Torn - Spiel mit dem Feuer - Cynthia Eden - E-Book

Torn - Spiel mit dem Feuer E-Book

Cynthia Eden

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Beschreibung

Eine atemlose Suche zwischen fesselnder Versuchung und mörderischer Gefahr.

Die Forensische Anthropologin Victoria Palmer konnte schon immer besser mit den Toten umgehen als mit den Lebenden. Sie lässt niemanden an sich heran und hält ihre Gefühle streng verwahrt. Aber dann führt ihre neuste Ermittlung sie mit Agent Wade Monroe zusammen. Er ist gutaussehend, gefährlich und immer bereit auch mit unlauteren Mitteln zu kämpfen - und doch schmilzt Victorias Unnahbarkeit nach und nach dahin ...

Wade weiß, dass der Fall Victoria bis an ihre Grenzen bringt. Aber ihr Wissen ist unabdingbar, um eine Studentin zu finden, die seit fünf Jahren vermisst wird. Falls sie ermordet wurde, könnte der Mörder immer noch frei herumlaufen ...

Als es plötzlich jemand auf Victoria abgesehen zu haben scheint, unternimmt Wade alles, um sie zu beschützen - denn er wird nicht zulassen, dass der Frau, die er liebt, etwas zustößt. Nicht noch einmal.


Auch der vierte fesselnde Roman um das LOST-Team von Bestsellerautorin Cynthia Eden ist ein wahrer Page Turner, der einen mit angehaltenem Atem weiterlesen lässt.

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Seitenzahl: 447

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Inhalt

CoverÜber dieses BuchÜber die AutorinTitelImpressumPrologKapitel einsKapitel zweiKapitel dreiKapitel vierKapitel fünfKapitel sechsKapitel siebenKapitel achtKapitel neunKapitel zehnKapitel elfKapitel zwölfKapitel dreizehnKapitel vierzehnKapitel fünfzehnKapitel sechzehnKapitel siebzehn

Über dieses Buch

Eine atemlose Suche zwischen fesselnder Versuchung und mörderischer Gefahr.

Die Forensische Anthropologin Victoria Palmer konnte schon immer besser mit den Toten umgehen als mit den Lebenden. Sie lässt niemanden an sich heran und hält ihre Gefühle streng verwahrt. Aber dann führt ihre neuste Ermittlung sie mit Agent Wade Monroe zusammen. Er ist gutaussehend, gefährlich und immer bereit auch mit unlauteren Mitteln zu kämpfen - und doch schmilzt Victorias Unnahbarkeit nach und nach dahin …

Wade weiß, dass der Fall Victoria bis an ihre Grenzen bringt. Aber ihr Wissen ist unabdingbar, um eine Studentin zu finden, die seit fünf Jahren vermisst wird. Falls sie ermordet wurde, könnte der Mörder immer noch frei herumlaufen …

Als es plötzlich jemand auf Victoria abgesehen zu haben scheint, unternimmt Wade alles, um sie zu beschützen - denn er wird nicht zulassen, dass der Frau, die er liebt, etwas zustößt. Nicht noch einmal.

Über die Autorin

New York Times Bestsellerautorin Cynthia Eden schreibt düstere Romantic Suspense und sexy Paranormal-Romance-Romane.

Sie gehörte bereits drei Mal zu den Finalisten des RITA® Award – sowohl in den Kategorien Romantic Suspense als auch Paranormal Romance. Seit 2005 ist sie Vollzeitautorin und hat bislang über 30 Romane und Kurzgeschichten veröffentlicht. Sie lebt an der Golfküste in Alabama.

CYNTHIA EDEN

TORNSPIEL MIT DEM FEUER

Aus dem amerikanischen Englisch von Sabine Neumann

beHEARTBEAT

Deutsche Erstausgabe

»be« – Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment

Für die Originalausgabe

Copyright © 2016 by Cindy Roussos

Titel der amerikanischen Originalausgabe: Torn

Originalverlag: Avon Books

Für die deutschsprachige Ausgabe:

Copyright © 2017 Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Natalie Röllig

Lektorat/Projektmanagement: Anne Pias und Rena Roßkamp

Titelgestaltung: Manuela Städele-Monverde unter Verwendung von Motiven von © shutterstock/Gabriel Georgescu

ISBN 978-3-7325-3439-5

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

Prolog

Kennedy Lanes Sportschuhe trommelten gleichmäßig über den Asphalt. Ihr Atem ging ruhig, und ihr Herzschlag beschleunigte sich, während sie lief. Rechts und links rauschten die Bäume an ihr vorbei. Aus den Kopfhörern ertönte ein schneller, lauter Beat, der sie anspornte, und sie hatte den Blick fest auf den Weg vor sich gerichtet.

Nur noch zwei Meilen. Nur noch …

Sie lief schneller. Ihr Tempo war genauso, wie es sein sollte. Kennedy war perfekt vorbereitet auf das bevorstehende Rennen. Sie würde –

Er trat hinter einem Baum hervor. Hinter einer großen, mächtigen Eiche. Sie hatte keine Zeit, ihm auszuweichen, keine Zeit zu bremsen. Sein Arm – kräftig und stark – traf sie am Hals, als sie förmlich in ihn hineinlief.

Kennedy wurde zurückgeschleudert. Fiel. Landete auf dem Boden der Joggingstrecke.

Sie hob den Kopf und sah, wie der Mann auf den Weg trat.

Und sie erstarrte.

Was wollte er hier? Sie riss sich die Kopfhörer aus den Ohren. »Was zur Hölle sollte das?« Kennedy stand auf und klopfte sich den Schmutz von den Beinen und Handflächen. Ihr Hals schmerzte an der Stelle, wo er sie getroffen hatte. Fast wäre ihr die Luft weggeblieben. »Was fällt dir ein, so eine Scheiße abzuziehen? Ich –«

Er hielt etwas in der Hand. Die Sonne spiegelte sich darin. Und sie verstummte, als sie erkannte, was er da festhielt. Ein Messer.

Kennedy wich einen Schritt zurück.

»Hast du wirklich geglaubt, das mit uns wäre vorbei?«, fragte er kopfschüttelnd. »Nur weil du es so beschlossen hast?«

»W-warum hast du ein Messer?« Aber Kennedy wusste es. Erkannte es an seinem irren Gesichtsausdruck. Wie hatte sie ihn jemals für gut aussehend halten können? Für perfekt?

Er war alles andere als das.

Du musst hier weg. Auf der Strecke waren keine anderen Jogger unterwegs. Wenn sie schrie, würde sie niemand hören.

Also würde sie ihre Kraft nicht dafür verschwenden.

Er schaute auf das Messer hinunter und sah aus, als wäre er selbst überrascht davon, dass er es in der Hand hielt. Kennedy nutzte den Moment, drehte sich um und rannte los. Zwang ihre müden Beine dazu, noch schneller zu laufen und –

Er stürzte sich von hinten auf sie und brachte sie zu Fall. Der Aufprall war so hart, dass ihr gesamter Körper bebte, als sie auf dem Boden aufschlug. Er drehte sie um, und bevor sie sich irgendwie wehren konnte, hielt er ihr schon das Messer an die Kehle.

»Süße …« Er lächelte sie an. »Ich bin nicht hier, um dich zu töten.«

Lügner. Sie sah ihren Tod in seinen Augen.

»Ich bin hier, weil ich dich liebe … und weil du mich lieben wirst.«

Nein. Das würde sie nicht. Was auch immer er tat.

»Du und ich, wir werden zusammen sein«, sagte er leise, »für eine sehr, sehr lange Zeit.«

Kapitel eins

»Vor fünf Jahren ist eine Frau namens Kennedy Lane nicht mehr von ihrer morgendlichen Joggingrunde zurückgekehrt.« Gabe Spencer stand am Kopfende des großen Konferenztischs und sprach mit ruhiger, sachlicher Stimme. »Sie war damals zweiundzwanzig, lebte in Savannah, Georgia, und war dort am College eingeschrieben. Die Polizei hat monatelang nach Kennedy gesucht, aber nie auch nur eine Spur von ihr gefunden. Sie behandelten ihr Verschwinden als Entführungsfall, hatten jedoch keinerlei Hinweise oder sonstige Anhaltspunkte.«

Unter dem Tisch rieb Victoria Palmer nervös mit den Handflächen über ihre Jeans. Ein neuer Fall. Vielleicht war es das, was sie brauchte. In letzter Zeit plagte sie immer öfter eine nervöse Unruhe. Ihre Albträume wurden schlimmer, und sie brauchte dringend irgendeine Art von Ablenkung.

»Kennedys damaliger Freund – Lucas Branson – hat sie als vermisst gemeldet«, fuhr Gabe fort. Gabe … er war derjenige, der das Team zusammengestellt hatte, er war der führende Kopf von LOST.

Dem Last Option Search Team.

Und genau das waren sie – die letzte Hoffnung für so viele Familien. Wenn die Cops aufgaben, den Vermisstenfall irgendwann zu den Akten legten, dann wandten sich die Familien an LOST.

»Kennedy ist damals nicht zu ihrem Date erschienen, und Lucas wurde nervös. Er fuhr zu ihr nach Hause, aber dort war sie nicht. Als er am nächsten Morgen immer noch nichts von ihr gehört hatte, rief er die Polizei.«

Victoria griff nach der Aktenmappe, die vor ihr auf dem Tisch lag. Jeder von ihnen hatte eine solche Mappe vor sich liegen. Gabe war für seine gewissenhafte Gründlichkeit bekannt, also würden diese Akten jedes kleinste Detail zu Kennedys Verschwinden beinhalten.

»Branson war heute Morgen hier«, fuhr Gabe fort und sah auf die Uhr. »LOST ist also offiziell seit drei Stunden mit dem Fall befasst.«

Auf der anderen Seite des Tisches pfiff Wade Monroe leise durch die Zähne. Victoria drehte den Kopf und sah, wie er die Papiere in seiner Aktenmappe durchging.

»Fünf Jahre … und keine einzige Spur? Kein Blut, keine DNA, nichts?« Wade hob die Augenbrauen und sah zu Gabe hinüber. »Hört sich an, als wäre sie einfach vom Erdboden verschluckt worden.«

Gabe nickte, und für einen kurzen Augenblick wirkten seine strahlend blauen Augen tieftraurig. Victoria wusste, dass für Gabe jeder Fall etwas Persönliches war – der Ex-SEAL hatte LOST gegründet, nachdem seine Schwester verschwunden war. Er hatte Amy zwar gefunden, war aber zu spät gekommen. Und seitdem war alles, was er tat, darauf ausgerichtet, anderen zu helfen, damit ihnen ein solches Schicksal erspart blieb.

Du kannst aber nicht jedem helfen. Du kannst nicht jede verlorene Seele retten.

Manchmal kannst du dich nicht einmal selbst retten.

Victorias Herz schlug ein wenig schneller. In letzter Zeit hatte sie immer öfter das Gefühl, dass ihr selbst längst nicht mehr zu helfen wäre. Dass ihre Arbeit hier ein Fehler wäre. Ich hätte gar nicht erst bei LOST anfangen sollen.

Sie hätte sich weiterhin in den Laboren von Stanford vergraben sollen, wo sie sicher war. Stattdessen …

»Victoria, ich will, dass du nach Savannah fliegst.«

Sie wäre fast vom Stuhl gekippt, als Gabe ihr diese Anweisung gab.

Und plötzlich waren alle Augen auf sie gerichtet. Victoria brachte ihren Gesichtsausdruck so schnell wie möglich wieder unter Kontrolle und berührte ihre Brille mit der Hand, um sie zurechtzurücken. Nicht dass das nötig gewesen wäre. Das war es so gut wie nie, aber so gewann sie immer wertvolle Sekunden, wenn sie nervös war. »Aber es gibt doch gar keine Leiche …« Sie wäre beinahe bei ihren eigenen Worten zusammengezuckt. Sie klang mal wieder viel zu kalt. Wie so oft hatte sie das Gefühl, als würde sie etwas Falsches sagen oder tun. »Ich meine …« Sie räusperte sich. »Wenn es keine menschlichen Überreste gibt, bin ich sicher keine große Hilfe in diesem Fall.«

Ihr Spezialgebiet waren die Toten. Vor allem, weil sie keine Ahnung hatte, wie man mit den Lebenden umging. Als forensische Anthropologin hatte sie den Großteil ihrer Karriere im sprichwörtlichen Elfenbeinturm verbracht, bis Gabe sie schließlich überzeugt hatte, zu LOST zu kommen.

Und genau diese Entscheidung bereute sie in letzter Zeit immer öfter.

»Du wirst eine große Hilfe sein«, murmelte Gabe. Dann sah er zu Wade hinüber. »Du und Wade arbeitet bei diesem Fall als Team zusammen.«

Nein, nein, oh bitte … nein.

Wade schenkte ihr ein breites Grinsen. Eines, das sofort eine pulsierende Hitzewelle durch Victorias Adern sandte.

Wade Monroe bedeutete Ärger – Ärger, den sie sich gerade absolut nicht leisten konnte. Er war gut aussehend, gefährlich und mehr als bereit, in ihren Fällen Grenzen zu überschreiten – ja, das war Wade. Er war eine Bedrohung für sie, das wusste sie genau. Wade war früher einmal bei der Mordkommission gewesen, und er war ziemlich gut darin, Spuren zu finden, ihnen nachzugehen und mit den lokalen Polizeibehörden zusammenzuarbeiten. Und …

Er machte sie nervös.

Wir sind Freunde. Das waren wir von Anfang an. Warum also fühle ich mich plötzlich so anders in seiner Gegenwart?

Vielleicht weil es für sie beide bei ihren letzten zwei großen Fällen um Leben und Tod gegangen war? Vielleicht weil in ihrem Kopf Erinnerungen wachgerufen worden waren, die einfach nicht mehr verschwinden wollten?

Sie fühlte sich jetzt generell anders. Es wurde immer schwieriger für sie, die Maske aufzubehalten, aber Wade – der gut aussehende, sexy Wade – war derjenige, der ihre Nerven am meisten strapazierte. In seiner Gegenwart musste sie ständig auf der Hut sein.

Und in letzter Zeit hatte sie zu oft das Gefühl, dass er sie ganz genau beobachtete.

Victoria räusperte sich. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich wirklich diejenige bin, die ihn begleiten sollte.«

Wades goldbraune Augen verengten sich. So eine außergewöhnliche Augenfarbe. Wunderschön und … intensiv.

»Warum?«, fragte Gabe. »Victoria …« Seine Stimme wurde sanfter, als er fortfuhr: »Es wird Zeit, dass du wieder da rauskommst.«

Sie blickte sich am Tisch um, und was sie sah, ließ ihr das Herz schwer werden. Auf den Gesichtern ihrer Kollegen erkannte sie Mitgefühl. Mitgefühl und … verdammte Scheiße … Mitleid. Sie hasste es, mitleidig angesehen zu werden.

Dean Bannon saß rechts neben ihr. Als ehemaliger FBI-Agent hatte er in seinem Leben schon die fürchterlichsten Dinge erlebt. Er war knallhart, und sie wusste, dass er niemals vor einem Auftrag zurückschrecken würde.

Genauso wenig wie Sarah Jacobs. Die Profilerin saß zu Victorias Linken. Sarah, die Frau, die sich, ohne zu zögern, in jeden Mörder hineinversetzte, um seine Gedanken und Taten nachzuvollziehen – sie würde niemals Angst vor irgendetwas haben.

Nur ich bin so.

»Das ist ein guter Fall für dich«, versicherte ihr Gabe. »Und Kennedy braucht dich.«

Kennedy. Richtig. Die Frau, die vermisst wurde. Die vermutlich tot war. Die Frau, die wohl niemals wieder nach Hause zurückkehren würde.

Ich bin dafür da, den Toten zu helfen. Ihnen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Verdiente Kennedy etwa keine Gerechtigkeit?

Doch …

Also ballte Victoria ihre zitternden Hände zu Fäusten und nickte kurz. »Wann geht der Flug?«

»Morgen früh um sieben«, erwiderte Gabe mit einem anerkennenden Nicken. »Also geht packen und dann früh ins Bett.«

Das war ein Befehl. Okay.

»Ihr nehmt den Privatjet, und in Savannah wartet ein Mietwagen auf euch«, erklärte Gabe. »Keine Sorge. Meine Assistentin kümmert sich um die Details.«

Keine Sorge? Na klar. Sie war Spezialistin im Sorgenmachen.

Das Meeting war beendet, und ihre Kollegen machten sich auf den Weg nach draußen. Die hier versammelten waren nicht die einzigen Mitarbeiter, die LOST hatte. Die Organisation wurde immer größer, und Victoria wusste, dass Gabe bereits plante, ein zweites Büro zu eröffnen, wahrscheinlich irgendwo an der Westküste. Momentan hatten sie zwar nur das Büro in Atlanta, aber wenn Gabe wirklich vorhatte, sich zu vergrößern, würde dieser Traum nicht lange einer bleiben.

Gabe bekam immer, was er wollte.

Victoria nahm ihre Aktenmappe und ging zur Tür, wo Sarah auf sie wartete. Auch wenn Viki Sarah durchaus als Freundin bezeichnete, wollte sie sich nur äußerst ungern von ihr in den Kopf schauen lassen. Sarah war einfach viel zu gut als Profilerin …

Ich will nicht, dass sie ein Profil über mich erstellt.

Denn dann würde Sarah vielleicht auf all die dunklen Stellen stoßen, die Victoria so beharrlich vor dem Rest der Welt geheim zu halten versuchte. Früher hatte sie geglaubt, dass Sarah sie vielleicht wirklich mochte. Dass sie verstand, wie ausgehöhlt sich Victoria in ihrem Inneren fühlte.

Aber mit ihrem letzten Fall hatte sich dieses Gefühl geändert. Sarah hatte sich verliebt, ihre eigenen Dämonen bekämpft und sogar Frieden mit ihrer Vergangenheit geschlossen.

Sozusagen jedenfalls … wenn man es als Friedenschließen bezeichnen konnte, seinem Serienkillervater gegenüberzutreten. Denn genau das hatte Sarah getan – sie hatte sich dem berühmt-berüchtigten Murphy Jacobs gestellt und hatte es überlebt. Tatsächlich war sie seither noch stärker als zuvor. Murphy das Monster. Er war aus dem Gefängnis ausgebrochen, und jetzt hielten ihn die meisten Leute für tot. Es hieß, er sei in dem Feuer umgekommen, dem gewaltigen Schlusspunkt ihres letzten Falls in New Orleans. Aber … Victoria war sich da nicht so sicher. Ein Kerl wie Murphy war schlau genug, seinen eigenen Tod vorzutäuschen. Und sie war selbst vor Ort gewesen, als das Haus in Flammen aufging. Ich habe ihn summen gehört … Er hat vor sich hingesummt und ist entkommen.

Machte sich Sarah Sorgen darüber, dass ihr Vater vielleicht noch irgendwo da draußen war? Victoria wusste es nicht. Aber sie wusste genau …

Dass ich meinem eigenen Vater nie wieder gegenüberstehen will. Zum Glück ist er hundertprozentig tot.

»Viki«, begann Sarah jetzt, »wir sollten reden –«

Victoria zwang sich zu einem Lächeln. »Auf jeden Fall. Das sollten wir unbedingt. Sobald ich aus Savannah zurück bin? Weil, wow …« Sie sah auf ihre Armbanduhr. »Ich muss mich echt beeilen mit Packen und so, wenn wir morgen früh um sieben fliegen.« So eine Lüge. Bei ihr zu Hause stand immer ein fertig gepackter Koffer rum. Alte Angewohnheit. »Aber sobald ich zurück bin …«

In Sarahs dunklen Augen spiegelte sich Besorgnis.

Victoria hastete weiter – okay, sie rannte förmlich den Flur hinunter auf den Aufzug zu. Sie hatte nicht vor, noch einmal in ihrem Büro vorbeizugehen. Wenn sie das tat, passte sie vielleicht noch jemand ab. Sie musste hier raus. Die Akte durcharbeiten, ein paar Stunden schlafen und dann zum Flughafen.

Sie betrat den Fahrstuhl und drückte sofort den Knopf, mit dem sich die Tür schloss. Nichts wie weg hier. Sie bekam keine Luft mehr, und als die Tür zuging –

Ein Leichensack. Ich bin in einem Leichensack. Ich bekomme keine Luft. Kann nicht atmen. Ich –

»Viki?« Eine Männerhand schob sich in den Türspalt des Aufzugs und sorgte dafür, dass sich die Tür wieder öffnete. Die dazugehörige tiefe, dunkle Stimme vertrieb den Albtraum, der ihre Sinne benebelt hatte.

Nein, es war kein Albtraum. Es war eine Erinnerung.

Während sich die Schiebetür vollständig öffnete, straffte Victoria die Schultern und zwang sich zu einem Lächeln.

Es war Wade. Er stand vor dem Fahrstuhl und sah sie stirnrunzelnd an.

Wade … groß, stark und gefährlich. Sie hatte sich in seiner Gegenwart von Anfang an seltsam gefühlt.

Er betrat den Aufzug. »Du fährst schon nach Hause?«

»Ja.« Ihre Stimme klang zu hoch. Sie räusperte sich.

»Ich auch. Ich denke, wir sollten beide packen und uns fertig machen für morgen früh.« Er drückte auf den Knopf, der sie in die Lobby hinunterbrachte. Die Tür schloss sich. Der Fahrstuhl setzte sich in Bewegung und –

Wade hielt ihn an.

»Was machst du da?«, wollte Victoria wissen. »Du kannst nicht einfach –«

»Den Aufzug anhalten?« Er hob eine Augenbraue. »Natürlich kann ich.« Er legte den Kopf schief. Wade trug Jeans und ein T-Shirt. Er kleidete sich meistens leger, passend zu seiner Mir-ist-alles-scheißegal-Haltung, die er im Büro an den Tag legte. Sie hatte sich schon so oft gewünscht, ein wenig mehr zu sein wie er.

Jetzt stand er neben ihr, seine Laptoptasche über der Schulter, und musterte sie mit verschränkten Armen.

Victoria wich unwillkürlich einen Schritt zurück. Auf so engem Raum war es wirklich schwierig, Abstand zu halten, aber sie bemühte sich nach Kräften.

An seinem Kinn zuckte ein Muskel. »Du musst keine Angst vor mir haben. Das solltest du inzwischen wissen.«

Ja. Verdammt, natürlich wusste sie das. Victoria hielt inne.

»Was ist los?«, fragte Wade mit sanfter Stimme. »Und sag bloß nicht nichts, denn es ist offensichtlich, dass dich irgendetwas beschäftigt. Du redest in letzter Zeit kaum mit jemandem. Du wolltest nicht nach Savannah. Verdammt, sonst flehst du Gabe förmlich an, mit rauszudürfen, und jetzt –«

»Das war davor.« Sie hasste sich selbst dafür, wie zittrig ihre Stimme klang. »Bevor mich ein irrer Hurensohn entführt, unter Drogen gesetzt und in einen Leichensack gesteckt hat, um mich dann mit seinem Messer zu bearbeiten.« Dieser Fall – hatte ihr ganzes Leben verändert.

Wades goldbraune Augen verdunkelten sich, und er trat einen Schritt auf sie zu. Sie stieß mit der Schulter an die Spiegelwand des Aufzugs. Victoria hasste Spiegel. Hasste es, sich selbst zu betrachten, weil sie immer Angst davor hatte, was sie sehen könnte.

Die Tochter meines Vaters …?

Wade hob die Hand, und für einen Augenblick pulsierte Angst durch ihren Körper – Angst davor, dass er sie berührte. Ihr Herz raste viel zu schnell in ihrer Brust, und ihre Haut brannte.

Sie wollte ihn.

Sie hatte geglaubt, die Anziehung ginge nur von ihrer Seite aus, aber in letzter Zeit sah Wade sie ständig mit diesem seltsamen Blick an – einem Blick, der in Flammen zu stehen schien.

Genauso wie jetzt.

»Ich wünschte, ich wäre an deiner Stelle gewesen«, flüsterte er durch zusammengebissene Zähne. »Es tut mir so leid, dass du durch diese Hölle gehen musstest.«

Oh, Wade. Du weißt gar nicht, was das überhaupt bedeutet. Ich kann gar nicht mehr zählen, wie oft ich schon durch die Hölle gegangen bin. Aber der Mann, der sie entführt hatte … er hatte sie gezwungen, ihre Vergangenheit noch einmal zu durchleben. Er hatte die Büchse der Pandora geöffnet, und jetzt konnte Victoria sie nicht mehr schließen, egal wie sehr sie sich auch bemühte.

»Hast du mit jemandem darüber geredet?«, fragte Wade. Er berührte sie nicht, aber sein Körper war so extrem nahe.

»Gabe hat mich zu diesem Psychologen geschickt.« Als hätte sie in ihrem Leben nicht schon mit genügend Seelenklempnern geredet. Sie hasste es. Victoria war nicht gerade der Typ, der gerne vor anderen sein Innerstes entblößte. »Laut ihm ist mit mir alles in Ordnung.« Tatsächlich hatte der Kerl nichts dergleichen gesagt. Und Victoria war auch nur zweimal bei ihm gewesen. Sie redete nicht gerne über ihre Gefühle.

»Gabe schickt dich da raus, damit du deine Ängste überwinden kannst.« Wades Blick suchte ihren. »Aber wenn du noch nicht so weit bist …«

»Bin ich.« Sie nickte schnell. »Ich bin mehr als bereit.«

Er presste die Lippen zusammen. »Du musst mich nicht anlügen.«

Doch, doch, das muss ich. Ich muss jeden anlügen. Aber das konnte sie ihm wohl kaum sagen.

Ich muss einfach meine Selbstkontrolle zurückbekommen. Nein, was sie wirklich brauchte, war es, die Kontrolle aufzugeben, nur für einen Augenblick. Was ihr früher geholfen hatte, würde ihr auch jetzt helfen.

Ihre Schultern entspannten sich, während sie einen Plan fasste. Und nach ein paar Sekunden hob sie die linke Hand und berührte Wades Wange. »Mach dir keine Sorgen um mich. Es geht mir gut.«

Er atmete tief ein. »Du siehst die Bedrohung gar nicht, oder?«

Es gab keine Bedrohung. Nicht bei ihm. Er war ihr Freund. Nicht mehr und nicht weniger. Und selbst wenn sie sich zu ihm hingezogen fühlte – na und?

»Du spielst mit dem Feuer.« Ein Muskel zuckte an seinem Kinn. »Und du weißt es noch nicht mal.«

Vielleicht mag ich es, mit dem Feuer zu spielen. »Lass uns jetzt runterfahren. Es ist schon spät, und ich habe heute Abend noch viel zu tun.« Mehr als gedacht. Sie ließ die Hand sinken.

Langsam zog sich Wade zurück. Er drückte den Knopf, und der Aufzug setzte sich wieder in Bewegung.

Sie atmete erleichtert aus.

»Du weißt schon«, murmelte Wade, »dass sich Partner vertrauen müssen.«

»Sind wir das? Partner?«

»In diesem Fall, ja.«

Sie hatte noch nie einen Partner gehabt.

»Aber …«, fuhr Wade nachdenklich fort, »ich glaube, du verheimlichst mir etwas. Du hast Geheimnisse vor mir.«

Natürlich. Die Tür öffnete sich, und Victoria warf ihm einen schnellen Blick zu. »Vielleicht erzählst du mir erst einmal deine Geheimnisse«, sagte sie, »und dann erzähle ich dir meine.« Und sie verließ eilig den Aufzug. »Bis morgen.« Victoria drehte sich nicht um, aber sie konnte seinen Blick deutlich spüren, der sich in ihren Rücken zu bohren schien.

Du wirst meine Geheimnisse niemals kennen. Denn sie ließ niemanden nahe genug an sich heran. Das war eine ihrer wichtigsten Regeln.

***

Den eigenen Partner zu beschatten war nicht gerade die übliche Vorgehensweise – weder bei LOST noch sonst irgendwo. Aber Wade konnte nicht anders. Es war zehn Uhr abends, und er folgte Victoria Palmer – Dr. Victoria Palmer – in einen der wildesten Nachtclubs Atlantas. Das Wild Jokers.

Das hier war kein Ort, an dem sich Victoria öfter aufhielt. Das wusste er. Verdammt, darauf hätte er sein Leben verwettet. Wade hatte sich den ganzen Abend Sorgen um sie gemacht und war schließlich zu ihrem Haus gefahren.

Sie hatte es gerade verlassen, als er auf der anderen Straßenseite parkte, und …

Ich bin ihr gefolgt.

Denn irgendetwas an ihr war anders. Das war offensichtlich. Sie trug einen kurzen Rock anstatt Jeans und ein enges Oberteil, das ihre Kurven betonte. Ihre langen roten Haare, die sie sonst immer zum Pferdeschwanz gebunden oder zum Zopf geflochten trug, fielen ihr offen über die Schultern.

Und ihre Brille – die Brille, die er so sexy fand – war verschwunden.

Sie sah fast aus wie eine ganz normale Frau. Und sie verhielt sich auch so.

Victoria betrat den Club, als würde er ihr gehören. Der Türsteher winkte sie an der Schlange vorbei. Wade hingegen musste ihm erst einen Fünfziger zustecken, damit er auch ihn hineinließ.

Im Inneren des Clubs hämmerten die Bässe. Auf der Tanzfläche drängten sich die Feierwütigen dicht an dicht. Alkohol floss in Strömen, es wurde gelacht und geschrien, und Wade war sicher, dass da drüben in den dunklen Ecken Leute Sex hatten.

Sie vögelten. Betranken sich. Taten, worauf sie Lust hatten.

Das hier ist kein Ort für sie. Victoria gehört nicht hierher.

Wade und Viki hatten ungefähr gleichzeitig bei LOST angefangen. Sie war klug – verdammt intelligent – und stets voller Energie. Er wusste, dass sie nicht gut still sitzen konnte – sie war ständig in Bewegung, dachte immer über etwas nach, hatte immer etwas zu tun.

Sie war stets freundlich, aber sie flirtete nicht. Weder mit ihm noch mit irgendjemandem sonst bei LOST. Victoria war jederzeit hochprofessionell.

Sämtliche Signale, die er jemals von ihr bekommen hatte, besagten: Finger weg! Also hatte er sich daran gehalten.

Auch wenn ihre Kurven und ihr seidiges Haar ihn fast um den Verstand brachten. Und obwohl er manchmal vergaß, was er sagen wollte, wenn er in ihre grünen Augen blickte.

Hochprofessionell.

Victoria Palmer war eine wunderschöne Frau, die allerdings versuchte, ihr Aussehen herunterzuspielen. Vergeblich. Denn diese makellose Haut, die hohen Wangenknochen und die vollen, sinnlichen Lippen konnte man überhaupt nicht verstecken.

Vielleicht dachte er zu viel über sie nach.

Ganz sicher sogar.

Vor allem in letzter Zeit. Ihre vorherigen beiden Fälle waren wirklich brenzlig gewesen, und er hatte Victoria in einem ganz neuen Licht gesehen.

Aber das hier … dieser Club … so kannte er sie nicht.

Victoria ging zur Bar hinüber. Bestellte sich einen Drink. Und als das Martiniglas mit dem leuchtend grünen Inhalt vor ihr stand, leerte sie es in null Komma nichts.

Anscheinend war sie in der Stimmung, mal so richtig Dampf abzulassen. Wenn das ihr Ziel ist … kann ich ihr dabei helfen.

Aber irgendein Vollidiot war schneller. Ein großer, blonder Typ drängte sich neben sie und legte ihr sofort den Arm um die Taille.

Wade stürzte vorwärts. Victoria mochte es nicht, angefasst zu werden. Das wusste er. Sie verspannte sich, wann immer sie jemand berührte. Also passte er stets auf, dass er ihr nicht zu nahekam und –

Doch jetzt wehrte sich Victoria nicht gegen die Berührung. Im Gegenteil: Sie wandte sich dem Typen zu. Lächelte. Und legte ihm eine Hand auf die Brust.

Wade erstarrte.

Irgendein Arschloch rempelte ihn von hinten an, und Wade schnauzte ihn an. Die Musik wurde noch lauter – und Victoria sah lachend zu dem Fremden hoch, der neben ihr stand.

Was zur Hölle?

Wade schüttelte den Kopf. Victoria war hier, um jemanden aufzureißen. Das war offensichtlich. Und er stand hier wie ein Idiot und beobachtete sie. Er musste sich zusammenreißen. Das hier ging ihn nichts an. Sie waren vielleicht Partner, aber wenn sie ihn hier entdeckte …

Er biss die Zähne zusammen und drehte sich um. Victoria war eine erwachsene Frau und konnte auf sich selbst aufpassen. Er ging auf den Ausgang zu.

Doch irgendetwas stimmt nicht. Dieser Schmerz, den ich vorhin in ihren Augen gesehen habe … dieser Schmerz, den sie vor dem Rest der Welt zu verstecken versucht …

Er blieb stehen. Sein Blick schweifte nach links. Ja, das Pärchen da drüben war kurz davor zu vögeln. In diesem Club ging es nur darum, schnell jemanden aufzureißen. Fremde in der Dunkelheit. Er wusste das, denn …

Ich bin selbst schon einmal hier gewesen.

Er drehte sich um, aber Victoria war weg. Genauso wie der blonde Typ. Panik stieg in Wade hoch, während er mit den Augen die Tanzfläche absuchte.

Er konnte Victoria nirgends entdecken.

Wade begann die dunklen Ecken und Nischen abzusuchen. Er hatte sie doch eben noch gesehen. Wo zur Hölle war sie? Er eilte zur Bar zurück und schlug mit der flachen Hand auf den Tresen.

Ein gelangweilt wirkender Barkeeper mit Irokesenschnitt sah zu ihm herüber.

»Die sexy Rothaarige in dem kurzen Rock«, knurrte Wade. »Wohin ist sie gegangen?«

Der Barmann deutete mit dem Daumen über seine Schulter. »Zur Hintertür raus.«

Wade machte sich auf in Richtung Tür.

»Ich glaube nicht, dass sie gestört werden wollen!«, rief der Barkeeper ihm nach.

Scheiß drauf. Victoria konnte nicht einfach so mit irgendeinem Fremden in die Nacht verschwinden. Sie wusste genau, wie gefährlich so ein Verhalten war.

Er riss die Hintertür auf, und sie knallte gegen die Backsteinwand des Gebäudes. Es war dunkel hier draußen. Und es stank bestialisch nach Alkohol, Kippen und Schlimmerem. Das hier war kein Ort für Victoria. Sie hatte etwas Besseres verdient. Edlen Wein. Blumen. Verführt zu werden.

Und er sah sie immer noch nicht. Wade hastete vorwärts. Wandte sich nach rechts. Vor ihm lag eine schmale Gasse – und da drüben, an der Hauswand, stand ein eng umschlungenes Paar.

Der Mann drückte die Frau an die Wand. Ihre Hände lagen auf seinen Schultern und –

»Victoria«, entfuhr es Wade, bevor er darüber nachdenken konnte.

Der Mann wirbelte herum und starrte ihn an. Es war eindeutig der blonde Typ von eben. Und er war mehr als kampfbereit, denn er stürzte sich sofort mit geballten Fäusten auf Wade.

»Stopp!«, schrie Victoria. Er hätte ihre Stimme überall erkannt.

Sie hatte wirklich mit diesem Vollidioten rumgemacht.

Wade starrte den Typen an. Es war so dunkel, dass er sein Gesicht nicht richtig sehen konnte. Sie waren ungefähr gleich groß und gleich schwer, aber Wade hatte keinen Zweifel, dass er diesen Freak vermöbeln konnte, wenn er musste.

»Du solltest dich schleunigst hier verpissen«, knurrte der Typ ihn an.

»Genau das habe ich vor«, gab Wade zurück. »Aber ich nehme Victoria mit.«

Sein Gegenüber fluchte. »Einen Scheiß wirst du –«

»Ganz ruhig, Flynn. Ich kenne ihn. Er ist … ein Kollege.« Victoria drängte sich zwischen sie. Als sie Wade eine Hand auf die Brust legte, fühlte es sich an, als würde er verbrennen. »Was machst du hier?«, fragte sie ihn.

Ich bin dir gefolgt. Ich habe ein paar Fragen. Mehr als ein paar. »Vielleicht bin ich aus dem gleichen Grund hier wie du«, sagte er stattdessen. »Für einen schnellen Fick in der Dunkelheit.«

Sie zuckte zusammen und sagte dann mit emotionsloser Stimme: »Wir haben geknutscht, nicht gevögelt … falls du das nicht bemerkt hast.«

Oh, verdammt. Er hatte sie nicht verletzen wollen. Diese dämliche Eifersucht. Victoria wehzutun war das Letzte, was er wollte. Er ließ seine Stimme sanfter klingen. »Zeit für uns, nach Hause zu gehen, Victoria.« Und ja, die Betonung lag auf uns, denn er würde ganz sicher nicht ohne sie hier verschwinden.

»Viki …« Der blonde Typ straffte die Schultern. Viki … Da wurde Wade bewusst, dass er kein Fremder für Victoria war. Wie er mit ihr redete, klang viel zu vertraut. »Wer ist dieser Clown? Soll ich ihm für dich in den Arsch treten?«

Würde zu gerne sehen, wie du das versuchst. Wie hatte sie den Kerl genannt? Flynn? Verdammter Flynn. Er hasste den Kerl.

»Ich habe es dir gesagt: Wade ist mein Kollege. Und … auch ein Freund«, sagte Victoria. »Sorry, Flynn, aber ich muss los.« Ihre rechte Hand lag auf Wades Brust, aber ihre linke berührte noch immer den blonden Typen. Wade wollte, dass sie ihn endlich losließ. »Geh wieder rein. Das ist okay, wirklich.«

Flynn hob die Hand. Strich ihr über die Wange. »Du weißt, wo du mich findest. Ich bin da, wenn du mich brauchst. Ruf einfach an.«

Sie braucht dich nicht.

Und dann ging er einfach weg. Ließ Victoria mit ihm in dieser dunklen Gasse zurück.

Victoria sagte nichts. Ließ die Hand sinken. Einen Augenblick lang standen sie schweigend voreinander. Ihr Körper war so nahe. Sie duftete ganz leicht nach Lavendel, das roch er sogar in diesem dreckigen Hinterhof. Wade suchte verzweifelt nach Worten. Was sollte er sagen, um diese beschissene Situation zu retten?

»Was soll das?«, fragte Victoria schließlich.

Er hatte keine Ahnung. Er hatte sich echt zum Affen gemacht. Als er Victoria mit diesem Arschloch gesehen hatte, war er vor Eifersucht durchgedreht und hatte keinen klaren Gedanken mehr fassen können.

»Wade, bitte antworte mir. Warum bist du hier?«, bohrte sie.

Er hätte so gerne ihre Augen in der Dunkelheit gesehen. Ihre grünen Augen, in denen sich so viele Gefühle widerspiegeln konnten. »Warum bist du denn hier?«, gab er zurück. »Ich weiß, dass du normalerweise nichts mit solchen Bars anfangen kannst. Das sagst du jedenfalls immer.«

Victoria schüttelte den Kopf und drehte sich um. »Bis morgen, Wade«, murmelte sie.

Nein, das würde er so nicht auf sich beruhen lassen. Er war es leid, sich so zu fühlen, als würde Victoria durch ihn hindurchsehen. Er packte sie am Handgelenk. »Du weißt, wie gefährlich es ist, sich mit Fremden einzulassen.« Bei LOST hatten sie schon so oft aus erster Hand miterlebt, wie tödlich es ausgehen konnte, wenn man dem falschen Menschen vertraute. Der Rest der Welt lief vielleicht mit Scheuklappen durch die Gegend, aber sie doch nicht. Sie wussten es besser.

»Vielleicht war ich in der Stimmung für ein bisschen Gefahr.«

Sie sprach so leise, dass er Mühe hatte, sie zu verstehen. Er schüttelte den Kopf, und seine Finger schlossen sich fester um ihr Handgelenk. »Das bist nicht du.« Aber Victoria hatte sich verändert. Nach diesem verdammten Angriff auf sie. Nachdem … ich sie fast verloren hätte.

Ihm war noch nicht einmal bewusst gewesen, wie wichtig sie ihm war. Nicht bis zu jenem Augenblick. Victoria und ihr cleveres Köpfchen. Ihr schiefes Lächeln. Ihre sexy Brille.

Es war ihm nicht bewusst gewesen, bis … er sie blutverschmiert in diesem Sumpf gefunden hatte.

Ich werde sie nicht verlieren. Nicht an irgendeinen Psychokiller. Nicht an irgendeinen Fremden.

»Vielleicht kennst du mich einfach nicht so gut, wie du glaubst«, sagte sie.

Aus irgendeinem Grund machten ihre Worte ihn wütend. »Ich glaube, ich kenne dich besser, als du denkst.« Sie hatten immer eng zusammengearbeitet. Und wie eng! Er hatte so viele Stunden mit ihr verbracht. An sie gedacht. Sich bewusst gemacht, dass das Einzige, was er wollte …

Direkt vor ihm war.

»Ich bringe dich nach Hause«, sagte er.

»Oh, Wade …«, seufzte sie. »Ich brauche keinen Wachhund. Ich bin erwachsen. Ich kann auf mich selbst aufpassen.«

»Und ich bin dein Freund.« So hatte sie ihn doch selbst bezeichnet. »Also lass mich dich nach Hause bringen, okay?« Denn er musste sie unbedingt aus dieser Gasse rausschaffen. Weg von diesem Club.

Bevor dieser blonde Vollidiot zurückkam. Dieser verdammte Flynn.

»Ich habe dich nicht davon abgehalten, mit jemandem zu schlafen«, sagte Victoria.

Oh doch, Baby, das hast du. Sie hatte keine Ahnung, wie sehr sich sein Leben verändert hatte, seit sie entführt worden war. Vielleicht wurde es Zeit, es schneller angehen zu lassen. Vielleicht war jetzt der Zeitpunkt, endlich etwas zu tun.

»Lass uns gehen«, sagte er und zog sie sanft am Handgelenk.

Victoria seufzte noch einmal, aber sie wehrte sich nicht. Sie verließen die Gasse und gingen zum Parkplatz hinüber, wo sein Motorrad stand. Er stieg auf und warf den Motor an. »So musst du wenigstens kein Taxi nehmen«, sagte er, während sie hinter ihm auf das Bike kletterte.

Ihre Hände schlossen sich um seine Taille.

»Du musst dich besser festhalten«, sagte er und legte die Hände auf den Lenker. »Und näher an mich heranrücken.« Es war offensichtlich, dass sie versuchte, Distanz zu wahren. So würde es nicht funktionieren. Er hatte die Absicht, alle Mauern zwischen ihnen einzureißen.

Victoria würde nicht mehr in der Lage sein, sich zurückzuhalten.

Er spürte, wie sie näher rückte, und lächelte.

Wenn Viki der Sinn nach Gefahr stand, dann musste sie dafür nicht mit irgendeinem Fremden in der Dunkelheit verschwinden. Wenn sie Leidenschaft und heißen Sex wollte, dann musste sie nicht in irgendeinem Club danach suchen.

Er gab Gas, und sie jagten die Straße hinunter.

Wenn Victoria Gefahr und Leidenschaft wollte … dann werde ich ihr das verdammt noch mal geben.

Kapitel zwei

Victorias Beine zitterten, als sie von Wades Motorrad stieg. Er hatte im Licht einer Straßenlaterne neben ihrem Haus geparkt. Als sie ihn jetzt ansah, wirkte er stinksauer. Als hätte er irgendeinen Grund dazu, wütend zu sein. Er hatte ihr vollkommen den Abend versaut. Ihre sorgfältig durchdachten Pläne durchkreuzt. Und jetzt war sie gereizt bis aufs Blut. Ihr tat alles weh, so angespannt war sie, und ihre Selbstbeherrschung war kurz vor dem Zersplittern.

»Danke fürs Nachhausebringen«, murmelte sie. Oder auch nicht. »Wir sehen uns morgen früh.« Sie drehte sich um und ging auf die Haustür zu.

»So einfach ist das nicht …«

Sie sah über ihre Schulter. Wade folgte ihr. Er wirkte groß und düster und gefährlich, als er auf sie zukam. Wäre er nicht ihr Kollege, ein guter Freund, dann hätte er den perfekten Lover abgegeben. Er war genau die Art Mann, die sie sich immer dann suchte, wenn das Verlangen zu groß wurde.

Aber das hier war Wade. Nicht irgendein Typ, den sie am nächsten Morgen vergessen konnte. Sie würde ihn wiedersehen. Und zwar jeden Tag. Und Victoria hatte eine Regel, wenn es um Männer ging: immer unverbindlich bleiben. Keine Gefühle. Niemals.

Wade würde diese Regel nicht verstehen.

Sie hatte am eigenen Leib erfahren, wie gefährlich es sein konnte zu lieben. Liebe hatte ihre Familie zerstört. Ihren Vater dazu gebracht, im Zorn zu töten.

Sie sah zu ihrem Apartmentgebäude hinauf. Nur noch ein paar Schritte, und sie wäre in Sicherheit. Sie eilte weiter, betrat die Lobby und nickte dem Portier zu. Der Marmorboden glänzte unter ihren Füßen und –

Wade war direkt hinter ihr. Der Portier hatte ihn wie selbstverständlich hereingelassen. Er kannte Wade schließlich und wusste, dass sie Freunde waren. Auch wenn es sich für sie im Augenblick nicht so anfühlte.

Mit dem Alkohol waren ihre Hemmungen heute Abend viel zu schnell gefallen. Wahrscheinlich hätte sie nach dem ersten Drink aufhören sollen, aber sie hatte sich einen zweiten genehmigt – um Mut zu fassen. Zu dem Zeitpunkt war sie fest davon überzeugt gewesen, das wäre eine gute Idee.

Sie drückte die Ruftaste des Aufzugs. Wade stand direkt hinter ihr. Sie spürte, wie die Wärme seines Körpers auf sie überging. »Ich bin sicher zu Hause angekommen«, sagte sie, als sich die Aufzugtür öffnete. Sie betrat den Lift, drehte sich um und sah Wade an. »Du kannst jetzt gehen.«

Aber er schüttelte den Kopf und betrat ebenfalls den Fahrstuhl, sodass sie zurückweichen musste. »Wir sind noch nicht fertig«, sagte er mit rauer Stimme.

Victoria wusste, dass er daran gewöhnt war, immer alles zu bekommen, was er wollte. Das war ihr von Anfang an klar gewesen. Aber … was will er von mir?

Sein Blick schweifte über die Knöpfe neben der Aufzugtür.

»Denk nicht mal dran«, warnte Victoria. Sie beugte sich nach vorne und hielt ihre Schlüsselkarte vor den Sensor. Sie wollte ganz sicher nicht, dass er schon wieder einen Aufzug anhielt. Energisch drückte sie den Knopf von ihrer Etage.

Seine Lippen verzogen sich zu einem fast unmerklichen Grinsen. »Dieses Mal muss ich den Fahrstuhl nicht anhalten. Ich bin mir sicher, wir sind in deiner Wohnung ungestört.« Er straffte die Schultern. »Wir müssen reden. Das wird uns beiden guttun.«

Das bezweifelte sie. Sie schwiegen, bis der Aufzug auf Victorias Etage anhielt. Wade ließ ihr mit einer Handbewegung den Vortritt, und sie hastete aus dem Fahrstuhl und den Flur hinunter. Ihre Wohnung war die einzige auf der obersten Etage. Sie bewohnte das Penthouse. Es war schweineteuer, aber jeden Cent wert – sowohl was den Ausblick anging als auch in Bezug auf die Privatsphäre. Um auf diese Etage zu kommen, brauchte man eine besondere Schlüsselkarte für den Lift.

Der schwere Teppich schluckte ihre Schritte, als sie auf ihre Wohnungstür zugingen. Sie steckte den Schlüssel ins Schloss, und im nächsten Augenblick waren sie in der Wohnung. Victoria verriegelte die Tür hinter ihnen.

Sie warf ihren Schlüsselbund auf den kleinen Tisch im Flur und hielt sich gar nicht erst damit auf, das Licht anzumachen. Die riesigen, raumhohen Fenster im Wohnzimmer ließen genügend Helligkeit herein und gaben den Blick auf die erleuchtete Skyline Atlantas frei. Victoria ging zum Fenster und starrte auf die Stadt hinunter. Normalerweise wirkte dieser Anblick beruhigend auf sie.

Nicht heute Nacht.

Sie wartete darauf, dass Wade etwas sagte.

»Du willst, dass ich mich entschuldige, stimmt’s?«, fragte er und stellte sich neben sie.

Sie schielte zu ihm hinüber. Sein Blick ruhte nicht auf ihr, sondern auf der hell erleuchteten Skyline.

Victoria tat es ihm gleich. Dieser Ausblick war der Grund dafür, dass sie all ihre Ersparnisse in diese Wohnung investiert hatte. Damit ich hier stehen kann, die Welt im Blick habe und mich sicher fühlen kann. Niemand nervt mich. Ich bin hier oben frei.

Frei, aber nicht allein. Jedenfalls nicht im Moment. Sie räusperte sich. »Eine Entschuldigung wäre ein guter Anfang.« Sie drehte sich zu ihm um. »Nur weil wir in diesem Fall als Partner zusammenarbeiten, gibt dir das noch lange nicht das Recht, in meinem Privatleben rumzuschnüffeln. Du hast nicht zu bestimmen, was ich tue oder mit wem ich es tue.« Niemand hatte dieses Recht. »Wenn ich also ausgehen, einen heißen Typen aufreißen und den Rest der Welt vergessen will –«

Er wandte sich ihr zu. »Warum nicht mich?«

Ihr fiel fast die Kinnlade runter.

»Warum reißt du nicht mich auf? Wenn du auf der Suche nach Sex bist, dann komm zu mir.« Er machte einen Schritt auf sie zu. Victoria zwang sich, stehen zu bleiben und nicht zurückzuweichen. »Du spürst die Anziehung zwischen uns doch genauso wie ich.«

Victoria hatte nicht vor, so zu tun, als würde ihr nicht jedes Mal heiß werden, wenn sie in seiner Nähe war. »Ich glaube, du fühlst dich zu den meisten Frauen hingezogen.« Sie hatte ihn schon so oft flirten sehen – viel zu oft. »Du behauptest, mich zu kennen? Tja, dann sage ich dir mal was: Ich kenne dich auch.«

Er schüttelte den Kopf. »Du hattest recht heute Mittag. Ich glaube, wir kennen uns nicht ansatzweise so gut, wie wir glauben.« Wade hob die Hand.

Sie verspannte sich.

»Ich will nicht, dass du so reagierst«, sagte er mit belegter Stimme. »Er durfte dich auch berühren. Warum darf ich es nicht?«

Weil der Typ in diesem Club ihr nicht wichtig war. Es ging nach ihren Regeln. Immer. Flynn spielte nach den Regeln, die sie vorgab. Keine Verpflichtungen. Nur Spaß. Er war vorhersehbar. Einfach zu verstehen.

An Wade hingegen war überhaupt nichts einfach.

Seine Finger berührten ihr Kinn, und er hob es sanft an.

»Ich will mich an niemanden binden«, stieß Victoria hervor. Das war so ziemlich das Letzte, wonach ihr der Sinn stand. »Ich will nichts Festes, Wade, keine Verpflichtungen.«

»Und du glaubst, die hättest du bei mir?«

»Wir arbeiten zusammen, wir –«

Er küsste sie.

Sie hatte sich schon so oft gefragt, wie es sein würde, wenn er sie küsste. Würde er es sanft angehen lassen, ihr mit sinnlicher Verführung den Atem rauben?

Doch dieser Kuss hatte nichts Vorsichtiges an sich. Nichts Zögerndes. Ihre Lippen waren geöffnet, genauso wie seine, und er ergriff mit einer heißen, wilden Leidenschaft von ihrem Mund Besitz. Er fuhr mit der Zunge über ihre Lippen und ließ sie dann dazwischengleiten. Ihr Herz hämmerte wie wahnsinnig gegen ihren Brustkorb.

Für den Bruchteil einer Sekunde überlegte sie, ob sie ihn wegstoßen sollte. Doch sie tat es nicht. Stattdessen hob sie die Hände und legte sie ihm auf die Schultern. Zog ihn näher an sich. Öffnete den Mund noch ein bisschen weiter. Er war nicht der Einzige, der sich nahm, was er wollte.

Heute Nachmittag hatte sie sich traurig und ängstlich gefühlt. Sie hatte das LOST-Büro so schnell wie möglich verlassen und hier zu Hause die Akte über Kennedys Fall durchgearbeitet.

Sie ist tot. Ich weiß es. Eine weitere Tote.

Und es war einfach zu viel für sie gewesen. Sie hatte Ablenkung gebraucht. Um den Tod hinter sich zu lassen und sich wieder lebendig zu fühlen.

Aber Wade hatte ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wade – der hübsche, sexy Wade. Der sie jetzt küsste, als wollte er sie mit Haut und Haaren verschlingen. Und sie …

Vielleicht will ich verschlungen werden.

Er löste sich langsam von ihr, ließ sie aber nicht los. Victoria rührte sich nicht. Ihr wurde bewusst, dass noch nie zuvor ein einziger Kuss so etwas in ihr ausgelöst hatte.

»Das wollte ich schon eine ganze Weile lang machen«, gab er zu.

Dann hättest du es tun sollen.

Seine Stimme klang rau und grummelnd, als er fortfuhr: »Du musst nicht in irgendeiner Bar darauf hoffen, dass dir ein Fremder das gibt, was du brauchst.«

Er hatte keine Ahnung, was sie brauchte.

»Ich bin hier, Viki. Ich kann dir alles geben, was du willst.«

Oh, das klang durchaus verführerisch.

Aber Wade … Wade war keine einmalige Sache. Sie konnte nicht einfach eine Nacht lang Spaß mit ihm haben und dann so tun, als wäre nichts passiert. Sie sahen sich jeden Tag. Wie sollte sie damit umgehen? Ihre Finger schlossen sich um seine Schultern. »Ich habe dir gesagt …«

»Du willst dich an niemanden binden. Das ist okay für mich. Ich nehme, was du bereit bist zu geben.«

Was redete er da? Sie verstand ihn einfach nicht. »Und was schlägst du vor?«

»Sieh mich einfach als deinen Partner … mit gewissen Vorzügen.«

Ihre Augen weiteten sich. Nein, er hat gerade nicht wirklich gesagt –

Wade machte sich von ihr los. »Denk drüber nach.«

Sie ließ die Arme sinken.

»Wir sehen uns morgen früh.« Er ging zur Tür hinüber.

Warte – haut er jetzt wirklich einfach so ab? Sie konnte ihn noch schmecken. Ihr ganzer Körper sehnte sich nach ihm. Sie hätte ihn am liebsten ins Schlafzimmer gezerrt und alles andere vergessen. Und jetzt verschwand er einfach so?

Victoria wollte nicht über sein Angebot nachdenken. Wenn sie darüber nachdachte, würde sie es sich anders überlegen. Verstehen, dass es ein Fehler war. Ein verdammter Fehler.

Partner mit gewissen Extras.

Ihr Atem ging schneller. Ja, ja, es war falsch. Auf so viele verschiedene Arten. Es war – »Bleib«, sagte sie.

Er drehte sich zu ihr um. Sie sah die Lust in seinen Augen. Dieses heiße Feuer, das eigentlich alle Alarmglocken in ihr zum Schrillen bringen sollte. Aber sie blieben stumm.

Stattdessen ging sie auf ihn zu. Blieb kurz vor ihm stehen. Ihr Herz raste, aber sie bemühte sich, ihren Gesichtsausdruck unter Kontrolle zu halten. »Keine Versprechen. Keine Verpflichtungen.« Sie konnten einfach nur Spaß miteinander haben und es dabei belassen, oder? Sie waren beide erwachsen. Klug. In der Lage dazu. Es könnte klappen. Er schien sie zu verstehen und kein Problem mit ihren Regeln zu haben.

»Ich gebe dir, was du brauchst«, versprach Wade.

In diesem Augenblick brauchte sie nur ihn. Als sie vorhin Flynn geküsst hatte, war sie noch immer angespannt gewesen. Und als sie dann Wades Stimme gehört hatte, war ihr erster Gedanke gewesen …

Ja. Er ist hier! Sie war nicht sauer gewesen, dass er in dieser Gasse aufgekreuzt war. Sie hatte sich gefreut. Auch wenn er damit all ihre Pläne durchkreuzt hatte.

Und vielleicht … vielleicht war er genau das, wonach sie suchte. Er stellte keine Gefahr dar – Wade war einer der Guten, das wusste sie genau. Er würde ihr nicht wehtun. Sie würden sich beide das nehmen, was sie brauchten. Ihrem Verlangen nachgeben und …

Keine Verpflichtungen.

Sie hielt ihm die Hand hin. Wade sah auf ihre Finger hinunter. Er presste die Lippen zusammen, nahm dann aber ihre Hand. Sie spürte die Schwielen seiner Hornhaut. »Dann haben wir also einen Deal«, sagte Victoria. Sie leckte sich nervös über die Lippen und –

Er küsste sie wieder und entfachte das Verlangen in ihr erneut. »Verdammt richtig«, murmelte er an ihrem Mund. »Wir haben einen Deal.«

Und sie wusste, dass es kein Zurück gab.

***

Sie geriet auf dem kaputten Gehweg mit ihren High Heels ins Straucheln. Um das Gleichgewicht wiederzuerlangen, stützte sich Melissa Hastings mit einer Hand an der Backsteinmauer ab. Sie hatte definitiv zu viel getrunken.

Es war höchste Zeit, ins Bett zu kommen.

Sie atmete tief durch und versuchte, gegen die Übelkeit anzukämpfen, die sich in ihrem Magen breitmachte. Normalerweise wurde ihr nicht so schnell schlecht von Alkohol, aber heute … war es anders.

Heute hatte sie viel zu viel getrunken, denn es gab etwas zu feiern.

Ich bin frei.

Endlich. Er würde sie nicht länger zurückhalten. Sie konnte jetzt tun und lassen, was sie wollte – und wann immer sie es wollte.

Die Freiheit war berauschend. Sie war fantastisch. Sie …

Macht mich ganz schwindelig.

Die Haare fielen ihr ins Gesicht, als sie den Kopf senkte. Sie würde sich ein Taxi nehmen. Den Rausch ausschlafen. Und morgen ein neuer Mensch sein.

Besser als neu.

Ich bin frei.

Sie holte noch einmal tief Luft und hob den Kopf. Strich sich die Haare aus dem Gesicht und –

Da stand er.

Da drüben im Dunkeln. Nur ein paar Meter entfernt.

»Geht es dir gut?« Sie hörte seine Stimme klar und deutlich.

Nein, es ging ihr nicht gut. Ihr wurde immer schwindeliger, und ihre Zunge fühlte sich an, als wäre sie um das Doppelte gewachsen. Das war nicht normal. Sie war schon öfter betrunken gewesen, aber sie hatte sich dabei nie so gefühlt wie jetzt. Was ist los mit mir?

»Du hättest vorsichtiger sein sollen mit dem, was du trinkst.« Er kam langsam auf sie zu.

»D-du …« Sie konnte nicht mehr reden. Angst schnürte ihr die Kehle zu. Er sollte nicht hier sein.

»Hast du geglaubt, das mit uns wäre vorbei?«, fragte er leise im Näherkommen. »Nur weil du es so beschlossen hast?« Seine tiefe Stimme schien sie einzuhüllen. Diese sexy, verführerische Stimme.

Eine Stimme, die zu einem sehr gefährlichen Mann gehörte.

Melissa sah über ihre Schulter. Sie waren nicht weit weg vom Club. Dort drüben waren so viele Menschen. Sie war in Sicherheit, auch wenn ihr von Sekunde zu Sekunde schlechter wurde. Melissa drehte sich zu ihm um und starrte ihn an.

Sein Gesicht lag im Dunkeln, aber sie hatte ihn sofort an seiner Silhouette erkannt – groß und kräftig. Er hatte eine fantastische Figur. Das war ihr sofort aufgefallen, als sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte. Und natürlich war sie sich auch seiner gefährlichen Aura bewusst gewesen – dieser sexy Bad-Boy-Aura. Sie hatte ihn gewollt.

Und er hatte sie gewollt.

Aber jetzt will ich nur noch von ihm weg.

»Bleib fern von mir.« Melissa machte einen Schritt rückwärts. »Ich habe dir gesagt –«

»Hast du Angst vor mir?«

Ja.

Etwas glitzerte in der Dunkelheit. Ihr Herz schlug noch schneller. Oh mein Gott, hat er ein Messer? Nein, nein, bestimmt nicht. Das war Wahnsinn.

Oder?

Als er noch einen Schritt auf sie zumachte, war das Glitzern verschwunden. »Ich bin nicht hier, um dir wehzutun.«

Das Schwindelgefühl wurde immer schlimmer. Sie hielt sich den Kopf.

»Oh, Melissa«, seufzte er. »Du weißt doch genau, dass man sein Glas niemals aus den Augen lassen soll.«

Sie … sie hatte es stehen gelassen. Aber nur für einen Augenblick. Einen Tanz. Und ihre Freunde waren an der Bar geblieben. Jim, ihr Mitbewohner, er passte doch immer auf sie auf. Er hatte ihr Getränk im Blick gehabt.

Oder?

Ihre Knie gaben nach, aber er hielt sie fest.

»Du … hast mir etwas ins Glas getan …?« Deshalb war ihr so übel und schwindelig. Er hatte ihr etwas ins Getränk gemischt. Vielleicht K.-o.-Tropfen? Schrei, Melissa!, rief ihr eine Stimme in ihrem Kopf zu. Schrei! Da drüben sind Leute!

Sie öffnete den Mund.

Und spürte die scharfe Klinge eines Messers unter ihrem Kinn.

Es war also doch ein Messer gewesen.

»Ich bin nicht hier, um dir wehzutun, Süße. Ich will dich nur glücklich machen.«

Eine Träne rollte ihr über die Wange.

»Also schrei nicht. Entspann dich einfach. Gleich bist du ganz weit weg – mit mir.«

Melissa wollte nicht mit ihm zusammen sein. Sie hatte mit ihm Schluss gemacht. Es war aus zwischen ihnen.

»Sorry!«, hörte sie ihn rufen. Sie blinzelte und strengte sich an, um zu sehen, was los war. »Meine Freundin hat ein bisschen zu viel getrunken.« Er legte einen Arm um sie. »Ich bringe sie nach Hause.«

Mit wem redete er da? Sie kniff die Augen zusammen und drehte den Kopf. Einer der Türsteher des Clubs kam auf sie zu. Sie hatte noch eine Chance –

Die Spitze des Messers bohrte sich in ihre Haut. Konnte der Mann die Klinge sehen?

»Ein Wort, und ich werde dir wehtun. Richtig wehtun.«

Sie schwieg.

»Keine Sorge!«, rief er dem Türsteher zu. »Ich kümmere mich um mein Mädchen.«

Sie war nicht sein Mädchen.

Die Schritte des Mannes entfernten sich.

Melissas Lider wurden schwer. Sie konnte die Augen nicht länger offen halten.

»Das war gut«, sagte er. »Mach dir keine Sorgen. Ich passe auf dich auf. Wie ich es dir gesagt habe. Ich gebe gut auf dich acht …«

***

Wade ballte die Hände zu Fäusten und versuchte verzweifelt, die Kontrolle zu behalten. Sie waren in Victorias Schlafzimmer. Er stand neben dem Bett. Sie noch an der Tür.

Heilige Scheiße, es würde also wirklich passieren. Victoria würde ihm gehören. Endlich.

Sie starrte ihn an. Dann hob sie die Hand und löschte das Licht.

»Du musst das Licht nicht ausmachen«, sagte er. Seine Stimme klang rau und ein wenig heiser. Aber was erwartete er? Sein Traum würde Wirklichkeit werden. Wie sonst sollte seine Stimme in diesem Augenblick klingen? »Ich will dich sehen.« Alles an dir.

Er hörte das Rascheln ihrer Klamotten, und dank des Lichts der Skyline, das durch die Jalousien drang, konnte er ihre sinnliche Silhouette erkennen, als sie sich das Shirt über den Kopf zog. »Du willst meine Narben nicht sehen«, sagte Victoria. »Es ist besser so.«

Scheiß drauf. Er wusste, dass dieser Bastard in Louisiana sie mit dem Messer angegriffen hatte. Und ihre Narben – wirkten auf ihn nicht abstoßend. Nichts an ihr.

Es raschelte wieder, und dann … kam Victoria auf ihn zu. Er hörte ihre gedämpften Schritte auf dem Teppich. Als sie ihn berührte, als sie sich an ihn drückte, wurde ihm bewusst, dass sie vollkommen nackt war.

»Du hast viel zu viel an«, sagte sie. »Wenn das hier funktionieren soll, musst du dich ausziehen.«

»Oh, es wird funktionieren«, murmelte er. Vorausgesetzt, ich verliere nicht die Kontrolle. Sie hatte keine Ahnung, wie sehr er sie wollte. Das war ihm jetzt klar. Doch sie würde es noch früh genug verstehen.

Aber er zog sich nicht aus. Noch nicht. Stattdessen legte er ihr die Hände auf die Schultern. Berührte ihre glatte, weiche Haut und ließ dann die Finger langsam abwärtsgleiten. Über ihre Arme. Ihre Brüste. Er liebte ihre Brüste. Sie waren so rund und so prall. Er spürte ihre Nippel, die sich unter seiner Berührung aufrichteten. Er musste sie einfach anfassen. Streicheln.

»Wade …«

Und seine Finger wanderten weiter. Über ihren Bauch. Über die feine Narbe, die er dort spürte. Er hielt inne, streichelte sie sanft, wünschte, er könnte ihr den Schmerz abnehmen.

»Nicht …«

Er gehorchte. Er würde später auf ihre Narben zurückkommen. Ihr zeigen, dass für ihn jeder Zentimeter ihres Körpers perfekt war.

Seine Finger wanderten weiter. Ihre Beine waren leicht gespreizt, und er ließ eine Hand dazwischengleiten. So weich. So heiß. Und als er mit den Fingern in sie eindrang –

Krallten sich ihre Nägel in seine Oberarme.

»Ich kann es nicht erwarten, in dir zu sein«, flüsterte er heiser.

»Dann warte nicht länger.« Ihre Hüfte bog sich ihm entgegen. »Lass mich nicht länger warten.«

Sie war feucht. Seinetwegen. Sie war schon bereit.