Timmi oder Das Glück, mit einem Hund zu leben - Hans Ilmberger - E-Book

Timmi oder Das Glück, mit einem Hund zu leben E-Book

Hans Ilmberger

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Beschreibung

Finden Sie es normal, ein Buch zu schreiben, in dem ein Hund die Hauptperson ist? Ich schon. Die Idee kam ganz von selbst, ein Wort gab das andere, ein Kapitel zog das nächste nach sich. Fertig. Ich kenne viele Menschen, die dieses Buch lesen wollen. Einige interessieren sich für das Buch, weil sie Timmi kannten, andere, weil sie selbst einen Hund besitzen und neugierig sind, ob sie in der Beschreibung unseres Hundes einiges wiederfinden, was sie mit ihren eigenen Tieren verbindet. Und es gibt wiederum andere, für die beides nicht gilt, die einfach wissen wollen, wie das so ist oder gewesen wäre, sein Leben mit einem Hund zu teilen. Wie auch immer. Hauptsache, sie freuen sich über Timmi und dieses Buch.

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Seitenzahl: 134

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Hans Ilmberger ist pensionierter Lehrer und Schulleiter und lebt in Ahrensburg, Schleswig-Holstein. Er ist Autor mehrerer Bücher; das für ihn bisher wichtigste hat den Titel: „Blütenblätter“. Es sind Gedichte über und für seine verstorbene Frau. Als Gerda starb, war Timmi 10 Jahre alt.

Wir sind 2007 auf eine Annonce hin ins Münsterland gefahren, zu einem Dorf nördlich von Greven. Gerda hatte in der Nacht vor unserer Fahrt schlecht geschlafen. „Wenn wir morgen dort hinfahren und ich die niedlichen Welpen sehe, dann ist es zu spät. Dann möchte ich ganz bestimmt einen haben. Wenn wir keinen Hund mehr haben wollen, dann müssen wir hierbleiben. Willst du lieber hierbleiben?“

Ich denke, wir sind gefahren, weil wir beide wussten, wie viel Freude ein Hund, ein Münsterländer bedeuten würde. Und das an jedem einzelnen Tag in den kommenden Jahren. Münsterländer sind sehr dynamische und liebevolle Tiere. Und unser Timmi war ein ganz besonders typischer Münsterländer.

Inhalt

19. November 2022

Weihnachten

Silvester

Hundespaziergang

Streicheleinheiten

Die Stärke der Hunde

Menschen

Erziehung

Kleine Kinder

Kleine Tiere

Tapferer Timmi

Jagdszenen

Timmi liebt Fisch

Wiedersehen

Wieder da

Binz

Sommerferien

Picknick und ähnliche Vergnügungen

Sehnsucht

Spuren

Anhänglichkeit

Leckerlis, Nasche usw.

Timmi und andere Hunde

Der Hundeflugplatz

Ich höre Timmi

Für

Nele und Hanna

Am 3. November 2007 sehen wir diesen kleinen Münsterländer zum ersten Mal. Er ist gut fünf Wochen alt und wird bald bei uns einziehen. Er wird Timmi heißen.

19. November 2022

Etwas weiß um seine Schnauze herum war Timmi schon immer. Auch als wir ihn zum allerersten Mal sahen, vor über 15 Jahren. Da war er gut fünf Wochen alt und nicht viel größer als ein Laufschuh. Er hatte dunkelbraunes Fell, tapsige weiß-braun gesprenkelte Beine, einen weißen Schwanz, der wie ein Leuchtturm anzeigte, unter welchem Busch er sich gerade befand. Wir haben uns sofort in ihn verliebt.

Wir sind auf eine Annonce hin ins Münsterland gefahren, zu einem Dorf nördlich von Greven. Unser Anton, auch ein Münsterländer, war im Sommer 2007 im Alter von 17 Jahren gestorben. Wir brauchten etwas Zeit, um uns darüber klar zu werden, ob wir noch einmal einen Hund haben wollten oder nicht. Unsere Töchter haben uns später erzählt, dass sie sich gewundert hätten, wie lange wir gebraucht haben, uns zu entscheiden. Gerda hat in der Nacht vor der Fahrt ins Münsterland schlecht geschlafen. »Wenn wir morgen dort hinfahren und ich die vielen niedlichen Welpen sehe, dann ist es zu spät. Dann möchte ich ganz bestimmt einen haben. Wenn wir fahren, dann ist alles klar, wenn wir keinen Hund haben wollen, dann müssen wir hierbleiben. Willst du lieber hierbleiben?«

Ich denke, wir sind gefahren, weil wir wussten, wie viel Freude ein Hund, ein Münsterländer, bedeuten würde. Und das an jedem einzelnen Tag in den kommenden Jahren. Münsterländer sind sehr dynamische und liebevolle Tiere. Unser Timmi war ein besonders typischer Münsterländer.

Jetzt, 15 Jahre später, war das Fell um Timmis Maul herum schneeweiß, er hatte Schwierigkeiten aufzustehen, zu stehen. Er war dünn, er war mager geworden, aber immer noch ein sehr hübsches Tier. Unterwegs an Samstagen und Sonntagen, wenn ich mit ihm und meinem Rollator den Pappelweg ging, war er munter und vergnügt. Er lief hin und her, schnüffelte, sah sich immer wieder nach mir um, freute sich über die Hunde, die wir unterwegs trafen. Die Menschen wunderten sich, wenn ich ihnen erzählte, er sei jetzt 15 Jahre alt, seine Bewegungen sahen viel jugendlicher aus, sobald er erst mal in Schwung war.

Trotzdem musste ich ihn heute Vormittag einschläfern lassen.

Gestern noch war er so wie immer in den letzten Wochen und Monaten. Er wurde um 8.00 Uhr von Martin abgeholt, ging fröhlich mit ihm los und lief zwei Stunden später munter den Weg von der Gartenpforte wieder hoch zu unserem Haus. Es kam oft vor, dass ich gerade dann draußen die Blumen gegossen habe (die Geranien rechts im großen Terracotta-Kübel, die rosa Fleißigen Lieschen links im Balkonkasten) und ich mich freute, ihn wieder zu sehen. Unverändert war auch gestern Timmis Begeisterung darüber, dass es jetzt die ersten Leckerlis des Tages gab.

Er war es gewohnt, dass die Haustüre offen blieb, dass er nach Belieben raus- und reingehen konnte, sich auf den Trittstein legen und die Welt beobachten konnte. Seit einigen Monaten war er müder als früher, kam bald nach seinem Spaziergang in das Wohnzimmer, um sich hinzulegen. Er schlief länger, als das noch vor einem Jahr der Fall war. Aber dies ist völlig normal bei alten Hunden, kein Grund also, sich Gedanken zu machen. Im Gegenteil. Seine Müdigkeit war für mich von Vorteil, weil ich so, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, länger unterwegs sein konnte. Das war bei Orchesterproben und Aufführungen besonders angenehm. Er schlief dann einfach während meiner Abwesenheit.

Unverändert traurig war er, wenn ich ging, Streicheleinheiten und Leckerlis bewirkten da nicht viel, seine Freude war dafür umso größer, wenn ich wiederkam. Immer, wenn ich bei meiner Rückkehr die Haustüre aufschloss, stand er von seinem Bluebay auf, kam schwanzwedelnd auf mich zu, haute mit seinem Schwanz gegen die Geranien im Terracottatopf und fegte damit einige rosa Blüten aus dem Grün. Ja, man konnte es sehen, wenn er aufstand und die ersten Schritte machte, war er etwas wackelig auf den Beinen, aber das wurde schnell besser, sobald er sich bewegte.

Auch gestern blieb er tagsüber wie immer bei mir, rollte sich bei meinem Mittag- und Abendessen neben mir auf dem Teppich zusammen und wartete gespannt auf das, was danach passieren würde. Er hörte mit mir Musik am Abend oder legte sich dicht neben mich, wenn ich vor der Staffelei saß und malte. Oder interessierte sich brennend für das, was vom Trittstein aus zu sehen war, katapultierte die Wohnzimmertüre gegen Luisas Hochstühlchen, wenn er es rasend eilig hatte und durch die Verandatüre schnell nach hinten in den Garten wollte.

Und natürlich gehörten Leckerlis und Nasche immer zu den Highlights des Tages, auch gestern: Twister, Hundespaghetti, Ente, Lachskekse, die ganze Palette. Es war wunderbar, zu sehen, wie viel Freude sie ihm bereiteten. Bis hin zum Betthupferl, das er seit einer Woche unten, im Flur, bekam und nicht mehr oben vor dem großen, mit blauen Kacheln umrahmten Spiegel, so, wie es in den vergangenen 15 Jahren war.

Gestern vor einer Woche hatte er nämlich um 6 Uhr morgens oben in seinem Körbchen und unter unserem Bett einen epileptischen Anfall. Ich hielt es seitdem für besser, dass er unten blieb, unten schlief. Ich war mir sicher, dass ich im Wiederholungsfall ihm unten besser helfen könnte als oben.

Unten zu schlafen war keine Strafe für ihn, das machte er des Öfteren freiwillig. Nur jetzt ließ ich ihm keine Wahl mehr, er musste unten bleiben.

»Gute Nacht, Timmilein. Du bleibst wieder unten, mein lieber Hund, das ist besser für dich. Gute Nacht.«

Ich schob die große Sperrholzplatte auf der ersten Stufe so dicht an die Wand, dass er mir nicht nach oben folgen konnte.

Ich drehte mich um und sah, wie er kurz versuchte, an dem Hindernis vorbeizukommen, es aber schnell aufgab und ins Wohnzimmer ging. Die Türe ließ ich immer so weit offen, dass er auch im Dunkeln problemlos raus – und reingehen konnte.

Gegen 1 Uhr kommen von unten laute Geräusche, die mich aufwecken. Ich weiß sofort, was los ist. Ich mache das Licht an und gehe, so schnell ich kann, die Treppe runter. Ich schalte das Licht im Wohnzimmer an und sehe Timmi vor mir auf dem Teppichboden, wie seine Beine um sich schlagen, höre die röchelnden Geräusche und sehe den Schaum, der aus seinem Maul quillt. Ich setze mich neben ihn, streichle ihn sanft und rede beruhigend auf ihn ein. Es ändert nichts, aber vielleicht bekommt er ja mit, dass ich bei ihm bin und helfen und trösten will. Es dauert eine ganze Weile, bis der Anfall langsam abebbt, bis er ruhig und erschöpft auf der Seite liegt. Ich rede mit ihm und streichle ihn unablässig.

Nach einer Weile schafft er es, sich auf den Bauch zu legen. Er versucht aufzustehen, ich versuche ihn hochzuheben, hochzuhalten, seine Beine geben immer wieder nach, er schafft es nicht. Immer wieder nimmt er einen kleinen Anlauf, versucht seine Beine koordiniert zu belasten, es hat noch keinen Zweck. Irgendwann schafft er es und steht wackelig neben mir. Er macht ein paar unbeholfene Schritte und geht langsam vorwärts. Er ist noch ganz benommen. Dann geht er durch das Zimmer, kreuz und quer und macht einen hilflosen, orientierungslosen Eindruck. Er ist vor dem Eckschrank angekommen, steht dort und weiß nicht, wie es weitergeht. Er ist beim Hochstühlchen und versucht untendurch zu krabbeln. Er ist beim Cello und wirft es fast um. Ich hole seine blaue Flexileine und mache ihn fest, damit ich ihn etwas unter Kontrolle habe. Er geht weiter hin und her und zieht stark, wenn ich versuche, seinen Radius zu verkleinern.

Ich denke, vielleicht hilft es ihm, wenn ich mit ihm nach draußen gehe. Mit Hausschuhen und Schlafanzug, es ist kalt, um die null Grad. Das ist nicht so wichtig. Aber der Garten hinten und vorne ist keine Hilfe. Timmi zieht stark, hat aber kein Ziel. Dann gehen wir wieder ins Haus.

Er geht wie aufgedreht im Wohnzimmer hin und her, durch das Esszimmer, das Arbeitszimmer. Irgendwann wird er etwas langsamer und ruhiger. Ich nehme ihm die Leine ab, ich streichle ihn, rede mit ihm, biete ihm Wasser in der Küche an. Er nimmt es aber nicht. Ich habe das Gefühl, ich kann es jetzt wagen, ihn ohne Leine nach hinten in den Garten zu lassen. Ich schließe die Verandatüre auf. Alarm!!! Ich habe vergessen, dass ich nach unserem Ausflug die Alarmanlage wieder aktiviert habe. Der Lärm ist kurz, das weiße Gerät liegt vor mir auf dem Rollator.

Timmi verschwindet in der Dunkelheit und ist nur ab und zu wegen seines weißen Schwanzes zu sehen. Der war schon immer ein weithin sichtbares Erkennungszeichen. Ich stehe am Fenster und freue mich, dass er sich ganz offensichtlich wieder etwas erholt hat und es ihm Spaß macht, durch den Garten zu stromern. Wer weiß, wie oft er die Möglichkeit dazu noch bekommt. Kann sein, dass dies einer seiner letzten Aufenthalte in seinem Revier ist.

Schließlich steht er wieder vor der Verandatüre und will rein. Er macht wieder einen normalen Eindruck, stellt sich ruhig neben mich, lässt sich gerne wuscheln und streicheln. Er ist müde und abgekämpft, kein Wunder. Es dauert nicht lange, dann geht er in den Flur und legt sich auf sein Bluebay. Es ist jetzt ungefähr 3 Uhr.

Ich lösche die Lichter, kontrolliere die Verandatüre und gehe nach oben. Natürlich habe ich die Sperrholzplatte hinter mir in die richtige Position geschoben.

»Gute Nacht, Timmilein, schlaf gut«, rufe ich ihm zu, »ich hoffe, dir geht es jetzt wieder gut.«

Gegen 6 Uhr werde ich wieder wach, Timmi rumort im Wohnzimmer.

»Ach, du armer Timmi«, denke ich, als ich wieder auf dem Weg nach unten bin. Timmi steht schon wieder, als ich das Licht im Wohnzimmer anknipse. Speichel hängt ihm in einem langen Faden aus dem Maul. Er sieht mich hilflos an. Er weiß nicht, was passiert ist. Er ist wieder genauso ruhelos wie vorher, tapert orientierungslos durch die Zimmer, läuft gegen Möbel und die Wand. Ich nehme ihn nicht an die Leine. Ich setze mich in den blauen Sessel an der Verandatüre, hole mir Gerdas Decke von dem Ledersofa und mache mir eine Wärmflasche. Ich will nicht mehr ins Bett gehen, ich will bei Timmi bleiben. Unser lieber Hund beruhigt sich schneller als beim ersten Mal und legt sich bald auf das Bluebay. Ich lasse das Licht im Wohnzimmer brennen und döse vor mich hin. Mein Kopf knickt immer wieder nach hinten weg. Ich bekomme mit, dass Timmi in regelmäßigen Abständen ins Wohnzimmer kommt, um zu prüfen, ob ich noch da bin. Ich denke, er braucht diese Sicherheit, dass ich da bin und ihm sofort helfen kann, wenn er Hilfe benötigt.

Irgendwann höre ich den Wecker oben neben meinem Bett, der auf 7.30 Uhr eingestellt war. Ich bin zu faul, um die Treppe hochzugehen und ihn abzustellen und bleibe noch eine Weile im Sessel sitzen. Die Nacht war ja nicht wirklich erholsam.

Nach dem Frühstück wird mir klar, dass wir heute nicht unseren üblichen Spaziergang auf dem Pappelweg machen werden. Ich weiß auch nicht, ob Timmi überhaupt in der Lage sein würde, ins Auto zu springen oder Interesse hätte, unser Grundstück, sein Reich zu verlassen. Ich habe Angst davor, ein Wochenende mit unserem leidenden Hund zu verbringen, ohne zu wissen, ob ein Arzt notfalls helfen würde. Während ich versuche, Tierarztpraxen telefonisch zu erreichen, höre ich, dass Timmi schon wieder einen Anfall hat. Nun ist mir klar, dass es jetzt nur noch darum gehen kann, Timmi zu erlösen. Das ist schwierig an einem Samstag, an dem Arztpraxen in der Regel geschlossen sind und Notfallstellen irgendwo im Kreis Stormarn, aber eher nicht in Ahrensburg zuständig sein würden. Aber ich habe Glück, Timmi hat Glück. Ich erreiche Frau Oldigs und sie kennt die Privatnummer von Frau Lehmann und Frau Lehmann kommt tatsächlich zu uns nach Hause. Ich bin wirklich sehr dankbar.

Als sie an der Haustüre klingelt und ich öffne – sie hat ihren jüngsten Sohn dabei –, nutzt Timmi die Gelegenheit, um nach draußen zu laufen. Er denkt bestimmt, da kommt jemand, um mit mir spazieren zu gehen.

Es ist keine Frage mehr, ob Timmi eingeschläfert werden sollte oder nicht, es ist klar, dass es notwendig ist, nachdem ich der Tierärztin erzählt habe, wie die Nacht verlaufen ist. Wir alle sitzen auf dem Teppich um Timmi herum, vor dem Bücherregal, also dort, wo Frau Oldigs ihn seit Oktober 2021 behandelt hat.

Frau Lehmann holt in aller Ruhe das aus ihrer Arzttasche, was sie nun benötigen würde. Sie erklärt, dass sie zunächst die Narkosespritze setzen würde, damit er einschlafen und von der zweiten Spritze nichts mitbekommen würde. Timmi hat auch bei dieser Spritze, die er im Liegen bekam, nicht gezuckt. Er steht noch einmal auf, geht ein paar Schritte, legt sich aber bald wieder bei uns hin und wird müde. Die Tierärztin fragt, was es an Unterlagen gebe, die wir so platzieren könnten, dass der Teppich nicht schmutzig würde, falls Timmi sich erbrechen sollte oder der Darm sich entleeren würde. Ich hole mehrere farbige Handtücher, die immer im Flur auf dem Fenstersims neben der Haustüre liegen, um Timmi bei Regenwetter sofort abtrocknen zu können. Frau Lehmann platziert sie ganz ruhig dort, wo sie meint, dass sie notwendig und hilfreich sein würden. Ich streichele Timmi, der jetzt ganz ruhig auf dem Teppich liegt, sein Kopf ist neben mir. Ich bin nicht traurig, ich weiß, dass es notwendig ist, dass es bestimmt in Timmis Sinn wäre, wenn er selbst entscheiden könnte. Als wir merken, dass Timmi schläft, zieht Frau Lehmann die eigentliche Spritze mit einer blaugefärbten Flüssigkeit auf. Sie sieht, dass die Lefzen und der Kiefer nach der Narkose ganz weiß geworden sind und sagt, dass dies ein Zeichen dafür ist, dass es einen Krankheitsherd in Timmis Körper gebe, der wahrscheinlich verantwortlich für die epileptischen Anfälle ist. Dann gibt sie ihm die zweite Spritze. Kurz darauf prüft sie mit ihrem Stethoskop sein Herz und sagt, dass es aufgehört habe, zu schlagen.

Bis hierhin hatte ich ganz rational entschieden, dass es notwendig war, Timmi einzuschläfern, damit er nicht leidet, und hatte alle Tätigkeiten der Ärztin ohne Emotionen beobachtet, nachvollzogen. Ich bin ihr wirklich unglaublich dankbar, dass sie gekommen ist, um zu tun, was notwendig war. Und alles, was sie tat, tat sie wohltuend ruhig, mitfühlend, professionell. Aber ab diesem Zeitpunkt, als Timmi wirklich unwiederbringlich tot ist, spüre ich den Verlust. Und dann steht Frau Lehmann auf und tut etwas völlig Unerwartetes, etwas Anrührendes.

Sie sagt, dass sie jetzt gerne die Verandatüre öffnen würde, auch wenn es etwas kalt würde in diesem Raum, damit Timmis Seele davonfliegen könnte. Ihrem kleinen Sohn, der vier Jahre alt ist, erklärt sie, dass Timmi jetzt im Himmel sei und auf uns herabsehen würde, uns sehen würde.