Töchterglück und Alltagswahnsinn -  - E-Book

Töchterglück und Alltagswahnsinn E-Book

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Beschreibung

Die originelle Geschenkidee für Väter - von Töchtern! Sie kennen sich bestens aus mit Pferden und Prinzessin Lillifee. Sie wissen, dass es Unterschiede zwischen Rosa und Pink gibt. Sie geben Geld für Dinge aus, die sie eigentlich völlig unnötig finden. Und sie wissen, wann es besser ist zu schweigen und zu staunen: Sie sind Väter und sie haben ausschließlich Töchter. 13 Männer schreiben über ihren Alltag zwischen Glück und Wahnsinn in einem "Frauenhaushalt". Und in einer Sache sind sie sich alle einig: Sie würden nie im Leben tauschen wollen! Mit Beiträgen von Stefan Lennardt, Dr. Tobias Faix, Christof Klenk u. v. a.

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Seitenzahl: 143

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ISBN 978-3-7893-2104-7 (E-Book)ISBN 978-3-7893-9671-7 (lieferbare Buchausgabe)

Datenkonvertierung E-Book: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm

© 2013 SCM Collection im SCM-Verlag GmbH & Co. KG Bodenborn 43 | 58452 Witten Internet: www.scm-collection.de; E-Mail: [email protected]

Umschlaggestaltung: Christina Custodis

Titelbilder: www.thinkstockphotos.de/search/#digitalVision/; Fuse; iStockphoto

Satz: Philipp Alexander

INHALT

VORWORT

„Das ist etwas ganz Besonderes!“

STEFAN LENNARDT

Das Schöne in meinem Leben

THORSTEN SCHMIDT

„Ich kann nur Mädchen!”

TOBIAS FAIX

Verzückung, Verzweiflung, Versöhnung

MARTIN GUNDLACH

Wie meine Töchter mich verändern

PETER HÖHN

Die Sprache des Herzens

JOACHIM STÄNGLE

Bis an mein Lebensende

ANDREAS STOPP

Unvergleichlich elegant

FALK FÖRTER

Unterschiedlicher geht’s nicht mehr!

GOTTFRIED SCHWEHN

Gedankensprünge

KLAUS KIRSTEN

172 Jahre Frauenerfahrung

MARIO SCHLACHTER

Um den Finger gewickelt

ANDREAS JUNGE

Bilder im Herzen

CHRISTOF KLENK

Solange sie klein sind …

FAZIT

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

VORWORT | „DAS IST ETWAS GANZ BESONDERES!“

Manche belächeln ihn. Manche bestreiten ihn. Manche regt dieser Satz auf. Aber wir sagen ihn trotzdem: „Väter und ihre Töchter – das ist etwas ganz Besonderes!“

Das merkt man schon, wenn wir als Töchter-Väter anderen von unserer Familiensituation erzählen.WIE FÜHLEN SICH HÄHNE IM KORB? Das bleibt nie unkommentiert. Die Reaktionen aber sind ganz unterschiedlich: „Ach, da sind Sie ja der Hahn im Korb!“ (Hat eigentlich irgendwer mal rausgefunden, wie diese Hähne sich fühlen?) Oder: „Da ist ja immer Leben in der Bude!“ (Ja klar, oft mehr als uns lieb ist!) Oder: „Wie schön, da werden Sie ja verwöhnt!“ (Hä, hab ich was verpasst?)

Die Älteren zitieren manchmal den Film „Das Drei-Mädels-Haus“, eine Romanzen-Schmonzette, die mit unserem Leben aber auch gar nichts zu tun hat. Und Jungs-Väter meinen gelegentlich hämisch-schmunzelnd sagen zu müssen, dass es wohl zum Erzeugen kerniger Männer nicht gereicht hätte … Was davon stimmt?

Die ganze Wahrheit finden Sie in diesem Buch.

Zwölf Töchter-Väter beschreiben, wie sich ihr Leben anfühlt. Manche stehen mit ihren Mädels noch ziemlich am Anfang, manche haben schon zwei oder drei Jahrzehnte Töchter-Erfahrung.EIN SELTSAMES, WUNDERSCHÖNES LEBEN. Bei aller Unterschiedlichkeit: Uns verbindet die lebenslange Liebe zu unseren Töchtern. Das ist ein zentraler Baustein unseres Lebens. Die Mädels sind die besonderen Gottesgeschenke für uns.

„Besonders“ ist das in vielerlei Hinsicht, großartig, von der Knuddelei mit den Kleinen bis hin zur erwachsenen Beziehung auf Augenhöhe. Dazwischen lernen wir alles über Hunde und Pferde, kaufen Pixibücher und kopfschüttelnd weitere Schleichtiere. Wir erarbeiten uns die Unterschiede zwischen Rosa und den verschiedenen Pink-Tönen und amüsieren uns in Klamottenläden.

Es ist aber bei Weitem nicht immer süß und romantisch. Wir geben unser Geld für Dinge aus, die wir für unnötig halten. Es gibt Knatsch und Streit – und manchmal bleiben uns die Frauen aller Altersklassen ein Geheimnis. Wir erleben Pubertäten (gibt es diesen Plural?) und verstehen überhaupt nichts mehr. Auch diesen Anteil werden Sie in den Väter-Berichten reichlich finden.

Nur – wir können nicht raus aus unserer Haut: Was bedeuten „die paar“ schwierigen und heiklen Situationen angesichts der überwältigenden Vater-Tochter-Liebe, die in uns schlummert … (Zumindest jetzt, wo wir in Ruhe hier sitzen und darüber schreiben.) Das ist und bleibt das überwältigende Grundgefühl.

Viel Spaß beim Lesen allen Töchter-Vätern und allen, die ihr unser seltsames, aber wunderschönes Leben verstehen wollt!

Im Namen der

„Töchter-Väter-Selbsthilfegruppe“,

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

DAS SCHÖNE IN MEINEM LEBEN

STEFAN LENNARDT ÜBER SEINE BEMERKENSWERTE WOHNUNGSEINRICHTUNG, DIE KUNST, VORZULESEN OHNE SICH SELBST ZUZUHÖREN, UND LACHEN ALS LÖSUNG.

Stefan Lennardt (Jahrgang 1970) ist Lehrer für Physik und evangelische Religion. Er ist Vater von Lea (13) und Lilly (10). Stefan ist verheiratet mit Britta und steht seit 2004 mit ihr als Teil des Comedytheater-Duos „Lennardt + Lennardt“ auf der Bühne.

Es klingelt. Ich gehe zur Tür und öffne. Draußen steht der Paketbote und begrüßt mich mit: „Guten Morgen. Ein Paket für Lennardt!“ Ich nehme das Paket an und quittiere mit einer Unterschrift. Ich will mich gerade wieder umdrehen, als der Paketbote laut ausruft: „Was ist das denn?“ Ich sehe ihn an und bemerke, dass sein Blick an mir vorbei durch die geöffnete Tür in unseren Eingangsflur fällt. „Davon kriegt man ja Augenkrebs!“

Ich folge seinem Blick und mir wird klar, was er meint. An den Wänden unseres Flurs klebt eine bemerkenswerte Tapete. Auf silbergrauem Untergrund befindet sich ein üppiges, florales Muster.„MEIN BEILEID.“ Die teilweise pastelligen, teilweise kräftigen Farben geben dem Raum einen verspielten, barocken Charakter, der noch durch einen Kronleuchter an der Decke verstärkt wird. Gläserne Perlen und zahllose andere Formen fließen von den kerzenförmigen Lampen herab und brechen und streuen das Licht in alle Richtungen. Natürlich ist der Kronleuchter ein Aufschneider, denn sein tatsächlicher Wert beträgt nur einen kleinen zweistelligen Euro-Betrag und das Glas ist in Wirklichkeit gar keins. „Ich lebe mit drei Frauen zusammen“, entgegne ich dem Paketboten, der immer noch fassungslos in unsere Wohnung starrt. Die Erklärung scheint er zu akzeptieren, denn er nickt und sagt trocken: „Mein Beileid.“ Dann macht er kehrt und ist wieder verschwunden. Hm. Mein Beileid – so habe ich das noch nie gesehen.

Ich bin gerne Töchter-Vater. Ich habe zwei Töchter und eine Frau.SCHÖN IST GESCHMACKSSACHE Und ich liebe es, in einem Haushalt mit drei weiblichen Mitmenschen zu leben. Wenn man mich fragen würde, warum, dann würde ich sagen: „Weil das schön ist!“ Und das meine ich ganz wörtlich. Ich finde meine Mitbewohnerinnen schön und schaue sie gerne an. Ich finde ihre Haare schön, ihre Zähne, ihr Lachen und vieles mehr. Außerdem genieße ich es, schöne Dinge um mich herum zu haben. Ich wäre aber selbst oft nicht in der Lage, die schönen von den fast schönen – mit anderen Worten, den geschmacklosen, kitschigen und peinlichen – zu unterscheiden. Also überlasse ich das meinen Töchtern und meiner Frau, die sich mit schönen Dingen gerne befassen, sie gerne anhäufen und gelegentlich sogar herstellen. Dass das Schöne mitunter Geschmackssache ist, wird durch die Szene mit dem Paketboten eindrucksvoll bestätigt.

Was ich dem Paketboten verschwiegen habe: Ich habe diese Tapete mit ausgewählt. Ja, ich bin gefragt worden. Ich hätte auch „Nein“ sagen können. Habe ich aber nicht!

ÄSTHETISCHE DISKREPANZEN

Es ist nicht immer so, dass wir zu Hause in geschmacklichen Dingen übereinkommen. Auch ich stelle gelegentlich fest, dass meine und meiner Töchter Vorstellungen von „schön“ auseinandergehen.

Ich erlebte es erst kürzlich beim gemeinsamen Spielen. Zum letzten Weihnachtsfest haben wir uns eine Spielekonsole gekauft.LUSTLOS UND GEQUÄLT BEWEGTE ICH DIE PUPPEN. Meine Frau und ich sind keine besonders leidenschaftlichen Brettspieler. Eine Spielekonsole sollte unser Repertoire an gemeinsamen Familienaktivitäten erweitern, so lautete der Plan. Auf dem Wunschzettel unserer Töchter stand ein Tanzspiel, bei dem es darum geht, die Bewegungen eines Vortänzers nachzuahmen und sich anschließend bewerten zu lassen. Nachdem ich am ersten Weihnachtstag Konsole und Spiel vorbereitet hatte, ging es los. Nach der ersten Spielrunde wartete ich als einziger immer noch auf den Spaß. Nach der zweiten überlegte ich, ob man auch Ballerspiele für dieses System bekommen könnte und ob dies moralisch vertretbar sei. Kurzum: Ich fand es schöner, meinen Frauen beim Tanzen zuzuschauen als in einen Wettstreit mit ihnen zu treten.

Bereits in der Vergangenheit gab es Spiele, die mich das Fürchten lehrten: Sämtliche Puppenspiele (sowohl solche mit den schlanken, langbeinigen Puppen, als auch die mit den kleinen, dicken Windelnässern) waren für mich alles andere als „schön“.ICH LESE VOR, OHNE MIR SELBST ZUZUHÖREN. Lustlos und gequält bewegte ich die Puppen und legte ihnen Sätze in den Mund, die wohl von ihnen erwartet wurden. Bei Rollenspielen dagegen muss ich differenzieren: Die, in denen Tiere vorkamen, waren für mich „nicht schön“, aber solche mit Monstern und Menschenfressern stellten für meine Töchter und mich eine akzeptable Schnittmenge dar. Unser Spielehöhepunkt war „Schule“. Ich musste stets einen bösen, ungerechten und inkompetenten Lehrer spielen, der seine Schülerinnen in unangemessener Strenge zu unterrichten versuchte, in den szenetypischen Machtkämpfen jedoch den Kürzeren zog. Meine Töchter quietschten vor Vergnügen. Ich auch. Die Berechtigung zu diesem zweifelhaften Spiel entnahm ich der Tatsache, im wirklichen Leben selbst ein Lehrer zu sein.

Weitere Beispiele für unterschiedliche ästhetische Vorstellungen entdeckte ich auf dem Gebiet der Literatur. Dass Kinderbücher vereinfachen und verniedlichen, kann ich einsehen. Dass ein adressatentypisches Umfeld verwendet wird, ist verständlich. Dennoch war mir die Welt der Feen, Elfen, Connies und Hühner einfach zu süß und zu pink. Seltsamerweise entstanden diese sinnlichen Eindrücke auch bei den Hörbuchfassungen, die lange Jahre den Soundtrack unserer Autofahrten darstellten. Beim Vorlesen ertappte ich mich des Öfteren dabei, dass ich las, ohne mir selbst zuzuhören. Ich verlor einige Male den Handlungsfaden und war mit den Gedanken ganz woanders, mit den Worten aber immer noch im Text. „Interessant“, dachte ich, „dass so etwas überhaupt geht!“ Als ein Freund mir sagte, ihm ginge es ebenso, war ich beruhigt und fühlte mich weniger schlecht.

DAS SCHÖNE UM MICH HERUM

Diese geschlechtsspezifischen Diskrepanzen wiegen jedoch wenig im Vergleich zu dem ästhetischen Gewinn, den ich als Töchter-Vater mache.

Dabei denke ich nicht an die vielen selbstgemalten Kinderbilder, die man als Vater im Laufe der Jahre geschenkt bekommt.EIN ÄSTHETISCHER GEWINN. Die gab es natürlich auch bei mir und es gab sie zahlreich. Ich habe mich immer bemüht, nicht einfach nur „schön“ zu sagen, sondern konkret zu benennen, was mir gefällt. Manchmal benannte ich auch, was mir nicht gefiel. (Ob ich sie damit zu differenzierter Betrachtung und zielgerichtetem Fortschreiten angeleitet habe oder ob sie dadurch lernten: „Es ist nie gut genug!“, das wird die Zukunft zeigen. Ich rechne mit dem Schlimmsten!) Ich denke vielmehr an das, was sich im Laufe der Jahre an Kreativität und Wahrnehmungsfähigkeit von Schönem herausgebildet hat.

Lea zeigt mir ihre Welt durch Comics, die sie seit Jahren gerne zeichnet. In gemeinsamen „Wimmelbildern“ im Comicstil haben wir unsere letzten Sommererfahrungen festgehalten.ICH ERLEBTE, WIE SCHÖN DAS NICHTSTUN SEIN KANN. Sie nimmt mich hinein in die Welt des Designs, sei es im Mode- oder im Einrichtungsbereich. Sie erlaubt mir durch ihre Fotos ungewöhnliche Sichtweisen auf alltägliche Gegenstände. Sie zeigt mir durch ihr handwerkliches Geschick, wie man Gebrauchsgegenstände – zum Beispiel Einkaufstaschen – verschönern kann.

Lilly zeigt mir, wie man mit Sprache spielen und mit Sprachbildern die Welt erfassen kann. Ich lerne, auf wie vielfältige Weise man Freude ausdrücken kann. Ich werde durch ihr Schwärmen aufmerksam auf die Schönheit der Natur und lasse mich daran erinnern, wie sehr man in Büchern versinken kann. Ich erlebe, wie schön das Nichtstun sein kann.

Somit öffnen mir beide die Augen für das Schöne um mich herum, das ich ohne sie übersehen würde.

Es gab eine Zeit, da fand ich es gut, wenn meine Töchter etwas „typisch Jungenhaftes“ getan haben. Ich habe es begrüßt, als unsere ältere Tochter mit zwei Jahren zum ersten Mal gegen einen Ball trat und dabei vor Freude johlte. Ich habe es wohlwollend zur Kenntnis genommen, wenn meine jüngere Tochter mit Autos spielte.BALETT UND KARATETRAINING. Dabei war für mich nicht wichtig, dass ich als Vater nun endlich „Jungenspiele“ spielen konnte. Ihr Verhalten war für mich ein Hinweis dafür, nicht in Rollenklischees hinein zu erziehen. Denn dies war eine große Sorge von mir: bewusst oder unbewusst traditionelle, statische Rollenbilder anzuerziehen. Ich wollte kein Vater sein, der das Süße und Niedliche verstärkt, das Laute und Wilde dagegen als unangemessen disqualifiziert. Später wurde ich an dieser Stelle gelassener, vielleicht auch achtloser. Mir wurde klar, dass das eigene Vorbild viel entscheidender ist als das Lenken der kindlichen Aktivitäten. Wie leben meine Frau und ich unsere Geschlechterrollen? Und vor allem: Erleben unsere Töchter uns beide als gleichberechtigte, mündige Personen, die ihre Bedürfnisse erkennen, artikulieren und auch ausleben? Ich habe später meine Töchter zum Ballett gefahren und zum Reiten. Es gab Karatetraining und die naturwissenschaftliche Profilklasse. Es gab Klavier, Geige und E-Gitarre. Die Frage, was daran nun „jungenhaft“, was „mädchenhaft“ ist, führt ins Leere. Wichtig ist mir, dass unsere Töchter sich ausprobieren und erkennen, was das Ihre ist. Dass dabei vieles Schöne eine Rolle spielt, ist weder männlich noch weiblich: Es ist mein Glück.

THERAPEUTISCHES THEATER

Es war nicht immer alles schön. Die ersten Jahre waren eine große Herausforderung. Auch wenn es keine außergewöhnlichen Erkrankungen oder Schicksalsschläge gab, waren die ersten Elternjahre mühsam. Allein das normale Vatersein war für mich oftmals eine Grenzerfahrung.

Unsere erste Tochter war das, was man landläufig ein „Schreikind“ nennt. Wir kamen einige Tage nach der Geburt aus dem Krankenhaus nach Hause und wollten unseren ersten Tag als Familie in der heimischen Wohnung genießen.KONFRONTATION MIT MEINEN EIGENEN SCHATTENSEITEN. Noch am selben Abend riefen wir wieder in der Klinik an, weil unsere Tochter nahezu pausenlos schrie. Man informierte mich darüber, dass man das Schreien nicht per Telefon abstellen könne und schlug uns vor, zwecks Diagnose vorbeizukommen oder besser: erst einmal abzuwarten, vielleicht eine Kümmelöl-Einreibung vorzunehmen. So geschah es. Vermutlich zeigt diese Episode mehr von der Unerfahrenheit der Eltern als von der Problematik des Kindes.

Aber sie ist typisch dafür, wie ich die ersten Monate erlebte: Als eine dauerhafte psychische und physische Belastung, als permanentes Fragen nach den Ursachen des Schreiens, als ständiges Ausprobieren von Beruhigungsstrategien wie Spazierfahrten, wiegen oder singen. Und in alledem: Konfrontation mit meinen eigenen Schattenseiten. Ich erfuhr, wie hoch mein Aggressionspotenzial und wie gering meine Geduld ist. Die Fälle von Kindesmisshandlungen, von denen man hin und wieder in den Zeitungen liest, erschienen mir in einem ganz anderen Licht.

Letztlich gab es keine heilsame Entdeckung oder schnelle Lösung.KEINE SCHNELLE LÖSUNG. Mit der Zeit erledigte sich das Problem von selbst und heute lebe ich mit einem ausgeglichenen, sanftmütigen Menschen zusammen, dem man die wilden ersten Monate nicht mehr anmerkt.

Unsere zweite Tochter war in den ersten Jahren ein äußerst pflegeleichtes Kind: ruhig, zufrieden, eine gute Schläferin. Als im Kindergartenalter die ersten Trotz- und Wutphasen anfingen, schien uns das ein altersgemäßes Ende dieser ersten ruhigen Phase zu sein. Als die Trotz- und Wutphasen jedoch nicht aufhörten, sondern uns immer wieder an unsere Grenzen brachten, kamen wir ins Nachdenken. Eines Tages waren wir bereit für professionelle Hilfe. Das bedeutet bei zwei pädagogisch ausgebildeten Menschen, die sich für selbstreflektiert und sozialkompetent halten, eine große Überwindung. Ein wertvoller Hinweis der Erzieherin brachte uns schließlich dazu, eine motopädische Therapie in Anspruch zu nehmen, die über vier Jahre währen sollte.

Nun kamen zu den immer noch häufigen Auseinandersetzungen mit Wut, Zorn und Trotz die regelmäßigen Gänge zur Therapie (die meist von meiner Frau übernommen wurden) und allabendliche Bewegungsübungen hinzu. Wenn einen am Ende eines Tages die Kräfte verlassen haben und man die Tochter davon überzeugen soll, 20 Wiederholungen einer Übung durchzuführen, ist das eines nicht: schön. Heute sind wir froh, durchgehalten zu haben. Wir sind dankbar über den wertvollen Hinweis aus dem Kindergarten und die gute und liebevolle Arbeit der Therapeutin. Die Ursache? Es handelte sich um ein KISS-Syndrom und um nicht integrierte frühkindliche Reflexe. Wer mehr wissen möchte, wende sich an seinen Arzt oder Apotheker.

Diese Zeiten mit beiden Kindern haben mir viel über mich gezeigt. Ich habe aber auch gelernt, wie wichtig Durchhalten sein kann und dass selbst ich an Punkte gelangen kann, an denen ich ohne fremde Hilfe nicht weiterkomme.

Außerdem ist noch etwas anderes entstanden. Meine Frau und ich haben uns so oft überfordert, hilflos und kraftlos gefühlt, dass wir gedacht haben: Unsere Erfahrungen müssen wir aus therapeutischen Gründen übertrieben und zugespitzt auf die Bühne bringen, sodass wir und andere darüber lachen können.LACHEN STIFTET VERBUNDENHEIT. Lachen schafft Befreiung und stiftet Verbundenheit: Auch anderen geht es so. So entstand unser erstes Bühnenprogramm „Elternabend“, das wir seitdem mehr als 120-mal gespielt haben. Später kamen noch weitere Programme hinzu und seit mittlerweile acht Jahren machen wir als „Lennardt + Lennardt“ Comedytheater. Die Initiation war das Gefühl: Wir sind als Eltern überfordert. Danke, Kinder!

SOCKEN SIND GANZ SCHLIMM

Wenn ich etwas mit meinen Töchtern unternehme, dann höre ich manchmal: „Danke, Papa, dass du dir Zeit genommen hast!“ Ich erschrecke dann.BEZIEHUNGSZEIT IST WESENTLICH. In dem Moment wird mir klar, wie wichtig gemeinsame Zeit für uns ist und wie selten ich sie mir nehme. Beziehungszeit ist wesentlich, habe ich durch meine Töchter gelernt.

Und die Zeit der Kindheit geht – ach, was – so schnell vorbei. Immer, wenn ich Wäsche mache (was seltener vorkommt, als es jetzt klingt) wird mir dies schmerzlich bewusst. Ich kann immer schlechter die einzelnen Wäscheteile meiner drei Frauen voneinander unterscheiden. Socken sind ganz schlimm, da meine Frau auch jugendlich-bunte Exemplare zu tragen pflegt. Und weil beide Töchter miteinander Kleidungsstücke teilen und auch meine Frau mehr und mehr in die Kleiderschrankgemeinschaft hineinnehmen, gibt es für mich oft nur zwei Stapel: „meins“ und „nicht meins“. Aus Mädchen werden „junge Mädchen“ (die sind nämlich älter als „Mädchen“), aus „jungen Mädchen“ werden „junge Frauen“. So ist das.

Es klingelt. Ich gehe in unseren Eingangsflur, um zu öffnen. An den Wänden unseres Flurs klebt eine bemerkenswerte Tapete. Aber das ist ja bereits bekannt. An der Tür stehen meine drei Frauen, die vom Einkaufen – sie sagen natürlich Shoppen – zurückkommen. Als ich frage: „Was habt ihr mir mitgebracht?“, bekomme ich die Antwort: „Nichts.“ Pause. „Du kannst uns angucken!“

Mache ich. Gerne!

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

„ICH KANN NUR MÄDCHEN!“