Todespuls - Ana Dee - E-Book

Todespuls E-Book

Ana Dee

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Beschreibung

Dieser neue Fall bringt Linda Sventon an ihre persönlichen Grenzen. Ein perfider Mörder treibt sein Unwesen, er tötet Polizisten und behält Körperteile als Trophäen. Linda fällt es schwer, sich auf die Ermittlungen zu konzentrieren, weil ihr ein neuer Kollege zur Seite gestellt wird, der das Team ordentlich aufmischt. Außerdem ist sich Linda nicht sicher, ob Andreas Hold ein doppeltes Spiel spielt oder ob sie ihm vertrauen kann. Er ermittelt sehr unkonventionell und seine Methoden sind eher fragwürdig. Die Jagd auf den Mörder macht auch vor Lindas Privatsphäre nicht halt, und sie wird emotional zurückgeworfen. Wird es Linda und Alex gelingen, den Mörder rechtzeitig zu stoppen?

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Seitenzahl: 269

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Todespuls

Schwedenkrimi

Ana Dee

Inhalt

Anmerkungen

Protagonisten

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Weitere Bücher der Autorin

Impressum

Anmerkungen

Auf das in Schweden übliche Duzen wurde zugunsten der Lesbarkeit verzichtet.

Die Geschichte sowie sämtliche Protagonisten, Institutionen und Handlungen sind in diesem Roman frei erfunden. Ähnlichkeiten mit realen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Wo tatsächlich existierende Orte erwähnt werden, geschieht das im Rahmen fiktiver Ereignisse. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin.

Protagonisten

Linda Sventon – KommissarinLillemor und Elina – Töchter von Linda SventonEbba Löv – Lindas SchwägerinMats Löv – Lindas BruderJörgen Persson – Kollege von Linda SventonAndreas Hold – neues Teammitglied von Linda SventonAlex Berg – FallanalytikerJördis Thomas – PsychologinArwed Jensen – IT-ExperteEva Lunde – TeamkolleginIngmar Lundqvist – Fahrer des AbschleppwagensIsolde Eriksson – Nachbarin von Noah StefanssonWilma Andersson – Einbruchsopfer

1

Lilly verließ das Geschäft und eilte mit ihrer Tochter Emma an der Hand die Straße entlang, bis das Mädchen unvermittelt stehenblieb.

„Mami, ich will aber diese Schuhe.“ Trotzig stampfte sie mit dem Fuß auf den Boden.

„Bist du nicht schon ein bisschen zu alt für dieses kindische Benehmen?“, seufzte Lilly.

„Meine alten Schuhe gehen kaputt.“ Emma hob das Bein. „Hier, siehst du, die Naht ist kaputt.“

„Die Schuhe gab es aber nicht mehr in deiner Größe“, erwiderte Lilly genervt.

„Aber die Verkäuferin hat uns angeboten, sie zu bestellen“, blieb Emma hartnäckig.

„Mädchen, warum musst du mich ausgerechnet jetzt damit nerven? Ich habe einen wirklich anstrengenden Arbeitstag hinter mir“, machte Lilly ihrem Unmut Luft. „Außerdem sind diese Schuhe viel zu teuer. Darüber solltest du auch einmal nachdenken.“

„Oma hat mir Geld gegeben, davon kann ich mir die Schuhe kaufen“, trumpfte Emma auf.

„Das sollten wir lieber aufs Sparbuch für deine Ausbildung einzahlen.“

Lilly war es leid, sich weiter mit den Wünschen ihrer Tochter auseinanderzusetzen. Sie wollte nur noch nach Hause, das Abendessen zubereiten, unter die Dusche und dann ab ins Bett. Das unangenehme Pochen hinter den Schläfen verstärkte sich und sie rieb sich mit der freien Hand müde über die Augen. Emma bettelte und flehte, was das Zeug hielt, doch Lilly ignorierte ihre Tochter. Sie näherten sich der Ampel, die natürlich prompt auf Rot schaltete.

Heute war einfach nicht Lillys Tag. Ungeduldig trat sie von einem Bein aufs andere, während Emma noch immer quengelte.

Endlich schaltete die Ampel auf Grün und Lilly betrat mit Emma die Straße. Gerade als sie die Hälfte des Weges zurückgelegt hatten, hörten sie das laute Motorengeräusch eines heranfahrenden Wagens, der auch noch zu beschleunigen schien. Lilly schaute nach links und sah einen SUV mit überhöhtem Tempo auf die Kreuzung zurasen.

„Emma, lauf!“, schrie sie panisch, doch es war bereits zu spät.

Das Fahrzeug erfasste fünf Personen und schleuderte sie durch die Luft.

2

Lindas Hand zitterte stark, nachdem sie den Anruf entgegengenommen hatte. Das konnte nicht sein, das durfte nicht sein. Geschockt sank sie auf den Stuhl und der Hörer glitt ihr aus der Hand. Die Kollegen vor Ort mussten sich getäuscht haben, anders war es nicht zu erklären.

Wie paralysiert starrte sie auf Jörgens Schreibtisch. Dass dieser Platz von nun an leer bleiben würde, konnte sie nicht begreifen. Ein verhaltenes Klopfen an der Tür stoppte ihre Gedankengänge.

„Linda, wir brechen jetzt zur Unfallstelle auf.“

„Okay, ich komme mit.“

Wie in Trance erhob sie sich und folgte der Kollegin nach draußen.

„Soll ich fahren?“, fragte Eva.

„Ja, bitte …“, hauchte Linda, der es ausgesprochen schwerfiel, sich zusammenzureißen. Noch war sie sich der gesamten Tragweite überhaupt nicht bewusst, noch glaubte sie an einen Irrtum. Die ganze Fahrt über versuchte sie, die Bedeutung dieser Schreckensnachricht zu erfassen, doch es wollte ihr einfach nicht gelingen.

„Linda? Wir sind da.“

„Danke.“

Sie stieg aus und knallte die Autotür hinter sich zu. Das Szenario, das sich ihr bot, hatte es in sich. Schuhe, Taschen, Rucksäcke, Jacken und jede Menge Blut verteilten sich über die Kreuzung, die weiträumig abgesperrt worden war.

„Oh mein Gott …“, stammelte Linda entsetzt. Sie hatte ja schon eine Menge miterlebt, aber dieser Anblick übertraf vieles.

„Fünf Tote, drei Schwer- und sieben Leichtverletzte“, wurde sie von einem Kollegen auf den neuesten Stand gebracht.

Die Kriminaltechniker hatten bereits mit der Arbeit begonnen. Nach der Dokumentation des Unfalls sammelten die Männer die Gegenstände vom Asphalt, um diese zu katalogisieren.

„Ich möchte einen letzten Blick auf Jörgen werfen“, bat Linda.

„Das ist kein schöner Anblick, Jörgen musste freigeschnitten werden“, sagte Eva. „Der Wagen ist über die Kreuzung gerast und anschließend die dahinterliegende Böschung hinuntergeschossen.“

„Ich muss es mit eigenen Augen sehen, sonst ist sein Tod für mich nicht real“, erwiderte Linda und näherte sich der Bahre, auf der ein Leichensack lag. Sie hielt den Atem an, als sie den Reißverschluss öffnete.

Ihren Kollegen in diesem Zustand zu sehen, verschlug ihr die Sprache.

„Er muss unter Einfluss von Barbituraten gefahren sein“, merkte Eva an.

„Jörgen? Niemals!“, widersprach Linda heftig. „Was ist mit seinem Ohr passiert?“

„Das muss durch die Wucht des Aufpralls abgetrennt worden sein“, antwortete Eva.

Linda zog den Reißverschluss wieder zu. Jörgen war bei Rot über die Kreuzung gerast und soll absichtlich fünf Menschen in den Tod gerissen haben. Unmöglich.

Sie schloss für einen Moment die Augen und massierte die Schläfen. Ausgerechnet jetzt fiel er aus, wo sie gerade einen schwierigen Fall zu lösen hatten. Nein, er fiel nicht nur aus, er würde auch niemals wieder an seinen Schreibtisch zurückkehren. Alles aus und vorbei.

Bittere Tränen der Verzweiflung stiegen auf und Linda wandte sich ab, um sich mit dem Handrücken verstohlen über die Augen zu wischen. Als sie wieder klar sehen konnte, entdeckte sie einen fremden Mann in Jeans und Lederjacke, der sich an einem der Tische zu schaffen machte, auf dem die Kriminaltechniker die Beweisstücke aufgereiht hatten, um sie zu nummerieren.

„Hey, was machen Sie da?“, rief sie erzürnt und stürmte in seine Richtung.

„Ich schaue mir die Beweismittel an“, lautete seine knappe Antwort.

„Können Sie sich ausweisen?“, herrschte sie ihn an.

„Andreas Hold, Kriminalpolizei Smedjebacken.“ Er hielt Linda seinen Dienstausweis unter die Nase.

„Und was suchen Sie ausgerechnet hier?“

„Den Polizistenmörder, der seit Wochen sein Unwesen treibt“, antwortete er lakonisch.

„Aber doch nicht an der Unfallstelle“, brauste Linda auf, der es egal war, dass sie diesen Mann gerade als Blitzableiter benutzte. Der Schmerz über den Verlust ihres überaus geschätzten Kollegen ließ sie blind und gefühllos reagieren.

„Sehen Sie diese Schachtel?“, fragte er.

„Was ist damit?“

„In diesen Schachteln werden die abgetrennten Körperteile aufbewahrt“, erklärte der Kommissar aus Smedjebacken.

„Woher wollen Sie das wissen?“

Ihre Frage blieb unbeantwortet, stattdessen untersuchte der Mann ein paar Turnschuhe. Linda erkannte sie auf Anhieb, sie hatten Jörgen gehört.

„Was zum Teufel tun Sie da?“, fragte sie.

„Mir einen Überblick verschaffen. Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich mir den Wagen einmal genauer ansehe?“

Bevor Linda etwas erwidern konnte, eilte der Kommissar mit forschen Schritten voraus und stieg die Böschung hinunter zum Fahrzeug. Dort ging er vor dem rechten Vorderrad in die Hocke und leuchtete mit der eingeschalteten Lampe seines Smartphones hinein.

„Schauen Sie sich das an“, rief er in Lindas Richtung.

Sie kam seiner Aufforderung nach und hockte sich neben ihn.

„Können Sie diese Rillen erkennen?“, fragte er. „Wenn jemand eine Vollbremsung macht, hinterlässt das deutliche Spuren.“

„Das bedeutet demnach …“

„Genau, Ihre Vermutung ist richtig. Ihr Kollege wollte den Unfall unbedingt verhindern.“

„Ich verstehe das alles nicht“, murmelte Linda, die keinen klaren Gedanken fassen konnte.

„Jemand hat diesen Unfall fingiert und Ihren Kollegen mit Betäubungsmitteln zugedröhnt.“

„Woher wollen Sie das wissen? Und selbst wenn, wer soll derjenige sein?“, fragte Linda und zuckte hilflos mit den Schultern. Ihre Welt schien ohne Jörgen auseinanderzubrechen.

„Das müssen Sie herausfinden. Aber alles deutet darauf hin, dass auch hier der Polizistenmörder sein Werk getrieben hat.“

„Was noch bewiesen werden muss“, konterte sie. „Dennoch sind Sie nicht berechtigt, an diesem Tatort Ihr Unwesen zu treiben.“

„Nun ja, was soll ich sagen“, fuhr Andreas Hold fort. „Ich hatte nicht das Gefühl, dass Sie mit der nötigen Hartnäckigkeit diesen Fall verfolgen, und wollte mir selbst einen Überblick verschaffen.“

Diese unverfrorene Arroganz ihres Gegenübers brachte Linda auf die Palme.

„Erstens, woher wussten Sie von dem Unfall? Und zweitens, wie konnten Sie so schnell am Tatort sein? Sind Sie von Smedjebacken nach Ludvika geflogen?“

„Ich hatte in der Gegend zu tun“, lautete die knappe Antwort des Kommissars.

„Aha“, erwiderte Linda frostig und nahm sich vor, diesen Mann sofort zu überprüfen, sobald sie ins Büro zurückgekehrt wäre. „Ein wenig seltsam finde ich das allerdings schon“, fügte sie hinzu.

„Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass ich …“ Er lachte auf.

„Ich habe während meiner gesamten Laufbahn als Kommissarin schon so einige Dinge erlebt“, erwiderte sie.

Hold wurde schlagartig ernst. „Jetzt werden Ihre Anschuldigungen absurd.“

„Das fällt nicht in Ihren Ermittlungsbereich und ich möchte Sie bitten, den abgesperrten Tatort unverzüglich zu verlassen.“

„Sie halten nicht viel von einem Austausch unter Kollegen“, sagte er forsch. „Kein Wunder, dass die Ermittlungsergebnisse auf sich warten lassen.“

Linda platzte der Kragen. „Es reicht! Verschwinden Sie, oder ich werde Beschwerde einlegen.“

Schulterzuckend wandte sich der Kommissar ab, hob das Absperrband hoch und verschwand zwischen den parkenden Fahrzeugen. Eva hatte aus der Ferne das Gespräch mitverfolgt.

„Dreister Kerl“, sagte sie.

„Kennst du ihn näher?“, fragte Linda interessiert.

„Nur vom Hörensagen“, antwortete Eva. „Hold soll Schmiergelder erhalten und unterschlagen haben und ist für einen längeren Zeitraum suspendiert worden. Leider konnte ihm nichts nachgewiesen werden. Als kurz darauf sein Partner ermordet wurde, hat man ihm indirekt die Schuld zugeschoben.“

„Das ist ja mal eine außergewöhnliche Vita. Ich will hoffen, dass sich unsere Wege nicht mehr kreuzen.“

„Kann ich gut verstehen. Andreas Hold ist bekannt dafür, sehr unkonventionelle Ermittlungsmethoden anzuwenden, und auch sonst soll er ein typischer Einzelgänger sein.“

„Gut zu wissen“, antwortete Linda. „Ich halte es für besser, wenn wir wieder ins Büro zurückfahren. Alles fühlt sich so unwirklich an, ich muss mich erst einmal sammeln.“

Auf dem Weg zum Wagen verdrängte sie erneut die aufkommenden Tränen und kämpfte gegen die erdrückende Trauer an. Wie sollte sie die täglichen Aufgaben ohne Jörgen bewältigen? Sie waren ein eingespieltes Team gewesen, hatten sich blind vertraut und bestens verstanden. Sie spürte Evas Hand auf ihrer Schulter.

„Wir sind alle fassungslos und können nicht fassen, was geschehen ist. Außerdem bin ich mir hundertprozentig sicher, dass Jörgen nicht mit Absicht in die Menge gerast ist. Was immer auch geschehen sein mag, er hat versucht zu bremsen.“

„Ja, aber ein Zeuge will gesehen haben, dass Jörgens Wagen vor der Kreuzung extrem beschleunigt hat“, entgegnete Linda. „Auf der einen Seite bin ich froh, dass er verstorben ist, weil er mit dieser Schuld niemals hätte leben können. Aber auf der anderen wünsche ich mir Jörgen an meine Seite zurück.“

Kaum hatte Linda diese Worte ausgesprochen, brachen alle Dämme. Eva öffnete rasch die Autotüren, damit sie einsteigen konnten. Dann reichte sie Linda ein Taschentuch.

„Danke“, schniefte Linda leise. Sie hatte sich keine Blöße geben und erst im stillen Kämmerlein weinen wollen, aber die Gefühle fuhren gerade Achterbahn.

Eva scherte aus der Parklücke, wendete und ließ den Dienstwagen langsam bis zur nächsten Kreuzung rollen.

„Stand hier nicht eben noch ein Abschleppwagen?“, fragte Linda unvermittelt. „Wo ist er hin?“

„Stimmt, jetzt wo du es sagst“, erwiderte Eva. „Ich habe gedacht, dass er angefordert worden wäre, um den SUV abzuschleppen.“

Linda griff zum Funkgerät, um nachzufragen.

„Nein, wir haben keinen Abschleppdienst beauftragt. Dafür ist eine spezielle Firma zuständig, die schon seit Jahren fest mit uns zusammenarbeitet“, lautete die Antwort.

„Und?“ Eva warf ihr einen fragenden Seitenblick zu.

„Ist von den Kollegen nicht angefordert worden“, antwortete Linda.

„Dann ist doch alles in Ordnung“, sagte Eva.

„Da bin ich mir nicht so sicher“, erwiderte Linda.

„Warum? Vielleicht war der Fahrer nur einkaufen oder hat bis zum nächsten Einsatz eine Pause gemacht.“

„Halte mich für verrückt, aber ich will der Sache nachgehen“, sagte Linda und suchte im Internet die infrage kommenden Abschleppdienste heraus. Anschließend rief sie die Nummer an, um sich nach einem Fahrzeug zu erkundigen, das eine Delle in der Beifahrertür hatte. Die Antwort folgte prompt und Linda gab die Suchmeldung an sämtliche Streifenwagen weiter.

„Willst du mir nicht endlich sagen, was dich daran so beunruhigt hat“, fragte Eva.

„Ist dir die Menschentraube rund um die Absperrung nicht aufgefallen? Diese neugierigen Gaffer mit ihren gezückten Kameras?“

„Ja, natürlich sind mir die Leute aufgefallen.“

„Autounfall? Abschleppwagen? Klingelt es jetzt?“ fragte Linda.

„Nicht so richtig.“

„Wundert es dich nicht, dass sich der Fahrer einen möglichen lukrativen Auftrag entgehen lässt?“, half Linda ihr auf die Sprünge.

„Das nenne ich Kombinationsgabe“, erwiderte Eva anerkennend.

„Es muss ja nichts bedeuten, aber ich möchte auf Nummer sicher gehen“, sagte Linda. „Jörgen mit diesem schrecklichen Unfall in Verbindung zu bringen, ist der blanke Horror.“

Mittlerweile hatten sie die Behörde erreicht und stiegen aus.

„Soll ich dir auch einen Kaffee holen?“, fragte Eva.

„Danke, das wäre wirklich nett von dir. Ich glaube, ich muss mich erst einmal sammeln, bevor ich die üblichen Formalitäten in Angriff nehme.“

„Dann bis gleich“, sagte Eva und verschwand in Richtung des Automaten.

Linda drückte die Klinke zum Büro herunter und trat ein. Der Anblick des leeren Schreibtisches überwältigte sie und war kaum zu ertragen. Linda fragte sich, wer wohl Jörgens Nachfolge antreten würde. Sein Tod machte ihr schmerzlich bewusst, wie vergänglich das Leben doch war.

Hör auf damit, dich zu quälen, ermahnte sie sich im Stillen, du brauchst einen klaren Kopf.

„So, da bin ich wieder“, sagte Eva und stellte die Kaffeebecher auf den Tisch. „Ich habe den Boss im Flur getroffen und er hat gemeint, dass ich dir die nächsten Tage zur Hand gehen soll.“

„Das ist eine gute Idee“, antwortete Linda, die sich in dem leeren Büro regelrecht verloren fühlte. Als das Telefon klingelte, zuckte sie zusammen. „Kriminalhauptkommissarin Linda Sventon“, meldete sie sich förmlich und lauschte ihrem Gesprächspartner. Dann legte sie auf.

„Du bist ja ganz blass“, merkte Eva an. „Schlechte Nachrichten?“

„So sieht’s aus. Der Fahrer des Abschleppwagens hat sich mit zwei Streifenwagen eine wilde Verfolgungsjagd geliefert. Bei einem riskanten Überholmanöver ist er gegen einen Baum geprallt und das Fahrzeug hat Feuer gefangen.“

„Hat der Fahrer überlebt?“

„Nein, er ist auf dem Weg ins Krankenhaus verstorben.“

„Was für ein Tag. Dass er sich nicht gestellt hat, spricht nicht gerade für ihn“, sagte Eva.

„Kein schöner Gedanke, falls er nur wegen einer Kleinigkeit ums Leben gekommen sein sollte. Ich habe schon wegen Jörgen eine Menge Schuldgefühle.“

„Glaubst du, dass Jörgen vielleicht Medikamente eingenommen haben könnte?“, fragte Eva.

„Prinzipiell würde ich meine Hand dafür ins Feuer legen, dass er es nicht getan hat. Andererseits kenne ich nicht den Grund für sein Handeln. Aber ich glaube auch nicht, dass ihn jemand auf dem Weg zur Arbeit gekidnappt hat“, antwortete Linda.

„Also fangen wir nach der Konferenz gleich mit der Ermittlungsarbeit an.“

„So ist es. Und bis dahin bin ich auch wieder einigermaßen einsatzbereit“, erwiderte Linda, die fest darauf baute, Jörgens weiße Weste, die einen schwarzen Fleck bekommen hatte, wieder reinwaschen zu können.

Nach dem Abendessen lag Linda in legerer Kleidung auf der Couch und starrte an die Decke. Lillemor war nach diesem grauenerregenden Tag eingesprungen und hatte einen Auflauf aus den Restbeständen – die der Kühlschrank noch hergegeben hatte - in den Backofen geschoben. Das Kilo Käse, das von ihrer Ältesten großzügig darüber gestreut worden war, hatte dem Ganzen wenigstens noch etwas Würze verliehen. Nur Lillemor zuliebe hatte Linda ihre Portion hinuntergeschlungen.

Der melodische Klingelton ließ sie überrascht auffahren. Wer wollte ihr um diese Uhrzeit noch einen Besuch abstatten?

Neugierig linste sie durch den Spion, dann riss sie die Tür auf und fiel Alex um den Hals. Leise schluchzend verbarg sie ihren Kopf an seiner Brust und ließ den Tränen freien Lauf.

Lillemor und Elina kamen neugierig die Treppe heruntergelaufen, aber als sie Alex und ihre Mutter sahen, zogen sie sich diskret wieder in ihre Zimmer zurück.

„Ach Liebes, du glaubst gar nicht, wie leid mir das tut“, raunte er und strich ihr tröstend übers Haar. „Dass es ausgerechnet Jörgen getroffen hat, macht mich sprachlos.“

Erst als die Nachbarin die Tür einen Spaltbreit öffnete, um ihren Voyeurismus zu befriedigen, zog Linda ihn in den Flur.

„Warum bist du hier?“, fragte sie.

„Um dir beizustehen“, lautete seine knappe Antwort.

„Aber woher wusstest du …“

„Mein Kommen hat auch einen beruflichen Hintergrund.“

„Sie haben dich geschickt?“

Er nickte.

„Weil wir mit der Aufklärung dieses Falles nur im Schneckentempo vorankommen?“

„Unter anderem.“

Linda ging ins Wohnzimmer und ließ sich mit einem Seufzen wieder auf das Sofa fallen.

„Ich fühle mich, als hätte ich auf ganzer Linie versagt. Drei tote Streifenpolizisten und ein toter Kommissar. Die tote Beamtin aus Smedjebacken noch nicht dazugezählt. Und von den zusätzlichen Toten, die der Unfall gefordert hatte, will ich gar nicht erst sprechen.“

Alex setzte sich neben sie und streckte seine Beine unter dem Couchtisch aus.

„Wir haben es mit einem ganz besonders perfiden Mörder zu tun, der euch immer einen Schritt voraus zu sein scheint.“

„Danke, du baust mich wirklich auf“, erwiderte Linda resigniert.

„Liebes, denk an die Fälle, die du bereits erfolgreich zum Abschluss gebracht hast. Deine Vita kann sich sehen lassen, bei der Aufklärungsrate liegst du über dem landesweiten Durchschnitt.“

„Ohne Jörgen bin ich nur halb so gut, keine Ahnung, wie ich ohne ihn zurechtkommen soll. Traust du ihm diese Tat zu?“ Sie suchte seinen Blick.

„Diese Frage hast du dir doch bestimmt schon selbst beantwortet“, erwiderte er.

„Ich wollte es dennoch aus deinem Mund hören.“

„Nein. Auf Jörgen konnte man sich hundertprozentig verlassen.“

3

Er stieg die Stufen nach oben und schloss die Wohnungstür auf.

„Hallo Mama“, rief er. „Ich habe dir dein Lieblingsmenü zum Abendessen mitgebracht.“

Nachdem er sich die Schuhe ausgezogen hatte, ging er in die Küche und stellte die Tüte auf der blank polierten Arbeitstheke ab. In der Wohnung roch es aufdringlich nach Lavendel, dem Lieblingsduft seiner Mutter. Sie war etwas kränklich in letzter Zeit und hütete deshalb das Bett.

Er öffnete die Tüte und teilte die Portionen auf. Dann klopfte er an die Zimmertür seiner Mutter und trat ein.

„Ach Mama, du sollst doch nicht so laut Musik hören, die Nachbarn werden sich wieder beschweren.“ Er stellte das Radio leiser und zündete die Lavendelkerzen an, die auf der Kommode standen. „Du möchtest, dass ich dir dein Essen ans Bett bringe? Kein Problem“, sagte er und holte den Teller. „Lass es dir schmecken.“

Während er allein im Esszimmer hastig die Mahlzeit hinunterschlang, checkte er die eingegangenen Nachrichten auf seinem Smartphone. Alles schien bestens zu laufen. Nachdem er gegessen hatte, erhob er sich und stellte den leeren Teller in die Spüle. Dann schaltete er den Fernseher an, um die regionalen Nachrichten zu verfolgen. Die Polizei hatte sich mit einem Fahrzeug eines Abschleppunternehmens eine wilde Verfolgungsjagd geliefert. Leider mit tödlichem Ausgang für den Fahrer.

„Augen auf bei der Berufswahl“, grinste er spöttisch und kehrte ins Zimmer seiner Mutter zurück. „Mama, du musst mehr essen, sonst wirst du nicht gesund.“

Er nahm den Teller, entsorgte die Essenreste im Müll und stellte die Spülmaschine an. Anschließend schnappte er sich den Schlüssel für einen zusätzlichen Kellerraum, den er angemietet hatte. Seine Mutter würde jetzt für eine Weile schlafen und er konnte getrost seinem Hobby nachgehen.

Leichtfüßig lief er die Stufen hinunter und schloss die Tür auf. Er erweckte die Monitore aus dem Schlafmodus und nahm Kontakt zu seiner Community auf. Neuigkeiten wurden ausgetauscht und besprochen, bis man sich wieder auf das eigentliche Thema konzentrierte.

„Wann wird es endlich losgehen?“, fragte ein Mitglied.

„Übe dich noch ein wenig in Geduld“, lautete seine Antwort. „Der Samen ist in der Erde und wir warten gemeinsam darauf, bis er keimt.“

4

Alex studierte aufmerksam die Akten der ermordeten Polizisten. Die Bilder zeugten von grauenvollen Taten, denn die Opfer waren qualvoll verblutet. Dem einen Polizisten war die Hand abgetrennt worden, dem anderen der Fuß, dem dritten hatte er die Augäpfel entfernt und der Beamtin die Kehle aufgeschlitzt. Wahrlich kein schöner Anblick.

Alex wusste, dass Mafiabosse ihre abtrünnigen Mitläufer oder Gegner mit ähnlichen Methoden bestraften. Er ging davon aus, dass sich die Kollegen wahrscheinlich in irgendeiner Weise schuldig gemacht hatten und ein grausamer Racheengel sein Unwesen trieb.

Nachdenklich klappte er seinen Laptop auf, um sich erste Notizen zu machen. Die Bilder waren hart an der Grenze und der Tatort glich einem Schlachthaus. Der Täter ging mit seinen Opfern alles andere als zimperlich um, was auf eine geringe Hemmschwelle zur Gewalt hinwies. Wut und Rache schienen die Komponenten zu sein, die ihn ganz zweifelsfrei antrieben. Aus niederen Beweggründen zu töten, war das eine, aber aus purem Hass das andere.

Die Kriminaltechniker hatten die Wohnung von Ingmar Lundqvist, dem Fahrer des Abschleppwagens, auf den Kopf gestellt und inzwischen für eine offizielle Begehung wieder freigegeben. Nachdem sich Linda einen ersten Überblick verschafft hatte und zurückgekehrt war, suchte Alex ihr Büro auf. Eine Welle des Mitleids erfasste ihn, als er eintrat und sie blass und mit verquollenen Augen hinter dem Schreibtisch sitzen sah.

Sie blickte zu ihm auf und ein gequältes Lächeln huschte über ihr Gesicht.

„Ach Liebes“, seufzte er und zog sie an sich, um sie in den Arm zu nehmen. Sie wirkte so zerbrechlich in seinen Armen und er wusste, dass Linda dieser Fall besonders viel abverlangen würde. Auch er vermisste Jörgen und seine scharfsinnige Kombinationsgabe.

„Wenn es dir jetzt passt, kannst du zur Wohnung von Lundqvist fahren. Ein Kollege wird dich begleiten, um die Tür anschließend wieder zu versiegeln. Nimm dir die Zeit, die du brauchst“, sagte sie. „Er scheint wohl der gesuchte Täter zu sein“, fügte sie hinzu und löste sich aus der Umarmung.

„Soll ich dir auf dem Rückweg eine Kleinigkeit zu essen mitbringen?“, fragte Alex, doch Linda schüttelte den Kopf.

„Danke für dein Angebot, aber ich bekomme momentan keinen einzigen Bissen herunter.“

„Du musst aber bei Kräften bleiben, um den Fall aufzuklären“, ermahnte Alex sie.

„Das sagt sich so einfach. Alles in meinem Inneren scheint blockiert zu sein, selbst das Atmen fällt mir schwer.“

„Und wenn du dir ein pflanzliches Beruhigungsmittel vom Arzt verschreiben lässt?“, fragte Alex.

„Ach, ich weiß nicht so recht. Schließlich brauche ich einen klaren Verstand.“

Er drängte nicht weiter und verabschiedete sich stattdessen mit einem Kuss auf ihre Stirn. „Wir sehen uns später.“

Auf dem Parkplatz wartete bereits Jesper Holm, der Kollege, der ihn zur Wohnung von Lundqvist fahren sollte. Die Männer begrüßten sich per Handschlag und stiegen in den Dienstwagen.

„Verrückte Welt“, eröffnete Jesper das Gespräch. „Wir alle stehen unter großem Druck und haben insgeheim Angst, der Nächste zu sein.“

„Das glaube ich Ihnen aufs Wort“, erwiderte Alex. „Neben der Furcht sät der Täter auch eine Menge Misstrauen.“

„Genauso ist es“, pflichtete Jesper ihm bei. „Uns allen ist schon der eine oder andere Fehler unterlaufen. Aber wir wollen diesen nicht mit unserem Leben bezahlen.“

Jesper setzte den Blinker und bog in eine Nebenstraße, in der sich ein Wohnblock an den nächsten reihte. Vor einem dieser Blocks kam der Wagen zum Stehen.

---ENDE DER LESEPROBE---