ein embryonaler Anus, der im Uterus deiner Mutter frei herumtrieb – eine harsche Wahrheit wie auch eine anspruchsvolle Beleidigung, falls du sie jemals verwenden möchtest.

Während der Blastoporus nun glücklich in der Fruchtblase (wissenschaftlich Amnionhöhle) treibt, weitet er sich und entwickelt einen Tunnel zum anderen Pol der Blastula, wo sich eine Mundöffnung bildet. Ja, das klingt wirklich wie einer dieser Horrorfilme, die du zu deinem Bedauern bis zur Hälfte geguckt hast, aber hab etwas Geduld mit mir. Mit sechs Wochen hat sich dieser alienhafte Anus-zu-Mund-Hybride in etwas deutlich Menschlicheres verwandelt. Zu diesem Zeitpunkt hast du im Inneren der Nabelschnur, der Sicherheitsleine, die dich mit der Plazenta verbindet, die Anfänge deines Verdauungstrakts entwickelt. Deine Augen beginnen sich erst in Woche acht zu öffnen – glücklicherweise, möchte man sagen. Bis zu diesem Moment bist du weitgehend geschützt davor, mit anzusehen, wie sich dein eigenes Fleisch verwindet und verdreht und sich in eine frühe Version dessen verwandelt, was du heute bist. Traumatische Angelegenheit!

»So willst du es nicht machen«

Wenn du schon einmal versucht hast, etwas von Grund auf zu bauen, zum Beispiel ein Robotermonster aus Müslipackungen (oder mache nur ich so was?), so haben die Frühstadien der Konstruktion selten eine Form, die dem Endprodukt ähnelt. Dafür ist die Gestalt unseres sich entwickelnden Darmtrakts als vierwöchiger menschlicher Embryo ein gutes Beispiel. Durch eine Reihe aufwendiger Faltungen im Origamistil verwandelt er sich aus einem simplen vertikalen Rohr in eine komplexe Reihe von Ausbuchtungen und Vorstülpungen, die Leber, Gallenblase, Dick- und Dünndarm, Bauchspeicheldrüse (Pankreas), Speiseröhre, Mund und Magen umfassen.

Eine Sache, die mich bei der Embryologie und der Entwicklung unseres Darmtrakts immer verblüfft hat, ist die Frage, warum er tut, was er tut. Woher kennt er den Zweck seiner Existenz? Nehmen wir zum Beispiel den Dünndarm. Er schlingt sich in unserem embryonalen Körper um sich selbst und ist dabei im Inneren wie auch außerhalb unseres Körpers unterwegs. Der Mitteldarm, der sich schließlich aus dem Dünndarm samt rund der Hälfte des Dickdarms und dem Wurmfortsatz zusammensetzt, wächst sehr schnell – und zwar so schnell, dass er in deinem primitiven Bauchraum nicht genug Platz findet. Vielmehr fristen diese Darmschlingen einige Wochen lang ein Leben außerhalb des Abdomens, bevor sie wieder zurückschlüpfen, sobald dein Bauch sie aufnehmen kann.

Wenn bei diesem schlüpfrigen Tanz ein Fehler passiert, können Babys mit einer Omphalozele geboren werden, bei der Darmschlingen einen Sack außerhalb des Bauchraums bilden. Das ist selbst für einen Chirurgen, der versuchen muss, die Schlingen mit einem Noteingriff so rasch wie möglich wieder dorthin zu befördern, wohin sie gehören, ein erschreckender Anblick. Darüber hinaus gibt es anorektale Fehlbildungen, die zu einem unterentwickelten Anus und Rektum führen und einen normalen Stuhlgang unmöglich machen; Fehldrehungen, wenn die Gedärme sich nicht richtig falten und anfällig für Verschlingungen sind; Invaginationen, bei denen sich der Darm in sich wie ein Teleskop selbst einstülpt und die Darmpassage blockiert. Das sind nur einige wenige Beispiele für das, was alles schiefgehen kann, wenn auch nur ein einziges Element dieser komplexen Entwicklungschoreografie des Darms aus der Reihe tanzt. So etwas kann zu lebenslangen gesundheitlichen Komplikationen führen – manchmal sogar zum Tod.

Bei all diesen verschiedenen Röhren mit ihren Drehungen und Wendungen verstehst du wohl, warum ich das Verdauungssystem oft mit Klempnerjargon beschreibe. Der Darm, medizinisch als Gastrointestinaltrakt bezeichnet, kurz GI, ist ein langes und gewundenes Rohr mit Ventilen, Anschlussstücken und Befestigungen. Es wird sogar dafür gerühmt, die Funktionalität einer ganzen Reihe von Haushaltsgeräten zu besitzen. Darüber hinaus wird das gesamte System smart gesteuert, wie wir es heute nennen würden.

Imbiss-Aktivierung

Wenn es ums Essen geht, dann ist das Schlucken eines Nahrungsbrockens nicht so einfach wie das Ablassen von Badewasser in ein Abflussrohr. Ja, dein Lunch fällt nach dem Herunterschlucken in eine senkrechte Röhre, doch hier findet die Verdauung statt, mit deren Hilfe dein Körper Energie aus seiner Nahrung zieht – was die ganze Sache viel komplexer macht, als einfach die Schwerkraft arbeiten zu lassen. Die Reise vom Mund bis zum Anus steckt bei jeder Biegung voller Gefahren, aber auch voller Wunder: das Resultat von so einigem Pfusch, der im Lauf der Evolution am Ende doch zu einem funktionierenden System geführt hat.

Der erste Schritt der Verdauung findet nicht erst dann statt, wenn Nahrung deine Zunge berührt. Die nötigen Rädchen begannen sich bereits lange vor dem Moment an zu drehen, an dem du dich zu Tisch setzt. Schon als du das kochende Wasser in den Topf mit Instantnudeln gegossen hast und die süßsauren Aromen deine Nasenlöcher erreichten, wurde dein Verdauungssystem aktiviert. Dieser Trigger feuerte, sobald der Gedanke an einen Imbiss unwiderstehlich wurde. Infolgedessen setzte eine Kaskade von Reflexen ein und sorgte dafür, dass dir das Wasser im Munde zusammenlief; gleichzeitig wurde in Vorbereitung auf den Schmaus die Produktion zusätzlicher Magensäure und verschiedener Enzyme angekurbelt.

Die Aufnahme von Nahrung, im Anschluss die Gewinnung von Treibstoff und schließlich die Ausscheidung der ungenießbaren Reste stehen im Zentrum deines Wohlergehens. Das ist auch der Grund dafür, dass der Darmtrakt eine der ersten Strukturen ist, die sich bei einem Embryo im Mutterleib entwickeln. Mit dem blinden Arschloch, das in der feuchten Umgebung des mütterlichen Uterus umherdriftete, geschah ein Wunder.

Ja, du hast dich zu einem Fötus entwickelt, aber davor warst du ein Blutegel.

Die Nabelschnur war die Sicherheitsleine, die dich mit deiner Mutter verband. Dieses externe Klempnersystem diente dir nicht nur als Rettungsleine und Nahrungsquelle, sondern eröffnete dir auch einen parasitären Zugang zu der armen Frau, deren Dasein sich in Zukunft für längere Zeit um dich drehen würde. Umgeben von Flüssigkeit, die deinen eigenen Urin enthielt, erfreutest du dich in deiner Fruchtblase einer idyllischen Existenz, frei von Sorgen über Stoffwechsel und Abfallentsorgung. All deine Nährstoffe wurden bequem vom Zustellservice der Natur frei Haus geliefert. Die einzigen Kosten waren die Unbequemlichkeiten, die du deiner Versorgerin neun lange Monate bereitet hast – bis sich die Servicebedingungen änderten.

Mit der Geburt und dem Durchtrennen der Nabelschnur lief dein Abo aus. Es war ein rüdes Erwachen, und kein Wunder, dass du dabei geschrien hast. Warum? Weil du dich nun auf dein eigenes Röhrensystem verlassen musstest, wenn es um deine lebenswichtigen Verdauungs- und Ausscheidungsprozesse ging. In diesem Moment übernahm deine eingebaute Smart-Steuerung und bereitete deinen Darmtrakt darauf vor, zu essen, zu trinken und sich selbst zu entleeren.

Runter damit

Dein Darm ist sieben Tage in der Woche 24 Stunden lang aktiv. Er wird nicht nur wach, wenn du Nahrung in dich hineinschaufelst. Denn er ist viel komplexer als der Müllschlucker, für den du ihn hältst. Wenn du dich beispielsweise verlegen fühlst, zeigst du dies nicht nur durch eine engelhafte Rötung deiner Wangen. Auch deine Darmschleimhaut errötet und schlägt buchstäblich die Augen zu Boden. Forschende haben noch immer keine Ahnung, welchem Zweck dieses gastrische Unbehagen aus zweiter Hand dient, doch wir wissen, dass der Darm sich nicht allein auf Verdauungsaufgaben konzentriert. Dein Darm ist zwar kein empfindungsfähiger wurmförmiger Alien, der es sich in deinem Inneren gemütlich gemacht hat und eine ganze Reihe wesentlicher Aufgaben für dich übernimmt, doch diese Vorstellung könnte dir helfen, das Maß an Raffinesse zu würdigen, das dort herrscht. Träum was Schönes!

Dies vorausgeschickt, lass mich dir sagen, dass dein Darmtrakt auf einer gewissen Ebene auch als zweites Gehirn funktioniert, als sogenanntes Bauchhirn. Das liegt am enterischen Nervensystem, das neben zahlreichen anderen Aufgaben, die es übernimmt, auch anzeigt, wenn du hungrig oder satt bist, und zwar zusammen mit den hungerregulierenden Hormonen Leptin (satt) und Ghrelin (hungrig). Letzteres spielt auch eine Rolle, wenn dir der Magen knurrt und du dadurch übellaunig und gereizt bist. Wir alle wissen, dass eine enge Verbindung zwischen Essen und Stimmung besteht. Jeder und jede von uns kann gewisse Gerüche und Aromen benennen, die unsere Gefühle beeinflussen und unsere Laune heben. Biete mir ein Stück Bananenkuchen an, und meine persönlichen Sturmwolken verziehen sich garantiert. Das liegt nicht nur an einer Beziehung zwischen Nahrung und Erinnerungen, sondern an den Billionen mikrobieller Kolonisatoren, die unseren Darm besiedeln und ihn »Heimat« nennen.

Der perfekte Gastgeber

Selbst eingesperrt in einer Einzelzelle sind wir niemals allein. Tatsächlich beherbergen wir Billionen mikroskopisch kleiner Untermieter, die in uns allen leben. Und so war es schon seit dem ersten Aufkommen von Leben auf diesem Planeten. Mikroorganismen waren vor den Menschen da, und sie werden zweifellos noch da sein, wenn unser Licht längst erloschen ist.

Die Rede ist natürlich von der Bakterienpopulation in unserem Darm, ohne die wir nicht wir selbst wären. Zusammengenommen werden diese winzigen Organismen als Mikrobiom bezeichnet. Soweit wir wissen, setzt sich unser Mikrobiom aus rund 4000 verschiedenen Bakterienarten zusammen. Die Aufgabe dieser riesigen Zahl von Mikroben besteht größtenteils darin, uns, ihren Wirt, am Leben zu erhalten, sodass sie blühen und gedeihen können. In gewisser Weise spielen wir eine wichtige Rolle in diesem Ökosystem. Es ist unser Job, sie glücklich und zufrieden zu halten, denn unser Wohlergehen hängt davon ab. Stören wir ihr fragiles Gleichgewicht – was durch einen ungesunden Lebensstil leicht passiert –, können wir uns indirekt eine Menge Probleme einhandeln, von Autoimmunerkrankungen bis zu chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen.

Heutzutage ist medizinische Mikrobiomik ein modernes Forschungsgebiet. Die allererste Beschreibung dieser »kleinen Tiere« oder »Animalcules«, die wir heute als Mikroben wie Bakterien, Parasiten und verschiedene andere einzellige Organismen kennen, stammt aus dem 17. Jahrhundert. Damals benutzte Antoni van Leeuwenhoek, ein ehemaliger Tuchmacherlehrling, der sich zu einem Naturforscher gemausert hatte, ein selbst gefertigtes Mikroskop, um diese wunderbaren Organismen aus allerlei Quellen zu untersuchen. Auf seiner Forschungsreise in eine damals noch unentdeckte Welt der Mikrobiologie stieß van Leeuwenhoek in seinem eigenen Zahnbelag ebenso auf Bakterien wie in der Flüssigkeit, die er nach dem Sex – sorry, nach der »wissenschaftlichen Untersuchung« – aus der Körperhöhle seiner Frau entnahm.

Antoni van Leeuwenhoek, der oft als Vater der Mikrobiologie bezeichnet wird, fällt die fragwürdige Ehre zu, als erster Mensch sich bewegende Samenzellen (Spermien) gesehen zu haben. Das öffnete zweifellos die Augen für unsere innere Welt. Seitdem hat sich unser Fokus darauf verlagert, welche Rolle diese Mikroorganismen spielen, statt dass wir nur wissen wollen, welche Typen präsent sind.

Wir haben fast vier Jahrhunderte gebraucht, um in mikrobiellen Gemeinschaften mehr als nur Pathogene zu sehen. Inzwischen wissen wir, dass sie eine komplexe und ganz wesentliche Rolle in unserem Leben spielen. Das umfasst alles, vom Training unseres Immunsystems über die Beeinflussung unseres Verhaltens durch die Freisetzung von Hormonen und anderen chemischen Verbindungen bis zur Unterstützung beim Abbau schwerer verdaulicher Nahrung. Tatsächlich statten sie uns sogar mit einigen ihrer Gene aus.

Was die Beziehung von Mikroben und Menschen angeht, so wäre es gut, wenn wir beginnen würden, uns weniger als Individuen denn als Teamplayer neben einer Vielzahl winziger Organismen anzusehen. Die bakterielle Population unseres Mikrobioms erfüllt eine einfache, lebensrettende Aufgabe, die darin besteht, Enzyme zu produzieren, die Nahrung zu kurzkettigen Fettsäuren abbauen. Lebensmittel wie Bananen, Bohnen, Brokkoli, Kohl und Vollkornprodukte widerstehen dem Abbau im Dünndarm. Sobald sie in den Dickdarm gelangen, werden sie jedoch von den Darmmikroben zu verwertbaren Kohlehydraten verstoffwechselt (metabolisiert). Diese kleinen Kerle schuften bis zum Umfallen. Im Lauf deines Lebens verarbeiten sie rund 35 Tonnen Nahrung.

Wie in jeder Gesellschaft, selbst wenn sie als eine Utopie angelegt ist, können in den dunklen Ecken des Mikrobioms Schurken lauern. Ein solcher Bösewicht der bakteriellen Unterwelt ist Clostridium difficile, ein Bakterium, das selbst bei den abgehärtetsten Profis im Gesundheitswesen vorübergehend zu Arschflattern und weichen Knien führt. Es ruft Durchfall und Colonentzündungen hervor und tritt oft nach längerer Einnahme von Antibiotika auf (die selbst die Darmgesundheit beeinflussen, weil sie gute wie schlechte Darmbakterien gleichermaßen in großer Zahl töten und unter Umständen das innere Tauziehen zugunsten der dunklen Seite der Macht verzerren).

Unsere Beziehung zu guten wie schlechten Bakterien ist komplex, lässt sich aber auf eine einfache Wahrheit herunterbrechen: Wir existieren nur deshalb, weil sie existieren. Man kann das Mikrobiom unseres Darms zweifellos als eigenständiges, vergessenes Organsystem betrachten, das ebenso entscheidend für unser Überleben ist wie das Schlagen unseres Herzens.

Das Mikrobiom spielt eine dermaßen wichtige Rolle für unser Überleben, dass es auch Gehirnentwicklung und Verhalten beeinflussen kann. Durch die Ausschüttung von Signalmolekülen oder Botenstoffen tauscht sich unser Darm tatsächlich mit unserem Zentralnervensystem aus. Zusammen mit dem Mikrobiom, das als Mitverschwörer agiert, kommuniziert es mit dem Gehirn über die sogenannte Mikrobiom-Darm-Hirn-Achse. Über diese eingebaute Schnellstraße werden ständig Botschaften ausgetauscht. Dank neurochemischer Transmitter kommunizieren wir über einen natürlichen Bluetooth-Kanal, der zwei Geräten erlaubt, sich zusammenzuschließen und als ein einziges zu fungieren. Dieser Darm-Hirn-Kanal lässt vielleicht nicht jedes Mal Mariah Carey losschmettern, wenn du das Haus betrittst, doch beide Geräte kommunizieren rund um die Uhr.

Gemeinschaftspflege

Trotz all der Wunder, die wir entdeckt haben, bleibt das Mikrobiom rätselhaft. Das liegt vor allem daran, dass es dem menschlichen Gehirn bislang nicht gelungen ist, ihm seine Geheimnisse zu entlocken. Wir wissen jedoch, dass die Zusammensetzung der Mikrobenpopulation in gewisser Weise von unserer Ernährung abhängig ist.

Wie können wir daher optimal für diese Gemeinschaft unserer winzigen Mitbewohner sorgen, sodass sie uns unterstützen? Besonders wichtig ist, dass unser Mikrobiom förmlich nach Abwechslung lechzt. Das heißt, wir sollten viele verschiedene Nahrungstypen zu uns nehmen, vor allem aus dem Pflanzenreich. Das oft wiederholte Ernährungsmantra »Iss den Regenbogen« ist wissenschaftlich durchaus begründet.

Am meisten schätzen deine Darmbakterien Ballaststoffe. Einige, aber nicht alle Ballaststoffe, finden sich in sogenannten Präbiotika, die unsere Darmbakterien mit nützlichen Nährstoffen versorgen, sodass sie gedeihen können. Unsere Bakterien lieben auch Polyphenole, Moleküle, die man in Blaubeeren, kalt gepresstem Olivenöl und selbst in dunkler Schokolade und Kaffee findet. Diese Nahrungsmittel halten ein gesundes Mikrobiom in gutem Zustand. Nahrungsmittel wie Joghurt, Kefir, Sauerteigbrot und zudem einige Käsesorten enthalten lebende Bakterien, auch bekannt als Probiotika. In fermentierten Lebensmitteln wie Miso, Kimchi und Sauerkraut finden wir Postbiotika; dabei handelt es sich um nützliche Moleküle wie Fettsäuren, die von Bakterien nach dem Abbau bestimmter Lebensmittel freigesetzt werden. Letztlich stellt eine ausgewogene gesunde Ernährung sicher, dass alle drei Biotikatypen abgedeckt sind.

Noch ein Wort zu den Dingen, die unsere Darmflora weniger glücklich machen. Eine Ernährung mit viel rotem Fleisch und vor allem eine solche, die auf sehr stark verarbeiteten Lebensmitteln beruht, kann das Mikrobiom in Unruhe versetzen. Warum das so ist, ist noch nicht völlig geklärt, doch man nimmt an, dass gewisse Darmbakterien schädliche chemische Verbindungen freisetzen, nachdem sie rotem Fleisch in großen Mengen ausgesetzt waren. Im Übermaß genossen, kann dies zu einer leichten Entzündung im Körper führen, die das Gleichgewicht des Mikrobioms negativ beeinflusst. Natürlich geht es im Leben immer um Maßhalten. Unsere Darmbakterien können nicht erwarten, dass wir uns nicht gelegentlich einmal einen Donut mit Karamellcreme erlauben, doch er sollte Teil einer gesunden, ausgewogenen Ernährung sein. Wir sagen oft, etwas sei »gut für uns«. Was wir tatsächlich meinen, ist, dass es gut für unsere Darmflora ist. Mach deine kleinen Mitbewohner glücklich, und sie werden ihr Zuhause für dich in Ordnung halten.

Hirnfutter

Als Oberstufenschüler war ich in der Biologiestunde stets am Staunen, wenn es um die Verdauung ging. Während meines Medizinstudiums nahm diese Verblüffung noch zu, denn ich stellte fest, dass die ganze Sache noch viel komplexer war, als ich gelernt hatte. Mit der Nase im Lehrbuch fand ich heraus, dass die Passage von Nahrung durch den Darm ein außerordentlich fein differenzierter Prozess ist und die Koordination von präzisen und genau aufeinander abgestimmten Schritten verlangt. Erst als ich all das als Chirurg mit eigenen Augen sah, die Hände bis zu den Handgelenken in sich windendem Gedärm, erkannte ich, dass Verdauung der Ofen ist, dessen Feuer unsere essenziellen Lebensfunktionen speist. Ich denke inzwischen sogar, dass der Darm das zentrale Organ des Körpers ist, auch wenn Gehirn und Herz da anderer Meinung sein mögen.

Aufs Wesentliche heruntergebrochen, kann man sagen, dass die Verdauung unsere externe Umwelt verschlingt, um daraus unsere innere Umwelt aufzubauen. Wir konsumieren alles, von Gasen (Luft) über Flüssigkeiten (Tee) bis zu Feststoffen (Burger) – Extrakte, die wir zum Überleben brauchen und deren nicht nutzbare Bestandteile wir anschließend als Abfall entsorgen. Dabei nehmen wir an, dass all dies in unserem Inneren stattfindet, verborgen vor neugierigen Augen – ein bisschen wie die Oompa Loompas, die Wonkas Schokoladenfabrik am Laufen halten. Aber was würdest du sagen, wenn ich behaupte, dass dein Darmsystem nicht in dir liegt und der Verdauungsprozess nicht in deinem Inneren abläuft, sondern außerhalb?

Zugegeben, es ist eine ungewöhnliche Vorstellung, aber der Verdauungstrakt liegt nicht wirklich in uns. Wir sind nur so raffiniert gefaltet und geformt, dass unser Darm, der sich vom Mund zum Anus schlängelt, nicht mehr als eine tiefe Rinne ist, die sich von einer Körperöffnung zur anderen zieht. Sie gehört zur Außenwelt, die uns durchquert, und wir sind nichts weiter als ein Leitungsrohr, das die ganze Sache beinhaltet, wie ein zu diesem Zweck errichteter U-Bahn-Tunnel.

Die Kunst der Verdauung – sie erinnert eher an Jackson Pollock als an Leonardo da Vinci – erfordert, Außenwelt zu verzehren, um sie in Innenwelt zu verwandeln. Was wir gerade jetzt sind, unsere körperliche Form, ist ein Nebenprodukt der Verdauung. Letztlich handelt es sich um einen unbeabsichtigten, aber willkommenen Nebeneffekt einer langen, koordinierten Reihe von verflixt komplexen biochemischen Reaktionen und Gleichungen.

In Wirklichkeit gibt es keine scharfe Trennlinie zwischen Innen und Außen. In kultureller, sozialer und sexueller Hinsicht haben wir jedoch geradezu zwanghaft versucht, unsere heiklen inneren Abläufe zu verleugnen. Von der Kakofonie von Ächzen, Stöhnen und Rülpsen, die vom Luftröhren-Orchester da unten geschaffen wird, bis hin zu den verschiedenen Aromen, die unseren Ausgängen entweichen, sind dies die Klänge und Gerüche, die wir uns seit Jahrhunderten zu verbergen und zu verleugnen bemühen. Riechst du das? Ich war’s nicht!

Jeder Hinweis auf dieses Biest unter Deck, das wir Verdauung nennen, kann uns gelegentlich verwirren, verlegen machen oder sogar ängstigen. Wir haben sogar den Versuch gemacht, jedes Anzeichen seiner wertvollen Arbeit durch duftende Lotionen, Deosprays, parfümierte Feuchttücher und Lüftungssysteme zu eliminieren und systematisch auszumerzen. Die eigene Umgebung kontrollieren zu wollen, ist ein menschlicher Instinkt, und er betrifft natürlich auch unser inneres Ökosystem. Als Gesellschaft versuchen wir, so effektiv wie möglich, jegliche Spur des gewundenen Schlauchs voller Fremdmaterial zu entfernen, um den wir gewickelt sind. Unsere Mission ist es, uns von all den damit einhergehenden Gerüchen, Geräuschen und Ergüssen – manchmal aus beiden Enden – zu reinigen, die uns dermaßen in Angst und Schrecken versetzen.

Per Anhalter durch den Darm

Wir wissen inzwischen, dass das Mikrobiom wie eine Legion von Mikroklempnern, die das innere Röhrensystem betreuen, eine entscheidende Rolle bei der Steuerung unserer Darmtätigkeit spielt. Nun wollen wir das Spektrum der Gerätschaften erkunden, mit deren Hilfe Nahrung, sobald sie einmal ins System gelangt ist, verarbeitet wird. Am oberen Ende kaut dein Mund alles, was du hineinwirfst, wie ein Küchenabfallzerkleinerer. Ordnungsgemäß zermalmt und zermahlen, schluckst du die Masse herunter, und diese gelangt in deine Speiseröhre, auch Ösophagus genannt. Dann, in der Tiefe des Magens, wird die zerkleinerte Nahrungsmasse mit Magensäften gemischt, was einer Waschmaschine in der Mitte eines Schleudergangs recht ähnlich ist. Schon klar, du fändest es vielleicht nicht gut, wenn deine Kleidung so behandelt würde, vor allem, wenn dein Magen dann noch einen guten Schuss Salzsäure zu der Mischung dazugibt. Das hilft beim Abbau der Nahrung, wäre aber nicht gut für deine Feinwäsche.

Als Nächstes kommen – dank Bauchspeicheldrüse und Gallenblase – Verdauungsenzyme hinzu, bei denen es sich im Grunde um hochklassiges Waschmittel ohne die kommerzielle Verpackung handelt. Sie enthalten Amylase zum Stärkeabbau, Protease zum Proteinabbau und Lipase, die sich um diese schmierigen Flecken kümmert, die als Fette bekannt sind.

Wenn deine Nahrung aus dem Dünndarm kommt, wo dieser recht rüde Waschgang stattgefunden hat, sieht sie wie eine ziemlich dünne und eher unappetitliche Suppe aus. Hier stößt sie auf einen immer hungrigen Empfänger, der bereitsteht, die nächsten Verarbeitungsschritte zu übernehmen. Dein Colon, der vordere Teil des Dickdarms, übernimmt eine entscheidende Funktion, indem es den letzten Ausspül- und Trocknungsprozess tätigt. Es entzieht der Suppe nicht nur Wasser und Elektrolyte, sondern ist auch die Brutstätte der Mehrzahl deiner mikroskopisch kleinen Untermieter. Hier gehen sie ihrem schmutzigen Geschäft nach, indem sie verschiedene Nahrungsbestandteile fermentieren und abbauen, um essenzielle Nährstoffe freizusetzen, bevor sie eine schokoladenfarbene Ablagerung im Vorraum des Rektumsdeponieren. (Wenn du möchtest, lege hier gern eine Pause ein und gönne dir einen kleinen Imbiss, bevor wir fortfahren.)

Der Darmtrakt gehört zu den am meisten unterschätzten Organen des menschlichen Körpers. Man kann ihn allerdings als nicht nur ein einziges Organ, sondern als vier Organe ansehen. Wir reden über den Magen, den Dünndarm und den Dickdarm, die allesamt besser bekannt sind als der vierte Teil, das Mesenterium (»Gekröse«), eine gelbliche, fettdurchsetzte, fächerförmige Struktur, die für die Blutversorgung des Darmtrakts sorgt. Das Mesenterium wird derart unterschätzt, dass es erst 2017 in den Rang eines Organs erhoben wurde. Ohne Mesenterium wäre der Darm machtlos. Wenn wir wollen, können wir sogar noch weiter gehen und Gallenblase, Leber, Bauchspeicheldrüse und Speiseröhre als Teil derselben Darmfamilie betrachten. Letztendlich sind all diese Anhangsstrukturen unlösbar mit dem Fließbandprozess verflochten, den man Verdauung nennt.

In aller Munde

Wenn die Seele im Darm wohnte, dann wäre der Mund ihr Fenster. Wir können eine ganze Menge mit unserem Mund machen, doch mein Favorit unter all seinen Rollen ist essen. Glücklicherweise wird er bei seiner Arbeit von reichlich Speichel, einem ganzen Regiment Zähnen und einer höchst beweglichen Muskelstruktur, der Zunge, unterstützt, die fast jeden Bösewicht unschädlich machen können, der hier einzudringen versucht. Darüber hinaus beherbergt deine Mundhöhle eine verborgene Armee von Bakterien; diese bilden dein orales Mikrobiom, eine schützende Phalanx, die zur Mundhygiene beiträgt.

Der Mund ist die vorderste Verteidigungslinie und nimmt dem ersten Angriff des Feindes den Schwung. Kauen mag anstrengend erscheinen, doch es bedeutet weniger Arbeit für deinen Magen und verringert das Risiko von Verdauungsproblemen und Völlegefühl.

Unter anderem, um den Kauvorgang zu unterstützen, sondern Drüsen in deinem Mund eine klare Flüssigkeit ab, die als Speichel bezeichnet wird. Man kann ihn in einer Geste der Abscheu oder Wut ausspucken, doch Speichel wird immer dann produziert, wenn wir hungrig sind oder an Nahrung denken, sie sehen oder riechen. Speichel befeuchtet nicht nur die Mundhöhle, wenn man sich auf die Nahrungsaufnahme vorbereitet, sondern enthält auch geringe Mengen an Wasserstoffperoxid, das antibakteriell wirkt. Ich habe dich gewarnt: Dein Mund setzt Chemiewaffen ein.

Darüber hinaus enthält Speichel analgetische, also schmerzlindernde Verbindungen, die wirksamer sind als irgendein Medikament, das ich dir verschreiben kann. Wenn du Halsweh hast, stellst du daher vielleicht fest, dass es deine Symptome lindern kann, wenn du etwas isst oder einfach Kaugummi kaust, um die Produktion von Speichel mit seinen schmerzlindernden chemischen Verbindungen anzuregen. Tatsächlich enthält Speichel eine Substanz ähnlich der im Urin. Harnstoff trägt dazu bei, den pH-Wert (das Säure/Basen-Gleichgewicht) in deiner Mundhöhle auszubalancieren, um deine Zähne zu schützen. Speichel ist eine Flüssigkeit mit wirklich vielen Funktionen, doch ihre wichtigsten Komponenten sind all die Speichelenzyme, die zum Abbau von Nahrungsbestandteilen beitragen.

Unterstützt vom Speichel, spielt dein orales Mikrobiom eine zentrale Rolle für den Geruch deines Atems. Selbst wenn du relativ gesund bist, bist du zweifellos schon einmal morgens aufgewacht und hast dich gefragt, warum Leute, die du magst, das Gesicht verziehen, wenn sie dir begegnen. In den meisten Fällen werden penetrante Mundgerüche von Bakterien hervorgerufen, die sich von sich zersetzender Nahrung ernähren. Die chemischen Verbindungen Putrescin (vom lateinischen putrere, »verfaulen«) und Kadaverin (wie in »Kadaver«) riechen buchstäblich nach Fäulnis und Tod. So etwas möchte man bei seinem Gegenüber nicht gerne wahrnehmen, und es könnte auch erklären, warum sich am Arbeitsplatz rasch eine breite Sperrzone um dich bildet.

Schlucken für die Wissenschaft

Ich erinnere mich, wie ich das erste Mal ein dünnes, flexibles Teleskop samt Lichtquelle zur Hand nahm und tief in den Hals eines Patienten einführte. Sehr vorsichtig, wie ich es als Kind tat, als ich das klassische, batteriebetriebene Brettspiel »Operation« spielte. Ich steuerte die Magensonde durch die Speiseröhre in den Magen und sogar bis in den Anfang des Dünndarms. Dabei bewunderte ich die Feinheit der Schleimhautauskleidung und war mir bewusst, dass jede falsche Bewegung meines Instruments Schmerzen verursachen oder sogar die Schleimhaut durchstoßen konnte. Manchmal ist es in der Medizin jedoch so, dass die Vorteile eines diagnostischen Verfahrens dessen geringes Risiko weit übersteigen, zum Beispiel, wenn wir zufällig die Ursache für den Reflux eines Patienten oder einen Tumor im Frühstadium entdecken.

Im 19. Jahrhundert, als das Verdauungssystem noch relativ unerforscht war, hatten medizinische Pioniere noch weniger Skrupel, was das Eingehen von Risiken im Namen des wissenschaftlichen Fortschritts betraf. Der deutsche Arzt Adolf Kußmaul konstruierte ein mit Spiegeln und einer kleinen Lichtquelle ausgestattetes Rohr, was ihm erlaubte, in den Abschnitt zu schauen, der den Mund mit dem Magen verbindet. Da dem Arzt klar war, dass der Würgereflex sein Unterfangen ruinieren konnte, heuerte er einfallsreicherweise einen Schwertschlucker an, um seine Erfindung zu testen. Die neue Sonde ermöglichte ihm eine Innenansicht auf die Speiseröhre und war ein Vorläufer unseres heutigen Endoskops, einer kleinen Kamera, die Ärzt:innen hilft, sich in deinem Darmtrakt umzusehen.

Ode an den Ösophagus

Ähnlich wie Würmer sich mit wellenförmigen Kontraktionen ihrer Muskulatur über den Boden bewegen, setzt dein Verdauungssystem Kontraktionswellen zum Nahrungstransport ein. Das nennt man Peristaltik. Sie kommt zustande, wenn sich Muskeln alternierend kontrahieren und wieder entspannen, wie eine La-Ola-Welle, die durch das Stadion läuft. Auf diese Weise wird Nahrung durch deine Speiseröhre (Ösophagus) transportiert. Zum Glück ist dieser Prozess unabhängig von der Schwerkraft, daher kann man selbst dann schlucken und trinken, wenn man mit dem Kopf nach unten hängt. Empfehlenswert ist das allerdings nicht.

Wenn du’s dennoch versuchen möchtest, vergiss nicht, dass der menschliche Körper stets nur um Haaresbreite von einer Katastrophe entfernt ist. Eine der ersten Fallen deines Magen-Darm-Trakts erwartet dich gleich am oberen Ende. Wenn es um schlechtes Design geht, ist diese Konstruktion potenziell preisverdächtig, denn deine Speiseröhre liegt direkt neben deiner Luftröhre (Trachea). Beide teilen sich über den Rachen denselben Eingang (Pharynx), der den Raum zwischen Nase und Kehlkopf (Larynx) einnimmt. Um sicherzustellen, dass wir uns nicht verschlucken und Nahrung und Flüssigkeiten nicht via Luftröhre in der Lunge landen, besitzen wir eine kleine Gewebefalte, den Kehldeckel (Epiglottis), der beim Schlucken die Öffnung der Luftröhre schließt. Wenn man also mit Freunden zusammensitzt und gleichzeitig isst, redet und lacht, kann es leicht passieren, dass Nahrung den falschen Weg nimmt, in den Atemwegen landet und man dann das ganze Restaurant zum Schweigen bringt, während man hustet und würgt, bis einem die Augen aus dem Kopf zu fallen drohen.

Niemandem passiert so etwas häufiger als Babys, die sich regelmäßig verschlucken. Aus zuverlässigen Kreisen wurde ich informiert, dass Babys unabdingbar für den Fortbestand unserer Art sind – wie konnte es also zu einem so unzuverlässigen und riskanten Design kommen?

Diese manchmal tödliche Konstruktion ist ein evolutionärer Tauschhandel, ein notwendiges Übel. Der menschliche Kehlkopf liegt weit unten in unserer Kehle, denn auf diese Weise können wir viel besser Laute und komplexe Sprache erzeugen als bei einem höheren Sitz. Infolgedessen konkurriert er mit unserer Speiseröhre um Platz und erhöht den Einsatz damit so weit, dass ein Fehler tödlich sein kann.