Tom Prox 102 - Holger Sundmark - E-Book

Tom Prox 102 E-Book

Holger Sundmark

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Beschreibung

Sie ist wie ein Phantom. Die "Blitz-Bande" taucht unerwartet auf, schlägt eiskalt zu und verschwindet ohne Zeugen oder auch nur die kleinste Spur zu hinterlassen. Gerade noch haben die gewissenlosen Gangster, die selbst vor Mord nicht zurückschrecken, in Utah zugeschlagen, schon landen sie ihren nächsten Coup hunderte von Meilen entfernt in Kalifornien oder Nevada. Und selbst als Tom Prox und seine beiden Sergeanten, Ben Closter und Snuffy Patterson, in Silver Wash, Arizona, endlich auf eine Gruppe rauer, wenig vertrauenerweckender Kerle stoßen, gibt es doch nicht den kleinsten Beweis dafür, dass diese Männer mit den Raubzügen etwas zu tun haben könnten. Als zudem Snuffy spurlos verschwindet, muss der Ghostchef sich schließlich eingestehen, dass ihm nie eine Lage auswegloser vorgekommen ist wie bei diesem mysteriösen Fall ...


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Inhalt

Cover

Ein smarter Boy

Aus dem Wilden Westen

Vorschau

Impressum

Ein smarter Boy

Von Holger Sundmark

In der Bibel mag zwar von heiligem Zorn die Rede sein. Der Zorn aber, den Barry Miller fühlt, ist alles andere als heilig, wie Tom Prox bald erkennt. Der so wohlerzogene, ja, schüchterne junge Mann hat nämlich nur einen Gedanken: Rache! Rache für den viele Jahre zurückliegenden Mord an den Eltern, für die niedergebrannte Farm und das spurlose Verschwinden der Schwester.

Egal aber wie schrecklich diese Verbrechen waren, Selbstjustiz kann Tom Prox nicht zulassen. Viel zu groß ist die Gefahr, dass sie sich gegen Unschuldige richten könnte ...

Wer kennt schon Silver Wash? Selbst Leute, die einmal glaubten, jede Ecke von Arizona zu kennen, hatten von diesem Nest noch nie etwas gehört, das gänzlich abgeschieden von der Welt in einem weiten, freundlichen Talkessel liegt. Hohe, schroffe Gebirgsketten riegeln es ab, und jenseits des Gebirgszuges dehnt sich die Wüste aus.

Aber die Zeit schien Silver Wash schon damals vergessen zu haben. Außer einer wackligen gelben Linienkutsche, die Silver Wash auf der halsbrecherischen Straße von Winchester her einmal in der Woche mit Post versorgte, verirrte sich so leicht kein Verkehrsmittel hierher.

Als diese Postkutsche dann eines Tages neben der spärlichen Post tatsächlich einen Reisenden brachte, war das eine Sensation! Zwei Alte mit ordentlich Zahnlücken, die nach alter Gewohnheit gegenüber der Posthalterei im Schatten saßen und an ihren abgekauten kurzen Stummelpfeifen pafften, stießen sich gegenseitig an.

»Ein Fremder in der Stadt«, knurrte Dan Harper. »Verdammt junger Bursche.«

»Das sehe ich«, brummte Sam Wobbler. »Sonderbar, jetzt sind's schon sieben verdächtige Fremde ...«

»Kann selbst bis sieben zählen«, gab der andere bedächtig zurück. »Und seit Jahren standen in Rineharts Bruchbude die Zimmer leer.«

»Denkst du vielleicht, das wäre ein Zufall? Es wird Ärger geben in Silver Wash.«

»Na, der da sieht aber gar nicht so aus, was?« Das Mundstück der Pfeife deutete auf den Fremden, der sicherlich nicht älter als achtzehn Jahre war und einen recht schüchternen Eindruck machte.

Er war mittelgroß, schlank und schmal, hellblond mit wasserblauen, nichtssagenden Augen in einem mageren, ziemlich blassen Gesicht. Er trug einen grauen, städtisch geschnittenen Anzug und hielt einen nagelneuen Stetson in der einen und einen mächtigen Koffer in der anderen Hand, als er zur Posthalterei hinüberschritt. Einen Gurt mit einem alten, abgewetzten Colt trug er außen über die Jacke geschnallt, und dann noch so hoch an der Hüfte, wie nur ein Anfänger ihn tragen konnte.

»Scheint ein blutiges Greenhorn zu sein.«

»Hörst wohl schon die Flöhe husten? Die anderen sind aber keine Greenhorns.«

Die »anderen« waren am Tag zuvor angekommen, ein Trupp von sieben Reitern. Am helllichten Tage waren sie in den Ort eingeritten, kühl und lässig, mit einer Selbstverständlichkeit, dass die Leute schon glaubten, Gespenster würden das Nest jäh aus seinem Dornröschenschlaf aufschrecken.

So etwas kannte man in Silver Wash eigentlich nur vom Hörensagen. Zumindest schien es Hunderte von Jahren her zu sein seit dem letzten Mal, dass Männer dieses Schlages das Städtchen mit ihrem Besuch beehrt hatten. Damals waren Angst und Schrecken mit den ungebetenen Besuchern gekommen, Raub, Mord und Brand, und die Gemeinde hatte danach lange Zeit gebraucht, um sich davon zu erholen.

Genauso gefährlich und abenteuerlich sahen auch die Burschen aus, die völlig unerwartet am Vortag Einzug in Rineharts Hotel gehalten hatten. Rau, zäh und hart saßen sie zu Pferde, als hätten sie ihr die meiste Zeit ihres Lebens im Sattel zugebracht. Wildäugig, mit sonnengegerbten Gesichtern, die nicht durchweg von guten Charaktereigenschaften zeugten. Dazu baumelten den meisten von ihnen zwei schwere Colts an überkreuzt getragenen Gurten von der Hüfte.

Nein, die Ankunft dieses Rudels reizbarer Satteltiger ließ nicht erwarten, dass die nächsten Tage in Silver Wash besonders gemütlich werden würden.

Im Hotel hatten sie drei Zimmer in Beschlag genommen. Überraschenderweise traten sie anfangs sehr zurückhaltend auf, befleißigten sich auch eines tadellosen Betragens und gaben sich sichtlich Mühe, nicht zum Stadtgespräch zu werden. Und wenn einmal einer aus der Rolle tanzte, wurde er sofort von einem Stier von Mann mit namens Clumsy zur Ordnung gerufen.

Die braven Bürger aber trauten dem Frieden nicht so recht. Da sie jedoch gewohnt waren, vor allen Schwierigkeiten, die nicht gerade auf den Nägeln brannten, die Augen zu verschließen, bestand durchaus die Aussicht, dass man sich schon in ein oder zwei Tagen mit den Fremden abfinden und zur Tagesordnung übergehen würde – falls nicht doch noch etwas Ernsthaftes passierte.

Die beiden Alten auf der Bank sahen nach kurzer Zeit den blassen Jüngling die Posthalterei wieder verlassen. Den Stetson auf dem Kopf und den Koffer in der Hand, nahm er Richtung auf Rineharts Hotel. Das erregte natürlich ihre Neugier, die größer war als der Gleichmut des Alters.

»G'morning, Stranger«, nuschelte Dan Harper durch seine Zahnlücken.

Der Fremde zog ehrerbietig seinen Stetson. »Good morning, Gentlemen«, grüßte er artig.

»Seid wohl fremd in Silver Wash«, bemerkte Sam Wobble, während sein Nachbar etwas brummte, das wie »... dumme Frage ...« klang.

»Ja«, erwiderte der junge Mann überhöflich und stellte einen Augenblick seinen Koffer ab. »Hatte bisher noch nicht die Ehre, dieses schöne Städtchen zu besuchen.«

»Habt Geschäfte im Ort?«, fragte der alte Wobble weiter.

»Ja, habe hier etwas zu erledigen.«

»Schönen alten Colt schleppt Ihr da ja an der Hüfte herum«, meinte Dan Harper anerkennend und deutete mit der Stummelpfeife dahin.

»Bitte vielmals um Entschuldigung, Sir, das ist ein Erbstück von meinem Vater«, sagte der Jüngling schüchtern, und eine leichte Röte schoss ihm ins Gesicht.

»Komischer Boy«, brabbelte Sam Wobble leise. »Selten so was gesehen. Hätte bleiben sollen, wo er herkommt.« Und verständlicher: »Trägt man da, wo Ihr herkommt, die Colts immer so hoch an der Hüfte?«

Wieder wurde der Jüngling rot. »Ich verstehe Sie nicht, Sir. Ist es so nicht richtig?« Betreten blickte er auf seinen alten Revolver.

»Nun ja, Leute, die damit schießen wollen, schnallen hierzulande das Schießeisen so tief wie möglich. Man kann dann viel schneller ziehen, Fremder!«

»Und Leute, die nicht damit umzugehen verstehen, lassen die Kanone lieber zu Hause«, ergänzte Harper augenzwinkernd. »Kann aber sein, dass die Bräuche bei euch daheim anders sind.«

»Ver ... Verzeihung, vielleicht hängt der Revolver wirklich zu hoch«, stotterte der junge Mann. »Soll ich ... ich meine ... wollen Sie damit andeuten ... sollte ich ihn niedriger schnallen?«

»Du solltest das Ding in deinen Koffer packen, mein Junge, und so tief, dass niemand ihn wiederfindet«, riet Harper väterlich.

»Oh, vielen Dank, ich werde es mir überlegen, aber ... Verzeihung, ich habe mich so an den Revolver gewöhnt, und mein Vater trug ihn immer an der Hüfte, nie im Koffer.«

»Auch so hoch geschnallt?«

»Ich ... ich ...«

»Dein Vater lebt nicht mehr, nicht wahr?«

»No, Sir.« Das Gesicht des jungen Mannes wurde puterrot. »Banditen haben ihn erschossen, vor drei Jahren. Er hat nicht schnell genug gezogen ... ich ... Verzeihung ... ich jetzt muss ich aber wirklich gehen.« Er nahm seinen Koffer auf.

»Willst du im Hotel wohnen?«, fragte Wobble. »Lass dich warnen, Sonnyboy. Da hat sich ein ganzes Rudel von Sattelwölfen breitgemacht.«

Der junge Mann setzte den Koffer wieder ab. Er blickte nicht gerade ängstlich, aber reichlich verwirrt.

»In Rineharts Hotel? Sie meinen Ban ... Banditen?«

»Wenn mich mein Riecher nicht im Stich lässt«, setzte Wobble an, aber Harper unterbrach ihn bissig.

»Was du in der Nase hast, Sam, das sind höchstens Polypen. Aber wirklich, mein Junge, in diesem Drecksnest will es keiner mehr so recht wahrhaben, weil die Bande schon einen Tag da ist und sich immer noch ruhig verhält. Aber wenn das nicht die übelste Bande von skrupellosen Revolvermännern ist, dann habe ich noch nie anständige Menschen gesehen.«

»Was möglicherweise stimmt«, bemerkte Harper. »Aber seit diese Gauner eingezogen sind, schwelt im Ort die Zündschnur an einer Bombe. Kann jeden Augenblick losgehen, das Ding. Würde dir nicht raten, mein Junge, dich in dieses Rattennest einzuquartieren. Kannst gern bei mir wohnen. Ich habe ein Bett frei.«

»Danke, Sir, ich ...«

»Oder hast du was mit der Bande zu tun?«

»Nein, bis jetzt noch nicht.«

»Bei mir kannst du auch bleiben«, sagte nun auch Harper. »Habe mehr Platz als Wobble. Kannst das Zimmer von meinem Jungen haben. Er ist draußen in Winchester.«

»Oh, sehr freundlich, Gentlemen.« Der Junge wehrte bescheiden ab und wusste kaum, was er dazu sagen sollte »Sie sind zu gütig ...« Dann starrte er eine Weile unschlüssig auf seine blankgeputzten Stiefelspitzen, schüttelte den Kopf. »Vielen Dank, ich glaube, ich kann es wagen, im Hotel ein Zimmer zu nehmen. Ich habe den Herrschaften schließlich nichts getan.« Wieder bückte er sich nach seinem Koffer.

»Mach, was du willst, Boy. Wie heißt du eigentlich?«

Der junge Mann richtete sich wieder auf. Er zog den Hut und sah verlegen vor sich hin.

»Verzeihung, Sie müssen mich für schrecklich ungebildet halten«, würgte er schließlich heraus. »Ich ... ich habe tatsächlich meine gute Kinderstube vergessen. Ich heiße Barry Miller, komme aus Churchrock, Colorado. Bitte um Entschuldigung, aber jetzt muss ich mich wirklich empfehlen.«

Sorgfältig setzte er seinen neuen Stetson auf, griff zum dritten Mal nach seinem Koffer und stakte davon.

Kopfschüttelnd sahen die beiden Alten ihm nach.

Barry Miller betrat die Halle von Rineharts Hotel und setzte seinen Koffer erst einmal neben der Tür ab. Während er sich noch bückte, gab es über seinem Kopf einen zischenden Laut, als wäre etwas in die hölzerne Wand gefahren.

Der junge Mann richtete sich vorsichtig auf und stieß mit der Hutkrempe gegen etwas, das vorher noch nicht in der Wand gesteckt hatte. Es war das lange, hölzerne Heft eines scharfen Messers, das aus dem zersplitterten Holz ragte.

Barry blickte erschrocken in die dämmerige Halle, in der jetzt röhrendes Gelächter aufscholl. In den grün gepolsterten Sesseln lümmelten vier Männer. Sie schlugen sich auf die Schenkel, feixten und wieherten belustigt über das verdutzte Gesicht des Jünglings.

»Ich bitte um Verzeihung, ich ...«, stotterte Miller, worauf sich erneutes Gelächter erhob.

»Du Rindvieh stehst gerade vor meiner Zielscheibe«, rief grinsend ein krummbeiniger Geselle. Dann setzte er mit der linken Hand das Whiskyglas ab, das er gerade geleert hatte, und wog nun in der rechten Hand ein langes Wurfmesser, ähnlich dem, das in der Wand steckte.

»Entschuldigen Sie, Sir, das wusste ich nicht«, stieß Barry ehrerbietig heraus und trat einen halben Schritt zur Seite.

Jetzt erst stand er aber wirklich mitten vor der großen Holztafel, die neben der Tür hing und auf die ein handgroßes Herz in roter Farbe aufgemalt worden war. Der Krummbeinige holte aus, das Messer schwirrte durch den Raum – und bohrte sich mit einem dumpfen Schlag ins Holz.

Der Junge stieß einen kleinen Laut des Erschreckens aus, denn, wie mit Geisterhand, hatte das Messer ihm den Hut vom Kopf gerissen. Er ruckte herum und erkannte, dass die Spitze des Wurfdolches oben durch den Hut gefahren war und den Stetson auf dem Holz festgenagelt hatte.

Von Neuem röhrte das Lachen durch die Halle, lauter als zuvor.

»Mensch, Sabre!«, orgelte ein untersetzter Bursche, der fast ebenso breit wie lang war. »Das ist ein Witz! Ein Witz, hohoho!«

Der junge Mann presste die schmalen Lippen aufeinander, wandte den Johlenden den Rücken zu und zog das Messer heraus. Er musste sich anstrengen, denn die scharfe Spitze saß fest.

»Scheint 'n kaltblütiger Bursche zu sein«, meinte ein gefährlich aussehender Mestize. »Bleibt mitten vor der Zielscheibe stehen, obwohl ihm schon zwei Messer um die Ohren geflogen sind. Beult auch noch in Ruhe seinen Hut zurecht!«

Neues Gelächter.

»Werden schon noch herauskriegen, ob er wirklich so kaltblütig ist ... oder nur dumm«, bemerkte Sabre, der Messerwerfer. »Scheint ja hier im Hotel absteigen zu wollen.«

Der blasse Junge warf einen letzten wehmütigen Blick auf die beiden Löcher im Oberteil seines Hutes und setzte diesen wieder auf. Dann nahm er das Messer, das er aus der Scheibe gezogen, und brachte es Sabre.

»Bitte um Verzeihung, Sir, ich glaube, das gehört Ihnen.«

»Weiß der Teufel«, versetzte der erstaunt und nahm den Dolch an sich. »Willst du hier im Hotel wohnen? Wie heißt du eigentlich?«

»Barry Miller, wenn Sie gestatten. Ich hoffe, dass es die Gentlemen nicht allzu sehr stört, wenn ich hier Quartier nehme. Ich bin auch nicht laut.«

»Das glaube ich dir, Milchgesicht. Würde es dir auch raten. Wir sind nämlich sehr empfindlich, höhöhö!«

Die vier erhoben sich und traten näher an ihn heran.

»Wo hast du denn den hübschen Revolver her, Kleiner?«, stichelte Burt Ifling, ein Mann, der in verschiedenen Staaten gesucht wurde, weil er sehr schnell mit dem Colt war und durchaus nicht immer darauf wartete, dass sein Gegner zuerst zog. »Ist dir das Holster nur hochgerutscht? Oder soll das ein Schulterhalfter sein, das dir runtergerutscht ist?«

»Ich trage es immer so. Ist das nicht richtig?«

Eine neue Lachsalve war die Antwort.

»Der Kerl ist unbezahlbar«, japste Dan Albright, der weit und breit als brutaler Schläger bekannt war und auch sonst einiges auf dem Kerbholz hatte. »Ich wette, damit kannst du höllisch schnell ziehen!«

»Ja, Sir, mein Onkel meinte, es wäre schnell genug.«

»Schnell genug? Haha! Hört euch den Himbeerbubi mal an!«

»He, du«, sagte Ifling, der Revolverheld, der glaubte, jetzt eine Gelegenheit zu haben, um sein Mütchen zu kühlen. »Kannst du schnell genug ziehen, um mich zu erschießen?«

»Ich verstehe Sie nicht ...«

»Zieh deinen Colt und knall mich ab, los! Wenn du das fertigbringst, kriegst du von mir zehn Dollar, hehe!«

»Oh, Sie haben Humor, Sir«, sagte der Junge verlegen und schaute auf seine Fußspitzen. »Ich wünschte manchmal, ich hätte ihn auch.«

»Feigling«, knurrte Ifling verächtlich, aber der junge Mann schien auch das nicht zu verstehen.

»Wie viel hast du denn schon abgeknallt mit deinem gewaltigen Schießprügel, he?«, fragte höhnisch Albright, der trotz seiner geringen Länge fast zwei Zentner wog, und trat wie beiläufig dem Boy auf den Fuß.

Das heißt, er wollte es tun, denn ebenso beiläufig zog Barry Miller seinen Fuß weg und wandte sich zur Seite, sodass Albright das Gleichgewicht verlor und Mühe hatte, auf den Beinen zu bleiben.

»Oh, bitte entschuldigen Sie, Sir«, sagte der Jüngling. »Ich glaube, es waren bisher sechs, die ich erschossen habe.«

Der Schläger, der gerade wütend auf ihn losgehen wollte, erstarrte ebenso wie seine Kumpane.

»Sechs? Erschossen?«

»Yes, Sir. Sechs Kaninchen.«

»Ach sooo, Kaninchen! Was anderes hätte mich auch gewundert.«

»Meinten Sie etwa etwas anderes als Kaninchen?«

Die vier wieherten wieder vor Vergnügen.

Der Hotelkeeper erschien endlich auf der Bildfläche und erklärte sich bereit, dem jungen Mann ein Zimmer zu geben. Nachdem die notwendigen Formalitäten erledigt waren, wandte sich Rinehart ungehalten an den Messerwerfer.

»Aber, Mr. Sabre, Sie haben Ihr Zielbrett schon wieder neben der Eingangstür aufgehängt! Es erschreckt die Leute, die hereinkommen. Können Sie denn nicht hinterm Hause üben?«

»Kann ich«, brummte Sabre. »Wir hatten gerade einen Whisky getrunken, und da wollte ich ein bisschen üben, damit es mir nicht so langweilig wurde. Nichts für ungut, Keeper.«

»Moment, lass noch hängen!«, rief Ifling grinsend und wirbelte seinen Colt aus dem tiefhängenden Holster, sodass man der Bewegung kaum folgen konnte.

Schon dröhnte ein Schuss, und in der Mitte des roten Herzens zeichnete sich ein kleines schwarzes Loch ab, wo gerade eben die Kugel eingeschlagen war.

»Aber, Gentlemen!«, jammerte Rinehart. »Doch nicht hier in der Halle! Wenn ich bitten dürfte ...«

Ifling war jetzt viel zu sehr in Fahrt. Er versetzte Barry Miller einen Rippenstoß.

»Siehst du Sabres Zielscheibe, Bleichgesicht?«

Der junge Mann nickte mit schüchternem Lächeln.

»Siehst du auch das rote Herz darauf?«

»Yes, Sir, ich sehe es.«

»Und in der Mitte das kleine schwarze Loch?«

Der Junge nickte wieder.

»Das war meine Kugel! Nun lass sehen, wie gut du treffen kannst.«

»Well, Sir, ich ... ich weiß nur nicht, ob mir das ansteht«, versuchte sich Barry Miller aus der Affäre zu ziehen, während Rinehart vergebens bat, doch in seinem Hotel keine Schießerei anzufangen.

»Nun schieß schon, du Memme!«, forderte Ifling dröhnend, als der junge Mann immer noch zögerte. Langsam wurde er wütend, weil er befürchtete, um einen Spaß betrogen zu werden.

»Wenn Sie wünschen, Sir.« Der Junge ergab sich in sein Schicksal und griff nach seinem abgewetzten Colt.

Nachdem er erst einmal fehlgegriffen hatte, gelang es ihm schließlich, die Waffe aus dem Holster herauszuwürgen. Er zielte, setzte ab. Zielte nochmals und feuerte endlich. Seine Hand zitterte nicht, aber auf dem Zielbrett suchte man vergeblich nach dem Einschlag der Kugel. Außer dem Loch, das Iflings Geschoss hinterlassen hatte, war die Tafel unversehrt. Selbst in der Wand war die Kugel nicht zu finden.

Ifling grinste verächtlich.

Schwere Schritte kamen die Treppe herabgepoltert. Ein großer, schwerer Mann erschien in der Halle. Hinter ihm tauchte ein kleines, rothaariges Männchen auf, sowie eine ausgesprochen elegante Erscheinung mit gepflegtem Lederzeug und silberziselierten Revolvern.

»Was für ein Rindvieh knallt denn hier in der Gegend herum?«, schnaufte der Dicke, der an einen Nilpferdbullen erinnerte. »Habe ich euch nicht hundertmal gesagt, ihr sollt euch benehmen wie Gentlemen, die ihr seid? Also, was ist los?«

»Nichts ist los, Clumsy«, beeilte sich Juan Mozo, der Mestize, zu versichern. »Es war nur ein Scherz. Der blasse Bubi hier wollte uns nur zeigen, wie er schießen kann. Aber er hat nicht einmal das Brett getroffen.«

»Sooo?«, dehnte Clumsy und musterte den Jüngling flüchtig. »Ich bitte mir aus, dass kein Streit vom Zaun gebrochen wird. Jim, wolltest du deine Zielscheibe nicht draußen im Hofe aufhängen? Also, bitte!«

Er sagte »bitte«, aber so, wie er es sagte, hatte der Betroffene gar keine andere Wahl, als zu gehorchen. Brummend nahm Sabre das Brett von der Wand.

»Übrigens ist eben der Boss mit der Kutsche vorgefahren«, teilte Clumsy beiläufig mit. »Er hat die beiden Mädchen mitgebracht. Eure Sorgen waren also unbegründet.«

Die beiden Alten vor der Posthalterei kamen an diesem Tage nicht aus dem Staunen heraus, und mit ihnen wunderte sich die gesamte Einwohnerschaft von Silver Wash, unter der sich jede Neuigkeit sofort, wie ein Lauffeuer, verbreitete.

Eine Stunde nach der Linienkutsche war ein offener Vierspänner in den Ort gerollt, kutschiert von einem langen, hageren Burschen mit stoppeligem Gesicht und zynischem Lächeln, der sicher schon fünfzig Jahre auf dem Buckel hatte und ähnlich wie die Reiter von gestern zwei schwere Colts an der Hüfte trug. Hinten in der Kutsche saßen zwei junge Mädchen, die beide sicher noch nicht zwanzig Jahre alt waren. Die eine rotblond, mit verbitterten Zügen, die andere schlank, dunkelblond und freundlich.

Der Kutscher brachte den Wagen vor den beiden Alten zum Stehen und beugte sich herunter.

»Rineharts Hotel?«, fragte er rau.

Der alte Wobble wies stumm mit der Tabakspfeife die Richtung.

»Nehmen Sie die Querstraße links«, sagte er dann. »Es ist das zweite Haus. Sie sehen schon das Schild.«

»He, sagen Sie mal, haben Sie etwa 'nen Kongress hier in Silver Wash?«, fragte der alte Harper hastig, als der Fremde sich anschickte, weiterzufahren, ohne sich zu bedanken.

Der warf ihm nur einen messerscharfen Blick zu und krächzte: »Ihre Sorgen möcht' ich haben, Mann!« Dann fuhr er weiter.

Die beiden jungen Mädchen blickten starr geradeaus.

Eine halbe Stunde später – die beiden Alten hatten die Auskunft des Fremden noch nicht verdaut und waren dabei, sie unter gegenseitigen Sticheleien zu erörtern –, traf bereits die nächste Überraschung ein. Drei Reiter kamen aus Richtung Winchester.