Tom Prox 99 - Holger Sundmark - E-Book

Tom Prox 99 E-Book

Holger Sundmark

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Beschreibung

"Die Unheimlichen" - so nennen die Bürger von Dry Post eine Verbrecherbande, die seit geraumer Zeit die Gegend unsicher macht, raubt und mordet. Gangster, von denen man nicht mehr weiß, als dass sie es ausschließlich auf Bargeld oder Gold abgesehen haben. Wer diese Männer sind, woher sie kommen, wohin sie immer wieder spurlos verschwinden und wer ihr Boss sein könnte, auf all diese Fragen scheint es keine Antwort zu geben.
Der Sheriff des Ortes und sein einarmiger, beinahe greiser Deputy sind hilflos überfordert, sodass drei Honoratioren der Stadt nun die Ghost Squad angefordert haben. Doch auch Tom Prox und seine Sergeanten stochern zunächst nur im Nebel. Das scheint sich erst zu ändern, als ausgerechnet Sergeant Closter sich in die Tochter eines der Stadtoberen verliebt ...


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Inhalt

Cover

Drei Biedermänner

Vorschau

Impressum

Drei Biedermänner

Von Holger Sundmark

»Die Unheimlichen« – so nennen die Bürger von Dry Post eine Verbrecherbande, die seit geraumer Zeit die Gegend unsicher macht, raubt und mordet. Gangster, von denen man nicht mehr weiß, als dass sie es ausschließlich auf Bargeld oder Gold abgesehen haben. Wer diese Männer sind, woher sie kommen, wohin sie immer wieder spurlos verschwinden und wer ihr Boss sein könnte, auf all diese Fragen scheint es keine Antwort zu geben.

Der Sheriff des Ortes und sein einarmiger, beinahe greiser Deputy sind hilflos überfordert, sodass die Honoratioren der Stadt nun die Ghost Squad angefordert haben. Doch auch Tom Prox und seine Sergeanten stochern zunächst nur im Nebel. Das ändert sich erst, als sich ausgerechnet Sergeant Closter in die Tochter eines der Stadtoberen verliebt ...

Der Sonnenaufgang verzauberte die todesstarre Wüste. Als riesige, rotglühende Scheibe glitt die Sonne über die nachtschwarze Kante des Gebirges und hauchte einen geisterhaften, purpurnen Schein über das Gelände. Die Finsternis der Nacht zerfloss. Sie löste sich auf wie ein dunkler Nebel, der nur noch am Boden zäh verharrte, auf den Unebenheiten, Felsen und der karge Pflanzenwuchs wundersame, lange Schatten warf. Eine grenzenlose Einsamkeit lastete auf der vielfältig zerrissenen Ebene.

Da brach, wie ein Laut aus einer anderen Welt, der hastige Wirbel gehetzter Pferdehufe in das Schweigen der dürren Landschaft. Gleich riesigen Gespenstern huschten zwei Pferde durch den anbrechenden Morgen, begleitet von ihren langgezogenen Schatten, während der Lärm der Hufschläge fremdartig in der Luft hing.

Es war etwas Unheimliches an diesen einsamen Pferden im Morgenlicht.

Das eine trug einen Damensattel, aber keine Reiterin. Der Sattel des anderen Tieres war gleichfalls verwaist – jedoch der linke Steigbügel nicht! Ein Fuß in einem kurzen braunen Reitstiefel steckte darin, und an dem zähen Lederriemen wurde der übel zugerichtete Körper eines Mannes mitgeschleift.

Ziellos preschten die durchgegangenen Tiere in wildem Galopp über Sand, Felsen, magere Kakteen und verdorrtes Gestrüpp. Sie blieben eng beisammen. Nur einmal erschrak das Leittier, bäumte sich, angstvoll wiehernd, auf und wendete auf der Hinterhand. Aber die Last am Steigbügel ließ sich nicht abschütteln.

Dann hetzten die Tiere weiter – nur um erneut eine Wendung zu vollführen, als sich aus den zerfließenden violetten Schleiern der Morgendämmerung vor ihnen drei dunkle Schatten lösten und auf sie zuhielten.

Ein heller Ruf ertönte, zwei Stimmen antworteten. Die bedrohlichen Schatten verwandelten sich in drei Reiter auf schnellen Pferden, die die Verfolgung der beiden scheuenden Gäule sofort aufnahmen.

Die Männer im Sattel verstanden ihr Handwerk. Einer schnitt den flüchtigen Tieren den Weg ab, und wenig später hatten die beiden anderen je eines fest am Zügel und zwangen es zum Stehen.

»Du hast richtig gesehen, Langer.« Tom Prox schwang sich aus dem Sattel. »Dieser Gaul hier schleifte tatsächlich etwas hinter sich her. Scheint tot zu sein, der arme Bursche.«

Er löste behutsam den Fuß des Toten aus dem verdrehten Steigbügel und untersuchte ihn.

»Hat ihn der wilde Bock zu Tode geschleift?«, fragte der dicke Ben Closter mitleidig. »Kann mir eigentlich nicht vorstellen ...«

»Nein, der Mann hat von der ganzen Hetzjagd kaum etwas gespürt. Er muss sofort tot gewesen sein«, antwortete Tom Prox.

»Vom Sturz?«

»Vom Blei! Herzschuss!«

»Erschossen also ... das fängt ja gut an! Scheint wirklich Zeit zu werden, dass wir uns in dieser Gegend ein bisschen umsehen. Kann noch nicht alt gewesen sein, der arme Kerl da. Macht keinen schlechten Eindruck, soweit man das beurteilen kann.«

»Na, und wie kommt er hierher?«, fragte Snuffy Patterson.

»Dumme Frage«, verwies ihn Ben. »Das Pferd hat ihn doch hierher geschleift.«

»Dumme Antwort, Dicker«, antwortete der lange Sergeant. »Was meinen Geist beschäftigt, ist die Frage: Wie kommt der Mann mitten in der Nacht in die Wüste?«

»Er wird vor Morgengrauen aufgebrochen sein, um die Morgenkühle auszunutzen«, vermutete Tom Prox. »Hatte wohl einen weiten Weg vor sich.«

»Morgengrauen? Dann müsste er ja erst vor ganz Kurzem erschossen worden sein!«

»Wahrscheinlich, Snuffy.«

»Ja, aber was stehen wir dann noch hier herum? Auf, Leute! Hab zwar keine Schüsse gehört, aber vielleicht erwischen wir von den Kerlen, die das getan, wenigstens noch ein paar Rossäpfel.«

»Wach endlich auf, Langer!«, mahnte der Ghostchef. »Die Wüste ist groß, und wir wissen nicht, wie oft die erschreckten Tiere die Richtung gewechselt haben. Hier nach Spuren suchen zu wollen, ist aussichtslos, wenn man nicht die Richtung weiß. Nein, wir müssen die Sache anders anfangen – mit dem Kopf anstatt mit den Füßen oder dem Hintern!«

Snuffy schob sich leicht verlegen den Stetson ins Gesicht, kratzte sich im Haar herum und rückte dann seinen abgewetzten Scheitelschoner wieder zurecht.

»Okay, Boss, kannst recht haben. Da du nun schon mal die Frage angeschnitten hast: Woher kommt der Tote?«

»Der nächste Ort weit und breit ist Dry Post. Liegt ungefähr in der Richtung.«

»Na also, da wollen wir doch sowieso hin«, ergriff Ben Closter das Wort.

»Eben. Wir nehmen den Toten mit, samt den Gäulen. Wenn er aus Dry Post kommt, werden wir dort schon was erfahren.«

»Das Revolverhalfter ist leer.«

»Sicherlich hat er den Colt verloren, als er sich zur Wehr setzen wollte.«

»Hier! Seht euch mal seine Kleidung an. Er trägt einen Geldgürtel auf dem Körper. Die Taschen sind aufgeschlitzt, leer! Anscheinend haben die Mörder den Verschluss nicht schnell genug aufbekommen. Da habt ihr den Grund für den Überfall. Er hatte eine größere Geldsumme bei sich, nehme ich an.«

»Tja.« Patterson dehnte seine Äußerung. »So übermäßig wohlhabend hat dieser Mann hier doch gar nicht ausgesehen. Meiner Meinung nach müssen die Kerle gewusst haben, dass er was im Gürtel hatte.«

»Er kommt bestimmt aus Dry Post«, kombinierte Ben Closter eifrig weiter. »Es ist der nächste Ort hier in der Gegend, und es kann nicht mehr weit bis dorthin sein. Der arme Mann wird bestimmt nicht im Freien übernachtet haben, wenn eine Übernachtungsmöglichkeit so nahe war. Und seine Mörder sind auch dort zu suchen.«

»Und der Damensattel ist dir noch nicht aufgefallen«, maulte Snuffy. »Umsonst ist der bestimmt nicht da.«

»Er muss in Begleitung einer Frau gewesen sein.«

»Wo ist die aber geblieben?«

»Tja, da gibt es verschiedene Möglichkeiten, die ich euch nicht alle aufzuzählen brauche. Wir müssen eben nachforschen.«

»Na, dann wollen wir mal«, befahl Tom Prox.

Als sie mit ihrer traurigen Fracht in die Stadt einritten, gab es trotz der frühen Stunde schon genug, die alles stehen und liegen ließen, um sich den Fremden anzuschließen.

Die Ghosts hatten Verständnis dafür, dass sie mit recht gemischten Blicken gemustert wurden. Zwar lebten sicherlich eine ganze Menge Raubeine im Ort, doch die Mehrzahl der Einwohner schien aus friedlichen Bürger zu bestehen, die mehr von Behaglichkeit und Sicherheit hielten als vom Spiel mit Revolvern.

Das plötzliche Auftauchen der drei Fremden musste beunruhigend wirken, denn man sah ihnen auf den ersten Blick an, dass sie keine harmlosen Händler oder Viehtreiber waren. Die kühnen, wettergebräunten Gesichter, der durchdringende Blick in ihren Augen, die lässige, sichere Haltung, die reichlich abgegriffenen Revolver und hundert andere Kleinigkeiten in ihrer Aufmachung verrieten, dass es sich um erfahrene Westmänner handelte.

Was offen blieb, war die Frage, auf welcher Seite des Gesetzes diese harten Männer standen. Führten sie nicht zwei Pferde und einen Toten bei sich, die den Leuten von Dry Post bekannt vorkamen?

Der Sheriff trat vor sein Office, als die kleine Schar sich näherte. Hinter ihm erschien im Halbdunkel der Tür ein zweiter Mann.

Mit einem Blick schätzte der Ghostchef den örtlichen Gesetzesvertreter ab. Mitte dreißig, groß, schlank, leicht gebeugt, ein gutes Gesicht, das ein bräunlicher Schnauzbart zierte, blaue Augen, eine Haltung, die verriet, dass er darauf vorbereitet war, nach dem Revolver zu greifen.

Und doch wirkte dieses Gesicht etwas zu weich, die Augen schienen zu träumerisch, und der Mann nagte unruhig an dem einen Ende seines Schnauzbarts herum. Für kleine Diebe und Radaubrüder mochte dieser Sheriff ausreichen, aber dem Raub- und Mordgesindel, das sich in der Gegend herumtrieb, war er wohl schwerlich gewachsen.

Die Ghosts saßen ab und schlangen die Zügel ihrer Pferde um den Holm.

»Guten Morgen«, grüßte Tom knapp. »Mein Name ist Prox, und das da sind meine Freunde Patterson und Closter. Sheriff Chip Myers?«

Die Hand des Sheriffs ruckte ein Stück näher zum Revolvergriff.

»Woher kennen Sie meinen Namen?«, fragte er scharf, während er die drei Fremden misstrauisch musterte.

»Ich habe mich in Las Fondas danach erkundigt«, erklärte Tom gelassen. »Hier haben wir Ihnen auch etwas mitgebracht. Haben den Toten und die Gäule in der Wüste gefunden. Kommt er Ihnen bekannt vor? Ihre Mitbürger scheinen schon Bescheid zu wissen.«

»Harb Trevor und seine junge Frau. Heute vor Tagesanbruch ritten sie weg«, murmelte Myers wie zu sich selbst. Dann zu den Fremden gewandt: »Von einer Frau haben Sie nichts bemerkt? Der leere Sattel muss Ihnen doch zu denken gegeben haben.«

»Hat er auch«, bestätigte der Ghostchef. »Trotzdem, eine Frau war nicht dabei, hätten sie sonst mitgebracht.«

»So, hättet ihr?«, zweifelte der Sheriff. »Was hattet ihr überhaupt um diese Zeit in der Wüste zu suchen? Und was wollt ihr hier?«

Tom Prox musterte ihn kalt. Er hätte sich jetzt ja ausweisen können, aber er hielt es für besser, vorerst noch unerkannt die Lage zu erkunden, bis er wusste, wer in dieser Stadt welches Spiel trieb. Es sollte schon Sheriffs gegeben haben, die ...

»Was wir hier wollen?«, wiederholte er kühl. »Das dürfte wohl nur uns etwas angehen – solange wir uns nichts zuschulden kommen lassen.«

»Schon gut.« Myers winkte ab. »Den Spruch kenne ich. Das sage ich euch aber gleich ...«

»Schreiben Sie's lieber auf, Sheriff«, fiel Tom ihm ins Wort. »Sie werden sicher ein Protokoll aufnehmen wollen. Wir haben nicht viel Zeit für derlei Angelegenheiten.«

»Sie werden sich aber die Zeit dazu nehmen müssen«, sagte der Sheriff verdrossen, denn er konnte ja nicht wissen, dass der andere absichtlich so sprach, um ihn vorläufig im Unklaren zu lassen. »Kommt rein ins Office.«

Jetzt bekamen sie auch den Hilfssheriff richtig zu sehen. Er wurde Onewing genannt, hatte ein zerknautschtes, beinahe drolliges Gesicht und war sicher schon an die siebzig Jahre alt. Er lahmte auf einem Bein, außerdem hatte er nur noch einen Arm, vom linken war lediglich ein kurzer Stumpf übrig. Dieser Invalide stellte also das stellvertretende Gesetz von Dry Post dar! Man konnte ihn höchstens noch zum Bewachen des Gefängnisses gebrauchen, aktive Aufgaben dagegen waren ihm wirklich nicht mehr zuzumuten.

Der alte Onewing zwinkerte den Ghosts freundlich zu, während der Sheriff in scharf dienstlichem Ton die drei ausfragte, um das Protokoll aufzusetzen.

»Ist ja lächerlich, Chip«, krächzte der Alte schließlich. »Brauchst die Gents nicht so misstrauisch zu behandeln. Die sind in Ordnung!«

»Sooo? Woher weißt denn du das so genau?«

»Das ist nun mal so, Chip. Wenn du erst so alt geworden bist wie ich, hast du genug Erfahrungen gesammelt – wenn auch sonst weiter nichts ...«

»Okay, Onewing. Hast du schon den Kaffee für die Gefangenen fertig?«

»Werde deine geschätzten Gauner schon nicht verhungern lassen«, versetzte der Alte beleidigt und trollte sich in eine kleine Küche, die an das Office angebaut worden war.

»Sie haben Gefangene, Sheriff?«, forschte Tom Prox interessiert.

»Ja, wir greifen durch in Dry Post. Gesindel lassen wir hier nicht großwerden.«

»Was haben denn die auf dem Kerbholz?«

»Lange Finger gemacht, der eine. Den anderen haben wir beim Falschspiel ertappt.«

»Also kleine Fische? Von den ›Unheimlichen‹ haben Sie noch keinen hinter Schloss und Riegel, nehme ich an.«

Das Gesicht des Sheriffs, der über das Protokoll gebeugt war, ruckte hoch.

»Was wissen Sie als Fremder von den ›Unheimlichen‹?«, fuhr er Tom an.

»Man hört so dies und jenes darüber«, wich der aus. »Wie lange muss man denn in Dry Post ansässig sein, um über die örtlichen Verbrecherbanden unterrichtet sein zu dürfen?«

»Quatsch!«, murrte Myers und schrieb weiter.

»Ich hätte tatsächlich gern etwas über diese sogenannten ›Unheimlichen‹ gehört, Sheriff«, fuhr Tom Prox fort. »Haben Sie schon etwas ermittelt?«

»Wir verfolgen eine Spur, und, wenn die Zeit reif ist, werden wir die Burschen schon dingfest machen«, erwiderte der Sheriff.

»Was redest du nur so geschwollen daher, Chip?«, krächzte Onewing aus der Küche und steckte seinen Kopf ins Office. »Kannst ihm doch ruhig sagen, dass wir noch keine Ahnung haben, was mit denen los ist, und dass die Leute hier verdammt unruhig sind, weil diese Schufte immer frecher werden. Glaubst du, dass sich die drei deswegen gleich der Bande anschließen, wenn sie erfahren, dass du bisher nichts ausrichten konntest?«

Der Sheriff ergriff den verschmierten Tintenlöscher, der vor ihm auf dem Schreibtisch stand, und schleuderte ihn in Richtung der Tür des Küchenraumes. Onewings Kopf verschwand. Nur noch das ärgerliche Gebrumm des Alten war zu vernehmen. Über Myers Gesicht glitt ein flüchtiges, fast verlegenes Grinsen.

»Das Jail versieht er aber noch ausgezeichnet, wenn er auch alt ist«, murmelte er und wandte sich dann wieder dem Protokoll zu.

Die Straße, auf der die drei Ghosts ritten, kreuzte die Hauptstraße von Dry Post. Während sie diese überquerten, bemerkten sie am Rande, dass das zweite Haus rechts durch ein großes Schild als »Shortie's Place« gekennzeichnet war. Sergeant Patterson schnalzte kurz mit der Zunge.

»Aha, der Saloon. Shortie soll einen ganz annehmbaren Whisky haben.«

»Mhm«, brummte Ben Closter. »Aber seht mal, da! Donnerwetter, ist das ein hübsches Girl.«

»Reizender Käfer, Dicker. Gib nur Acht, dass dir nicht die Augen aus den Höhlen kullern.«

Snuffy ritt weiter, dem Chef nach, während Ben sein Pferd angehalten hatte, um sachverständig die dunkelhaarige Schönheit zu mustern, die vor dem Saloon stand und offenbar hinein wollte. Die Tür gab jedoch ihrem Druck nicht nach, und die herabgelassenen Rollläden vor den Fenstern verrieten, dass das Lokal noch nicht geöffnet hatte.

»Shortie!«, rief sie und klopfte an die Tür.

Ben starrte noch immer auf sie. Das junge Mädchen bemerkte ihn nicht.

Während sie wieder klopfte, kamen von der anderen Seite drei Reiter. Vor »Shortie's Place« stiegen sie ab und banden ihre Pferde an. Jeder von ihnen hatte zwei Revolver an der Hüfte, und alle drei machten einen verwegenen Eindruck. Zwei trugen wüste Bärte, der dritte war glattrasiert. Ihre Gesichter waren nicht von der Art, die Ben sympathisch finden konnte.

»Morgen, Margaret«, grüßte der Glattrasierte und grinste vertraulich. »Na, noch nicht offen, der Saftladen. Der Wurzelzwerg schläft wohl noch, während anständige Menschen längst auf den Beinen sind und ihrer Arbeit nachgehen.«

Er gab einem seiner Kumpane einen Wink, und der begann sofort mit den Kolben seiner Colts einen Trommelwirbel auf der hölzernen Tür.

»Mach auf, Shortie, fauler Hund!«, grölte er dabei. »Komm raus, sonst holen wir dich.«

»Es ist eigentlich gar nicht nötig, dass wir reingehen, Rattler«, sagte die Dunkelhaarige. »Wir könnten auch hier ...«

»Kommt nicht infrage. Wir haben uns einen Whisky verdient, sollte ich meinen. Außerdem, was fällt diesem Wunderstumpen ein ... Pitch, klopf noch mal!«

Pitch trommelte erneut gegen die Türfüllung, dass das Holz fast splitterte.

Das dunkelhaarige Mädchen presste ärgerlich die Lippen aufeinander, sagte aber nichts. Dafür schimpfte eine verstrubbelte Frau, die ihren Kopf aus einem Fenster im Obergeschoss des gegenüberliegenden Hauses heraussteckte, gellend über die Ruhestörung und schleuderte schließlich einen Pantoffel auf die lärmenden Männer.

Das Wurfgeschoss traf den zweiten Bärtigen im Rücken. Der Mann ruckte herum, ein Schuss bellte auf und über dem Kopf der keifenden Frau barst eine Fensterscheibe.

»Hilfe! Sheriff!«, schrie die Frau erschrocken und verschwand im Zimmer.

»So, die hält jetzt die Klappe!«, brummte der Bärtige befriedigt und steckte die Waffe weg. »Der Sheriff wird sich ja nicht gleich hierher wagen.«

»Wenn er gescheit ist«, ergänzte Rattler mit einem höhnischen Grinsen.

»Da drin rührt sich jetzt was«, machte Pitch aufmerksam.

Ein Schloss schnappte, und die Tür des Saloons öffnete sich. In Unterhosen und mit vorgehaltenem Revolver erschien eine kurzgewachsene, untersetzte Figur mit kugelrundem Kopf, zerknittertem Gesicht und einem Bürstenhaarschnitt.

»Du faule Ratte!«, schimpfte Rattler. »Was fällt dir ein, eine Lady so lange warten zu lassen, he? Wir haben Durst!«

»So ... so früh?«, stammelte der Kleine.

Mit einem Griff riss der andere den Colt aus der zitternden Hand des Keepers, drehte den Mann herum und versetzte ihm einen Tritt, der ihn ins Innere des Saloons beförderte.

»Los, mach dich an deine Arbeit! Aber vom Besten, sonst kracht's!«

Hinter den drei Rowdies verschwand das junge Mädchen im Saloon.

»Es ist zwar noch früh«, brummte Sergeant Closter vor sich hin. »Aber so ein guter Whisky ist auch jetzt schon nicht zu verachten.«

Er stieg behäbig aus dem Sattel und gab Snuffy, der mit Tom Prox weiter unten wartete, ein Zeichen. Dann lief er die paar Schritte bis zum Saloon.

»Du kennst uns noch nicht, was?«, sagte Rattler scharf. »Tja, wir sind neu in diesem lausigen Nest, aber wir waren gestern Abend schon mal da.«

Shortie, der in seinem Schlafgewand hinter der Theke eine höchst unglückliche Figur machte, sah mit geweiteten Augen zu, wie Rattler zwei der Whiskyflaschen, die er gerade auf die Platte gestellt hatte, einen Schubs gab, sodass sie auf der polierten Oberfläche davonrutschten – die eine nach der einen Seite, die andere nach der anderen. Etwa an den Enden der langen Bar kamen sie zum Stillstand.

Plötzlich hatte Rattler in jeder Hand einen Revolver. Er kreuzte die Arme vor seiner Brust, sodass die rechte Hand nach links zeigte und die linke nach rechts. Gleichzeitig krachten die beiden Revolver, und die Hälse der Flaschen an den Enden der Bar machten sich selbstständig.

»So machen wir unsere Flaschen auf«, erklärte der Mann befriedigt. »Los, gib Gläser her – aber die größten, die du hast.«

Eilfertig stellte Shortie drei große Wassergläser auf den Tisch.

Während sich seine bärtigen Kumpane mit Behagen selbst bedienten, wandte sich der Boss mit der dritten, noch ungeöffneten Flasche dem jungen Mädchen zu.

»Siehst du, Margaret, wenn uns das popelige Volk hier erst einmal kennengelernt hat, wird man uns überall in diesem Kaff prompt bedienen, bei Tag und bei Nacht! Gehört sich ja schließlich auch so, was?«