Tödliches Duell - Frank Esser - E-Book
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Frank Esser

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Beschreibung

Finden Sie diese Frau! Die Botschaft, die der Aachener Kriminalhauptkommissar Karl Hansen erhält, ist eindeutig. Der Nachricht beigelegt ist das Foto einer jungen Frau, auf der Rückseite eine Schachfigur, ein Bauer. Hansen und sein Team nehmen sofort die Ermittlungen auf, können das mutmaßliche Opfer allerdings nicht ausfindig machen. Nur vierundzwanzig Stunden nach der ersten Nachricht erhalten die Ermittler eine neue Botschaft. Die Koordinaten, die sie enthält, führen Hansen und Riedmann zu dem Opfer. Vergraben in einem Sarg auf einem Feld und langsam erstickt, als der Sauerstoff ausgegangen ist. Schon kurz darauf erhält Hansen eine neue Nachricht. Wieder wurde eine junge Frau entführt, und auch diesmal verlieren sie den Wettlauf gegen die Zeit. Während die Ermittlungen langsam Fahrt aufnehmen und sich erste Hinweise auf mögliche Verdächtige ergeben, verschwindet erneut eine junge Frau. Doch es ist nicht allein der Wettlauf gegen die Zeit, der Hansen schwer zu schaffen macht. Es ist vor allem die Frage, wer hinter dem perfiden Spiel steckt und warum ausgerechnet er für dieses Duell auserkoren wurde? Der sechste Fall für den Aachener Hauptkommissar ist ein in sich geschlossener Roman und kann unabhängig von den übrigen Teilen gelesen werden

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Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Epilog

 

Frank Esser

Tödliches Duell

Ein Aachen-Krimi

Hansens 6. Fall

 

 

 

Impressum

Copyright: ©2023 Frank Esser Cover: ©NaWillArt Coverdesign/www.nawillart-coverdesign.de

Lektorat:© Christine Weber - www.textomio.de

Korrektorat© Marion Kaster/Heidemarie Rabe

 

Verlag: Frank Esser

Am Römerhof 1

52477 Alsdorf

[email protected]

Prolog

 

Sonntag, 9. April 2023

 

Susanne Breuer blinzelte mehrmals kurz hintereinander. Aber die Dunkelheit, die sie umgab, wollte einfach nicht weichen. War sie am Ende gar nicht wach? Schlummerte ihr Bewusstsein immer noch in den Tiefen ihres Gehirns? Sie versuchte sich aufzurichten, doch schon einen Sekundenbruchteil später knallte sie mit der Stirn gegen etwas Hartes. Langsam ließ sie den Kopf wieder auf den ebenso brettharten Untergrund sinken. Sie lag definitiv nicht in ihrem Bett, aber wo zur Hölle war sie? Was ging hier vor sich? Panik stieg in ihr auf, ihr Atem beschleunigte sich, der Puls raste. Ruhig bleiben, ermahnte sie sich. Aber wie sollte man in dieser undurchdringlichen Dunkelheit die Ruhe bewahren, dachte sie, während sie sich darauf konzentrierte, tief ein- und wieder auszuatmen.

Und tatsächlich: Es gelang ihr, sich ein wenig zu beruhigen. Sie versuchte sich zu erinnern, was geschehen war. Ein Erinnerungsfetzen tauchte vor ihrem geistigen Auge auf. Sie war mit einem Kunden verabredet gewesen, Manfred von Mannstätten. Auf einem Parkplatz in der Nähe des Sterne-Restaurants in Kornelimünster hatten sie sich getroffen. Und dann? – Nichts! Alles war wie weggeblasen.

Mit den Händen tastete sie zu beiden Seiten und stieß schon nach wenigen Zentimetern auf Widerstand. Holz, es fühlte sich wie Holz an. »Nein!«, hauchte sie verzweifelt, als sie die Erkenntnis wie ein Schlag traf. Sie war eingeschlossen in einer Kiste, kaum größer als sie selbst. Einem Sarg! Man hatte sie offensichtlich in einen Sarg gelegt. Ein ganz einfaches Ding, bestehend nur aus Holz, ohne Samt- oder Stoffeinlage. Das konnte doch nicht wahr sein.

Erneut übermannte sie die Panik. Wie von Sinnen fing sie an, mit den Händen gegen die Wände zu schlagen und mit den Füßen auszutreten in der Hoffnung, die Hülle ihres Gefängnisses irgendwie zum Bersten zu bringen, und schrie laut um Hilfe. In ihrer immer größer werdenden Angst wand sie sich wie ein Aal und hämmerte kreischend gegen das Holz, wobei sie sich einen Splitter in den Finger trieb und gleich mehrere Fingernägel abbrachen. Ihr Atem ging rasend schnell, ihre Kräfte schwanden zunehmend, je länger sie versuchte, sich zu befreien. Sie drohte das Bewusstsein zu verlieren. Tränen der Verzweiflung rannen ihr über die Wangen, während sie krampfhaft darum bemüht war, sich wieder zu beruhigen. Minutenlang lag sie einfach nur da und weinte hemmungslos. Hoffnungslosigkeit machte sich in ihr breit, Rettung schien in weiter Ferne.

Und schließlich war da noch diese unheimliche Stille, die sie umgab, mindestens genauso furchteinflößend wie die Dunkelheit um sie herum. Dennoch hatte sie nur einen einzigen Gedanken. Alina. Die Angst schnürte ihr regelrecht die Kehle zu, aber aufgeben war keine Option!

Kapitel 1

 

 

Montag, 10. April, 08:34 Uhr

 

Der Zeiger läuft voran geschwind,

dem Kommissar die Zeit verrinnt.

Er muss den richt´gen Weg einschlagen,

er darf auf keinen Fall versagen.

Wenn er nicht kommt zur rechten Zeit,

das Opfer ist dem Tod geweiht.

 

»Was zum Teufel hat dieser Schwachsinn zu bedeuten?«, fragte Stefan Riedmann. Der vierzigjährige Oberkommissar der Aachener Mordkommission schüttelte ungläubig den Kopf, nachdem er die Nachricht gelesen hatte.

Wenige Minuten zuvor war der Briefumschlag mit dem brisanten Inhalt von einem Fahrradkurier im Polizeipräsidium abgegeben worden. Auf dem Umschlag hatte in Computerschrift HauptkommissarKarl Hansen, persönlich gestanden. Der Chefermittler des K1, an den die Botschaft gerichtet war, hatte das Schriftstück stirnrunzelnd gelesen und es anschließend in einem Beweismittelbeutel verstaut. Genauso war er mit dem Kuvert und dem Foto der jungen Frau verfahren, das dem Schreiben beigelegen hatte. Auf der Rückseite der Aufnahme prangte eine ebenfalls mit dem Computer geschriebene Botschaft unter der Abbildung einer Schachfigur - ein Bauer. Dann hatte er Laura Decker, die Leiterin der KTU, verständigt und sie gebeten, sich die Beweismittel bei Riedmann zu holen, bevor er in das Büro seines dreizehn Jahre jüngeren Partners gestürmt war, um ihm das Schreiben zu zeigen.

»Es wird noch seltsamer«, fuhr Hansen fort, der in der Zwischenzeit auf dem Besucherstuhl vor dem Schreibtisch Platz genommen hatte. Seit mehr als acht Jahren war Riedmann jetzt sein Partner und auch engster Vertrauter im Team, das durch die beiden Kommissare Markus Beck und Jens Marquardt komplettiert wurde. Er reichte dem Ermittler das in einem zweiten Beweismittelbeutel verstaute Foto, das ihm von dem anonymen Absender geschickt worden war.

»Finden Sie diese Frau«, las Riedmann die Worte vor, die auf der Rückseite des Fotos unterhalb der Schachfigur standen. Er zog die Augenbrauen zusammen. »Was für eine kranke Scheiße«, murmelte er.

»Du sagst es. Wir müssen die Sache auf jeden Fall ernst nehmen«, erwiderte Hansen zähneknirschend.

Riedmann nickte zustimmend und las noch einmal die sechs Zeilen der merkwürdigen Botschaft, die der Fahrradkurier im Präsidium abgegeben hatte. Er massierte sich die Schläfen, nachdem er den in Gedichtform verfassten Text durchgegangen war. »Viel ist es nicht gerade, was wir an Informationen haben«, sagte er schließlich. »Wir wissen weder, wer die Unbekannte ist, noch wo wir mit der Suche anfangen sollen.«

»Wir sollten das Foto durch die Datenbanken jagen. Vielleicht haben wir Glück und können die Identität der Frau klären, ein mutmaßliches Entführungsopfer. Es wäre immerhin ein Anfang«, brummte Hansen.

»Und ich klemm mich dahinter und versuche rauszufinden, ob uns Foto, Brief oder Umschlag was über den Absender verraten. ‘ne schöne DNA-Spur vom Täter wäre nett«, meinte Laura Decker, als sie durch die offene Tür ins Büro hereinschneite.

Die KTU-Chefin hauchte ihrem Freund Stefan Riedmann einen Kuss auf die Wange und warf einen Blick auf den Brief, der vor ihm auf dem Schreibtisch lag. »Das hört sich gar nicht gut an«, sagte sie nur. »Habt ihr schon Kopien von der Nachricht und dem Foto gemacht?«

»Abfotografiert«, bestätigte Hansen.

»Gut«, erwiderte sie, schnappte sich die Beweismittelbeutel und verschwand wieder. »Melde mich, sobald wir was rausgefunden haben«, rief sie vom Flur aus.

Der Leiter der Mordkommission lächelte. Er schätzte die Arbeit der Frau mit dem wachen Verstand sehr. Schon kurz, nachdem sie vor knapp fünf Jahren die Leitung der KTU in Aachen übernommen hatte, waren sie und Riedmann ein Paar geworden. Mittlerweile wohnten die beiden zusammen in der Innenstadt.

»Warum wendet sich der Absender an dich persönlich und kündigt den Tod einer Frau an?« Riedmann rief die Vermisstenmeldungen der letzten Tage auf.

»Gute Frage.« Hansen schürzte nachdenklich die Lippen.

»Jemand, der eine Rechnung mit dir offen hat?«

»Möglich. Aber warum betreibt die Person, die dahintersteckt, dann einen derartigen Aufwand und nimmt mich nicht direkt ins Visier?«

»Wir sollten es trotzdem in Betracht ziehen.«

Hansen nickte. »Was mir im Moment allerdings mehr zu schaffen macht, ist die Tatsache, dass der oder die Unbekannte mit uns spielen will. Und das auf sehr perfide Art und Weise. Es ist wie der Eröffnungszug eines Schachspiels. Deshalb vermutlich auch der Bauer auf der Rückseite des Fotos. Dazu der verschlüsselte Hinweis, dass wir eine Frau finden müssen, der wohl nicht mehr viel Zeit bis zu ihrem Tod bleibt. Jetzt sind wir am Zug. Ich bin zwar kein Fallanalytiker, aber auf den ersten Blick würde ich mal behaupten, dass wir es mit einem Täter mit Allmachtsfantasien zu tun haben, der davon überzeugt ist, dass nichts und niemand ihn aufhalten kann.«

Riedmann lehnte sich in seinem Stuhl zurück, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und blies die Wangen auf. »So sieht es jedenfalls auf den ersten Blick aus«, meinte er schließlich. »Es liegt übrigens aktuell keine Vermisstenmeldung einer jungen Frau vor.«

»Was nicht zwingend etwas bedeuten muss. Ihr Verschwinden ist vermutlich nur noch nicht bemerkt oder gemeldet worden.« Er seufzte. »Wer auch immer hinter diesem kranken Mist steckt, hält alle Fäden fest in der Hand. Wie du schon erwähntest, kennen wir weder die Identität des Opfers noch den Ort, an dem es gefangen gehalten wird. Wir wissen nicht mal, wie viel Zeit uns bleibt, um sie zu finden.«

»Deshalb sollten wir hier auch nicht länger tatenlos rumsitzen«, erwiderte Riedmann und sprang von seinem Stuhl auf.

Kapitel 2

 

 

»Sebastian Böttner«, antwortete der Mitarbeiter von Citykurier nach einem Blick in den Computer auf Hansens Frage, wer am Morgen den Brief im Polizeipräsidium abgegeben hatte.

Die beiden Ermittler hatten sich umgehend auf den Weg zu dem Kurierdienst in Burtscheid gemacht. Der stark übergewichtige Mann mit der Glatze schaute sie aus kleinen Augen neugierig an. »Hat er was angestellt?«, schob er hinterher.

»Steht da auch, wer der Auftraggeber war?«, wollte Riedmann wissen, ohne auf die Frage einzugehen.

»Wurde hier abgegeben«, erwiderte der Mann. »Wollen Sie mir nicht endlich ...?«

»Von wem?«, unterbrach Hansen ihn ungeduldig. Sein Blick fiel gleichzeitig auf die Überwachungskamera hinter dem Empfangstresen. Sollten sie tatsächlich Glück haben und der Absender des Briefes war auf den Aufnahmen zu sehen?

»Von einem Jugendlichen. War höchstens fünfzehn oder sechzehn.«

Der Leiter der Mordkommission traute seinen Ohren nicht. Riedmann warf ihm ebenfalls einen fragenden Blick zu. »Gibt’s auch ‘nen Namen dazu?«

»Nee, hat den Umschlag abgegeben, bezahlt und ist gleich wieder abgedampft.«

»Wäre es möglich, dass wir einen Blick auf die Videoaufnahmen werfen?« Riedmann deutete mit dem Kinn auf die Kamera hinter dem Mann.

Der zuckte nur mit den Schultern. »Ist ‘ne Attrappe.«

Hansen stöhnte. Wäre ja auch zu einfach gewesen, dachte er. »Können Sie den Jungen beschreiben?«

»Puh.« Der Glatzkopf rieb sich das stoppelige Kinn. »Hab nicht so drauf geachtet«, nuschelte er schließlich. »Mittelgroß. Trug ‘ne Kappe. Und ein Skateboard hatte er dabei.«

»Ist Ihnen sonst noch was aufgefallen? Haar- oder Augenfarbe vielleicht?«, ließ Riedmann nicht locker, obwohl er schon ahnte, wie die Antwort ausfallen würde. Mit dieser Personenbeschreibung würde die Suche nach dem Jugendlichen ein schwieriges Unterfangen werden. Allenfalls einen allgemeinen Aufruf konnten sie starten, um den Teenager ausfindig zu machen, der am frühen Morgen den Umschlag bei Citykurier abgegeben und vermutlich Kontakt zu dem Verfasser des Schreibens gehabt hatte.

»Tut mir leid«, sagte der Befragte schließlich. »Was ist denn eigentlich so wichtig an dem Brief oder dem Jungen?«, setzte er noch einmal an, um seine Neugier zu befriedigen.

»Das können wir Ihnen aus ermittlungstechnischen Gründen leider nicht sagen. Aber kennen Sie vielleicht diese Frau?« Hansen hatte sein Handy aus der Manteltasche herausgezogen und zeigte nun seinem Gegenüber das Foto der Vermissten.

Der Mitarbeiter kratzte sich am Kopf und musterte die Aufnahme genau, bevor er antwortete. »Noch nie gesehen.«

»Wo finden wir diesen Sebastian Böttner?« Hansen steckte das Smartphone wieder zurück.

»Moment.« Der Kurierfahrer tippte auf der Computertastatur herum. »Hat gerade noch eine Tour, anschließend Feierabend. Ist nur vormittags für uns unterwegs. Ich kann Ihnen seine Handynummer und die Adresse geben.« Er notierte beides auf einem Zettel und reichte ihn Hansen.

»Danke, wir haben erst mal keine weiteren Fragen«, sagte der Hauptkommissar nur, zückte sein Handy und sie verabschiedeten sich.

 

»Nur die Mailbox«, meinte Hansen, als sie wieder auf den Bürgersteig traten. Nieselregen schlug ihnen entgegen. Er sprach dem Kurierfahrer eine Nachricht auf und bat ihn, zu Hause auf sie zu warten. »Wo wohnt der Mann?«, fragte Riedmann.

»In Richterich, Berensberger Straße.«

»Dann wollen wir uns mal seine Fingerabdrücke für den Abgleich besorgen.« Riedmann drückte auf die Fernbedienung, um den BMW zu entriegeln.

Hansen hatte gerade auf dem Beifahrersitz Platz genommen, als sein Handy klingelte. Es meldete sich ein Kollege der Vermisstenstelle. Er stellte das Telefon auf Lautsprecher, damit sein Partner mithören konnte.

»Die Frau, die ihr sucht, heißt Susanne Breuer, Architekturstudentin«, kam der Mann nach einer kurzen Begrüßung ohne Umschweife zur Sache. »Ihre Eltern sind gerade hier und wollen eine Vermisstenmeldung aufgeben. Wir haben sie sofort wiedererkannt, als der Vater uns ein Foto von ihr gezeigt hat.«

»Seit wann wird sie vermisst?«

»Das wissen die Eltern leider nicht. Sie sind erst stutzig geworden, weil Susanne Breuer ihre Tochter nicht wie verabredet am Morgen bei ihnen abgeholt hat. Telefonisch ist sie jedenfalls nicht erreichbar. Handyortung haben wir schon veranlasst.«

»Gab es eine Lösegeldforderung?«

»Negativ.«

»Okay, danke für die Info. Wir sind noch unterwegs und kommen sofort. Ich muss unbedingt mit den Eltern sprechen.« Hansen verabschiedete sich und rief Markus Beck an. Der Ermittler war erst seit ein paar Wochen wieder im Dienst – bei seinem letzten Einsatz wenige Monate zuvor war er angeschossen und schwer verletzt worden. Eine Notoperation hatte ihm das Leben gerettet. Nachdem Beck sich davon erholt hatte, musste er sich einer weiteren OP unterziehen. Mit dem neuen künstlichen Kniegelenk hatte ein schmerzfreier Alltag ohne die tägliche Einnahme diverser Schmerzmittel für den verheirateten Vater zweier Töchter im Teenageralter begonnen. Außerdem hatte Beck die lange Ausfallzeit mit zwei Rehamaßnahmen dafür genutzt, Übergewicht loszuwerden: Immerhin zwanzig Kilo weniger brachte er jetzt auf die Waage. Von dem kugelrunden Bauch, den er bis vor Kurzem noch mit sich herumgeschleppt hatte, war nur noch eine kleine Wölbung unter dem Hemd zu sehen. Unterstützt von den Kollegen der Schutzpolizei sollte sich Beck mit seinem Partner Jens Marquardt darum kümmern, alle Schulen im Stadtgebiet abzuklappern, um nach dem Jungen zu suchen, der am Morgen den Brief bei Citykurier abgegeben hatte. Sie mussten den Teenager unbedingt finden, er stellte möglicherweise eine direkte Verbindung zu der oder dem Unbekannten dar, der eine Frau entführt und ihnen diese mysteriöse Nachricht geschickt hatte.

 

Etwa zur gleichen Zeit fragte sich der Verfasser des Briefes, welche Schritte die Bullen bereits unternommen hatten. Auf der Facebook-Seite der Aachener Polizei wurde er schnell fündig. Bingo, dachte er zufrieden. Kriminalhauptkommissar Hansen hatte die Botschaft also ernst genommen. Offensichtlich tappten die Ermittler jedoch völlig im Dunkeln, was die Identität der Frau anging. Ob sie bereits eine Ahnung hatten, wo Susanne Breuer verbuddelt war? Vermutlich nicht. Ein Lächeln huschte bei dem Gedanken daran über seine Lippen. Schon in wenigen Stunden würden sie diesbezüglich schlauer sein. Der zweite Umschlag würde am nächsten Morgen im Präsidium abgegeben werden. Was hätte er dafür gegeben, Hansens Gesichtsausdruck zu sehen, wenn er die Nachricht las. Das Lächeln bei dem Gedanken daran, welche Überraschung auf die Ermittler der Aachener Mordkommission wartete, wurde immer breiter. Nur noch wenige Stunden, und er hatte die erste Spielrunde gewonnen. Susanne Breuer war dann längst mausetot!

Kapitel 3

 

 

Dienstag, 11. April, 08:05 Uhr

 

»Guten Morgen, Herr Hansen«, begrüßte ihn der junge Wachhabende vom Empfang, als er das Präsidium betrat. »Ich wollte gerade zu Ihnen. Dieser Brief ist eben bei uns abgegeben worden«, erklärte der Mann und schob einen Umschlag über die Theke.

»Für mich? Nicht schon wieder«, stöhnte Hansen, dem Böses schwante. Als er die Computerschrift auf dem Kuvert wiedererkannte, ahnte er, von wem das Schreiben stammte, und wusste, dass der Inhalt nichts Gutes bedeuten konnte. Trotz aller Anstrengungen am Vortag war es ihnen bisher nicht gelungen, Susanne Breuer ausfindig zu machen. Es gab nicht den geringsten Anhaltspunkt, wer sich ihrer habhaft gemacht hatte oder wo man sie gefangen hielt. Eine Lösegeldforderung war ebenfalls nach wie vor ausgeblieben. Er war aufgrund der Nachricht an ihn ohnehin nicht davon ausgegangen, dass eine Forderung eingehen würde. Hier ging es um etwas ganz anderes.

Die Ortung von Susanne Breuers Handy hatte sie auch nicht weitergebracht. Laut letzter Standortermittlung war die Studentin gegen halb neun am Prager Ring gewesen. Danach verlor sich jegliche Spur, was die Vermutung nahelegte, dass das Smartphone nicht mehr in Betrieb war. Die Überprüfung ihrer Wohnung in der Theaterstraße hatte ebenfalls keinen Hinweis auf den Verbleib der Frau geliefert. Die Fahndung nach dem Wagen, einem schwarzen Renault Clio, blieb bisher ein Reinfall. Auch die Befragung von Sebastian Böttner, dem Kurierfahrer, hatte nichts ergeben. Die Fingerabdrücke hatte er bereitwillig abgegeben, so hatte Laura sie wenigstens an dem Briefumschlag lokalisieren können. Die Suche nach dem unbekannten Schüler, der den Brief für Hansen in der Filiale des Kurierdienstes abgeliefert hatte, lief immer noch auf Hochtouren. Es war zum Haareraufen! Und jetzt schon wieder eine neue Nachricht!

»Genau, wurde gerade erst von einem Fahrradkurier bei uns abgegeben. Sie müssten ihm eigentlich noch begegnet sein«, riss ihn der junge Kollege aus den Gedanken.

»Gut möglich. Ich habe wohl nicht darauf geachtet. Von welchem Kurierdienst war der Fahrer?«

»Von Mail by bike.«

»Noch nie gehört«, murmelte Hansen, während er die Nitril-Schutzhandschuhe überzog, um keine unnötigen Spuren auf dem Umschlag zu hinterlassen – er hatte für gewöhnlich immer ein Paar in der Manteltasche. Für Fingerabdrücke hatten schon genügend andere Personen wie der Kurier oder der Kollege am Empfang gesorgt, dachte er missmutig. Er murmelte ein Dankeschön, nahm den Brief entgegen und eilte damit zur KTU. Noch im Treppenhaus rief er Riedmann an und zitierte ihn zu Laura ins KTU-Labor in der ersten Etage, wohin auch er sich auf den Weg machte. Gerade wollte er die Klinke hinunterdrücken, um den Raum zu betreten, als sein Partner um die Ecke bog.

Laura Decker schaute von ihrem Mikroskop auf, als sie beide eintraten. Für gewöhnlich trat die Leiterin der KTU ihren Dienst schon gegen sieben an, so auch heute. Ihr langes braunes Haar hatte sie wie fast immer zu einem Zopf zusammengebunden. So sehr sie ihre Mähne liebte, so sehr störte sie oft bei der Arbeit.

»Ich hätte mir einen besseren Anlass für ein frühmorgendliches Tête-à-tête vorstellen können«, sagte sie, als sie sich von ihrem Laborhocker erhob und das Kuvert in Hansens Hand in Augenschein nahm. »Aber ich denke, die Meinung vertrete nicht nur ich.«

»Nein, tust du nicht«, kam es mürrisch vom Leiter der Mordkommission zurück.

»Am besten legst du den Brief dort vorn auf die Glasplatte, direkt neben dem Mikroskop. Ist schon sterilisiert«, erklärte Laura und betrachtete die geschwungene Computerschrift auf dem Umschlag. »Scheint derselbe Schrifttyp zu sein wie bei der Nachricht gestern. Werden wir uns später mal genauer angucken«, murmelte sie vor sich hin, bevor sie das Kuvert oben am Rand mit einem Skalpell öffnete.

»Selbst wenn´s so wäre, nützt uns das nur leider nichts, solange wir keine Vergleichsmöglichkeiten mit einem Ausdruck von einem Drucker eines möglichen Verdächtigen haben«, brummte der Chefermittler.

»Es wäre aber immerhin ein Anfang. Die Briefumschläge bringen uns jedenfalls nicht weiter«, erwiderte Laura Decker. »Selbstklebend, wie bei dem Kuvert des ersten Briefes. Als die noch nicht auf dem Markt waren, hat so mancher Straftäter unbedacht mit der Zunge eine DNA-Probe hinterlassen«, erklärte sie und zog den Inhalt der Postsendung mit einer Pinzette heraus.

Jeden einzelnen Schritt dokumentierte sie mit einer Fotokamera, was Hansen fast zur Weißglut brachte. Er hatte jetzt einfach nicht die Geduld für die Einhaltung der verdammten Vorschriften. Hätte er den Brief doch nur schon am Empfang geöffnet! Nervös verlagerte er das Gewicht vom linken auf den rechten Fuß.

Vorsichtig entfaltete Laura den gefalteten Bogen Papier. Fünf Zeilen in Computerschrift, mehr enthielt die Botschaft diesmal nicht:

Die erste Runde ist vorbei,

kein Triumph der Polizei.

Niemand spendet mir Applaus,

und Susi Breuer? Aus die Maus!

50.723868, 6.081926

 

»Verdammt«, fluchte Riedmann. Er fuhr sich mit der Hand durch den Haarschopf und atmete tief durch.

»Was für ein verfluchter Irrer«, entfuhr es Laura, die den Kopf schüttelte.

»Und die Zahlen? Was hat das nun wieder zu bedeuten?«, fragte Hansen, der mit der Zahlenreihe nichts anfangen konnte.

»Das sind Koordinaten«, erklärte Laura, während sie sich vom Hocker erhob und zu ihrem Laptop hinüberging. »Kann mir einer von euch bitte mal die Zahlen nennen«, bat sie, und Riedmann rasselte sie herunter. »Ein Acker in der Nähe des alten Grenzübergangs am Zollhaus Köpfchen«, erklärte sie, den Blick auf den Bildschirm gerichtet.

Kaum, dass sie die Adresse ausgesprochen hatte, setzte sich Hansen eilig in Bewegung. »Danke, Laura. Trommel bitte dein Team zusammen und fahrt dorthin. Wir treffen uns vor Ort«, sagte er im Hinausgehen.

Die Kriminaltechnikerin griff sofort zu ihrem Handy.

»Was für ein perfides Spiel wird hier mit uns gespielt?«, meinte Riedmann auf dem Flur, der Hansen hinterhergeeilt war. Eher eine Feststellung als eine Frage, wie der Hauptkommissar am Tonfall seines Partners erkannte.

»Wie deine Angebetete schon sagte: Wer auch immer dahintersteckt, hat nicht mehr alle Latten am Zaun und ist gemeingefährlich«, erwiderte er fassungslos. »So was habe ich in über zwanzig Dienstjahren bei der Mordkommission noch nicht erlebt. Die Nachricht verheißt leider nichts Gutes.«

»Denkst du …«, begann Riedmann.

»… dass wir ihre Leiche dort finden und das erst der Anfang ist?«, schnitt er ihm das Wort ab. Hansen blieb vor der Tür zum Treppenhaus stehen und schaute seinen Kollegen besorgt an. »Natürlich ist es noch viel zu früh, um von einem Serientäter auszugehen«, räumte er ein, öffnete die Tür und schlüpfte hindurch. »Dass wir ihre Leiche dort finden … Mal ehrlich, zweifelst du daran?«

»Der Hinweis in der Nachricht lässt eigentlich keinen anderen Schluss zu. Leider. Die erste Runde ist vorbei«, wiederholte Riedmann die Worte aus der Botschaft.

Sie hatten bereits die Ausgangstür zum Präsidiumsparkplatz erreicht, als Riedmann lauthals »Shit!« rief.

Hansen warf ihm einen fragenden Blick zu.

»Muss noch meine Jacke im Büro holen, habe ich im Eifer des Gefechts ganz vergessen. Der Autoschlüssel steckt in der Tasche«, sagte sein Partner und sprintete die Treppe wieder hinauf.

Kapitel 4

 

 

Zwanzig Minuten, nachdem sie die Botschaft des mutmaßlichen Entführers von Susanne Breuer gelesen hatten, kam das Fahrtziel in Sicht. Riedmann raste derart, dass es Hansen den Schweiß auf die Stirn trieb. Sie sprachen kaum ein Wort, zu groß war die Anspannung. Schließlich passierten sie das ehemalige Zollhaus am alten Grenzübergang zwischen dem belgischen Raeren und Aachen. Die Tatsache, dass Hansen auf einen seiner berühmt-berüchtigten Geschichtsvorträge verzichtete, als sie an dem historischen Gebäude vorbeifuhren, war ein Zeichen dafür, wie groß seine Anspannung sein musste. Normalerweise hielt ihn als erfahrenen Ermittler so schnell nichts von einem mit Fakten gespickten Monolog ab, sobald sich die Gelegenheit bot, war er doch regelrecht besessen von der Stadtgeschichte Aachens.

Riedmann bog nach links auf den Rotsiefweg ab, folgte der Straße bis zu einer Gabelung, bog ein weiteres Mal links ab und stoppte den Wagen kurz darauf neben einer Baumgruppe. Das letzte Stück mussten sie zu Fuß zurücklegen, da die angegebenen Koordinaten einen Punkt mitten auf einem Acker markierten.

Die beiden Ermittler sprangen hastig aus dem Wagen. Hansen ließ den Blick über das Feld schweifen, das sich vor ihnen erstreckte. Er musste nicht lange suchen, das Ziel war auch ohne GPS-Gerät auszumachen. Eine kleine Erhebung in etwa fünfzig Metern Entfernung, die auf dem ansonsten weitgehend ebenen Feld gut sichtbar war.

»Scheiße« entfuhr es Riedmann. Auch er hatte es offenbar gesehen.

Er lief sofort los, Hansen folgte ihm. Auf dem matschigen Untergrund kein einfaches Unterfangen, wie er schon nach wenigen Metern feststellen musste. Schnell verlor er ein bisschen an Boden gegenüber Riedmann. Den Motorengeräuschen nach schien ein weiteres Fahrzeug den Rotsiefweg entlangzurasen. Die SpuSi, wie er vermutete. Im Laufen warf er einen Blick über die Schulter, doch die kurze Unaufmerksamkeit bezahlte er teuer. Er geriet auf dem rutschigen Untergrund ins Stolpern und fiel schließlich der Länge nach hin, konnte den Sturz aber gerade noch halbwegs mit den Händen abfangen.

Riedmann hatte von dem Malheur offenbar nichts mitbekommen und hastete immer weiter dem kleinen Hügel entgegen. Hansen rappelte sich wieder auf. Jeans und Mantel sahen aus, als hätte er sich wie ein Schwein im Dreck gesuhlt, dachte er, als er an sich hinunterblickte, bevor er weiterlief. Riedmann hatte in der Zwischenzeit das Ziel erreicht.

»Verdammter Mist«, hörte er ihn rufen, bevor sein Partner sich umwandte und entsetzt in seine Richtung starrte. Wenige Sekunden später kam Hansen neben ihm zum Stehen. Er keuchte wie ein altes Rennpferd, während der wesentlich sportlichere und jüngere Kollege kaum außer Atem zu sein schien.

»Hier wurde vor Kurzem gegraben«, meinte der Oberkommissar und deutete auf den Boden.

Hansen nickte. »Wir brauchen Schaufeln. Die SpuSi hat doch garantiert welche dabei«, sagte er, und Riedmann zückte sein Handy, um Laura anzurufen.

»Du hast da übrigens Dreck am Kinn«, meinte sein Kollege und deutete mit dem Zeigefinger auf die Stelle, während er wartete, dass am anderen Ende der Leitung abgenommen wurde.

»Das ist im Moment nun wirklich unser kleinstes Problem«, gab Hansen mürrisch zurück, ließ sich auf die Knie fallen und begann wie wild mit den Händen Dreck wegzuschaufeln. Kein leichtes Vorhaben, da der Ackerboden völlig durchnässt und entsprechend schwer war.

Im nächsten Moment nahm Laura Decker das Gespräch entgegen.

»Bringt bitte Schaufeln mit. So wie es aussieht …« Riedmann stockte und blickte auf den kleinen Erdhügel, der vielleicht fünfzehn Zentimeter hoch war. »… Beeilt euch.« Schon war das Gespräch beendet. Er wollte gerade sein Smartphone in die Tasche packen und Hansen beim Graben helfen, als der ihm zuraunzte: »Fordere einen RTW an und informiere anschließend Bode, er soll sich seine Tasche schnappen und seinen Arsch sofort hierherbewegen!«

Während Riedmann aus der Ferne beobachtete, wie die drei in weiße Overalls gekleideten KTU-Mitarbeiter die Ausrüstung aus dem Van holten, wählte er die Nummer des Rechtsmediziners. Sie arbeiteten schon seit einigen Jahren mit dem Mann zusammen, der einen Hang zum Extravaganten hatte. Bode war ein Feingeist, eine absolute Koryphäe auf seinem Gebiet. In kurzen Worten berichtete Riedmann, was vorgefallen war, und bat ihn, sich umgehend auf den Weg zu machen. Als er aufgelegt hatte, hielt das Trio der KTU bereits im Laufschritt auf sie zu.

Laura wurde von dem stark übergewichtigen Kollegen Sven Kochs und dem Küken der Truppe, Sebastian Maurer, begleitet. Wie er wusste, arbeitete sie am liebsten mit den beiden Männern zusammen, sie waren ein eingespieltes Team, das sich blind verstand und stets zuverlässige Ergebnisse ablieferte.

»Du hättest deinem Chef ruhig mal helfen können«, schmetterte die Chefin der KTU Riedmann entgegen, als sie mit ihren beiden Kollegen die mutmaßliche Grabstelle erreicht hatten. Sie verlor keine Zeit und schoss sofort ein paar Fotos, während der schwer schnaufende Sven Kochs den Metallkoffer mit den Ausrüstungsgegenständen abstellte, die das Team für die Arbeit benötigte. Hansen beendete indes sein ausweglos erscheinendes Unterfangen und rappelte sich wieder auf.

»Wollte ich ja, aber ich musste mehrere dringende Telefonate führen«, verteidigte sich Riedmann.

Sebastian Maurer hatte drei Schaufeln mitgebracht. »Wir könnten deine Hilfe brauchen«, sagte er und drückte Riedmann einen Spaten in die Hand.

Laura nickte den Männern kurz zu – das Zeichen, dass sie loslegen konnten. Auch wenn die Chancen, das mutmaßliche Entführungsopfer noch lebend zu finden – und niemand der Anwesenden zweifelte daran, dass die junge Frau hier begraben worden war – verschwindend gering waren. Trotzdem durften sie keine Zeit mehr verlieren.

Das Trio grub so schnell, wie es der schwere morastige Boden zuließ. Die Arbeit trieb den Männern schon nach kurzer Zeit den Schweiß auf die Stirn. Ein eisiger Wind wehte ihnen ins Gesicht.

Knapp sieben Minuten später stieß Sebastian Maurer auf Widerstand. »Hier ist was«, rief er. Vorsichtig hob er eine weitere Schippe Erde aus und schleuderte sie aus der Grube.

Riedmann und Kochs hielten kurz inne und starrten auf den Bereich, den der junge Spurentechniker bearbeitete.

»Sieht aus wie eine Kiste«, stellte Hansen fest, der das Treiben vom Rand der kleinen Grube aus beobachtete, die Hände, die er zuvor notdürftig mit einem Taschentuch gereinigt hatte, tief in den Manteltaschen vergraben. Zu gern hätte er dem Trio geholfen, statt nutzlos herumstehen zu müssen. Aber dafür fehlte das passende Werkzeug.

Laura Decker dokumentierte den Fund mit der Kamera, während Stefan Riedmann und Sven Kochs ihre Schlagzahl noch einmal erhöhten und schneller gruben. Dabei riefen sie laut, Susanne Breuer solle durchhalten, für den Fall, dass sie wider Erwarten doch noch lebte. Kurz darauf hatten sie den Deckel einer Kiste von knapp einem Meter achtzig Länge freigelegt. Er war mit einem Vorhängeschloss versehen.

»Da wollte aber einer auf Nummer sicher gehen«, stellte Laura Decker lakonisch fest.

Hansen schloss die Augen und atmete tief durch, seine schlimmsten Befürchtungen schienen sich zu bewahrheiten. Ein Geräusch hinter ihm ließ ihn herumfahren, er riss die Augen wieder auf. Nils Bode näherte sich der Grube. Der Rechtsmediziner war bereits in einen Schutzanzug gekleidet, zu dem die knallgelben Gummistiefel einen krassen Kontrast bildeten. Das grau melierte Haar war komplett unter der Kapuze verschwunden. Hansen war überrascht, wie schnell der Mann es hierher geschafft hatte.

»Ich war zufällig in der Nähe unterwegs«, meinte der Rechtsmediziner, dem offenbar Hansens Verwunderung nicht entgangen war.

»Kannst du mir bitte raushelfen«, bat Riedmann und reichte Hansen eine Hand, um leichter aus dem knietiefen Loch klettern zu können. Hansen half auch Sebastian Maurer dabei, aus der Grube zu steigen. Vom Schweiß durchnässte Haarsträhnen klebten dem SpuSi-Mitarbeiter an der Stirn, der Rest des blonden Haarschopfes war unter der Kapuze seines weißen Overalls versteckt.

Bode gesellte sich mit einem kurzen »Hallo« zu ihnen, stellte seinen Instrumentenkoffer ab und warf ebenfalls einen Blick in das ausgehobene Loch. Mehr sagte der ansonsten wortgewandte Rechtsmediziner nicht.

»Brich das Schloss auf«, wies Hansen den Kollegen Kochs an. Der Spurentechniker war als Einziger in der Grube geblieben. Er stand direkt neben dem Holzdeckel. Sie hatten beim Graben zusätzlich einen kleinen Streifen Erde mit ausgehoben, um ungehinderten Zugang zu dem Objekt zu haben, das dort im Acker vergraben worden war.

»Was ist mit möglichen Spuren? Wir sind nicht gerade nach Vorschrift vorgegangen bisher.« Kochs wirkte verunsichert. Im Hintergrund war bereits ein Martinshorn des herannahenden Rettungswagens zu hören.

»Den Luxus haben wir in dem Fall nicht. Was ist, wenn die Frau noch lebt? Mach das Ding auf, ich nehm's auch auf meine Kappe«, erwiderte Laura Decker und reichte dem Kollegen einen Bolzenschneider.

Im Handumdrehen war das Vorhängeschloss geknackt. Hansen hatte ein flaues Gefühl im Magen, er sog geräuschvoll die Luft ein und blickte besorgt hinab in die Grube. Vorsichtig hob der Spurentechniker den Deckel an und schloss die Augen, als er erblickte, was sich in der hölzernen Kiste befand.

Kapitel 5

 

 

»Verdammt!«, fluchte Riedmann, als er auf den Leichnam von Susanne Breuer hinuntersah. Er schlug sich so heftig mit einer Faust in die Hand, dass es laut klatschte.

Bode wandte sich kommentarlos ab, ging hinüber zu seinem Instrumentenkoffer und holte einige Utensilien heraus.

»Die arme Frau«, stellte Hansen kopfschüttelnd fest.

Dann herrschte einen Moment Stille am Grab der Studentin.

»Sie war auffallend schön.« Laura Decker hatte den Blick immer noch auf die Tote gerichtet, während sich Sven Kochs mithilfe seines Kollegen aus dem Loch kämpfte. Der übergewichtige Mann verlor dabei den Halt auf dem nassen Untergrund und wäre beinahe rücklings in die Holzkiste gefallen, hätte Stefan Riedmann ihn nicht geistesgegenwärtig bei einer Hand gepackt und so den Absturz verhindert.

»Und sie ist aufreizend gekleidet«, fuhr Laura Decker fort. »Schwarzes Cocktailkleid, dazu halterlose Strümpfe, hochhackige Pumps. Ich würde mal darauf tippen, dass sie eine Verabredung hatte.«

Hansen nickte. »Möglicherweise mit ihrem späteren Mörder oder ihrer Mörderin.« Etwas hatte seine Aufmerksamkeit erregt. »Was ist das für ein Stück Plastik dort?«, meinte er und deutete mit dem Zeigefinger auf das untere Ende des Sarges.

Decker sprang hinunter in das Loch und betrachtete den Fund genauer. Ihre Augen weiteten sich, dann schaute sie hinauf zu Hansen und den anderen, die sie neugierig beobachteten. »Das ist ein Stück Gummischlauch, das in die Kiste hineinragt. Auf der gegenüberliegenden Seite gibt es noch ein zweites Stück. Kannst du mir bitte mal die Handschaufel runterreichen, Sebastian?«, bat sie ihren Kollegen, bevor sie ein paar Fotos von den Schläuchen schoss. Die beiden Schlauchenden befanden sich jeweils auf Höhe der Knöchel der jungen Frau im Sarg.

»Ich wäre dann jetzt so weit für die erste Leichenschau«, ertönte neben Hansen die sonore Stimme von Bode, woraufhin der Rechtsmediziner zu Laura Decker in das Loch hinabstieg und sich auf Kopfhöhe der ermordeten Frau hinkniete.

Fast zeitgleich erreichte der RTW den Leichenfundort. »Sag ihnen, dass ihre Hilfe nicht mehr erforderlich ist«, sagte der Hauptkommissar mit betretener Miene an Riedmann gewandt. Der nickte und lief den Männern entgegen, die bereits aus dem Rettungswagen gestiegen waren.

Während Bode damit begann, die Tote zu untersuchen, reichte Sebastian Maurer seiner Chefin die Handschaufel. Decker fing sofort vorsichtig zu ihren Füßen an zu graben. Sie war kaum in den Boden eingedrungen, vielleicht zehn Zentimeter, da stieß sie bereits auf Widerstand.

»Hier ist noch irgendwas vergraben«, meinte sie schließlich. »Scheint aus Metall zu sein.« Sie legte einen kleinen Bereich frei. Zum Vorschein kam ein graues abgerundetes Stück Eisen.

»Ich glaub, ich weiß, was das sein könnte«, meinte Hansen. Er war in der Zwischenzeit auf die gegenüberliegende Seite des Lochs gegangen und hockte nun direkt hinter der Spurentechnikerin am Rand der Grube. Gleichzeitig begannen Kochs und Maurer damit, in der Nähe erste mögliche Spuren zu lokalisieren und Nummerntäfelchen aufzustellen.

»Eine Sauerstoffflasche«, meinte Decker, die über ihre Schulter hinweg zu ihm hinaufblickte.

»Genau das wollte ich sagen. Die Frau wurde lebendig in die Kiste eingesperrt, die wiederum eine Zeit lang mit Sauerstoff versorgt wurde. Wer immer für diese Sauerei hier verantwortlich ist, hatte die Absicht, sie möglichst lange leiden zu lassen«, stellte Hansen wutschnaubend fest. »Hast du die Kratzspuren an der Innenseite des Deckels gesehen?«

Die Chefin der KTU bejahte. »Sie hat sich die Fingerkuppen blutig gekratzt, die Nägel sind zum Großteil abgebrochen«, erwiderte sie und deutete auf die lackierten Fingernägel des Opfers, die bis auf die kleinen Finger an den Enden abgerissen und blutig waren. »Was für ein krankes Hirn tut so etwas?«

»Ein sehr krankes«, war es Bode, der sich in die Unterhaltung einmischte. »Alle äußeren Anzeichen sprechen für Tod durch Ersticken. Petechiale Stauungsblutungen in den Augen und an den Unterarmen, Zyanose des Gesichts, intensive Totenflecken. Die Frau ist einen langsamen, einsamen Tod gestorben«, fasste der Rechtsmediziner zusammen. »Die Totenstarre ist voll ausgeprägt. Ausgehend von der Körpertemperatur schätze ich, dass sie gestern Abend zwischen neunzehn und einundzwanzig Uhr verstorben ist. Genauer kann ich das im Moment nicht eingrenzen. Mehr dann nach der Obduktion.« Hansen seufzte. »Ach ja, mir ist etwas aufgefallen«, fuhr Bode fort, während die beiden SpuSi-Männer unterstützt von Riedmann nun damit begannen, ein zuvor aus dem Einsatzwagen herbeigeholtes Schutzzelt über der Senke aufzubauen. Graue Wolken verdunkelten mittlerweile den Aachener Himmel. Bode schob die Haare der toten Frau ein wenig zur Seite. »Es gibt eine Einstichstelle hier am Hals.«

Da Hansen es von seiner Position aus nicht erkennen konnte, erhob er sich aus der Hocke und ging um die Grube herum.

»Um die Stelle hat sich ein Hämatom gebildet. Ich würde sagen, dass das wenige Stunden vor Eintritt des Todes passiert sein muss«, erklärte der Rechtsmediziner.

»Vermutlich hat die Person, die für die Tat verantwortlich ist, das Opfer mit irgendeiner Substanz schachmatt gesetzt«, vermutete Hansen.

---ENDE DER LESEPROBE---