Timing! - Pascal Gemmer - E-Book

Timing! E-Book

Pascal Gemmer

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Beschreibung

Pascal Gemmer zeigt ein neues und verblüffend einfaches Modell, wie wir Wertewandel und Marktchancen erkennen, unsere Marke und Produkte richtig positionieren und mit bestmöglichem Timing unsere Chancen nutzen. Das Modell verbindet kühle Wettbewerbs- und Marktanalyse mit den emotionaleren Aspekten des nutzerzentrierten Designs und der Markengestaltung … hin zu einem frischen Blick auf Produkt- und Markenstrategie. Chancen nutzen ist die Essenz von Strategie. Und deswegen beschäftigen wir uns 24/7 mit Zukunft, Trends, Kund*innenbedürfnissen, Wettbewerber* innen und neuen Technologien. Um keine Chancen zu verpassen. Trotzdem sind unsere neuen Produkte oft eher spät oder viel zu früh dran. Unsere Marke trifft nicht so richtig den Zeitgeist. Unser Markt wird von unbekannten Unternehmen »disrupted«. Oder wir haben keine zündende Idee oder viel zu viele Ideen, aber keine echten Favoriten. Zeit, dass wir unser Timing in den Blick nehmen. Märkte entwickeln sich in einem wiederkehrenden Rhythmus von Ereignissen: Neue Technologien, Trends, Produkte, Marken, Player und Kund*innen hängen zusammen wie eine Welle, die wir lesen können wie ein Surfer. Und unser Timing von neuen Produkten, einer neuen Positionierung oder einem strategischen Kunstgriff entscheidet darüber, ob wir eine Welle reiten … oder sie verpassen!

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Unsere Chancen in turbulenten Märkten

Inhalt

INTRO

Big Wave, Big Vision

Kleine Wellenkunde

Das gute Timing

Ab in den Süden

DER SPOT

Märkte sind Spots

Das Line-up

Der Spot-Check

DER HORIZONT

Schöne Trendwellen

Unser Forecast

Unser Set

Last Minute

DIE WELLE

TREND

Vage Woge in weiter Ferne

Move 1: Need Building

Move 2: Aktives Warten

Tool der Stunde: Die Messbojen

Freizeitgestaltung

WERTE

Der Trend schwappt herüber

Machen oder Lernen?

Tool der Stunde: Die Start-Ampel

Move 3: Head Start

Gute Bedingungen für einen Head Start

Move 4: Schublade

PRODUKTE

Die Welle im Sweetspot

Move 5: Fast Following

Move 6: Smart Following

Move 7: Blue Bay

Tool der Stunde: Das Ladenregal

MARKEN

Es wird eng und emotional

Marken machen Autos schneller

Move 8: Essential Brand

Move 9: Nischensurfing

Tool der Stunde: Das Markenquartett

Zeit für kurze Bretter

MONEY

Im Weißwasser Richtung Strand

Move 10: Underdog

Move 11: Jetski

Für Profis und die, die es werden wollen

Tool der Stunde: Value Chain Bandit

TAKE-OFF!

OUTRO!

Grüße & Dank

Der Autor

Abbildungsverzeichnis

Big Wave, Big Vision

Jeder, der schon mal surfen war, kennt das Bild. Und jeder, der noch nie surfen war, kennt das Bild aus dem Kino, der Werbung oder seinem letzten Urlaub am Meer. Drei Streifen. Sand, Ozean, Horizont. Über allem lodernd und stechend die Sonne. Mittendrin, ganz klein: Leute im Wasser. Auf Brettern liegend. Das Line-up! Sie warten, treiben, paddeln … schauen Richtung Horizont … warten … Und plötzlich: Ein Mensch erhebt sich aus dem Wasser. Surft eine Welle. Wir liegen mit den Ellenbogen aufgestützt, das Erdbeereis tropft auf unser Strandtuch … das wollen wir auch!

Use the Force

•Jeder schaut Fußball und alle wollen surfen. Woran liegt das? Fußball: keine Ahnung. Surfen: am Lifestyle. Lange blonde Haare, Bus, Neoprenanzüge trocknen im lauen Abendwind. Und vielleicht auch, weil wir erahnen, wie gut es sich anfühlt, von einer Welle vorwärts geschoben zu werden. Diese unfassbare Kraft. Die man nicht steuern, nicht kontrollieren, nicht bändigen, aber mit einem Holzbrett reiten kann. Ja, das wollen wir auch! Natürlich nicht in echt. Viel zu gefährlich. Eher im übertragenen Sinn. Und übertragen lässt sich das Wellenreiten ja auf vieles im Leben.

•Je welliger der Ozean ist und je kräftiger die Wellen schieben, desto größer wird die Energie, die wir nutzen können. Und desto unwichtiger wird die eigene Energie, die wir selbst aufbringen müssen. Sonne gegen Feuerzeug. Viele Kampfsportarten basieren auf dem Prinzip »Nutze die vorhandene Energie«. Statt selbst zu treten, verwenden wir den Schwung des Tretenden, um sie/ihn auf die Matte zu bringen. Go with the Flow. Segeln, Windkraft und Popmusik wären weitere Beispiele.

Weltmeere und Weltmärkte

•Wie vieles aus dem Leben lässt sich auch Wellenreiten vorzüglich auf das »Business« übertragen. Denn Märkte sind wie Meere. In manchen ist es still. Segelboote darben. Wir hören Motorboote und Jetskis. Andere sind turbulent. Mit großen Wellen, viel frischem Wind. Wir sehen Surfer:innen und Kiter:innen.

•In stillen Märkten braucht es Kraft, um Dinge zu bewegen. Also Geld. Um Werbung zu machen, Nachfrage zu generieren, Nachfrage aufrechtzuerhalten oder neue Technologien zu entwickeln. Die Wellen müssen wir hier schon selbst machen. Vielleicht ist aber alles auch bereits ruhig reguliert und Vater Staat hält uns an der Leash fest. Innovation: »Nein, danke«.

•In lebendigen, turbulenten Märkten rauscht dagegen eine Welle nach der anderen durch. Plötzlich ein revolutionäres Produkt, ganz neue Prioritäten bei unseren Nutzer:innen oder eine tolle Marke, die wir selber gerne wären. Ständig ändern sich Dinge, Dinge sind in Bewegung. Und diese Bewegung können wir nutzen.

•Es gilt aber nach wie vor das Sprichwort von der Ruhe vor dem Sturm. Stille Märkte können sich jederzeit zu turbulenten Märkte entwickeln. Plötzlich. Eine große Welle genügt. Das Uhrengeschäft war bis 2013 in puncto Innovation eher unauffällig. So auch der Buchhandel, bis es dann 1994 war und jemand in sehr weitem Businesshemd sein selbst gesprühtes Logo in seiner Garage aufhängte.

Reiten statt lenken

•Je schneller sich Märkte verändern, desto weniger wichtig werden große Zukunftspläne. Denn viel Bewegung heißt schlechte Vorhersagbarkeit und schlechtere Steuerbarkeit. Während wir auf glatter Wasseroberfläche Motorboot fahren – mit einer Hand am Lenkrad und vollem Tank – und hinsteuern, wo wir hinwollen, gehen wir beim Surfen mit der Welle. Wir müssen der natürlichen Bewegung folgen. Mit der vorgegebenen Richtung arbeiten.

•Es geht also weniger darum, den Weg zu planen und zielstrebig loszufahren. Vielmehr müssen wir in eine Welle — wenn wir sie denn nehmen wollen – mit vollem Commitment reindroppen. Jetzt oder nie-mäßig. Und wenn wir tatsächlich die Wellenflanke heruntergleiten, dann heißt es schauen, superquicke Hüfte, Balance halten, Kurs anpassen und gespannt bleiben, wo man am Ende landet. Unsere einzige Aufgabe: »on top« bleiben!

Future is Now

•Einfach auf reinkommenden Wellen surfen? Das klingt aber nicht nach der großen Vision oder dem großen Plan … eher nach Opportunismus und Trittbrettfahren. Stimmt schon. Zum Teil. Große Visionen sind etwas Wunderbares. Absolut! Ohne Menschen, die es schaffen, bestehende Bedürfnisse oder Aufgaben auf ganz neuen, viel besseren oder günstigeren Wegen zu lösen (zum Beispiel Elon Musk mit viel günstigeren Raketen), hätten wir ja auch den Buchdruck oder das Rad nicht erfunden. Feuer gäbe es auch keins.

•Aber je mehr Bewegung schon da ist, desto schwieriger wird die große Vision. Je bewegter die Gegenwart, desto näher rückt die Zukunft. Das große Zeitfenster, das wir brauchen, um mit unserem Masterplan an den Start zu kommen, macht uns einen Strich durch die Rechnung. Bis das Flaggschiff fertig ist, ist das Meer schon lange weg. Je größer die Wellen, desto schwieriger der große Plan und desto naheliegender das flinke Surfen.

Kleine Wellenkunde

Der Markt: Von blau zu grün zu weiß

•Bewegung in unseren Markt kommt durch die verschiedensten Dinge: neue Technologien, neue Bedürfnisse und Werte, neue Produkte, neue Brands, plötzliche Gamechanger, sich etablierende Industriestandards, große Unternehmenszusammenschlüsse oder Bildung von Quasi-Monopolen. Alles bringt Bewegung. Teilweise gewaltige. Diese Ereignisse geschehen jedoch oft in einem typischen Rhythmus … einer ganz bestimmten Reihenfolge. Sie ergeben zusammen eine Welle. Mit einem Anfang und einem Ende. Vom Horizont bis zum Strand. Einteilbar in fünf Phasen:

•Trend. Fast alles beginnt mit einem Trend. Weit entfernt am Horizont sehen wir große Entwicklungen, gesellschaftliche oder technologische Trends. Oft haben sie schon Auswirkungen auf einzelne spezielle Märkte, aber zu uns ist in dieser Phase noch nichts herübergeschwappt.

•Werte. Irgendwann entwickeln sich daraus aber auch neue Bedürfnisse und Werte, die unsere Nutzer:innen in unserem Markt haben. Die Welle ist da, sie ist grün und bricht.

•Produkte. Und plötzlich steigt der Franzose aus unserer Surfschule in die Welle ein. Mitbewerber:innen launchen mutig das erste Produkt. Eine erste Antwort auf das neue Wertesystem in unserem Markt. Und wenn die Welle trägt, kommen schnell weitere Produkte hinterher.

•Marken. Nachdem jetzt viele Mitbewerber:innen mit immer ausgereifteren Produkten in der Welle sind, verlagert sich der Fokus auf Marke, Markenstärkung und Nischen finden.

•Money. Jetzt sind so gut wie alle dabei. Die Marktführer sind etabliert, der Industriestandard steht, das Wachstum lässt nach, es muss Geld verdient werden. Wir sind fast am Strand. Und die Welle? Ist nur noch weißer Schaum.

Märkte sind lesbar wie Wellen

•Vom Horizont bis zum Strand. Vom vagen Trend bis zum abgegrasten Markt. Wir können Märkte lesen wie Surfer die Wellen. Das öffnet unseren Blick für ganz neue Chancen, die sich während einer solchen Entwicklung unseres Marktes ergeben können.

•Ein Beispiel vom Wochenmarkt? Nehmen wir Obst und Gemüse. Die Leute mögen Kartoffeln, Spargel, Äpfel. Durch Skandale, steigenden Lebensstandard und ein neues Gesundheitsbewusstsein wird Bio zum großen Thema. Händler, die schon immer Bio-Äpfel angeboten oder auch erst jetzt den richtigen Riecher haben, verkaufen mehr. Andere sehen das und passen ihr Angebot an. Diejenigen, die schnell sind, können von der Angebotslücke aka Nachfrageüberschuss profitieren. Aber irgendwann sind alle bio. Bio ist Standard. Die Welle ist geritten. Und dann kommt »regional produziert« und eine nächste Welle rollt los.

•Beispiel vom Weltmarkt? Nehmen wir Home-Music-Devices. Leute hören zu Hause Musik. Mit Kompakt-Stereoanlagen. Plötzlich wandert die Musik ins Smartphone und der CD-Koffer ist immer in der Tasche. Aber die Stereoanlage im Wohnzimmer?! Mit Kabeln?! Die Lust an Mobilität, Freiheit und Einfachheit rollt vom Markt der Smartphones in den Markt der Home-Music-Devices. Ultimate Ears steigt ein, JBL kommt hinterher, von 2016 bis 2019 haben die beiden eine gute Zeit zu zweit. Doch dann zwängen sich Apple, Google, Bose, Sonos, B&O und kurz darauf auch noch Marshall und China mit rein. Unchilliges Gedrängel. Gin leer. Und die echten Partypeople längst weitergezogen.

Das gute Timing

Das Problem mit dem Timing

•Früh eine gute Welle im Blick zu haben, ist das eine. Das richtige Timing für den Einstieg hinzubekommen, das andere. Kommen wir mit unserem Bluetooth Speaker genau richtig oder eher zu früh oder eher zu spät? Timing ist der tricky part beim Wellenreiten. Wann starten wir wo mit dem Anpaddeln, dem Anlaufnehmen für eine Welle? Und wann ist der Moment für den Take-off, das Aufstehen und In-die Welle-Hinuntergleiten? So ist es auch bei turbulenten Märkten. Viele Dinge passieren. Es ist unübersichtlich. Und selbst wenn wir klare Chancen erkennen können, eine tolle Idee quasi in den Startlöchern haben, stellt sich immer noch die Frage: Wann gehen wir rein?

Drei Gesichter schlechten Timings

•Bevor wir uns mit dem guten Timing beschäftigen: Was wäre eigentlich schlechtes Timing? Drei Gesichter des schlechten Timings können uns in unserem Markt begegnen:

•Zu spät. Plötzlich ist da Uber oder Airbnb. Wir haben entweder nie davon gehört oder nicht so richtig daran geglaubt. Schlagartig ist da eine haushohe Welle. Und wir sind spät dran. Wir haben gerade kein Produkt, das diese Welle reiten kann. Dann heißt es: Kopf runter und durchtauchen. Konsolidieren. Luft anhalten. Und hoffen, dass wir hinter der Welle wieder auftauchen. Wir sind zu spät. Schlechtes Timing. Damit kann man umgehen, wir kommen später dazu.

•Zu früh. Wir haben eine tolle Idee: »Damit reiten wir jetzt so was von die VR-Welle!« Wir launchen. Drei Jahre lang fressen Kosten, um uns und unsere Technologie up to date zu halten, Umsätze auf, die wir mit ein paar Nerds aus Austin und Berlin gerade so verdient bekommen. Konto leer, Runway zu Ende, ohne abgehoben zu sein. Nach drei Jahren kommt dann Apple um die Ecke und treibt den Investor:innen Tränen in die Augen, Freudentränen … während sich unsere guten Entwickler:innen inzwischen schon in alle Himmelsrichtungen auf alle möglichen Delivery-Start-ups verteilt haben. Wir waren zu früh. Schlechtes Timing.

•Zu langsam. Und das dritte Gesicht? Das kennt jeder, der surft. Wir sehen die Welle kommen, haben eine tolle Idee, paddeln los, investieren Energie. Aber nicht genug. Wir sind uns nicht sicher. Paddeln nicht ganz aus vollen Zügen. Und brechen, just bevor die Welle bricht, ab. Die Welle rollt unter uns hindurch, formt eine schöne Barrel. Die anderen haben Spaß und wir warten etwas frustriert und etwas erschöpft auf eine neue Chance. Wie Microsoft mit seinem Windows Phone: Zuerst nicht ans Smartphone geglaubt (Steve Ballmer, CEO, am Abend des iPhone-Launches, stark gekürzt: »Keine Tasten, keine Chance«) und dann drei Jahre später selbst eins gelauncht – als alle leicht zu überzeugenden Nutzer:innen bereits in den Walled Gardens von Apple und Google am Flanieren waren. Die Idee war gut, die Chance war gut. Wir haben es kommen sehen. Aber wir waren zu langsam. Schlechtes Timing.

•Interessant dabei ist zu beobachten, dass Start-ups und junge, kleine Unternehmen in der Tendenz eher zu früh dran sind. Größere, tradiertere Unternehmen hadern oft und kommen tendenziell zu spät. Das liegt natürlich an den unterschiedlichen Geschwindigkeiten, mit denen beide unterwegs sind. Der alte Spruch mit den Schnellbooten und Tankern trifft hier ganz gut, wenn wir vor unserem inneren Auge den riesigen, schwerfälligen Pott knapp den Take-off verpassen sehen. »Ja, es war knapp, hast ja recht …« Vielleicht hilft uns diese Erkenntnis beim Nachdenken, vor welcher Art schlechten Timings wir uns eher in Acht nehmen sollten.

Besseres Timing

•Und gutes Timing? Die simple Grundidee beim Surfen ist, der Welle immer ein Stückchen voraus zu sein. Ein kleines Stückchen nur, auf keinen Fall zu weit! Wenn die Welle bricht, reicht uns eine Fußlänge vor dem höchsten Punkt. Wenn wir drei bis vier Meter zu weit im Ozean sind, zu früh, passiert nichts, die Welle schwappt einfach unter uns hindurch. Wenn wir drei bis vier Meter zu nahe am Strand sind, zu spät, prasselt das Wasser senkrecht auf uns herab und wir werden gespült.

•Und was ist gutes Timing beim Reiten einer Trendwelle? Auch hier ist das Grundprinzip, der Welle – und unseren Mitstreiter:innen – ein kleines Stückchen voraus zu sein. Aber nie zu weit! Die grundsätzlich beste Chance, eine kommende Marktentwicklung zu nutzen, haben wir zwischen zwei Zeitpunkten. Zwischen »In unserem Markt haben Nutzer:innen neue Bedürfnisse und Werte entwickelt« und »Alle unsere Mitbewerber:innen haben schon mit ihren Produkten oder Marken reagiert«. Die Zeit zwischen diesen Punkten ist grundsätzlich gut. Die Zeit davor und danach eher schwierig.

•Ein gar nicht so schlechtes Timing zeigen zum Beispiel die deutschen Autobauer in der E-Welle, die gerade über den Automarkt rollt. Wir dachten alle: »Ja, diese tradierten Autobauer. Verhaftet im Alten, verpassen sie das Neue!« Gespült wurden sie bisher nicht. Im Gegenteil. Okay, BMW war mit dem i3 in 2012 früh dran. Ein Pionier. Schwieriger Start. Der Markt war nur laut Fragebogen bereit. Aber dann kam Tesla. Big Bang, der Markt reißt die Türen auf und Leute mit Geld strömen herein. Und seit 2020 sehen wir, dass Porsche, Mercedes Benz und VW keineswegs geschlafen haben. Sondern dass alle jetzt, da die Welle am Brechen ist, die Fördersummen steigen und der E-Auto-Absatz den Diesel-Absatz überholt, die frischesten Modelle am Start haben. Noch ist das Rennen nicht gemacht. Aber Mercedes Benz & Co. sind dabei.

Perfektes Timing

•Und perfektes Timing? Ist möglich. Hat aber weniger mit Vorhersehung und mehr mit Reaktionsgeschwindigkeit zu tun. Der Trick für perfektes Timing ist ganz schlicht: Wir müssen bereit sein, bevor es losgeht. Wie bei der Entenjagd in der Schießbude … um mal ein anderes Bild zu zeichnen. Wir wissen hier, dass eine Ente kommt. Mit Sicherheit. Aber das Zeitfenster, in dem eine Ente von links nach rechts fährt, ist klein. Wenn wir erst anfangen, unser Schießeisen zu laden, wenn der Schnabel plötzlich zu sehen ist, wird es hektisch. Wir schießen wahrscheinlich(er) daneben. Oder heißen Lucky Luke.

•Unternehmen wie YouTube, die perfektes Timing hinbekamen, lagen schon in Lauerstellung, ready to scale, schauten in einen interessanten, veränderungswürdigen Markt, oft am Ausprobieren verschiedener Konzepte, bis eine Idee plötzlich Feuer fing. Und dann wurde gebuttert. Wir können nicht vorhersagen, wann eine Nachfrage nach unserem Produkt explodiert, aber wir können bereit sein, wenn es so weit ist. Wir können in die richtige Richtung schauen, die Hütte mit den Enten im Auge behalten, anlegen und uns mental auf unseren Schuss vorbereiten. Wer die Wartezeit bis dahin bezahlen soll und wie wir diese clever nutzen, diskutieren wir im Kapitel »Die Welle«.

•Tolle Gelegenheiten für tolles Timing ergeben sich auch, wenn Nutzer:innen auf eine Veränderung quasi schon warten, Dinge eigentlich schon überfällig sind, derzeit aber ein Baustein für die Lösung fehlt oder der Lösung im Wege steht. Ein Markt, gespannt wie eine Zwille. Dann ein technischer Durchbruch und los geht’s. Wie beim iPhone. Oder eine Deregulierung. Wie beim Cannabis in den USA oder Online-Gambling in Deutschland. Dass es Leute in 2007 gut finden, unterwegs zu facebooken, zu telefonieren und iPod zu hören, ohne drei Geräte in zwei Hosentaschen zu haben, war abzusehen. Dass Leute in 2020 gerne Cannabis kaufen und konsumieren, auch während einer gediegenen Runde Online-Poker, war ebenfalls klar. Alles große, leuchtende Entenhäuschen.

•Wenn die Ente kommt – Chips und Screens werden günstig oder Gesetzesänderungen treten in Kraft – und wir schon mit dem Lufti-Luftgewehr das Hüttchen anvisieren … stehen die Chancen gut, dass ein Entchen umklappt. Wenn dann unser Team am Start ist und das Geld bereitliegt, stehen die Chancen gut, dass wir von der Runway abheben. Genauso ist es beim Surfen: Große Welle beobachten, gut vorbereiten und positionieren. Und sobald wir den unverkennbaren Schub spüren: paddeln, paddeln, paddeln, als gäbe es kein Morgen!

Zeit für gutes Timing ist immer!

•Gute Nachricht, vor allem für Leute in Deutschland: Den einen perfekten Moment für den Take-off gibt es nicht. Vielmehr gibt es viele gute Momente in verschiedenen Wellenphasen … in die wir mit unterschiedlichen Moves hineinkommen. Klar: die mittleren Phasen sind einfacher zu fahren. Aber auch ein sehr früher oder sehr später Einstieg ist möglich … wenn man die Tricks kennt. So können wir ganz früh in der Trendphase auf eigene Faust einem neuen Wertesystem auf die Sprünge helfen. Oder später, während sich alle um das beste Produkt bemühen, unseren Fokus schon auf Marke, Andersartigkeit oder das Finden von Nischen legen.

•Zeit für gutes Timing ist also immer! Mit den richtigen Manövern und Tricks kommen wir in jeder Phase noch rein. Die Welle können wir leider nicht kontrollieren, unser Board hingegen schon!

Ab in den Süden

•Use the Force! ist ein Zitat aus Star Wars. Nutze natürliche Bewegung! ist die Idee in diesem Buch. Oder noch präziser: Nutze die UNGENUTZTE natürliche Bewegung.

•Eingeteilt ist das Buch in vier Kapitel. Während wir hier noch kurz über die Grundidee sprechen und Analogien bauen, geht es im ersten Kapitel »Der Spot« darum, einen guten Ort zum Surfen zu finden. Also die Fragen zu diskutieren: Welcher Markt ist unser Markt? Bleiben wir in unserem derzeitigen Markt oder sollten wir uns auf einen neuen wagen, und wenn ja, wie erkennen wir die versteckten Highlights bereits von außen? Im zweiten Kapitel »Der Horizont« beschäftigen wir uns dann mit der Suche und Auswahl von chancenträchtigen Wellen am Horizont unseres Spots. Welche Trends gibt es und welche kommen wahrscheinlich zu uns? Im zentralen dritten Kapitel »Die Welle« mit fünf Unterkapiteln schauen wir uns die einzelnen Wellen sehr genau an. Wie nahe ist die Welle schon, welche Phase hat sie schon erreicht, welche Chancen ergeben sich? Und: Mit welchen Manövern würden wir da jetzt reinkommen? Dann entscheiden wir uns für eine gute Welle und einen guten Move … und los geht die Fahrt in »Der Take-off«, dem vierten Kapitel.

Unsere zusammengefasste To-do-List:

•Der Spot. Wir suchen nach einem Markt, der im Spot-Check gut wegkommt.

•Der Horizont. Wir wählen drei bis fünf interessante Wellen am Horizont aus.

•Die Welle. Wir picken die Welle mit der besten Chance und wählen unseren Move.

•Der Take-off. Wir paddeln los und gehen rein!

•Wenn wir allerdings schon mittendrin im Geschehen sind, einen Markt und eine Welle im Blick haben, können wir auch direkt ins Eingemachte, ins dritte Kapitel »Die Welle« springen.

Longboard vs. Shortboard

•Lang oder kurz? Welches Board kommt mit ins Reisegepäck? Oder besser: Was haben wir eigentlich im Keller stehen? Boards haben unterschiedliche Längen, so wie Unternehmen unterschiedliche Größen. Boardlänge und Unternehmensgröße entscheiden darüber, in welchen Wellen wir besser zurechtkommen. Und in welchen Wellenphasen wir am meisten Spaß haben. Das sollten wir gleich bei der Auswahl unseres Spots bedenken.

•Große Unternehmen funktionieren vor allem gut in Märkten, die sich gar nicht superschnell verändern können … in denen die Wellen eher langsam rollen. Zum Beispiel, weil Unternehmen eine riesige Infrastruktur brauchen oder Nutzer:innen in einem bestimmten Ökosystem beziehungsweise den eigenen Gewohnheiten quasi gefangen sind. Wie im Automarkt. Die E-Welle ist mächtig und wälzt alles um, braucht dafür aber 20 Jahre. Fabrikstädte, gepanzerte Zulieferketten, das Tankstellennetz und 70 Millionen mal 30 000 in den Status quo investierte Euros halten zusammen. Dazu die Gewohnheit: Einsteigen, 1000 Kilometer fahren – mit laufender Klimaanlage, Dauerblinker links und Pausen, die gerade so zum Nachtanken der E-Zigarette reichen. In solchen Gefilden rollen die Wellen gemächlich. Aber auch in schnellen Märkten wie Software oder Fashion können große Unternehmen – oft zergliedert in kleine schnelle Einheiten – gut funktionieren. Vor allem, wenn schnelle Veränderung hier zum Tagesgeschäft gehört und sich alles dafür eingespielt hat.

•Kleine Unternehmen haben hingegen wenig Auftrieb und brauchen Speed. Wie kleine Bretter. Sie ernähren sich von Veränderung. Je schneller die Veränderung, desto besser. Und ihr Asset, ihr größter und fast einziger Vorteil gegenüber den Großen, ist die Anpassungsfähigkeit. Wenn Dinge sich nicht schnell genug verändern, gibt es zu wenig Anpassungsbedarf und der Vorteil des Klein- und Jungseins verschwindet hinter all den Nachteilen (wie beispielsweise wenig Marktmacht). Das Gute: Am Anfang, in den frühen Phasen einer jeden Welle, sind immer Schnelligkeit und Anpassungsfähigkeit gefragt. Und je mehr Geld die Geldgeber:innen den Kleinen mit in die Welle geben, desto früher kann der Einstieg gelingen. Notwendige Dinge, die es in dieser frühen Phase noch nicht gibt, versuchen wir uns einfach zu kaufen (wie zum Beispiel Traffic oder Publikumsverkehr) oder selbst zu bauen. Riskant, aber dafür gibt es ja Risikokapital.

•Grob lässt sich also sagen: Am Anfang sind die Kleinen vorne. Die Mitte einer Welle funktioniert für alle: kleine Unternehmen mit weniger Geld oder große Unternehmen mit Spielgeld und Lust auf Neues und Submarken. Gegen Ende der Welle werden dann längere Bretter und Geld wieder interessant. Wer hier etwas reißen will, braucht Kraft und langen Atem. Oder ganz viel Mut und eine wirklich gute Story :)

Betrachten wir die ganze Surf-Szenerie mal von oben. Wir sehen den Spot. Den Strandabschnitt, in dem wir ins Wasser gehen, in den die Wellen hineinrollen und in dem sich vor allem bei guten Bedingungen schnell ein buntes Line-up bildet – zehn bis zwanzig Surfer:innen, die paddeln, lachen, fluchen, warten … und surfen. Adrenalin und Endorphin, Angst und Spaß … ganz nahe beieinander. Und vom Strand her schauen alle neidisch rüber.

Surfen fängt mit der Spot-Auswahl an. Bleiben wir an unserem etwas kleineren, weniger wilden, aber durchaus launigen Hausstrand vor der Stadt? Oder geht’s in den sonnigen Süden mit großen Wellen, unbekannten Herausforderungen und inzwischen echt saftigen Flugticketpreisen? Eine wichtige und grundlegende Entscheidung. Eine, über die wir nachdenken sollten. Und eine, für die wir in der Lage sein sollten, Spots zu lesen und zu beurteilen.

Märkte sind Spots

•Spots sind eine tolle Analogie für Märkte: ein vages, nicht ganz fest umrissenes Areal an einem schier unendlichen Strand. Hier paddeln und positionieren wir uns immer wieder zu den Wellen, die am laufenden Band hereinrollen. Die guten Wellen versuchen wir an einem möglichst surfbaren Punkt zu erwischen … leider genauso wie unsere zehn, zwölf »Freund:innen«, das Line-up, mit denen wir den Spot teilen. Manche von uns bekommen die Welle … gutes Timing, nicht zu früh, nicht zu spät. Manche erreichen die Welle auch später noch. Und manche sind zu langsam oder zu spät und müssen auf die nächste Welle warten. Genauso wie im Leben, genauso in den Märkten.