Tiffany - der katz-normale Wahnsinn - Larissa Schwarz - E-Book

Tiffany - der katz-normale Wahnsinn E-Book

Larissa Schwarz

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Beschreibung

"Wir verstehen uns?" "Yo!" Julietta spricht mit ihrer Katze. So weit, so normal. Bis Tiffany eines Tages antwortet. Kaum haben die beiden den Schock überwunden, findet sich ein Dorn im Katzenauge: Leander, Frauchens potentieller neuer Fußwärmer. Ganz Feuerwehrmann hat er zwar schon mal eine Katze aus einem Baum gerettet, rechnet aber nicht mit Tiffanys Eigensinn. Denn Ihre Feline Hoheit sieht ihren Thron in Gefahr und die Krone wackeln. Also scheut sie weder Krallen noch Mühen, um ihr Königreich zu verteidigen. Der katz-normale Wahnsinn bricht aus und stellt Juli vor die Wahl: Er oder ich. Tiffany ist der weihnachtliche Liebesroman für jeden Katzenliebhaber. Witzig, überraschend und frisch, auch für Allergiker geeignet.

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der katz-normale Wahnsinn

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über dnb.d-nb.de abrufbar.

Texte: © Larissa SchwarzUmschlaggestaltung: © Larissa Schwarz

Verlag:Edition Eschberg – Larissa Schwarz Heisterbusch 1

46539 [email protected]

Druck: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin

Samstag, 12.11.

„Du ... Juli!?“

„Hm?“„Wer is’n der Typ, der hier seit ein paar Tagen immer mal wieder aufkreuzt?“

„Tiffany, tu nicht so, das weißt du genau.“

„Moment, du weißt, dass ich nicht lesen kann und nicht verstehe, was ersagt. Ich seh nur, dass der dich die ganze Zeit anschmachtet, wie ich auf Katzenminze den Nachbarsköter, und dass der Typ da war, als ich vorgestern gegangen bin und noch hier gewesen ist, als ich am nächsten Morgen zurückkam. Also?“ Wie so oft hatte Ihre Feline Hoheit einen investigativen Unterton in der ohnehin immer etwas angespannten Stimme.

„Ich denke, du weißt genug.“

„Er riecht gut.“

„Ja“, lächelte ich.

„Er“, betonte sie.

„Ähm ... Ja.“ Vorsichtig roch ich an meinen Haaren, prüfte den Geruch meines Shirts. War das eine Anspielung?

„Hehe“, lachte Tiffany. „Schön, wie ich dich verunsichern kann. Nein, du müffelst nicht. Noch nicht. Aber geduscht hast du auch noch nicht heute.“

„Es ist auch erst halb acht und mich erwartet niemand auf der Arbeit. Ätsch, Freiberuflerin.“

„Schönes Wort. Bin ich das eigentlich auch?“

„Pffffffft“, stieß ich Luft zwischen den Zähnen hervor und rollte mit den Augen. Ohne ihr die Antwort zu gönnen, taperte ich in die Küche und goss meinen Kaffee auf.

„Das wiederum riecht sehr gut“, kommentierte Tiffany, die mir lautlos gefolgt war und sich nun mit breitem Grinsen in den Weg setzte. Ich zuckte zusammen.

„Hör bitte endlich auf, mich so zu erschrecken. Bitte. Ich meine wirklich bitte.“

„Meinst du, mir macht das Spaß?“

„Was genau?“

„Mich mit dir zu unterhalten.“

„Dann lass es doch einfach. Ich habe nicht darum gebeten.“ Hatte ich wirklich nicht. Ehrlich. Na ja. Manchmal. Wie jede andere Katzenbesitzerin auch. Einen Penny für deine Gedanken. Oder: Wenn ich bloß verstehen könnte, was du mir damit sagen willst, Frau Katze.

„Meinst du etwa ich?“, zickte sie mich an. „Du redest so viel mit dir selbst, das ist überhaupt nicht auszuhalten. Früher, also bevor wir, na ja, du weißt schon, also früher war das ja Musik in meinen Ohren. Eigentlich ganz schön und wenn dein Geblubber mir zu viel wurde, habe ich es einfach ausgeblendet. Aber seitdem ich verstehe, was für einen Mumpitz du da den lieben langen Tag faselst, bluten mir regelmäßig die Gehörgänge.“

„Armes Katzi“, seufzte ich. Schenkte ihr einen zynisch-mitleidigen Blick und stieg über sie hinweg, geradewegs Richtung Esstisch, auf dem ich die Entwürfe der Hochzeitseinladungen meiner Kunden ausgebreitet hatte. „Du hast übrigens keinen Beruf. Das hieße ja, dass du für deinen Lebensunterhalt etwas zu tun gedächtest.“

„Miau?“„Tu nicht so. Du bist verdammt faul, Uschi.“

„Uschi? Ich hör wohl nicht richtig. Beleidige ich dich etwa so?“

„Manchmal!? Wenn ich unter der Dusche stehe und du reinkommst, dich vor die Glastür setzt und hämisch kicherst zum Beispiel.“„Püh, dass ihr Menschen auch so ungelenk seid und euch nass machen müsst, damit ihr sauber werdet.“

„Klar ... Als wenn es das wäre. Deine kleinen fiesen Kommentare zum Thema Orangenhaut habe ich nicht überhört!“

„Und? Du hast gesagt, ich hätte einen Hängebauch bekommen.“„Hast du ja auch.“

„Das ist Fell. Und es hängt nur, weil du mich hast kastrieren lassen!“„Ja, weil ich nämlich irre geworden wäre, wenn es mehrere von dir gäbe. Ich bin ja froh, dass ich seit du-weißt-schon-wann überhaupt noch klar denken kann.“

„Was man so klar nennt“, kicherte sie hämisch, schwang ihren pelzigen Hintern in den Flur und die Treppe hinauf.

„Wehe du legst dich in das frisch bezogene Bett!“

„Mi-aaaa-uuuu“, hörte ich sie fröhlich singen, dann ein plüschiges Plumpsen gefolgt von Stille. „Raus aus dem Bett, Prinzessin!“, rief ich hoch.

„Raus aus dem Bett, Prinzessin“, äffte sie mich nach. „Aber der Kerl durfte sich in die Daunen schwingen?“ Tink, tonk, tink, tonk, tink. Klimperndes Getrappel auf der Treppe. Beim Hinunterlaufen hörte es sich immer so an, als spielte ein Xylophon.

„Na?“, hakte sie nach.

„Vielleicht“, grinste ich mit allem Sarkasmus, den ich aufbringen konnte. Verfluchte im Stillen den Tag, an dem ich sie den Snickerdoodle-Saft hatte kosten lassen. Sammelte mein vorbereitetes Material zusammen. Zumindest versuchte ich es.

„Hui, guck mal!“, zog sie ein seidig schimmerndes Band vom Tisch, verstrickte sich darin und setzte sich derart geschmückt auf die Fensterbank.

„Tiffany, das brauche ich für meine Arbeit. Lass die Sachen auf dem Tisch. Wie oft noch?“

„So oft, bis du mir auch so tolles Spielzeug kaufst“, kräuselte sie die Nase und zwinkerte mir zu. Mein Blick zu ihrer Spielzeugkiste ließ mich seufzen. Sollte ich das kommentieren?

„Bevor du wieder unqualifizierte Äußerungen machst – das ist kikifatz. Ich will schönes Spielzeug, glitzerig, mit Feenstaub und Einhörnern und –“

„Natürlich“, prustete ich. „Möchtest du das nächste Mal mitkommen, wenn ich einkaufen gehe?“

Sie schien ernstlich zu überlegen. Sprang von der Fensterbank und räkelte sich plötzlich vor mir. „Los, befrei mich!“

„Wie Majestät wünschen. Darf die Dosenöffnerin also wieder die Vorzüge opponierbarer Daumen vorführen?“

„Halt die Klappe“, zischte sie. „Oder ich beiß dir gleich in deine Opponenten.“„Opponierbare Daumen. Ich kann sie anlegen, mit den anderen Fingern zusammenführen. Pinzettengriff. Du verstehst?“, zwinkerte ich. Zur Antwort schnurrte sie und hielt mir den Bauch hin. Dem samtweichen Fell konnte ich dann allerdings auch nicht widerstehen und kam ihrer – nennen wir es – Bitte nach, sie dort zu kraulen.

„Wann gehen wir einkaufen?“, fragte sie ein paar Augenblicke später. „Wir müssen dringend anderes Futter besorgen. Das wollte ich dir die ganze Zeit schon gesagt haben.“

„Wie meinen?“

„Na ja, ich hab es zwar immer verzehrt, aber richtig geschmackvoll ist der Fraß nicht. Die frische Hühnchenleber von neulich war da schon ein ganz anderes Kaliber.“

„Die hast du dir gestohlen.“

„Du hast sie offen liegenlassen.“

„Unter Folie. Auf der Küchenarbeitsfläche.“

„Ich dachte, das wäre das Amuse-Gueule.“

„Sehr witzig. Muss ich nochmal betonen, dass alle Tische, Betten, Arbeitsflächen und der Fernseher tabu sind?“

„Muss ich nochmal betonen, dass dieses Futter aus dem Beutel Abfall ist?“

„Man antwortet auf eine Frage nicht mit einer Gegenfrage. Zumindest nicht, wenn man höflich sein will. Und wir hatten uns darauf verständigt, einen höflichen Umgangston zu pflegen, bis das hier ein Ende hat.“

„Wenn es denn jemals eines nimmt“, seufzte sie. Und hatte recht. Es war nicht absehbar. Wünschenswert. Aber nicht absehbar. Was hatte ich mir auch dabei gedacht, als ich im Halbrausch – nein, ich gebe zu, es war ein Vollrausch – die letzten Reste des Filtrats verschüttet und sie nicht daran gehindert hatte, sie aufzulecken.

Betrunken wie ich an dem Abend gewesen war, lehnte ich müde auf dem Barhocker in der Küche zurück, tütete die letzten Plätzchen ein und grinste grenzdebil vor mich hin, als Tiffany – von der Whisky-Amarena-Kirsch-Geheimzutaten-Mischung berauscht – durch die Küche wankte. Der Alkoholgehalt war eigentlich gering. Mir hatte der Wein beim Essen viel mehr zugesetzt und die Katze hatte auch nur wenige Tropfen aufgenommen. Torkelte aber wie ein Frischling zur See bei Windstärke 9 auf dem Atlantik.

„Wir verstehen uns!?“, hatte ich sie dann belustigt gefragt, als ich hinter ihr herwatschelte.

„Yo!“, hatte sie geantwortet und wir waren kichernd ins Bett gegangen.

Die Erinnerung an diese Nacht hatten wir uns dann gemeinsam zusammengereimt, als wir beide am nächsten Morgen aufgewacht waren und ich feststellte: „Scheiße, das ist mal ein mächtiger Kater.“

„Kater? Wo? Hübsch? Schlank? Dichtes, schwarzes Fell, grüne Augen?“

Kreischen. Langes, entsetztes Kreischen. Auf beiden Bettseiten.

Das war jetzt knapp drei Wochen her. Drei Wochen, die ich zwischen dem größten Spaß meines Lebens und einer schier nicht enden wollenden Verzweiflung zugebracht hatte.

„Julietta, wann gehen wir endlich?“, stand sie inzwischen vor der Haustür und tippte mit der Pfote dagegen.

„Tiffany, der Supermarkt öffnet erst um acht und ich muss noch duschen. Leg dich hin und dös‘ ne Runde.“

„Na gut, aber nimm nicht wieder Chanel No. 5, davon muss ich niesen.“

„Ich weiß. Keine Sorge. Den Rest verschenke ich an meine Mama.“„Aber sag ihr, dass sie das nicht nehmen soll, wenn sie kommt. Und überhaupt, wenn sie mich streichelt, dann soll sie sich vorher die Hände abtrocknen. Die sind immer so feucht und ich mag das nicht.“

„Richte ich ihr aus.“

„Versprochen?“„Ja. Aber ich möchte gleich bitte allein einkaufen gehen.“„Wieso das denn? Ich dachte, ich kann mir jetzt endlich mal was aussuchen.“„Tiffany, ich kann doch nicht einfach eine Katze mit in den Supermarkt nehmen.“

„Dann pack mich in deine Tasche, da sieht mich keiner.“„Und dann? Siehst du nichts.“

„Dann mach halt Löcher rein.“

„Spinnst du? Das ist ein Riffeltier von FREDsBRUDER. Hast du ne Ahnung, was die kostet?“

„Nein. Ist mir auch egal. Die ist groß genug, da pass ich rein und guck fein raus!“, antwortete sie, sprang auf den Stuhl, warf die Tasche um und einen Teil des Inhalts auf den Boden. „Siehste?“, kuschelte sie sich hinein und lugte über den Reißverschluss.

Mit zusammengekniffenen Augen schüttelte ich den Kopf. „Ich will das nicht sehen. Und ich will das auch nicht mehr hören ...“

„Laaaaalllaaa lala lllaaaaa laaalalala“, begann Tiffany dann zu singen. In voller Lautstärke, schief, falsch. So wie sie es häufiger tat, wenn sie sich dem Gespräch entziehen wollte.

„Hi“, begrüßte er mich mit einem Kuss auf die Wange, zog mich kurz zu sich heran und zwinkerte mir zu.

„Hi“, lächelte ich zurück und ließ ihn ins Haus.

„Naaaa, Tiffany“, bückte er sich zu ihr hinunter, hielt ihr die Hand hin und ließ sie schnuppern. Sie rieb ihren Kopf daran, schnurrte, räkelte ihren Schwanz unter seiner Nase und setzte sich artig hin. Etwas mutiger strich er ihr kurz über den Kopf und kraulte ihr Kinn. „So eine Süße ...“

„Was sagt er? Was sagt er?“, fragte sie ganz aufgekratzt. Es ging wieder los. Sie hatte zwei Stunden nicht mit mir gesprochen, nachdem ich zum Einkaufen einfach eine andere Handtasche und sie nicht mitgenommen hatte.

„Ja, Tiffany ist eine Süße!“, lächelte ich.

„Ich bin eine Süße? Oh ja, ich bin so süß!“, stellte sie sich an seinem Knie auf, rieb erneut ihren Kopf und schnurrte löwenartig.

„Tiffany, das reicht!“, mahnte ich sie.

„Ach, lass sie ruhig“, winkte Leander ab und strich ihr sanft über das getigerte Fell. „Juli kuschelt nicht genug mit dir? Arme Tiffany ...“

„Red ihr das bloß nicht ein, sie gefällt sich nämlich sehr in der Rolle der armen, vernachlässigten Katze.“

„Jaja, jaaaa, arm und vernachlässigt, das trifft es ...“, schnurrte sie Leander an. Es fiel mir schwer, mich zusammenzureißen. Wie sollte ich Leander gegenüber auch erklären, dass Tiffany ihn mit meiner Hilfe tatsächlich verstand? Was mir in Filmen wie ‚Dr. Doolittle’ oder ‚Ted’ immer klamaukig oder bestenfalls witzig vorgekommen war, entpuppte sich in der Realität als schierer Alptraum.

„Lässt du Leander jetzt bitte ins Wohnzimmer, Tiffany?“, erhob ich Stimme und Augenbraue. Wider Erwarten gab sie ihm einen letzten Nasenstüber und machte sich tatsächlich von dannen.

„Sorry, ich bin ein bisschen früh dran“, erklärte sich Leander. „Es war heute irgendwie weniger Verkehr auf der Straße als sonst.“

„Ist ja auch Samstag. Na ja, zumindest für die Menschen, die den klassischen Wochenrhythmus haben.“

„Da war was“, nickte er lachend. „Aber den hast du ja auch nicht wirklich, oder?“

„Ja, das stimmt. Und ich mag es so auch ganz gern“, entgegnete ich.

„Er riecht so gut“, seufzte Tiffany. Schnurrte laut. „Riech doch mal!Gelbe Mandarine und Kardamom. Iris, Zedernholz.“

Sein Parfum duftete tatsächlich außergewöhnlich, ich hätte selbst gern eine weitere Kostprobe davon bekommen, als nur bei der kurzen Begrüßung, aber ich wollte beim zweiten Date nicht direkt in die Vollen gehen. Eigentlich war es das dritte Date, aber das Frühstück vorgestern zählte ich nicht mit. Leander war nämlich nicht über Nacht geblieben, so wie Tiffany es vermutet hatte, sondern einfach nur sehr früh wieder da gewesen und hatte Brötchen mitgebracht.

„Wollen wir? Wir können ja vor dem Kino noch eine Runde durch die Stadt bummeln.“

„Klingt gut, ja!“, nickte ich und schlüpfte in die Schuhe. „Tiffy, sei schön artig, es könnte spät werden“, zwinkerte ich ihr zu.

„Tiffy? Du kriegst gleich Tiffy!“, fauchte sie.

„Wow, was hat sie denn plötzlich?“, erschreckte sich Leander, der logischerweise nur das Fauchen und den Buckel wahrgenommen hatte.

„Sie mag es nicht unbedingt, wenn ich sie Tiffy nenne, findet sie fast so schlimm wie Uschi.“ Das musste als Antwort genügen, bevor er mich noch für die Crazy Catlady hielt.

„Wollen wir eigentlich in ‚Pets’ gehen oder lieber in ‚Bridget Jones‘ Baby’?“

Ohne zu zögern entschied ich mich für den zweiten Film – von sprechenden Tieren hatte ich gerade erstmal genug. „Ich will lieber nicht wissen, was Tiffany so treibt, wenn ich nicht da bin“, kicherte ich. Dabei blieb mir beinahe das Lachen im Halse stecken. Entgegen ihrer bisherigen Angewohnheiten, hatte sie nämlich eine Vorliebe dafür entwickelt, ihre Haarballen neuerdings im Haus auszuwürgen und zu verteilen. Alles nur, weil ich ihr ein einziges Mal gesagt hatte, dass ich das ekelhaft finde. Und nur, um mich dazu zu bringen, das Tür-auf-Katze-raus-ach-nein-rein-wieder-raus-Spiel noch häufiger mitzuspielen. „Damit ich nicht auf dein Sofa husten muss“, hatte sie süffisant erklärt. Um mich regelmäßig an ihre Übermacht zu erinnern, verteilte sie die eingespeichelten Büschel nun in schönster Regelmäßigkeit in Schuhen, Pflanzen und auf dem Badezimmerteppich.

„Ich fände es ja ganz spannend, mal zu wissen, wie die Tierchen so ticken“, stellte Leander fest und bummelte weiter neben mir her.

„Glaub mir, das willst du nicht ...“, lachte ich. Biss mir auf die Zunge. „Schätze ich.“

„Stellt Tiffany viel Unsinn an, wenn du nicht da bist?“

„Hm, eher selten, wobei sich das seit kurzem etwas geändert hat. Sie ist da etwas aufmüpfiger geworden.“

„Woran liegt’s?“

„Ich bin ihr nicht oft genug zu Hause“, kicherte ich wissend. „Bis Oktober habe ich noch nicht im Atelier gearbeitet, sondern nur ein kleines Büro neben der Fahrschule am Weiher gehabt. Seitdem ich in die Mall umgezogen bin, habe ich dort eigentlich ausreichend Platz und wesentlich mehr Laufkundschaft, weshalb ich mich an die Öffnungszeiten halte, was wiederum Einbußen auf dem Katzen-Kuschel-Konto zur Folge hat.“

„Klingt nach einer Umstellung für euch beide“, überlegte er laut.

„Gewöhnungssache, schätze ich. Sie ist ja kein kleines Kind und eigentlich schert sie sich ohnehin relativ wenig um mich.“

„Katze halt, hm?“, griente er und blieb vor dem Kino stehen. „Also zwei Karten für Bridget Jones?“

„Hm. Lass uns doch lieber in Pets gehen und ich bekomme hinterher hoffentlich keinen allzu großen Schock, wenn ich nach Hause komme!?“, fragte ich und schenkte ihm ein zweifelndes Lächeln. Aus seinen bernsteinfarbenen Augen schlug mir ein Zwinkern entgegen.

„Ich hol uns Nachos und Coke?“, schlug ich vor, als wir das Kino betraten und den, zugegeben unterschätzten, Andrang an den Kassen wahrnahmen.

„Gern“, nickte Leander und ich war froh, dass er kein Mann jener Sorte war, die ständig darauf bestand, mich zu allem einzuladen. Es ließ sich generell sehr entspannt mit ihm an. Keine überstürzten Liebesgeständnisse, kein übereiltes, wildes Rumknutschen wie Teenager und vor allem kein Terminstress. Letzteres lag an unserer Job-Kombination, das andere eher an meiner Zurückhaltung. Aus der Snack-Schlange winkte ich ihm lächelnd mit den Fingern, er warf mir einen Luftkuss zu und rückte ein Stück auf. Es knisterte ein bisschen. Ein großes bisschen eigentlich. Okay, ein ultimatives bisschen. Dass ich mich so zierte, war einzig und allein der Sache mit Tiffany geschuldet – der Schock saß noch in den Knochen und ich war mir immer noch nicht ganz sicher, ob ich nicht doch einfach nur einen an der Murmel hatte. Zwar bewies die Katze mir jeden Tag aufs Neue das Gegenteil, aber an den Austausch mit ihr hatte ich mich immer noch nicht wirklich gewöhnt, obwohl wir uns seit zwei Jahren kannten. Wie sollte ich mich da also an eine Beziehung zu jemandem herantasten, den ich erst seit zwei Wochen kannte?

„Erster“, wedelte er mit den Karten vor meinem Gesicht und riss mich aus meinen Gedanken. Zwei Leute vor uns. Meine Hemmungen zwischen uns.

„Fein“, blinzelte ich und lehnte mich an ihn. Vielleicht half ja ein bisschen Spontaneität? Ich war bisher nie ein Kind von Traurigkeit gewesen; wenn ich mich verliebt hatte, führte es ohne große Umwege ins Bett. Warum sollte ich auch die Katze im Sack kaufen? Heißer Typ, tolle Gespräche, absolut eine Wellenlänge aber tote Hose im Bett? Nicht mit mir. Zumindest für gewöhnlich. Klingt nach einem hohen Verschleiß, aber acht Beziehungen fand ich mit 29 Jahren tragbar. Und seinen zaghaften Vorstoß in meine Richtung ebenfalls. Leander hatte seinen Arm um meine Taille gelegt. Meinen Kopf an seine Schulter gelehnt, standen wir nun an der Snack-Theke und bestellten.

„Ich stell mir gerade vor, wie sich Tiffany von deiner KitchenAid den Rücken massieren lässt, wenn du nicht da bist“, prustete Leander, als wir die Vorstellung nach dem Abspann verließen. Seine Heiterkeit steckte mich an. „Ooooh, bitte nicht“, lachte ich. „Ich hab sowieso dauernd ihre Haare irgendwo drin, wo ich sie nicht haben will.“

„Zum Beispiel?“, fragte er hämisch.

„Essen. Getränke. Auf der Kleidung. In der Kleidung ...“

„Warum hast du dann eine Katze? Ich meine, das ist doch fast normal!?“

„Ja, nur –“ Ja, was nur, fragte ich mich. Eigentlich fand ich die Haare erst so richtig fies, seit Tiffany mir gesagt hatte, dass sie sie extra verteilte. Um mich zu ärgern. „Na ja, ich finde es halt peinlich, vor Gästen und so ...“

„Und so? So, so“, schmunzelte er und nahm meine kalte Hand in seine warme. Im Kino hatte er bereits zweimal danach gegriffen, darübergestrichen und irgendwann seinen Kopf an meine Schulter gelehnt.

„Du weißt, was ich meine“, knuffte ich ihn vorsichtig und wunderte mich, wohin wir liefen. Der Weg zum Auto wäre ein anderer gewesen. Bevor ich mich aber noch lange fragen konnte, hatten wir anscheinend unser Ziel erreicht.

„Schon mal eine Stange runtergerutscht?“, fragte er und ich machte große Augen.

„Ähm, war jetzt zweideutig, geb ich zu“, lachte er plötzlich laut, deutete jedoch auf die Einfahrt der Hauptfeuerwache, vor der wir standen.

„Ich hab Höhenangst“, wisperte ich in einem dezenten Anflug von Panik und sah ihm flehend in die Augen.

„Ich halte dich“, antwortete er, zog mich zu sich heran und lehnte seine Stirn gegen meine. „Nur, wenn du willst.“

Mit einem tiefen Atemzug hatte sich die kalte Abendluft in meinen Lungen ausgebreitet und sein Duft war mir zu Kopf gestiegen. Als ich ausatmete, hörte ich mich „Okay!“ sagen und gleich darauf sein begeistertes „Cool!“

Küssen wäre mir lieber gewesen.

„Hi!“, winkte uns Leanders uniformierter Kollege und grinste in meine Richtung. „Hoher Besuch! Tach!“

„Hi!“, antwortete ich und spürte, dass ich dem Rot der Feuerwehrautos um mich herum wohl in nichts nachstand.

„Eine Runde rutschen und wir sind wieder weg!“, winkte Leander ab. „Teilchen bring ich morgen trotzdem mit.“

„Will ich auch meinen!“, zwinkerte sein Kollege und huschte durch die Tür. Es war später Abend und die Wachabteilung hatte bereits Ruhezeit, wie Leander mir auf dem Weg in das Gebäude erklärt hatte.

„Teilchen?“, fragte ich, weil mir nichts Besseres einfiel und ich irgendwie vertuschen wollte, dass mir das alles unsagbar peinlich war.

„Wenn wir Freunde oder Familie hier herumführen, bringen wir für die wachhabende Abteilung immer was mit. Irgendwie müssen wir ja in Form bleiben“, klopfte er sich auf den wohlgeformten Bauch. Mein Kopfkino mutmaßte, wie dieses definierte Muskelgebilde wohl ohne das Sweatshirt aussehen würde, wurde aber durch den sanften Zug an meiner Hand daran erinnert, dass wir ja erstmal Treppen steigen mussten, um das Rutschvergnügen zu haben, dem ich bang entgegensah.

„Wollen wir zusammen oder soll ich unten auf dich warten?“, fragte er, als wir an der Türöffnung im Stockwerk über der Fahrzeughalle standen. Ein unmutiger Blick hinunter ließ mir den Mund trocken werden und die Stimme versagen. Ich nickte.

„Hey, eigentlich antworten wir Männer auf Oder-Fragen mit ja ... Das gilt nicht“, wisperte er verständnisvoll.

„Zusammen“, presste ich in einem Ton hervor, der noch nicht einmal mich selbst überzeugte. Leander lachte leise und schloss mich in die Arme, ein Stück entfernt von der Tür: „Komm mal her ... Ich hab nicht gedacht, dass es so schlimm ist. Wir lassen das ... Kein Problem.“

„Wonach riechst du eigentlich?“ Ich hatte ihn tatsächlich gefragt. Warum auch immer. Seit Tiffany davon angefangen hatte, war mir ihre schnurrende, leicht quietschende Stimme nicht aus dem Kopf gegangen. „Men Diabolique von Eisenberg“, antwortete er, als sei es die natürlichste Sache der Welt, griff sich in sein schokobraunes Haar und schmunzelte. „Magst du es?“

„Sehr ...“, nickte ich und funkelte ihn an. „Nomen est Omen?“

„Vielleicht?“, hob er in feiner Ironie die Schultern und ging langsam zwei Schritte auf die Stangen zu, meine Hand haltend, meinen Blick ebenfalls.

Meine Füße trugen mich, wider Erwarten, zu ihm hin. Mit einer Drehung ließ er mich in seinen Halt kommen, wir blickten nun, wenige Zentimeter davon entfernt, in den Abgrund. Vielmehr das, was für mich der Abgrund war. „Etwas mehr als vier Meter bis hier“, strich er über meine Wange. „Streck mal die Arme aus.“

Ich tat, wie mir geheißen, er hielt mich fest und hinderte mein Herz daran, aus der Brust zu holpern. „Wenn du gleich einen Fuß über die Schwelle stellst, sind wir fast unten. Den Rest mache ich.“ Seine Lippen an meinem Ohr bescherten mir Gänsehaut und ich nickte fiepend.

„Fein“, flüsterte er und da er mich weiterhin einfach nur festhielt, ohne mich zu drängen, überkam mich mit einem Mal ein Gefühl von Sicherheit. Ich streckte mein Bein aus und hielt es in die Luft. Von der Seite musste ich wie ein Ampelmännchen ausgesehen haben, mittlerweile grün im Gesicht und tapsig wie ein Troll. Sein linker Arm griff ebenfalls nach der Stange, der rechte lag noch um meine Taille.

„Und hopp“, lachte Leander, stieß sich von der Kante ab und zog uns beide kraftvoll an die Stange, schlang seine Beine darum und bevor ich schreien konnte, waren wir unten. Keuchend japste ich nach Luft. „Das war sogar zu kurz, um mich nasszumachen.“ Woher nahm ich plötzlich den Witz?

„Adrenalin“, kicherte er zwischen meinen Hals und meine Schulter. Oder hatte er das Wort dorthingeküsst? Der Alarmgong ließ meine Überlegung sofort abreißen.

„Wir sollten Platz machen“, hüpfte er von der Aufprallmatte und zog mich vorsichtig zu sich.

„Na, hattest du Spaß?“, zischte Tiffany mich vorwurfsvoll an, als ich die Haustür geschlossen hatte. Der eisige Regen hatte mich dazu verleitet, Leander zu bitten, mich nicht an die Tür zu bringen. Der Regen. Und meine frisch wieder aufgekeimte Angst, dass ich mich zu schnell in etwas verstricken würde, wenn ich ihn küsste. Albern. Wie mein schlechtes Gewissen gegenüber Prinzessin Pampig.

„Ja, sehr großen sogar“, kanzelte ich sie ab.

„Fein, ich habe mich nämlich tödlich gelangweilt“, konstatierte sie. Beim Blick in den Raum blieb mir fast das Herz stehen.

„Ich sehe ...“, kreischte ich und versuchte, den Schaden, den sie im Wohnzimmer angerichtet hatte, zu beziffern. Kein einziger Pflanztopf, kein Sofakissen und kein Kerzenglas hatte ihren Rachefeldzug überlebt. „Bist du verrückt geworden?“

„Nö“, flötete sie. „Aber du wirst es gleich ... Wart mal ab, wenn du dein Arbeitszimmer siehst ...“

Ohne ihrem Rat zu folgen, packte ich sie im Genick und trug sie zur Tür. Scheiß auf den Regen. „Gute Nacht!“, verabschiedete ich sie und ließ sie auf der Fußmatte sitzen. Schlagartig fuhr sie herum und trommelte mit ihren Pfoten vor die Glaselemente in der Tür: „Mach sofort auf, du Irre! Das ist schweinekalt hier. Bei so einem Wetter schickt man ja keinen Hund vor die Tür!“

„Nein, das nicht, aber widerspenstige, durchgeknallte Katzenviecher.“

Mit Tränen in den Augen wandte ich mich von ihr ab und versuchte, ihr Gekreische zu ignorieren. Gerade noch im siebten Himmel, war ich einen ziemlich tiefen Abgrund hinuntergestürzt. Und kein Retter in der Not zur Stelle.

Erst fotografierte ich das Chaos im Wohnzimmer, bereinigte es dann und ging mit einem dumpfen Gefühl in der Magengegend nach oben in mein Arbeitszimmer. Seit dem Bezug des Ateliers nutzte ich es nur noch gelegentlich und hatte mir stattdessen eine Leseecke eingerichtet. Was Tiffany dort wohl angestellt haben mochte?

Nichts. Rein gar nichts. Ihr schallendes Lachen drang in mein Kopfkino. Sie hatte mich nach Strich und Faden verarscht.

„Das hätte ich definitiv nicht erwartet. Ich komm vorbei und helfe dir“, tröstete mich Leander, nachdem er mein Bild erhalten hatte.

„Das ist lieb, aber ich hab schon aufgeräumt.“

„Hast du sie wieder reingelassen?“

„Noch nicht, sie kann ruhig noch ein bisschen schmoren.“

„Bei der Kälte wird das mit dem Schmoren schwierig ...“

Ich musste lachen. „Hast ja recht. Ich lass sie gleich wieder rein. Montag muss ich wohl erstmal neue Pflanztöpfe kaufen.“

„Und Kissen“, seufzte er.

„Sekunde bitte ... Hereinspaziert, Madame.“ Kommentarlos kam Tiffany in den Flur. „So, da bin ich wieder. Die Kissen wollte ich eh neu dekorieren. Damit lasse ich mir Zeit. Nur die Pflanzen brauchen definitiv mehr Halt.“

„Hmmmm“, brummte er. „Wo wir gerade beim Thema Zeit lassen sind ...“

Mein Herz setzte einen Schlag aus. Ich ahnte, was kommen würde. Seine Blicke waren heute eindeutiger geworden, seine Berührungen häufiger und sein Kuss auf die Wange zum Abschied im Auto nicht mehr flüchtig, sondern bestimmt. Er fragte sich sicherlich, warum ich so verhalten und unbeteiligt agierte. Reagierte. Ein Feuerwehrmann. Adrenalin-Junkie. Grenzgänger. Klar, dass er das bescheuert fand.

„Hm!?“, murmelte ich in die Stille, versuchte, den Kloß im Hals zu verbergen.