Tödliche Rückkopplung - Achim Mehnert - E-Book

Tödliche Rückkopplung E-Book

Achim Mehnert

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Beschreibung

Gefangen in Orn, der Heimatgalaxis der Mysterious, glauben Ren Dhark und die beiden genialen Forscher Margun und Sola, das endgültige Mittel zu Verhinderung weiterer Kriege und Greueltaten gefunden zu haben. Doch dann entsteht eine tödliche Rückkopplung...

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Seitenzahl: 475

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Ren Dhark

Weg ins Weltall

 

Band 29

Tödliche Rückkopplung

 

Jan Gardemann

(Kapitel 1 bis 4)

 

Uwe Helmut Grave

(Kapitel 5 bis 10)

 

Achim Mehnert

(Kapitel 11 bis 16)

 

Ben B. Black

(Kapitel 17 bis 22)

 

und

 

Hajo F. Breuer

(Exposé)

Inhalt

Titelseite

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

20.

21.

22.

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Impressum

Prolog

Ende des Jahres 2065 steht die Menschheit am Scheideweg: Obwohl die Erde wieder auftaut, wurden 36 Milliarden Menschen nach Babylon umgesiedelt und richten sich dort unter der Regierung Henner Trawisheims neu ein. Doch der entwickelt sich in eine Richtung, die gerade den Gutwilligen überhaupt nicht paßt…

Auf der nur noch von ein paar Millionen Menschen bewohnten Erde hat der Wächter Simon drei Personen für das neue Wächterprogramm rekrutiert: Svante Steinsvig, Arlo Guthrie und – Doris Doorn! Die INSTANZ von ARKAN-12 schickt sie nach erfolgter Umwandlung in die Milchstraße. Ihre Aufgabe: Reparatur der defekten Station ERRON-2 und Überwindung der Schranke um Orn, die Heimatgalaxis der Mysterious oder Worgun…

Genau in dieser Sterneninsel machen der ehemalige Rebell Gisol und seine Kampfgefährtin Juanita auf Epoy, dem Ursprungsplaneten der Worgun, eine erschreckende Entdeckung: Eine geheimnisvolle Macht jagt alle Mutanten und versucht, das Volk der Hohen zu einer Gemeinschaft der Dummen hinabzuzüchten. Ihr Bericht bewegt Margun und Sola dazu, einen Notruf abzustrahlen…

Zur gleichen Zeit muß Ren Dhark erkennen, daß sich vieles verändert hat in seiner Heimat: Terence Wallis macht ihm und wenigen Auserwählten das Angebot der relativen Unsterblichkeit! Und auf Babylon hat Henner Trawisheim eine Diktatur errichtet. Er läßt Ren Dhark und seine Getreuen verhaften. Als ihnen die Flucht zurück in die POINT OF gelingt, bleibt auch Dan Riker und seiner gesamten Flotte nur noch die Desertion. Von Trawisheim zu Vogelfreien erklärt, will sich das kleine Rebellenhäufchen auf Echri Ezbals neuer Forschungswelt Wischnu treffen. Doch als er den Notruf von Orn erhält, ist Ren Dhark nicht mehr zu bremsen…

Mit Hilfe des geheimnisvollen goldenen Planeten überwindet er die Schranke um Orn – und erfährt vom vergeblichen Versuch der großen Worgun Margun und Sola, den Frieden in der Galaxis mit Hilfe eines gigantischen Parakraftverstärkers wiederherzustellen. In Ermangelung eines Parabegabten, dessen Kraft man verstärken könnte, macht sich Ren Dhark gemeinsam mit dem ehemaligen Rebellen Gisol auf in einen merkwürdigerweise unbekannten Abschnitt von Orn, in dem ein Volk Parabegabter vermutet wird. Doch statt dessen findet man die Toten eines unbekannten Volkes – und eine Maschine, die fremden Intelligenzen Parabefehle erteilen kann…

In der Milchstraße ersinnt Henner Trawisheim einen perfiden Plan, um seine Umfragewerte zu verbessern: Er reaktiviert das Flottenschulschiff ANZIO und schickt es mit einem Fernsehteam an Bord auf eine Ausbildungsreise. Doch die Kandidaten wurden nicht nach Eignung, sondern nach Schönheit ausgesucht – und der gejagte Dan Riker muß die Bewohner einer unabhängigen Kolonialwelt vor einer Kampfgruppe des Diktators von Babylon beschützen…

1.

Das Heulen der Sirenen hallte eindringlich über die Dächer der Kleinstadt Millfort hinweg. Ferner Feuerschein färbte den grauen Morgenhimmel rot; Rauchsäulen stiegen an mehreren Stellen senkrecht in die windstille Atmosphäre empor.

Dan Riker rieb sich mürrisch über die Bartstoppeln. Wie immer, wenn er erregt war, hatten sich auch jetzt hektische Flecken auf seinem vorspringenden Kinn gebildet. Den Blick auf die in der Ferne schwelenden Brände gerichtet, legte er seiner Frau Anja schützend einen Arm um die Schultern. Dann sah er mit finsterer Miene zu den Ringraumern hinauf, die über Millfort kreuzten. Die unitallblauen Hüllen der Schiffe vom 180-Meter-Typ hoben sich undeutlich vor dem dämmrigen Morgenhimmel ab. Drohend schwebten sie dicht über die Häuser hinweg.

Es war nicht auszuschließen, daß der Befehlshaber des kleinen Verbandes erneut Befehl zum Feuern gab und weitere Gebäude in Schutt und Asche legte.

Riker war vor kurzem als Konteradmiral der Terranischen Flotte mit seinem kompletten Spezialverband desertiert, weil er das diktatorische Gehabe Henner Trawisheims nicht länger billigen und unterstützen wollte. Riker erkannte Schiffe der TF daher sofort, wenn er welche vor sich hatte. Für ihn bestand kein Zweifel, daß die drei Ringraumer, die plötzlich über Millfort aufgetaucht waren, der kleinen und doch größten Stadt auf dem Planeten Maximilian, von Trawisheim geschickt worden waren.

Fröstelnd schmiegte sich Anja an seine Seite. Die beiden waren nur in Morgenmäntel gekleidet, die sie sich hastig übergestreift hatten, nachdem die Alarmsirenen sie aus dem Schlaf gerissen hatten. Die blonde Frau, deren erotische Figur von dem eng um ihre Taille geschlungenen Gürtel deutlich betont wurde, machte sich über die Herkunft der Ringraumer ebenfalls keine Illusionen. In diesem Fall benötigte sie nicht einmal ihre Kenntnisse als ehemalige Chefmathematikerin der GALAXIS, um sich auszurechnen, warum die Schiffe gekommen waren.

»Es muß bis nach Babylon durchgesickert sein, daß wir uns auf diesem Tarnitgräberplaneten aufhalten, Dan.«

»Wer sollte die geheime Information denn nach Babylon weitergegeben haben?« Die Frau, die dies sagte, hieß Gaby Nilges. Sie drückte Maximilian, ihren dreizehnjährigen Sohn, noch enger an sich. »Sie haben doch so viel Gutes für die hier lebenden Schürfer getan. Wer wäre denn so undankbar, Sie jetzt an Trawisheim zu verraten?«

Zusammen mit ihrem Mann Wulf Nilges stand Gaby neben den Rikers. Der Alarm hatte das Ehepaar genauso unvorbereitet getroffen wie ihre Gäste Dan und Anja. Bevor sie aus der am Stadtrand liegenden Villa in den Vorgarten hinausgestürmt waren, hatten auch sie sich hastig Morgenmäntel übergestreift. Gabys kurzes blondes Haar war zerwühlt und ihr Gesicht gerötet. Doch ihr Mann wirkte trotz der eher privat anmutenden Garderobe noch immer wie ein gestandener Geschäftsmann. Der Entdecker und Besitzer dieser Welt war knapp über fünfzig. Sein kurzes volles Haar hatte einen leichten Graustich, und der Blick seiner grauen Augen war wachsam und konzentriert.

»Manche Menschen tun alles, wenn Ihnen nur genügend Geld geboten wird, um ihr Gewissen zum Schwiegen zu bringen«, sagte er.

»Vielleicht hat ein Mitarbeiter der Storn Bros. Bank Lunte gerochen«, erwiderte Gaby. »Diese Verbrecher, die dir deinen Planeten und die GWM Corporation wegnehmen wollten, sind sicherlich mißtrauisch geworden und haben sich Gedanken gemacht, wie es geschehen konnte, daß du hinter ihre Machenschaften gekommen bist.«

Nilges schüttelte den Kopf. »Die Rikers haben ihre Aktionen bestens getarnt durchgeführt. Nur sehr wenige Menschen wissen, daß sie es waren, die die finsteren Machenschaften unserer babylonischen Geschäftspartner aufgedeckt haben.«

»Dad!« rief Maximilian plötzlich. »Dein Vipho klingelt!«

Nilges horchte auf. »Du hast recht«, sagte er und tätschelte den Kopf seines Sohnes anerkennend. »Du hast ein ausgezeichnetes Gehör, mein Junge.«

Er eilte zurück in die Villa, um den Anruf entgegenzunehmen. Maximilian lächelte stolz. Die Furcht war plötzlich aus seinem Knabengesicht gewichen.

»Machen wir uns bereit«, sagte Dan mir rauher Stimme und ließ Anja los. »Ich schätze, es liegt ein harter Arbeitstag vor uns.«

*

Als die Rikers auf dem Weg in ihr Gästezimmer das schlicht eingerichtete Wohnzimmer der Nilges’ durchquerten, wandte sich der Hausherr kurz von dem an der Wand befestigten Vipho ab und winkte seine Gäste zu sich heran.

Auf dem kleinen Holoschirm des Gerätes war das mürrisch dreinblickende Gesicht eines bärtigen Mannes zu sehen, das unter dem Schatten eines gepflegt aussehenden Cowboyhuts lag.

»Mr. Crosty, der Sheriff von Millfort ist am Apparat«, erklärte Nilges. »Die Ringraumer haben einige der am östlichen Stadtrand liegenden Lagerhallen in Brand geschossen. Neben zwei Materiallagern mit neuen Ausrüstungsgegenständen für die Minenbesitzer steht auch ein Lebensmitteldepot in Flammen.«

Riker nickte bedächtig. »Ich habe es mir gleich gedacht. Diese Aktion zielt darauf ab, die Bewohner der Stadt einzuschüchtern.«

»Gab es Opfer?« fragte Anja.

Der Sheriff, der die Frage ebenfalls vernommen hatte, nickte bedauernd. »Die Feuerwehr hat bisher drei Leichen geborgen«, drang seine Stimme aus dem Apparat. »Es handelte sich um Männer, die die Lagerhallen bewacht haben. Darüberhinaus scheint der Angriff bisher jedoch glimpflich abgelaufen zu sein.«

Nilges drehte sich zu seiner Frau und seinem Sohn um. »Maximilian! Schalte das Radio ein. Sheriff Crosty meint, die Angreifer senden auf allen Hauptfrequenzen eine Nachricht.«

Während sich der Junge an der modernen Musikanlage zu schaffen machte, beendete Nilges das Gespräch mit dem Sheriff.

Im selben Moment, da er die Verbindung unterbrach, erwachten die im Zimmer verborgenen Lautsprecher zum Leben.

»… spricht Oberst Harris, Befehlshaber des Ringraumerverbandes der Babylonischen Flotte. Ich fordere die Planetenverwaltung auf, den Deserteur Dan Riker, der sich nachweislich in dieser Stadt aufhält, unverzüglich auszuliefern. Sollte dieser Aufforderung nicht nachgekommen werden, habe ich Befehl, zu drastischen Maßnahmen zu greifen. Es liegt also in Ihrem eigenen Interesse, den Verräter an uns zu überstellen. Riker ist des Hochverrates angeklagt.« Er legte eine Kunstpause ein und fuhr dann fort: »Jeder, der ihm Unterschlupf oder Hilfe gewährt, macht sich strafbar.«

Ein leises Knacken und Rauschen war zu vernehmen. »Hier spricht Oberst Harris, Befehlshaber…« Maximilian schaltete den Empfänger aus, nachdem sein Vater ihm dies mit einem Wink befohlen hatte.

»Es ist also wahr«, sagte Gaby und verschränkte die Arme vor der Brust. »Jemand hat dem Diktator verraten, daß sich die Rikers auf Maximilian aufhalten!«

»Hast du gehört?« fragte Anja ihren Mann. »Dieser Oberst hat von der Babylonischen Flotte gesprochen, nicht aber von der Terranischen. Offenbar hat Trawisheim seine Streitkräfte umbenannt.«

Dan verengte die blauen Augen konzentriert zu schmalen Schlitzen. »Ein untrügliches Zeichen dafür, daß sich die Kluft zwischen Terra und Babylon noch vergrößert hat. Irgend etwas muß in der Zwischenzeit vorgefallen sein, so daß Trawisheim sich genötigt sah, sich noch deutlicher von der Erde abzusetzen.«

Betrübt schüttelte Anja den Kopf. »Wo soll das nur alles noch hinführen?«

»Was sollen wir denn jetzt unternehmen?« fragte Nilges. »Es kommt für mich überhaupt nicht in Frage, Sie auszuliefern, Dan. Ich muß jedoch zu bedenken geben, daß wir hier auf Maximilian keine Waffen haben, die wir den Ringraumern entgegensetzen könnten.«

»Lassen Sie das nur meine Sorge sein, Wulf«, erwiderte Riker. »Kümmern Sie sich darum, daß mir der Rücken freigehalten wird. Alles weitere werde ich selbst in die Hand nehmen.«

Riker wandte sich ab und strebte auf den Korridor zu, der zu ihrem Gästezimmer führte. Anja folgte ihm.

Schon von weitem vernahm er das Signal der beiden Armbandviphos, die sie auf dem Nachttisch liegengelassen hatten.

»Laß mich das klären!« rief er Anja zu, stieß die Tür auf, durchquerte das Zimmer mit wenigen Schritten und schnappte sich sein Vipho.

»Hier spricht Sharp«, drang die markige Stimme des Kommandanten der NARVIK aus dem Gerät, nachdem Riker die Empfangstaste berührt hatte. »Sicher haben Sie es schon bemerkt, Konteradmiral. Ein Verband aus drei Ringraumern hat Maximilian vor wenigen Minuten angeflogen und ist über der Stadt Millfort aktiv geworden. Dies ist eine Routineanfrage. Wenn Sie nicht antworten, gehe ich wie besprochen nach dem Standardverfahren vor.«

Ohne die Ruftaste zu betätigen, legte Riker das Gerät auf den Nachttisch zurück.

Anja, die vor das Fenster getreten war und hinausspähte, rief plötzlich: »Einer der Ringraumer hat sich soeben aus dem Verband gelöst und rast Richtung Weltall davon!«

Riker nickte zufrieden und streckte die Hand nach seiner Frau aus. »Komm«, sagte er und deutete mit einem Kopfnicken zum angrenzenden Badezimmer rüber. »Uns bleiben noch ein paar Minuten, um uns frischzumachen. Ich schätze, wir werden heute noch eine Menge Maximilianstaub schlucken müssen.«

Anja seufzte, öffnete ihren Morgenmantel – und grinste dann geschmeichelt, weil das Gesicht ihres Mannes plötzlich einen verträumten Ausdruck angenommen hatte, während er ihren aufregenden Körper betrachtete.

»Es ist ein Jammer, daß all deine Urlaubstage, die dir noch zustanden, verfallen sind, als du desertiert bist«, bemerkte sie. »Wer weiß, wann die Zustände es uns ermöglichen, daß wir mal wieder ein paar Tage nur für uns haben.«

*

»Commander! Der Bordrechner hat soeben einen Funkspruch mit verdächtigem Inhalt gemeldet.« Erich Nolte, der Erste Funker der LANCASTER, drehte sich auf seinem Stuhl zu Oberst Harris um. »Die Worte Sharp und Konteradmiral kamen in der Nachricht vor. Sie wurde auf Viphofrequenz gesendet.«

Der Befehlshaber des Verbandes saß mit überkreuzten Beinen auf dem Kommandantensessel und kaute angespannt auf seiner Unterlippe herum. Das lockige Haar des Mannes war graumeliert und für seine knapp sechzig Jahre noch erstaunlich dicht. Harris hatte eine große, breite Nase, und seine Wangen waren von auffälligen Narben verunziert.

Harris warf dem schlanken Mann in der roten Uniform, der mit hinter dem Rücken verschränkten Armen neben ihm stand, einen verstohlenen Seitenblick zu. Verdammter Politoffizier, dachte er voller Verachtung und betrachtete den Mann abschätzig.

Dieser starrte mit seinen stechenden blauen Augen angestrengt zur Bildkugel hinüber und schien dem Kommandanten keine Beachtung zu schenken. Das blonde Haar war zurückgekämmt und lag dicht am Kopf an, wodurch die hohe Stirn noch kahler wirkte, als sie in Wahrheit war.

»Sagen Sie mir, wo die Nachricht abgesendet wurde, Nolte«, rief Harris dem Ersten Funker zu.

»Tut mir leid, Commander. Dafür war sie zu kurz. Die Quelle konnte nicht angepeilt werden. Da auf die Nachricht nicht geantwortet wurde, wissen wir auch nicht, wo sich der potentielle Empfänger befindet.«

»Diese Nachricht könnte darauf hindeuten, daß sich Rikers Verband in der Nähe aufhält«, sagte der Politoffizier übergangslos.

Oberst Harris gab einen mürrischen Laut von sich und zog die Stirn in Falten. »Während des Anflugs wurde das System gründlich durchgeortet, Dessoir«, sagte er. »Bis auf zwei Handelsschiffe konnten wir keine fremden Raumer in der Nähe von Maximilian orten.«

Der Offizier in der roten Uniform zog eine Augenbraue in die Stirn. »Ich glaube kaum, daß Riker den Kommandanten seines Flaggschiffs auf Maximilian agieren läßt, wenn er sich selbst auf dem Planeten aufhält. Sharp befindet sich mit Sicherheit an Bord der NARVIK. Das Schiff muß hier irgendwo in der Nähe sein!«

»Nolte!« rief Harris übellaunig. »Geben Sie einen Befehl an die BRISTOL durch. Jogtur soll augenblicklich hinaus ins Weltall fliegen und das System noch einmal mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln durchorten. Sieht aus, als wäre uns während des Anfluges etwas entgangen!«

Der Funker machte sich unverzüglich daran, den Befehl auszuführen.

»Trawisheim sollte die Flotte technisch auf den neuesten Stand bringen«, sagte Harris mürrisch, als würde er mit sich selbst reden. »Die Schiffe von Rikers Verband sind älteren Modellen wie unserer LANCASTER, der BRISTOL und der BEAUFORT haushoch überlegen. Kein Wunder, wenn wir diese hervorragend getarnten Schiffe nicht aufspüren können.«

»Die Umstände erlauben zur Zeit keine kostspielige Modernisierung der Babylonischen Flotte«, entgegnete Dessoir mit unterkühlter Stimme, ohne den Blick von der Bildkugel abzuwenden. »Es kommt jetzt auf die Fähigkeit und die Loyalität eines jeden einzelnen an.«

»Jedes Schiff mit drei Politoffizieren zu bestücken, dafür hat der Rüstungsetat dann aber anscheinend doch noch genug Geld hergegeben, nicht wahr, Dessoir?«

Der Kopf des Angesprochenen ruckte herum. »Die Politoffiziere sind an Bord, um die Loyalität der Mannschaft zu festigen und ihr Leistungsniveau anzuheben, Harris. Diese Maßnahmen sind momentan wichtiger als die Installation irgendeines technischen Schnickschnacks!«

Harris sprang plötzlich auf. »Die Bildkugel!« rief er alarmiert.

Dessoir Kopf ruckte erneut herum. Augenblicklich nahm er eine abwehrende Haltung ein. »Die Bildkugel ist dunkel. Was hat das zu bedeuten?«

»Das bedeutet, daß uns weder unsere Loyalität noch unser Können davor bewahrt haben, in eine Falle zu tappen, Dessoir!«

»Wie soll ich das verstehen?«

»Wir sitzen fest. Riker hat uns mit seinen Schiffen in der Mangel!«

»Es sind nicht seine Schiffe«, ereiferte sich der Politoffizier. »Der Riker-Verband ist Eigentum von Babylon. Wenn wir den Kopf dieser Verschwörerbande erst gefaßt haben, werden die anderen einsehen, daß sie sich auf die falsche Seite geschlagen haben und sich der Regierung unterordnen.«

Harris lächelte säuerlich. »Momentan sieht es nicht so aus, als wären wir in der Lage, Riker zu verhaften.«

»Dann sehen Sie zu, daß Sie den Spieß umdrehen, Harris. Beweisen Sie Commander Trawisheim Ihre Loyalität.« Er trat dicht an die Seite des Kommandanten und sagte mit gefährlich gesenkter Stimme: »Das würde Ihre Familie sicherlich auch zu schätzen wissen.«

*

Mehr als eine Katzenwäsche hatte Riker sich nicht gegönnt. Während Anja noch unter der Dusche stand und ihren perfekten Körper einseifte, hatte sich der Konteradmiral bereits ins Schlafzimmer begeben und kleidete sich an. Zuletzt streifte er den langen Staubmantel über und setzte den Hut mit der ausladenden Krempe auf. Diese Kleidungsstücke, die er getragen hatte, als er die Identität von Daniel angenommen hatte, um im Auftrag des Nogk-Herrschers Charaua herauszufinden, warum die Tarnit-Förderung auf Maximilian ins Stocken geraten war, waren frisch gereinigt und vom Steppenstaub befreit.

Riker legte das Armbandvipho an und verließ das Haus. Schließlich blieb er zwischen den Trockensträuchern im Vorgarten stehen und hielt nach den Ringraumern Ausschau.

Lange mußte er den Himmel nicht absuchen, um herauszufinden, wo die beiden im Luftraum zurückgebliebenen Schiffe der Babylonischen Flotte abgeblieben waren. Sehen konnte er die Ringraumer allerdings nicht. Sie wurden von drei riesigen Ikosaederschiffen vollständig verdeckt, die einen engen Ring um die Babylon-Schiffe gezogen hatten.

Der Konteradmiral lächelte zufrieden. Das von Sharp erwähnte Standardverfahren war ganz offensichtlich erfolgreich verlaufen. Die drei gewaltigen Ikos umlagerten die Ringraumer so dicht, daß in den Bildkugeln der beiden gefangenen Schiffe wohl nur noch Dunkelheit zu sehen war.

Über der Formation schwebten vier Ovoid-Ringraumer, um zu verhindern, daß die babylonischen Raumschiffe ins Weltall ausweichen konnten. Die kolossale Konstellation, die da über der Kleinstadt schwebte, bot einen überwältigenden, doch nicht minder bedrohlichen Anblick.

Da bemerkte Riker am Firmament drei weitere Ovoid-Ringe. Sie gewannen rasch an Höhe und wurden von dem merklich heller gewordenen Morgenhimmel schließlich verschluckt. Die Kommandanten dieser Schiffe hatten den Auftrag, den Ringraumer abzufangen, den Harris ins All geschickt hatte, um nach Rikers Verband Ausschau zu halten.

Die gesuchten Schiffe hatten sich jedoch gar nicht im Leerraum aufgehalten. Statt dessen war der gesamte Verband, in Intervallfelder gehüllt, im Planeteninnern verborgen gewesen. Dank ihrer modernen Tarntechnologie hatten die Schiffe von den älteren 180-Meter-Raumern nicht geortet werden können.

»Saubere Leistung«, murmelte Riker, der wußte, daß sich die übrigen fünf Ovoid-Ringraumer seines Verbandes im Boden dicht unter der Stadt befanden. Auch diese Fluchtrichtung war den Babylon-Schiffen somit verbaut.

Riker aktivierte sein Armbandvipho und wählte Michael Sharp an. Zur Geheimhaltung bestand nun kein Anlaß mehr.

Die Verbindung kam augenblicklich zustande. Das von schwarzen, streichholzlangen Haaren gekrönte Gesicht eines kräftig gebauten Mannes erschien auf dem kleinen Holoschirm.

»Riker – es freut mich, daß Sie wohlauf sind!« Sharps Miene drückte Erleichterung und Freude aus. Trotzdem lag in seinen stahlblauen Augen ein aufmerksamer, konzentrierter Ausdruck. »Ist Ihre Frau ebenfalls unversehrt geblieben?«

Riker nickte. »Danke der Nachfrage, Sharp. Harris wußte offensichtlich nicht, wo genau wir uns befinden. Er hat aufs Geratewohl irgendwelche Lagerhallen beschießen lassen.«

Sharp nickte. »Dieses Vorgehen läßt zumindest hoffen, daß dieser Mann nicht halb so skrupel- und verantwortungslos ist, wie man es von einem Militär, der für einen Diktator arbeitet, vielleicht erwartet.«

»Warten wir’s ab. Trawisheim scheint jedenfalls nichts dazugelernt zu haben. Wir können von Glück reden, daß er die drei Ringraumer, die er uns auf den Hals hetzte, nicht mit der allerneusten Ortungstechnik ausstatten ließ. In diesem Fall hätte dem Verband die moderne Tarnung nämlich nicht besonders viel genützt.«

»Hätte es irgendwelche Anzeichen dafür gegeben, daß wir im Planeteninnern von den babylonischen Ringraumern aufgespürt worden wären, wäre ich sofort ins All ausgewichen, um diese Welt nicht zu gefährden.« Sharp lachte rauh. »Ich glaube, die POINT OF ist das einzige altgediente Schiff, das unsere Tarnsysteme knacken kann. Dharks Raumer ist nicht nur weiterentwickelt als alle von Menschenhand gebauten Ringraumer – das Schiff wird außerdem auf Kosten der Wallis-Stiftung laufend modernisiert. Etwas Vergleichbares scheint der Commander der Planeten für seine Flotte nicht einmal ansatzweise in Erwägung zu ziehen.«

Riker schüttelte den Kopf. »Ich verstehe Trawisheim einfach nicht. Er ist ein Cyborg. Doch er handelt nicht wie ein Mensch, dessen körperliche und geistige Leistungsfähigkeit durch bionische Implantate gesteigert wurde.«

»Diktatoren werden für gewöhnlich von Habgier und Machthunger geleitet«, sagte Sharp lapidar. »Wer derartige Prioritäten hat, verliert anscheinend irgendwann den Bezug zur Realität, egal wie hoch sein Intelligenzquotient auch sein mag.«

»Gibt es einen Hinweis, wer meinen Aufenthaltsort an Babylon verraten haben könnte?« wechselte Riker das Thema. Er war es leid, sich über Trawisheim den Kopf zu zerbrechen.

»Wir hatten noch keine Zeit, uns darum zu kümmern. Der Kreis der Infragekommenden dürfte jedoch nicht allzu groß sein.«

Riker nickte gedankenversunken. »Wer immer mich verraten hat, wird sich momentan vermutlich nicht besonders wohl in seiner Haut fühlen. Nun, da die Aktion, mich dingfest zu machen, gescheitert ist, muß die Person fürchten aufzufliegen.«

»Wie sollen wir mit den festgesetzten Babylon-Schiffen verfahren, Konteradmiral? Harris läßt uns bereits anfunken. Offenbar will er verhandeln.«

»Erklären Sie ihm, daß ich seine Kapitulation erwarte«, sagte Riker. »Halten Sie ihn eine Weile hin, bis ich meinen Standort gewechselt habe und mich wieder bei Ihnen melde. Ich möchte persönlich mit diesem Mann sprechen, um mir ein Bild von ihm zu machen.«

»Verstanden. Bis später dann.«

Sharp unterbrach die Verbindung, und Riker kehrte in die Villa der Nilges zurück. Der Hausherr stand schon wieder vor dem Vipho. Den Satzfetzen nach zu urteilen, die Riker aufschnappte, sprach er mit einem Angestellten der Stadtverwaltung.

Die Besitzer der zerstörten Lagerhallen hatten sich offenbar zusammengetan und forderten von der Stadt nun Schadensersatz. Ihrer Meinung nach wurden ihre Betriebe zerstört, weil man einem Deserteur auf Maximilian Unterschlupf gewährt hatte.

Nilges ließ vorsichtig durchblicken, daß er bereit wäre, mit den Geschäftsleuten zu verhandeln. Währenddessen gab er Riker mit einer lässigen Geste zu verstehen, daß er sich wegen dieser Geschichte keine Gedanken zu machen brauche. Er deutete in das angrenzende Eßzimmer und nickte auffordernd.

Riker, der nicht das geringste Verlangen verspürte, sich in diese Angelegenheit einzumischen, schlenderte in den angrenzenden Raum hinüber.

Maximilian saß bereits am Tisch. Er kraulte eine Albinoechse, die auf seinem Schoß kauerte.

»Die Frauen sind in der Küche«, sagte der Junge, als er zu Riker aufblickte. »Sie machen Frühstück.«

Das Rumoren und Schnattern, das aus der Richtung der Küche drang, war nicht zu überhören.

»Ich schäme mich so sehr«, hörte Riker Gaby sagen, während er sich der Küche näherte. »Sie und Ihr Mann – Sie haben so viel für die Bewohner dieses Planeten getan. Und wie danken es Ihnen die Leute? Sie verraten Sie an einen Diktator! Ich finde das in höchstem Maße beschämend.«

»So sind die Menschen eben«, erwiderte Anja. »In jeder Herde gibt es schwarze Schafe. Sie sollten sich das nicht zu sehr zu Herzen nehmen, Gaby.«

»Dieses schwarze Schaf gehört vermutlich zum engeren Umfeld meines Mannes«, erwiderte Gaby. »Die Person muß unbedingt entlarvt und bestraft werden!«

Riker klopfte an die offenstehende Tür, um sich den beiden schwerbeschäftigten Frauen bemerkbar zu machen.

»Wir müssen aufbrechen, Anja«, sagte er, nachdem die beiden sich ihm zugewandt hatten. »Es wäre zu gefährlich, wenn wir noch länger hierblieben.«

Gaby preßte verbittert die Lippen aufeinander und nickte dann gefaßt. »Sehen Sie, Anja. Ihr Mann sieht die Sache ähnlich wie ich. Sie sind bei uns nicht mehr sicher, weil es in unserem Umfeld einen Verräter gibt.«

»Sie mißverstehen meinen Mann«, stellte Anja richtig. »Wir können Ihre Gastfreundschaft nur deswegen nicht länger in Anspruch nehmen, weil unsere Anwesenheit Ihre Familie in Gefahr bringen könnte. Wenn die Leute, die uns jagen, erfahren, daß wir uns in dieser Villa aufhalten, könnten das für Sie und Ihre Lieben ziemlich ungemütlich werden.«

»Aber die Schiffe aus Babylon wurden von Ihnen doch festgesetzt«, wandte Gaby ein.

»Die Lage könnte sich jederzeit ändern«, erwiderte Riker.

Gaby nickte beklommen. »Verstehe. Aber zum Frühstück werden Sie doch wohl noch bleiben, oder?«

Die Rikers tauschten einen raschen Blick.

»Eine kleine Stärkung wird uns sicherlich guttun«, sagte Anja zu der Hausherrin. »Anschließend müssen wir aber aufbrechen. Wir wollen Ihre Familie nicht noch tiefer in diese Sache verstricken.«

*

Nilges hatte den Rikers einen Sandrover aus seinem kleinen Fuhrpark überlassen. Diese benzinbetriebenen, aus Rohrgestellen gefertigten offenen Fahrzeuge wurden in einem Werk der GWM-Corporation hergestellt und waren mit ihren breiten Ballonreifen und dem Fahrwerk mit den extralangen Federwegen den Verhältnissen auf Maximilian bestens angepaßt.

Die Sonne stand knapp über dem Horizont, als das Ehepaar mit dem Sandrover aufbrach. Die Schatten der Häuser waren lang und tiefschwarz; Morgendunst, der rasch wieder verflog, stieg aus den Gärten und von den Hausdächern empor. Noch immer war es windstill; die Kugelbüsche, die in der Nacht aus der Steppe in die Stadt geweht worden waren, lagen dort, wo die letzte Bö sie zurückgelassen hatte. Das bizarre Gestrüpp mutete wie zusammengeigelte Kobolde an, die sich, als sie müde geworden waren, kurzerhand zum Schlafen hingelegt hatten, wobei es ihnen egal war, ob sie sich gerade mitten auf einer Straße, auf einem Platz oder einer Treppe aufhielten.

Wie die anderen Autofahrer auch, die an diesem frühen Morgen auf den Straßen unterwegs waren, so machte auch Riker kein Aufhebens darum, wenn vor ihm ein Kugelbusch auftauchte. Das elastische Buschwerk rollte einige Meter beiseite, wenn der Stoßfänger aus Rohrgestell es aus dem Weg prellte, und blieb dann unbeschädigt liegen.

Den Rikers fiel auf, daß die meisten Fahrzeuge vollbesetzt waren und sich auf den Ladeflächen Koffer, Kisten und Pakete stapelten. Der Angriff durch die 180-Meter-Ringraumer hatte etlichen Familien offenbar so viel Angst eingeflößt, daß sie es vorzogen, die Stadt zu verlassen.

Die schräg einfallenden Sonnenstrahlen hätten Riker während der Fahrt unweigerlich geblendet, wenn er seinen Hut nicht tief in die Stirn gedrückt hätte. Anja, die das satellitengestützte Navigationsgerät im Auge behielt, gab ihrem Mann Anweisungen, wenn sie abbiegen oder sich für den Arm einer Straßengabelung entscheiden mußten.

Nach einer halbstündigen Fahrt erreichten sie endlich den östlichen Außenbezirk der Stadt. Die Feuer in den in Brand geschossenen Lagerhallen waren von der Feuerwehr inzwischen weitgehend unter Kontrolle gebracht und gelöscht worden. Die in den wolkenlosen Himmel aufsteigenden Rauchsäulen waren merklich dünner geworden. Das gesamte Stadtgebiet lag jedoch im Schatten der bewegungslos am Himmel schwebenden Raumschiffe, was die Szenerie ungemein bedrohlich erscheinen ließ.

Weil ein querstehender Löschzug die Fahrbahn blockierte, scherte Riker mit dem Sandrover auf den verlassenen Gehweg aus und fuhr langsam an dem grellrot lackierten Fahrzeug vorbei. Der Löschzug hatte einen enormen Wassertank, der von sechs Achsen getragen wurde. An dem Tank waren etwa ein Dutzend Schläuche angeschlossen, die wie dicke träge Schlangen von dem Fahrzeug weg auf das zerstörte Gebäude zuführten, vor dem der Löschzug stand.

Von der Lagerhalle war nur noch eine verkohlte eingefallene Fassade geblieben. Das Dach des Gebäudes war eingestürzt; zwischen den verbogenen Streben wallten Rauchwolken empor.

Ein Feuerwehrmann war beim Löschzug zurückgeblieben. Er winkte unwirsch mit einer Kelle, um Riker zu bedeuten, sich mit seinem Sandrover rasch zu entfernen. Feuer zählte auf dieser trockenen Welt zu den schlimmsten Katastrophen, die eine Stadt heimsuchen konnten. Hätte an diesem Morgen ein ungünstiger Wind geweht, hätten die Flammen aus den Lagerhallen leicht auf benachbarte Gebäude übergreifen und einen Flächenbrand auslösen können, der dann selbst mit den gewaltigen Löschzügen schwer unter Kontrolle zu bringen gewesen wäre.

»Millfort ist noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen«, sagte Anja, nachdem sie die ausgebrannte Lagerhalle hinter sich gelassen hatten.

Riker spähte angestrengt zu den Raumschiffen empor. »Es wird Zeit, daß ich mit Harris spreche. Wir haben uns nicht für diesen Planeten starkgemacht, um ihn durch unsere Anwesenheit nun in Gefahr zu bringen!«

Nachdem sie die Stadtgrenze passiert hatten, stoppte Riker den Sandrover am Straßenrand, stieg aus und aktivierte sein Armbandvipho.

Nachdem er einige Worte mit Sharp gewechselt hatte, ließ er sich mit dem Befehlshaber der Babylon-Schiffe verbinden.

Der Bildschirm zeigte ein Gesicht, das von einer großen Nase und Narbengewebe auf den Wangen beherrscht wurde. Die ergrauten Locken bildeten einen harten Kontrast zu den markanten, energischen Gesichtszügen.

»Oberst Sharp hat mir mitgeteilt, daß Sie sich zu unserer Aufforderung zu kapitulieren, bisher nicht geäußert haben, Harris«, eröffnete Riker das Gespräch.

Ein müdes Lächeln umspielte die Lippen des Angesprochenen. »Sie glauben doch wohl nicht ernsthaft, daß ich mich durch Ihren kleinen Trick schachmatt setzen lasse.«

»Wenn Sie hoffen, von der BRISTOL Unterstützung zu bekommen, haben Sie sich getäuscht, Harris. Das Schiff wurde in der Umlaufbahn gestellt. Die Kommandanten der drei Ovoid-Ringraumer haben Befehl, sofort das Feuer zu eröffnen, sollten die Waffensysteme der BRISTOL aktiviert werden oder die Besatzung sich anschicken, die Position des Schiffes zu verändern.«

»Ich habe die BRISTOL vorerst abgeschrieben«, gab Harris unbeeindruckt zurück. »Die LANCASTER und die BEAUFORT reichen für meine Zwecke vollkommen aus.«

»Was haben Sie vor, Harris?« Riker versuchte, sich seine Sorge nicht anmerken zu lassen. Er hätte in diesem Moment viel dafür gegeben, den Oberst richtig einschätzen zu können. Wenn es sich bei ihm um einen linientreuen Mann handelte, der Befehle blind befolgte, mußte mit erheblichen Schwierigkeiten gerechnet werden.

»Sie wissen so gut wie ich, daß es diese Welt zerstören würde, wenn unsere Schiffe in ihren momentanen Positionen aufeinander feuern«, sagte Harris mit emotionsloser Stimme. »Sie haben überhaupt nichts gewonnen, indem Sie meinen Verband festsetzen, Riker. Im Gegenteil. Sie haben die Menschen auf Maximilian einer schwer abzuschätzenden Gefahr ausgesetzt. Meine Befehle sind eindeutig. Auf Kollateralschäden habe ich laut meinen Weisungen keine Rücksicht zu nehmen.«

Riker schob sein Kinn vor. Die roten Flecken darauf zeichneten sich in dem schräg unter den Hut einfallenden Sonnenlicht deutlich ab. »Sie jonglieren mit dem Leben unschuldiger Menschen, Harris. Ein Oberst der Terranischen Flotte hätte sich auf so etwas niemals eingelassen.«

»Ich diene der Babylonischen Flotte«, gab Harris frostig zurück.

Bevor Riker eine passende Erwiderung einfiel, fuhr sein Gesprächspartner fort: »Ich werde diese Unterredung jetzt beenden. Wenn Sie mit mir verhandeln möchten, dann nur unter vier Augen.«

Anja warf ihrem Mann einen warnenden Blick zu und schüttelte eindringlich den Kopf.

Riker konnte ihrer Einschätzung nur zustimmen. Harris führte etwas gegen ihn im Schilde.

Ihm blieb trotzdem keine andere Wahl, als sich auf dieses Spiel einzulassen.

Die beiden Parteien befanden sich in einer Pattsituation, und keine der in Frage kommenden Varianten, auf die dieses Szenario hinauslaufen könnte, wollte dem Konteradmiral der Flotte Freier Terraner gefallen.

Riker spähte zu den Raumschiffen empor. »Ich bin einverstanden«, sagte er schließlich. »Wir treffen uns in einer Stunde auf Maximilian, drei Kilometer östlich von meinem momentanen Standpunkt entfernt.«

»Bist du verrückt?« rief Anja, nachdem Riker die Verbindung unterbrochen hatte. »Harris hat den Befehl, dich zu schnappen – tot oder lebendig. Er will nicht verhandeln – er will dich ausschalten. Das ist eine Falle!«

Riker schob den Hut in den Nacken. »Du weißt, daß es keinen anderen Ausweg gibt, Anja.«

Er klopfte mit der flachen Hand gegen den in einem Hüftholster steckenden Revolver, den er in Frontier Gulch bekommen hatte, um sich mit einem der Ganoven zu duellieren, die die Gegend unsicher gemacht hatten.

»Harris wird nicht unbewaffnet zu unserem Treffen erscheinen. Dasselbe gilt auch für mich!«

»Und was soll ich unterdessen tun?«

»Du wirst in sicherer Entfernung im Wagen warten.« Riker wandte sich der Ladefläche des Sandrovers zu und tätschelte den länglichen, in ein Tuch gehüllten Gegenstand, der mit einem Riemen am Überrollbügel des Fahrzeuges befestigt war.

»Und wenn Harris eine Teufelei plant, brennst du ihm mit meinem Multikarabiner eins auf den Pelz, Schatz.«

*

Die Silhouette von Millfort hatte nichts Aufregendes zu bieten. Aus der Ferne betrachtet wirkte die Kleinstadt, in der es nur wenige Gebäude gab, die höher als fünf Stockwerke waren, wie ein Ort, den man besser meiden sollte, wenn man etwas Aufregendes erleben wollte. Nur die dünnen Rauchfahnen, die noch immer aus den beschossenen Lagerhallen stiegen, muteten einigermaßen interessant an.

Atemberaubend wirkten dagegen die gewaltigen Raumschiffe, die wie schwerelose Gebirge drohend über der Stadt schwebten. Als hätte ein surrealistischer Maler sie in den azurblauen Himmel hineingemalt, zeichneten sich die ikosaeder- und ringförmigen Ungetüme dunkel gegen das leuchtende Firmament ab.

Riker hatte den Treffpunkt außerhalb der Stadtgrenze mit Bedacht gewählt. Sein Standort konnte von den Babylon-Schiffen aus nicht eingesehen werden, denn die FRIEDRICH verstellte die Sicht in diese Richtung. Außerdem war der Treffpunkt von der Position der Raumer nicht allzu weit entfernt, so daß Harris ihn bequem zu Fuß erreichen konnte.

Der Sandrover stand mehrere hundert Meter entfernt auf einem kleinen Hügel, der wie ein Buckel aus der sonst ebenen Staubebene ragte. Riker konnte seine Frau nicht ausmachen, doch er wußte, sie lag bäuchlings auf der Ladefläche, den Multikarabiner im Anschlag.

Die Kugelbüsche in der Nähe wurden sanft von einer lauen Brise geschaukelt, und hin und wieder steckte eine Echse den Kopf neugierig aus ihrem Erdloch. Darüberhinaus geschah jedoch nichts, was gelohnt hätte, die Aufmerksamkeit darauf zu richten.

Rikers Armbandvipho gab plötzlich ein leises Signal von sich. Sharps Konterfei baute sich in dem Holoschirm auf.

»Harris ist unterwegs«, sagte er. »Er läßt sich soeben per Antigrav auf die Planetenoberfläche hinab.«

Riker rückte den Hut zurecht und spähte zu den Schiffen empor. Tatsächlich erblickte er in diesem Moment eine aus der Ferne winzig erscheinende Gestalt, die aufrecht stehend unter der FRIEDRICH hervorgekommen war und langsam aber beständig in die Tiefe glitt.

»Ich sehe ihn«, sagte er. »Was hat die Ortung ergeben?«

»Er führt nur einen einzigen metallischen Gegenstand mit sich. Es wird sich dabei um seine Dienstwaffe handeln. Andere Waffen scheint er nicht bei sich zu haben – es sei denn, es handelt sich um Keramikwaffen, die wir nicht aufspüren können.«

In diesem Moment berührte die Gestalt den Boden. Als Harris sich in Rikers Richtung in Bewegung setzte, wirbelten seine Stiefel feine Staubwolken auf.

Der Konteradmiral schlug den Mantel zurück und hakte die Daumen in die Gürtelschlaufen. Der im Hüftholster steckende Revolver war auf diese Weise deutlich zu sehen.

Gelassen stand Riker da und blickte dem Oberst unter seinem Hut hervor gelassen entgegen. Der kleine Marsch in staubtrockener Atmosphäre schien dem guttrainierten Mann nichts auszumachen. In gleichmäßigem Tempo setzte er Fuß vor Fuß, die Arme schlenkerten locker an den Seiten hin und her.

Riker wußte, daß Anja den Oberst in diesem Moment durch das Zielfernrohr des Multikarabiners hindurch genau beobachtete. Sollte Harris Anstalten machen, seine Dienstwaffe zu ziehen, würde sie nicht zögern, ihm ein Projektil in die Schulter zu jagen.

Als Harris nur noch wenige Schritte von Riker entfernt war, blieb er stehen. Ein spöttischer Zug umspielte seine Lippen, während er den Konteradmiral von oben bis unten skeptisch musterte.

»Sind Sie etwa deshalb desertiert, um auf anderen Welten den Revolverhelden zu spielen?« rief er.

Riker verzog keine Miene. »Und Sie, Harris? Sind Sie den babylonischen Streitkräften beigetreten, um einem Diktator zu dienen?«

Der Oberst zog verstimmt die Augenbrauen zusammen. Dann drehte er sich um und spähte zu den Raumschiffen empor.

»Sie sind ein schlauer Fuchs, Riker«, sagte er, als er sich seinem Gesprächspartner wieder zuwandte. Er kam noch ein paar Schritte näher, bis er unmittelbar vor dem Konteradmiral stand. »Meine Leute können uns nicht beobachten, weil Ihre Schiffe den Kameras die Sicht verstellen. Die Richtmikrophone sind ebenfalls nutzlos. Offenbar legen Sie viel Wert darauf, daß wir ungestört reden können.«

»Ich bin mir nicht sicher, ob diese Maßnahme in Ihrem Fall überhaupt die Mühe wert ist, Harris«, erwiderte Riker. »Haben Sie mir irgend etwas zu sagen, das nicht für die Ohren Ihrer Mannschaft bestimmt ist?«

Harris lächelte müde. »Was erwarten Sie, Riker? Daß ich in Tränen ausbreche und Ihnen gestehe, daß es mein sehnlichster Wunsch ist, ebenfalls zu desertieren? Ich habe Babylon meine Treue geschworen und nicht vor, die Menschen im Stich zu lassen, die ich beschützen soll.«

»Machen Sie mir nichts vor, Harris. Trawisheim benutzt die babylonischen Streitkräfte, um die Menschen zu unterdrücken. Und Sie sind Teil dieses Unterdrückungsapparates!«

Der Oberst scharrte mit dem Stiefel unruhig im Steppensand. »Nicht jeder hat das Glück und die Möglichkeit, die Menschen, die er liebt, rechtzeitig in Sicherheit bringen zu können, Riker. Ich habe Frau und Kinder auf Babylon – und einen großen Freundeskreis. Ich kann all diese Menschen nur wirksam beschützen, wenn ich tue, was mir als Soldat befohlen wird.«

»Womit wir endlich zum Kern unseres Treffens vorgedrungen wären«, merkte Riker an. »Ich bin für die Menschen, die mit mir zusammen desertierten, ebenfalls verantwortlich. Niemals werde ich zulassen, daß auch nur einer von ihnen gefangengenommen wird. Ebenso wenig lasse ich mich von Trawisheim erpressen. Es liegt allein in Ihrer Verantwortung, wenn Sie das Leben der Menschen auf Maximilian aufs Spiel setzen, um meiner habhaft zu werden.«

»Der Befehl, dieses System anzufliegen und auf Maximilian nach Ihnen zu suchen, kam von Marschall Menken persönlich«, sagte Harris. »Der neue Flottenoberbefehlshaber hat einen Hinweis erhalten, daß Sie und Ihre Frau auf diesem Planeten gesehen wurden.«

Rikers Kaumuskeln mahlten. »Sie wissen nicht zufällig, wer ihm diese Information zugespielt hat?«

Harris schüttelte den Kopf. »Ich weiß nur, daß ich Ihnen nicht mit Sicherheit sagen kann, wie diese Sache hier enden wird. Ich kann mich nicht hundertprozentig auf meine Mannschaft verlassen. Nachdem Sie desertierten und auch die Schwarze Garde sich abgesetzt hat, wurden jedem Schiff der Babylonischen Flotte drei Politoffiziere zugewiesen, von denen stets einer im Dienst ist. Diese Männer schaffen an Bord eine Atmosphäre des Mißtrauens und der Furcht. Offiziell sollen sie dafür sorgen, daß sich unter den Offizieren kein Elitedenken breitmacht und niemand auf die Idee kommt, es Ihnen gleichzutun und zu desertieren. In Wahrheit aber sind diese Männer nichts anderes als Gesinnungsschnüffler, die die Besatzung auf ihre Linientreue hin abklopfen sollen und Verstöße und verdächtiges Verhalten unverzüglich den Politvordenkern zu melden haben. Niemand an Bord traut sich mehr, seine Meinung offen kundzutun, aus Angst, die Politoffiziere könnten, wenn ihnen diese Meinung nicht als genehm erschient, Meldung machen, so daß die Familie des Unbequemen Repressalien befürchten muß.«

Riker furchte die Stirn. Sowohl die Nachricht, daß die Schwarze Garde Trawisheim die Treue gebrochen hatte, als auch die Information über die Politoffiziere waren ihm neu.

Eindringlich sah Harris sein Gegenüber an. »Ich befinde mich in einer Zwickmühle, Admiral. Nichts liegt mir ferner, als gegen Sie und Ihren Verband zu kämpfen. Trotzdem bin ich dazu gezwungen. Würde ich einen diesbezüglichen Befehl verweigern, würde meine Familie dies augenblicklich zu spüren bekommen. Niemand spricht es offen aus – aber ich bin sicherlich nicht der einzige, der den Eindruck hat, die eigenen Familienangehörigen wären Geiseln des Systems.«

Der Konteradmiral überlegte einen Moment und sah dabei über seine Schulter hinweg zum Sandrover hinüber.

»Es gibt vielleicht einen Ausweg, Harris«, sagte er gedehnt. »Um diesen zu beschreiten, müßten Sie allerdings Schmerzen auf sich nehmen. Wären Sie dazu bereit?«

Harris sah Riker einen Augenblick lang schweigend an. Dann nickte er kaum merklich.

*

Gaby Nilges parkte ihren metallicroten Sandrover am Straßenrand und schwang sich aus dem Wagen, indem sie sich an dem Überrollbügel festhielt und mit angezogenen Beinen elegant über die Wagentür hinwegsetzte. Sie nahm ihre Handtasche vom Beifahrersitz, streifte den Tragriemen behutsam über ihre Schulter und öffnete die Tasche dann vorsichtig. Als die Albinoechse ihres Sohnes neugierig die längliche Schnauze herausstreckte, schob sie das Reptil mit spitzen Fingern zurück.

»Ich wollte nur sehen, ob du die Fahrt gut überstanden hast«, flüsterte sie und verschloß die Handtasche wieder.

Unschlüssig sah Gaby zu dem Reihenhaus hinüber. Das längliche Gebäude war in sechs Wohnparzellen aufgeteilt, von denen jede einen eigenen Eingang und einen kleinen Vorgarten hatte.

In dem linken Endreihenhaus wohnte Sonja Hurling, Nilges’ Privatsekretärin. Offenbar wässerte die Frau die Trockensträucher in ihrem Garten regelmäßig, denn sie trugen weiße Blüten, die für gewöhnlich nur in der Regenzeit sprossen.

So nahe an ihrem Ziel war sich Gaby plötzlich gar nicht mehr so sicher, ob sie ihr Vorhaben tatsächlich ausführen sollte. Sie kam sich regelrecht albern und hysterisch vor. Ihr Mann würde es ihr vermutlich sogar übelnehmen, daß sie bei seiner Sekretärin aufgetaucht war, um in Erfahrung zu bringen, ob sie in den Verrat verstrickt war, der dazu geführt hatte, daß die Ringraumer aus Babylon Maximilian heimgesucht und Millfort beschossen hatten.

Das Wissen, daß der Mann, der so viel für diese Welt getan hatte, von einem Siedler schändlich verraten worden war, hatte Gaby derart aufgebracht, daß sie beschlossen hatte, alles zu tun, um den Verräter zu entlarven. Sie hatte nicht lange nachdenken müssen, um den Kreis der Verdächtigen einzugrenzen, denn immerhin kannten nur einige wenige die wahre Identität der verdeckt auf Maximilian agierenden Rikers.

Eine dieser verdächtigen Personen war Sonja Hurling. Als Privatsekretärin von Wulf Nilges waren ihr Informationen zugänglich, von denen sonst niemand wußte. Als sich Dan und Anja Riker im Büro des Firmenchefs der GWM Corporation aufgehalten hatten, waren die beiden Sonja sogar persönlich begegnet.

Gabys Anfangsverdacht hatte sich erhärtet, als sie heute morgen von ihrem Mann erfahren hatte, daß seine Sekretärin sich in den frühen Morgenstunden krank gemeldet hatte. Sonja war eigentlich eine verläßliche Person und bisher nur selten krank gewesen. Es erschien Gaby daher doppelt verdächtig, daß die Sekretärin ausgerechnet heute nicht zur Arbeit erscheinen wollte. Zwar gingen viele Menschen heute wegen der Angriffe der Ringraumer nicht zur Arbeit, weil sie lieber bei ihrer Familie zu Hause blieben oder die Stadt verlassen wollten. Sonja lebte jedoch allein; ihre Eltern waren nach Babylon übergesiedelt, als die Menschen von der vereisten Erde massenweise dorthin gebracht wurden.

Ungehalten über die Gedanken, die in ihrem Kopf Purzelbäume schlugen, gab sich Gaby einen Ruck und marschierte auf das Ende des Reihenhauses zu. Die Vorhänge von Sonjas Wohnung waren zugezogen. Kein Licht und kein Geräusch deutete darauf hin, daß sich zur Zeit jemand in dem Trakt aufhielt.

Es wunderte Gaby daher auch nicht sonderlich, als auf ihr Klingeln hin keine Reaktion erfolgte. Weder schaltete sich die Gegensprechanlage ein, noch waren hinter der Tür Schritte zu vernehmen. Sie versuchte, einen Blick durch die Fenster zu werfen. Doch der Nanostoff der Gardinen erlaubte eine Durchsicht nur von der Zimmerseite aus.

»Vielleicht hat sie einen Arzt aufgesucht«, murmelte Gaby.

Da sie ihre eigenen Worte nicht überzeugten, schickte sie sich an, das Haus zu umrunden. Wenig später betrat sie die Terrasse. Doch auch auf dieser Seite des Gebäudes waren die Fenster mit den modernen Gardinen verhängt.

Unschlüssig klopfte Gaby gegen die Glastür und rief Sonjas Namen. Doch in der Wohnung rührte sich nichts.

Da bemerkte sie, daß eines der Fenster neben der Glastür aufgekippt war.

»Mal sehen, ob Maximilian dich tatsächlich so gut dressiert hat, wie er behauptet«, murmelte sie, während sie die Handtasche aufklappte.

Zuerst hatte sie sich geweigert, die Albinoechse, der ihr Sohn den Namen Albi gegeben hatte, mitzunehmen. Doch Maximilian, den sie in ihr Vorhaben hatte einweihen müssen, weil der Schulunterricht wegen der Angriffe ausgefallen und er zu Hause geblieben war, hatte ihr klipp und klar gesagt, daß er sofort seinen Vater anrufen würde, wenn sie die Echse nicht mitnahm. »Albi wird dich beschützen, wenn du in Gefahr bist«, hatte der dreizehnjährige Junge argumentiert. »Außerdem tut Albi, was du ihm sagst, wenn du ihm zuvor eine seiner geliebten Stinkkäferlarven gibst.«

Gaby grauste ein wenig, als sie nun eine der zusammengerollten Larven aus einem Seitenfach ihrer Handtasche hervorfingerte. Sie schob die Käferlarve in den gierig geöffneten Schlund der Echse und befahl ihr, ein Fenster zu öffnen. Dann hielt sie die Handtasche vor den Fensterspalt.

Albi ließ sich nicht lange bitten. Die Echse kletterte aus der Handtasche hervor und schob sich durch den Spalt. Indem es sich in die Gardine krallte, zog sich das Tier in das Zimmer. Gaby glaubte, ihren Augen nicht zu trauen: Albi hangelte sich an der Gardine zum nächstgelegenen Fenster hinüber, verbiß sich in den Fensterknauf und drehte ihn herum.

»Braves Tierchen«, wisperte sie, während sie das Fenster aufdrückte. »Jetzt aber zurück in dein Versteck.« Die Echse gehorchte und machte es sich wieder im Inneren der Handtasche gemütlich.

Geschickt kletterte Gaby über die Fensterbank in das Wohnzimmer. Ihr fiel sofort auf, daß die Regale leergeräumt waren. Nirgendwo waren ein Foto oder andere persönliche Gegenstände zu finden. Offenbar war alles in großer Hast fortgeräumt worden.

»Hallo?« rief Gaby verhalten. »Sonja – stecken Sie hier irgendwo?«

Die Handtasche ängstlich an ihre Seite gedrückt, verließ sie das Wohnzimmer. Als sie einen Blick durch die offenstehende Schlafzimmertür warf, fielen ihr sofort die prallgefüllten Koffer und die Transportkiste auf, die vor dem Bett standen.

Alles deutete auf eine überstürzte Abreise hin. Doch warum hatte Sonja sich entschlossen, ihre Habseligkeiten zurückzulassen, nachdem sie sich die Mühe gemacht hatte, alles einzupacken?

Da vernahm sie plötzlich ein leises Surren und Schnarren. Als patente Hausfrau erkannte Gaby diese hinter dem Bett hervordringenden Geräusche sofort: Sie rührten von einem der kleinen Reinigungsroboter her, die in einem Werk der GWM Corporation hergestellt wurden.

Gaby umrundete das Bett – und schrie entsetzt auf.

Die Sekretärin ihres Mannes lag bäuchlings auf dem Boden. Anscheinend mit letzter Kraft war sie zur Wand hingekrochen und dann zusammengebrochen. Daß Sonja nicht mehr am Leben oder doch zumindest schwer verletzt war, verrieten die Einschußlöcher in ihrem Rücken. Ihr rechter Arm war ausgestreckt, die Hand blutbesudelt. Auf der Tapete darüber waren Worte geschrieben. Gaby erschauderte, als ihr bewußt wurde, daß Sonja diese Worte mit dem Finger und dem eigenen Blut an die Wand gemalt hatte.

Der halbkugelförmige Roboter, der neben die Sekretärin gerollt war, war eifrig damit beschäftigt, das Blut vom Boden aufzuwischen. Den zweiten Greifarm hatte die Maschine in Richtung der besudelten Wand ausgestreckt. Da Sonjas Körper dem kleinen Putzteufel jedoch den Weg verstellte und sein Gelenkarm nicht lang genug war, um mit dem Saugschwamm die beschmutzte Wand zu erreichen, ruckte die Maschine in dem Versuch, näher an die besudelte Stelle heranzukommen beständig vor und zurück. Sie prallte dabei jedoch immer wieder gegen die Hüfte der Sekretärin.

»Putzprogramm stop!« rief Gaby, nachdem sie den Schock überwunden hatte.

Die Maschine stellte ihre Tätigkeit daraufhin augenblicklich ein, fuhr die Gelenkarme ein und wartete auf neue Befehle.

Gaby kniete neben der Sekretärin nieder und tastete an dem schlanken Hals der Frau nach einem Puls. Doch die Haut fühlte sich bereits kalt an. Sonja Hurling war tot!

Benommen stand Gaby auf und holte ihr Taschenvipho hervor. Es gelang ihr jedoch nicht, eine Verbindung zur Polizeistation herzustellen. Die Aufnahmekapazität der Empfangsstelle war dem Kommunikationsbedarf der durch die Angriffe verschreckten Bewohner offenbar nicht gewachsen.

Frustriert verstaute sie das nutzlose Gerät wieder und zwang sich, die blutigen Buchstaben genauer zu betrachten.

Sie bildeten den Namen eines Mannes.

»Walta Chatau«, las Gaby mit zitternder Stimme.

Sie wußte, wer dieser Mann war. Jeder Frau auf Maximilian war die Firma dieses Chemikers bekannt, wenn sich auch nicht jede seine Produkte leisten konnte. Chatau lieferte spezielle Feuchtigkeitscremes, deren geheime Zusammensetzung die Gesichtshaut nicht nur vor der staubtrockenen Luft und den aggressiven UV-Strahlen der Sonne Nilges’ Star schützte und vor dem Austrocknen bewahrte – sie beugte auch dem vorschnellen Alterungsprozeß und der Faltenbildung vor.

Nachdem die Machenschaften der Storn Brothers Bank aufgedeckt worden waren und die Raumschiffe der in den Skandal verwickelten Transportfirma sich in der Nacht von dem Planeten zurückgezogen hatten, war auch Chataus Verstrickung in die groß angelegte Betrügerei dieser Bank publik worden. Gaby hatte erst heute morgen im Frühstücksfernsehen davon erfahren.

Demnach hatten Zollbeamte die Lagerhallen des Raumhafens untersucht und Kisten gefunden, die für Chatau bestimmt gewesen waren und Ingredienzien für die von ihm hergestellte Gesichtslotion enthielten. Als die Kisten geöffnet wurden, entdeckten die Beamten Behälter mit den Föten einer fremden Tierart.

Die Speicher der Kisten wurden ausgelesen, und so erfuhren die Zöllner, daß die Föten von einer nicht allzu fernen Welt stammten, die sich wegen der ungünstigen Zusammensetzung der Atmosphäre nicht zur Besiedelung eignete.

Die Nachricht, daß Tierföten für die Creme verwendet wurden, würde das Ende von Chataus Firma bedeuten – da war Gaby sich sicher. Keine vernünftig denkende Frau würde sich so etwas ins Gesicht schmieren. Und die, die es trotzdem taten, waren eine kleine Minderheit und würden die Firma kaum vor dem Bankrott bewahren können.

Gaby war bekannt, wo sich der Sitz der Firma befand. Chatau besaß am östlichen Stadtrand, ganz in der Nähe der Lagerhallen, die beschossen worden waren, eine kleine Fabrik.

Der Chemiker hatte keine Angestellten, denn die Cremes wurden vollautomatisch hergestellt. Er wohnte in einem Loft auf dem Dach der Fabrik. Gaby war sich sicher, daß sie Chatau dort antreffen würde. Sie war gespannt, wie dieser skrupellose Geschäftsmann erklären würde, warum die Privatsekretärin ihres Mannes seinen Namen mit Blut an die Wand geschrieben hatte, bevor sie ihren Schußverletzungen erlag.

Entschlossen, die Begegnung nicht länger hinauszuzögern, verließ sie das Schlafzimmer.

*

»Mir geht es gut, verdammt!« fuhr Harris den Arzt an.

Seit der Befehlshaber des Kampfverbandes in der Schleuse der LANCASTER eingetroffen war, war Dr. Michal Tranktor nicht von seiner Seite gewichen. Harris’ linkes Auge war stark angeschwollen; die dunkle Färbung der aufgequollenen Haut verriet, daß sich ein Hämatom gebildet hatte und das Auge in den nächsten Stunden blauviolett anlaufen würde. Außerdem war seine Uniform mit Steppenstaub besudelt und eine Ärmelmanschette abgerissen.

Die beiden Männer hatten soeben die Zentrale erreicht. Das Haar des schlaksigen Arztes war hellblond und extrem kurzgeschnitten, so daß es im hellen Licht der Zentrale wie ein silbriger Schimmer anmutete, der den markanten Schädel umgab.

»Warum lassen Sie sich nicht kurz von mir durchchecken, Sir?« fragte Tranktor erneut. »Zu Ihrer eigenen Sicherheit. Sie könnten eine Gehirnerschütterung davongetragen haben.«

Wütend fuhr Harris zu dem Arzt herum. »Kehren Sie endlich auf die Krankenstation zurück und lassen Sie mich in Frieden, Mann. Das ist ein Befehl!«

Der Arzt zuckte unmerklich zusammen und schielte dann gehetzt zu dem Mann in der knallroten Uniform hinüber, der hinter dem Ortungsoffizier stand und ihm über die Schulter blickte, um die Ortungsergebnisse zu überprüfen.

Jean-Luc Dessoirs Stirn umwölkte sich, während er nun mißtrauisch zu den beiden Männern herübersah.

»In Ordnung, Sir«, sagte Tranktor kleinlaut, doch mit genügend Nachdruck in der Stimme, damit der Politoffizier seine Worte auch hören konnte. »Sie haben es selbst zu verantworten, wenn sich bei Ihnen Spätfolgen bemerkbar machen.«

Hastig wandte sich der Arzt ab und verließ die Zentrale.

»Sie haben Riker nicht überwältigen können«, rief Dessoir zornig. »Ich konnte zwar nicht sehen, was sich beim Treffpunkt abspielte. Trotz der massiven Schiffe, die uns umgeben, gelang es uns aber, die Bioimpulse von Ihnen und Riker zu orten.« In den stechend blauen Augen des Politoffiziers blitzte es kalt auf. »Ich war ziemlich enttäuscht, als die Anlage anzeigte, daß sie sich allein auf den Rückweg gemacht haben, ohne daß Rikers Bioimpuls zuvor erloschen wäre.«

Harris winkte ab, ging zum Kommandostand und ließ sich ächzend auf den Sessel fallen. »Riker hat sich nicht an die Abmachung gehalten«, sagte er mürrisch. »Er hatte seine Frau zum Treffpunkt mitgenommen.«

Dessoir kehrte der Ortungsstation den Rücken und trat neben den Kommandantensessel. »Es gab da tatsächlich einen dritten Bioimpuls. Der war allerdings dreihundert Meter von Ihrem Standort entfernt.« Er verschränkte die Arme hinter dem Rücken. »Sie hätten Ihr Armbandvipho nicht in der Schleuse zurücklassen dürfen, Harris. Ich hatte keine Chance, Sie zu warnen.«

»Das Gerät ist defekt. Wenn es den Kräften der Antigravitationsmaschine ausgesetzt worden wäre, hätte es vollständig seinen Geist aufgegeben.« Verärgert blickte Harris zu Dessoir auf. »Ich hatte für die Offiziere meines Schiffes neue Geräte beantragt. Die Materialverwaltung teilte mir jedoch mit, daß es die alten Apparate noch eine Weile tun müssen.«

»Was genau ist denn nun geschehen, Oberst?« fragte Dessoir ungeduldig. »Sie sehen ja schrecklich aus.«

Der Kommandant betastete vorsichtig das geschwollene Auge. »Ich habe zum Schein mit Riker verhandelt – wie Sie es mir geraten haben. Als ich mir sicher war, ihn mit meinen Worten eingelullt zu haben, zog ich blitzschnell meine Dienstwaffe.«

Harris hob die rechte Hand und drehte sie prüfend. »Anja Riker hat mich die ganze Zeit über von dem Geländefahrzeug aus beobachtet, das in der Ferne auf einem Hügel parkte. Sie zielte mit einem Multikarabiner auf mich, und als ich die Waffe zog, feuerte sie.«

In Erinnerung an die Ereignisse schüttelte der Kommandant die Hand. »Diese Frau ist ein verdammt guter Schütze. Sie hatte die Waffe auf Duststrahlen gestellt und feuerte auf meine Waffenhand. Meine Dienstpistole verwandelte sich zu Staub, ehe ich auch nur einen Schuß abfeuern konnte. Die Ärmelmanschette meiner Uniform mußte auch dran glauben, als meine Waffe von dem olivgrünen Strahl getroffen wurde.«

Harris ließ die Hand auf die Armlehne des Sessels sinken. »Der Duststrahl streifte zwar nur meine Hand, doch der Treffer reichte aus, um mich für einen Augenblick benommen zu machen. Riker, dieser Schuft, nutzte meine kurze Orientierungslosigkeit, um mir einen zu verpassen. Er sagte, ich sollte ihm nicht noch einmal unter die Augen treten, andernfalls würde er mir sämtliche Knochen brechen.«

Dessoir rieb sich verärgert das Kinn. »Die Ortungsereignisse bestätigen Ihre Geschichte, Harris. Eine ziemlich unbefriedigende Leistung, die Sie da abgeliefert haben. Wir werden keine zweite Chance bekommen, so leicht an Riker heranzukommen.«

Harris zuckte mit den Schultern. »Ich habe mein Bestes gegeben, Dessoir. Immerhin konnte ich Riker dazu bringen, mir einige vertrauliche Informationen zu verraten.«

Der Politoffizier zog eine Augenbraue in die Stirn. »Lassen Sie hören.«

»Der Deserteur hat davon gesprochen, daß er auf Maximilian etwas zu erledigen hätte, das keinen Aufschub duldet. Er hat offenbar nicht vor, sich mit seinem Verband in absehbarer Zeit aus diesem System zurückzuziehen.«

»Hat er gesagt, was er vorhat?«

Harris schüttelte vorsichtig den Kopf, als befürchtete er, die Bewegung könnte Schmerzen in seinem malträtierten Schädel hervorrufen. »Er wollte mir nicht verraten, was er auf dieser öden Welt verloren hat.«

Dessoir drehte sich zur Ortungsstation um und rief: »Erdoba! Haben Sie die Bioimpulse noch im Visier?«

Der Ortungsoffizier nickte bestätigend. »Sie entfernen sich in beständigem Tempo von der Stadt weg Richtung Osten, Sir.«

Der Politoffizier überlegte einen kurzen Moment. Dann beugte er sich zu Harris hinab und zischte ihm etwas ins Ohr.

Die Miene des Kommandanten verdüsterte sich. »Dieses Vorgehen birgt erhebliche Risiken«, gab er zu bedenken.

Noch immer vorgeneigt, stützte Dessoir die Hand auf die Rückenlehne des Kommandantensessels. »Muß ich Sie erst daran erinnern, daß meine regierungsamtlichen Kompetenzen mich befugen, Ihnen notfalls auch Befehle zu erteilen, Harris?«

Der Oberst biß die Zähne zusammen und starrte finster vor sich hin. Seine Kaumuskeln mahlten, als würde er die Worte, die er hatte erwidern wollen, mühsam zerkauen und hinunterwürgen.

»Dann sind wir uns ja einig«, sagte Dessoir und richtete sich wieder auf. »Und nun tun Sie, was Babylon von Ihnen erwartet, Mann!«

Harris erhob sich schwerfällig und wandte sich Renkard Deltmo, dem Ersten Offizier, zu. Der war nicht größer als 1,60 Meter, hatte rotes Stoppelhaar und grüne Augen. Als er vor sechs Monaten in den Rang des Ersten Offiziers aufgestiegen war, hatte Harris ihm zum Einstand eine kleine Trittleiter geschenkt.

»Die Leiter soll es Ihnen trotz Ihrer geringen Größe ermöglichen die Schaltflächen des Kommandopultes zu bedienen«, hatte er trocken angemerkt, während er Deltmo das mit einer roten Schleife umwickelte Geschenk vor den versammelten Offizieren überreichte.

»Sie werden mich nur dann diese Leiter erklimmen sehen, wenn Sie mir einen Verdienstorden an die Brust heften müssen, Commander«, hatte Deltmo genauso trocken erwidert. »Ich möchte nämlich nicht dafür verantwortlich sein, daß Sie einen Hexenschuß bekommen, weil Sie ihre alten Gebeine dazu zwingen müssen, sich zu mir herabzubeugen, um mir das Ehrenzeichen anzustecken.«

Seit diesem Tag hatte zwischen den beiden Männern ein freundschaftlicher, respektvoller Umgangston geherrscht. Doch nachdem die Politkommissare an Bord gekommen waren, waren Harris und Deltmo mit ihren laxen Äußerungen vorsichtiger geworden. Statt dessen übten sie sich darin, versteckte Anspielungen in ihre Äußerungen einfließen zu lassen, deren wahre Bedeutung sich nur ihnen beiden erschließen konnte.

»Deltmo«, sagte Harris mit rauher Stimme. »Schicken Sie das Signal für einen Alarmstart an die BEAUFORT raus und informieren Sie die BRISTOL. Dann befreien Sie uns aus der Umklammerung der verdammten Ikosaeder!«

»Aye, Sir«, bestätigte Deltmo einsilbig.

Harris kannte seinen Ersten Offizier gut genug, um an seiner versteinerten Miene abzulesen, daß er fest davon überzeugt war, daß ihnen das bevorstehende Manöver kein Ehrenabzeichen einbringen würde, auf das er hätte stolz sein können.

*

Dessoir war mehr als zufrieden. Der plötzliche Alarmstart der beiden eingekesselten Ringraumer hatte die Kommandanten der Gegenseite scheinbar völlig unvorbereitet getroffen. Ehe die Ortungsanlage einen Energieanstieg in den Ikos oder den Ovoid-Ringraumern anmessen konnte, waren die LANCASTER und die BEAUFORT in einem riskanten Manöver emporgeschnellt, hatten, kaum daß sie aus dem Kessel aufgetaucht waren, eine rasante Kurve geflogen und rasten jetzt hinaus ins All über Maximilian.

»Der BRISTOL ist es ebenfalls gelungen, sich aus der Zange der Ovoid-Ringraumer zu befreien«, meldete Erdoba von der Ortungsstation aus. »Sie wird jeden Moment zu uns stoßen. Die drei Feindschiffe jagen hinter unseren Kameraden er, greifen jedoch nicht an!«

»Dummköpfe!« höhnte Dessoir und gab Harris ein Zeichen, den nächsten Befehl auszusprechen.

Der Oberst wandte sich zuerst an den Funker. »Nolte, stellen Sie über To-Richt Funkkontakt zu unseren beiden Schiffen her und leiten Sie jeden meiner Befehle umgehend an die Kommandanten weiter.«

Ohne eine Bestätigung abzuwarten, drehte Harris sich zu Deltmo um. »Wir nehmen Kurs auf die beiden Bioimpulse. Das Gebiet wird mit allen zur Verfügung stehenden Bordwaffen beschossen!«

Der Erste Offizier starrte Harris mit seinen grünen Augen entgeistert an. »Sollen auch Nadelstrahlen und die Wuchtkanonen eingesetzt werden, Sir?«

Dessoir fuchtelte unwirsch mit den Händen. »Was war an dem Befehl, alle zur Verfügung stehenden Waffen auf das Zielgebiet abzufeuern, denn so mißverständlich, Deltmo?«

»Sir – ein derartiges Aufgebot an Feuerkraft würde nicht nur die unter uns liegende Stadt vernichten, sondern obendrein die gesamte Hemisphäre verwüsten. Alles Leben auf Maximilian würde ausgerottet werden!«

Der Politoffizier starrte den kleinen Mann durchdringend an. »Wäre es Ihnen etwa lieber, wenn statt der Menschen, die auf Maximilian leben, Ihre Familie ums Leben kommen würde?«

Deltmo schnappte empört nach Luft. »Wollen Sie mir etwa androhen, meine Familienangehörigen umbringen zu lassen, wenn ich mich weigere, diesen irrsinnigen Befehl auszuführen?«

Dessoir lächelte kalt. »Ich glaube, Sie verkennen die Brisanz der Lage«, sagte er mit gefährlichem Unterton in der Stimme. »Wenn wir Riker nicht ausschalten und den von ihm entwendeten Verband nicht wieder in unsere Gewalt bringen, wird dieser Terrorist die nächste Gelegenheit nutzen, Babylon anzugreifen. Daß Ihre Familie während eines solchen Angriffs getötet wird, liegt durchaus im Bereich des Wahrscheinlichen.«

Die anwesenden Offiziere tauschten beredte Blicke. Jedem von ihnen war klar, daß Deltmo die Drohung des Politoffiziers richtig interpretiert hatte und es sich bei Dessoirs anschließender Erklärung bloß um leere Worthülsen handelte. Ihrer aller Familien waren in Gefahr, wenn sie nicht taten, was der Politoffizier verlangte. Doch würde es nicht Rikers Verband sein, der ihre Familienangehörigen umbrachte, sondern die Handlanger der Regierung.

*