Wrecked - Mörderische Spuren - Cynthia Eden - E-Book

Wrecked - Mörderische Spuren E-Book

Cynthia Eden

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Beschreibung

Sie verließ ihn, doch nun muss er sie vor einem perfiden Killer beschützen ...

Als Ana Young vierzehn war, wurde sie entführt. Doch sie konnte entkommen. Seit diesem Erlebnis ist ihr klar: Sie muss gegen das Böse in der Welt kämpfen. Ihr Job als LOST-Agentin ist es deshalb, nach Vermissten zu suchen. Ihr neuester Fall führt sie zu einem entkommenen Killer, der von ihr besessen ist.

Sie erhält Unterstützung vom unwiderstehlich attraktiven FBI-Agenten Cash Knox - mit dem sie vor Jahren eine unglaublich heiße Nacht verbrachte. Eine Erinnerung, die sie unbedingt vergessen möchte, denn Gefühle machen ihr Angst. Doch jetzt muss er sie Tag und Nacht bewachen. Die Jagd nach dem Verbrecher erfordert alles von ihr. Aber kann sie ihrer Vergangenheit entkommen?

Wenn keine Hoffnung mehr besteht, kommt das Last Option Search Team zum Einsatz. Eine Eliteeinheit aus Ex-SEALS, ehemaligen FBI-Agenten und Kriminalpsychologinnen. Sie finden Vermisste, beschützen vor Stalkern, jagen Serienkiller.

Der neue packende Romantic-Suspense-Liebesroman der New-York-Times-Bestseller-Autorin Cynthia Eden - erotische Spannung und atemberaubender Thrill.

»Genau so, wie romantische Spannung sein sollte - mitreißend, rasant und sehr sexy! Mit der LOST Agency hat Eden eine komplexe Gruppe von Charakteren geschaffen, die die Leserinnen lieben werden.« (Karen Rose - Nr.-1-New-York-Times-Bestsellerautorin)

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Seitenzahl: 470

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Inhalt

CoverÜber dieses BuchÜber die AutorinTitelImpressumWidmungDanksagungKapitel einsKapitel zweiKapitel dreiKapitel vierKapitel fünfKapitel sechsKapitel siebenKapitel achtKapitel neunKapitel zehnKapitel elfKapitel zwölfKapitel dreizehnKapitel vierzehnKapitel fünfzehnKapitel sechzehnKapitel siebzehnKapitel achtzehnKapitel neunzehnKapitel zwanzigEpilog

Über dieses Buch

Sie verließ ihn, doch nun muss er sie vor einem perfiden Killer beschützen …

Als Ana Young vierzehn war, wurde sie entführt. Doch sie konnte entkommen. Seit diesem Erlebnis ist ihr klar: Sie muss gegen das Böse in der Welt kämpfen. Ihr Job als LOST-Agentin ist es deshalb, nach Vermissten zu suchen. Ihr neuester Fall führt sie zu einem entkommenen Killer, der von ihr besessen ist. Sie erhält Unterstützung vom unwiderstehlich attraktiven FBI-Agenten Cash Knox – mit dem sie vor Jahren eine unglaublich heiße Nacht verbrachte. Eine Erinnerung, die sie unbedingt vergessen möchte, denn Gefühle machen ihr Angst. Doch jetzt muss er sie Tag und Nacht bewachen. Die Jagd nach dem Verbrecher erfordert alles von ihr. Aber kann sie ihrer Vergangenheit entkommen?

Wenn keine Hoffnung mehr besteht, kommt das Last Option Search Team zum Einsatz. Eine Eliteeinheit aus Ex-SEALS, ehemaligen FBI-Agenten und Kriminalpsychologinnen. Sie finden Vermisste, beschützen vor Stalkern, jagen Serienkiller.

Der neue packende Romantic-Suspense-Liebesroman der New-York-Times-Bestseller-Autorin Cynthia Eden – erotische Spannung und atemberaubender Thrill jetzt bei beHEARTBEAT.

»Cynthia Edens Bound – Tödliche Erinnerung ist so, wie Romantic Suspense sein soll – mitreißend, furios und extrem sexy!« Karen Rose

Über die Autorin

New-York-Times-Bestsellerautorin Cynthia Eden schreibt düstere Romantic-Suspense und sexy Paranormal-Romance-Romane. Sie hat Soziologie und Kommunikationswissenschaften studiert. Eden gehörte bereits dreimal zu den Finalisten des RITA® Award – sowohl in den Kategorien Romantic Suspense als auch Paranormal Romance. Seit 2005 ist sie Vollzeitautorin und hat bislang über 70 Romane und Kurzgeschichten veröffentlicht.

CYNTHIA EDEN

WRECKEDMÖRDERISCHE SPUREN

Aus dem amerikanischen Englisch von Sabine Neumann

beHEARTBEAT

Digitale Originalausgabe

»be« – Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2017 by Cindy Roussos

Titel der amerikanischen Originalausgabe: Wrecked

Originalverlag: Avon Books, HarperCollins Publishers

Für die deutschsprachige Ausgabe:

Copyright © 2018 Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Julia Funcke

Übersetzung: Sabine Neumann

Titelgestaltung: Manuela Städele-Monverde unter Verwendung von Motiven von © Shutterstock: Arthur-studio10

ISBN 978-3-7325-5406-5

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

Für die Leser. Für die Träumer. Für alle, die verstehen, welch großes Vergnügen man in einem Buch finden kann.

Danksagung

Es hat mir so viel Spaß gemacht, meine LOST-Bücher zu schreiben. Ich danke all den großartigen Mitarbeitern bei Avon für ihre Hilfe und ihr Verständnis. Meinen Leserinnen danke ich dafür, dass sie dieser Reihe mit all ihren Rätseln und Wendungen so treu geblieben sind. Um es kurz zu machen: Danke, dass ihr euch mit mir in der LOST-Reihe verloren habt.

Kapitel eins

Das Messer bohrte sich in ihre Haut. Die Klinge ging tief, und der Schmerz brannte wie die Hölle. Ana Young biss die Zähne zusammen und starrte geradeaus … direkt in die entsetzten Augen ihres Bruders. Er war an den Stuhl gefesselt, der ihr gegenüberstand, und versuchte sich verzweifelt von den Fesseln zu befreien.

Doch er konnte nicht entkommen. Genauso wenig wie sie.

Aber sie konnte stumm bleiben.

Asher … ihr Zwillingsbruder … blieb nicht stumm. Er brüllte: »Lasst meine Schwester in Ruhe! Hört auf! Bitte, hört auf! Tut ihr nicht weh!«

Asher kapierte es nicht. Der Mann mit dem Messer … er hatte Spaß daran, ihr wehzutun.

Noch ein Schnitt. Dieser ging noch tiefer. Ana leckte sich über die Lippe und schmeckte Blut. Der erste Schnitt hatte ihr Gesicht verletzt. Aber dann hatte ihr Peiniger innegehalten.

»Heben wir uns ihr hübsches Gesicht für später auf.«

Und dann hatte er ihr die Klinge in den Körper gerammt. Wieder und wieder. Sie versuchte, die Augen offen zu halten. Versuchte, den Blickkontakt mit Asher zu halten. Wenn das Ende bevorstand, wollte sie, dass sein Gesicht das Letzte war, was sie sah. Sie wollte Asher zeigen, dass sie keine Angst hatte. Dass sie stark war.

Ein weiterer Stich mit dem Messer, und sie spürte, wie ihr die Tränen über die Wangen liefen. Der Schmerz zerstörte sie. Zerstörte das Mädchen, das sie gewesen war. Und hinterließ jemand anderen an ihrer Stelle – etwas anderes.

Hab keine Angst vor den Schmerzen. Verspann dich nicht, wenn sich die Klinge in dich bohrt. Sieh Asher an. Sieh ihn an.

»Lass meine Schwester in Ruhe, du verdammtes Arschloch! Du willst jemandem wehtun? Dann nimm mich, nicht Ana! Lass sie gehen!«

Ana fielen die Augen zu. Ashers Stimme verblasste. Sie war plötzlich so weit weg. Seltsam, er war doch nur ein paar Meter von ihr entfernt. Sie hatten sie beide dicht voreinandergesetzt, damit Asher jeden Stich und jeden Schnitt ganz genau mitbekam.

Starb sie jetzt? Ana wollte so nicht gehen. Gefesselt. Gefangen. Als Spielzeug irgendeines kranken Bastards. Sie wollte so nicht sterben …

Sie schloss die Augen.

Und ein Teil von ihr starb.

Der gute Teil.

»Ana?« Eine Hand schloss sich um ihre Schulter. Ana zuckte bei der Berührung zusammen, und der Traum – eigentlich eher eine grauenhafte Erinnerung – löste sich in Luft auf. Sie fuhr hoch, wirbelte herum und blickte in die Augen ihres Chefs, Gabe Spencer, der sie stirnrunzelnd betrachtete.

Genau so macht man Eindruck beim Boss, Ana.

Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht, hob das Kinn und straffte die Schultern. Nicht dass dieses Schulternstraffen viel bewirkt hätte. Mit ein Meter achtundfünfzig Körpergröße ist es eben eher schwierig, einschüchternd zu wirken. Ana war nicht der Typ Frau, der High Heels trug – bei der Jagd nach Verbrechern behinderten sie sie nur –, also hatte sie sich angewöhnt, das Kinn hochzurecken und der Welt mit ihrem Fahr-zur-Hölle-Blick entgegenzutreten.

Allerdings war dieser Blick nicht angebracht, wenn der Chef vor einem stand.

Genauso unangebracht wie die Tatsache, dass du dich von ihm bei einem Nickerchen im Büro hast erwischen lassen.

Ana räusperte sich. »Hi, Gabe. Ich habe … gerade über den neuen Fall nachgedacht.« Sie lächelte ihn an. Dieses Lächeln war eine ihrer Geheimwaffen. Strahlend und entwaffnend, hatte es ihr schon mehrere Male den Arsch gerettet. In ihrer Branche hielten die Leute ein freundliches, zierliches Erscheinungsbild fälschlicherweise für eine Schwäche. Ana hingegen nutzte ihr zartes Aussehen, sooft es ging, für sich aus.

Aber Gabe – ein ehemaliger SEAL und jetzt der große Boss bei LOST –, tja, er wirkte nicht gerade entwaffnet. Er musterte sie mit seinen leuchtend blauen Augen, und eine leichte Furche erschien zwischen seinen Brauen. »Hast du schon wieder eine Nachtschicht eingelegt?«

Vielleicht.

»Ana …«, seufzte er. »Ich habe dich eingestellt, weil ich weiß, dass du gut bist. Deine Erfolgsbilanz spricht für sich. Du musst dich nicht kaputtarbeiten, indem du dich hier durch die alten Akten wühlst, um mir etwas zu beweisen.«

Gabe war ein guter Kerl. Er machte kein Theater wegen des kleinen Nickerchens am Arbeitsplatz. Er verstand sie genau.

Also öffnete Ana in seiner Gegenwart ein Stückchen ihr Visier. Schließlich kannte sie Gabe seit Jahren. Schon lange bevor er sie für das LOST-Team angeheuert hatte, waren sie befreundet gewesen. Gabe kannte ihre Geheimnisse. Na ja, die meisten davon zumindest. Es gab andere, die selbst Anas Zwillingsbruder Asher nicht kannte.

Und so soll es auch bleiben.

»Es sind bloß so viele«, sagte Ana mit einem Blick auf die Akten, die auf ihrem Schreibtisch verteilt lagen. »All diese Menschen … werden immer noch vermisst. All diese Familien … hoffen nichts anderes, als dass ihre Kinder zurück nach Hause kommen. Ehemänner, die nach ihren Frauen suchen. Mütter auf der Suche nach ihren Töchtern. Freunde, die –« Sie brach ab, presste die Lippen aufeinander. »Ich will ihnen einfach nur helfen.«

Denn genau deshalb hatte sie letztendlich nachgegeben und war zu LOST gekommen.

Das Last Option Search Team war Gabes Baby. Vor Jahren war seine Schwester verschwunden, und als die Polizei nicht in der Lage gewesen war, sie aufzuspüren, hatte Gabe sich in die Suche eingeklinkt. Leider hatte er seine Schwester zu spät gefunden, hatte sie begraben müssen, anstatt sie nach Hause zurückzuholen. Und nach dieser furchtbaren Tragödie hatte er es sich zur Aufgabe gemacht, anderen Familien zu helfen. Die Agenten, die bei LOST arbeiteten, waren wirklich die letzte Option für so viele Menschen. Die Leute wandten sich an LOST, wenn sie die Hoffnung eigentlich schon aufgegeben hatten. Wenn das FBI und die Cops und alle anderen die Akten längst geschlossen hatten … dann hörte LOST noch lange nicht auf zu suchen.

Und die Mitarbeiter der Organisation konnten fantastische Erfolge vorweisen. Verdammt, allein im letzten Jahr hatten sie zwei Serienmörder gefasst. Opfer gerettet, nicht nur Leichen gefunden. Sie bewirkten etwas auf dieser Welt.

Und ich will ein Teil davon sein.

Also hatte sie sich mit den Akten ganze Nächte um die Ohren geschlagen. Insbesondere ein Fall ließ ihr keine Ruhe. Cathy Wise. Das Mädchen war erst dreizehn gewesen, als sie verschwand.

Und ich war vierzehn, als ich entführt wurde. Aber Ana war wieder nach Hause zurückgekehrt.

Cathy … nicht. Bisher jedenfalls nicht.

»Ich nehme es zu persönlich«, gestand Ana. »Ich weiß, ich sollte das alles nicht so nahe an mich heranlassen, aber …« Aber ich sehe mich selbst in diesen Fällen. Wir müssen den Opfern helfen.

»Nein«, sagte Gabe sanft. »Wir müssen es an uns heranlassen, Ana. Es muss uns wichtig sein. Nur so können wir unsere Arbeit machen.« Er sah auf die Akten hinunter. »Aber du darfst nicht zulassen, dass die Arbeit dich auffrisst. Sosehr wir uns auch bemühen, es wird immer weitere Fälle geben. Weitere Menschen, die verschwinden.«

Ihr Magen verkrampfte sich, weil sie wusste, dass er recht hatte. Jeden Tag verschwand jemand Neues. Jeden Tag wurde wieder ein Leben zerstört.

»Deshalb bin ich hergekommen«, fuhr Gabe fort. Ein leises Lächeln umspielte seine Lippen, und seine Augen funkelten. »Nicht nur, um dich aus deinem Nickerchen zu reißen.«

Glaub mir, bei dem, was ich geträumt habe, bin ich dir dankbar dafür.

»Wir haben einen neuen Fall.«

Ana trat rasch auf ihn zu.

Aber Gabe hob die Hand. »Bevor du vor Freude durchdrehst, warne ich dich, dass es bei dem Fall ein paar Haken und Ösen gibt.«

Haken und Ösen? Was hatte das zu bedeuten? Sie hatte ihre Probezeit bei LOST hinter sich gebracht und bearbeitete jetzt schon seit Wochen allein Fälle.

»Du wirst dabei einen Partner haben.«

Hm, ja, das war das Standardprozedere hier bei LOST. Habt immer jemanden an eurer Seite, der euch notfalls den Arsch retten kann. Das war seit Tag eins Gabe Spencers Direktive.

»Er … ist kein LOST-Mitarbeiter.«

Okay, jetzt war sie neugierig. »Wer ist er dann?«

»Jemand vom FBI.«

Sie erstarrte. Eine natürliche Reaktion für sie. Sie konnte mit den Bundesbeamten nicht viel anfangen. Bei ihrer Vergangenheit, nachdem sie gesehen hatte, wie schonungslos das FBI mit dem Leben von Menschen umging … ich verstehe mich nicht gerade gut mit ihnen.

»Er ist derjenige, der uns den Fall beschafft hat, Ana. Komm mit, rede mit ihm, und hör dir einfach an, was er zu sagen hat.« Gabe hielt inne. »Und du solltest wissen, dass der Agent darum gebeten hat, speziell mit dir zusammenzuarbeiten.«

Oh verdammt. Das klang überhaupt nicht gut. In ihrem Inneren schrillten sämtliche Alarmglocken. »Wie heißt er?« Ihr Magen verkrampfte sich noch mehr, und in Gedanken wiederholte sie wie ein Mantra den Satz: Bitte nicht Cash Knox. Bitte nicht Cash Knox. Bitte nicht –

»FBI-Agent Cash Knox.«

Natürlich. War ja klar, bei ihrem Glück …

»Ist das ein Problem?«, fragte Gabe und kniff dabei die Augen ein wenig zusammen.

Ach, Mist. Ana hoffte inständig, dass sie gerade nicht sichtlich zusammengezuckt war oder irgendwie das Gesicht verzogen hatte, als er den Namen erwähnt hatte. »Nein, überhaupt kein Problem.« Sie setzte ein strahlendes Lächeln auf.

»Agent Knox meinte, er hätte schon mal mit dir zusammengearbeitet.«

Mit mir zusammengearbeitet. Mit mir geschlafen. Die Details ersparen wir uns jetzt lieber.

»Aber«, fuhr Gabe bedächtig fort, »dieser Fall … wird nicht einfach werden.«

Umso besser. »Ich stehe nicht auf ›einfach‹.«

Er nickte mit zufriedenem Gesichtsausdruck, und Ana wusste, dass sie das Richtige gesagt hatte. »Dann komm mit in mein Büro«, forderte Gabe sie auf. »Agent Knox wartet auf uns.«

Genau. Sie straffte die Schultern. »Nach dir.« Ich muss mich erst mal wieder sammeln. Denn sie hatte Cash seit Jahren nicht gesehen … seit zwei Jahren und einem Monat, um genau zu sein. Sie hatte ihn nicht mehr gesehen, seit sie ihn schlafend zurückgelassen hatte – nach einer Nacht mit großartigem Sex. Sie war abgehauen, ohne sich noch einmal umzudrehen.

Weil Cash genauso wie Gabe ist … einer von den »Guten«. Und gute Kerle waren nichts für sie. Ana schob sich eine Haarsträhne hinter das Ohr, griff nach der abgewetzten Jacke, die über der Lehne ihres Schreibtischstuhls hing, und folgte Gabe aus ihrem Büro und den Gang entlang.

Im Flur blickte sie durch die großen Fenster zu ihrer Rechten auf die Stadt hinunter. Der Trubel auf Atlantas Straßen war hektisch wie eh und je … auch wenn es erst kurz nach acht Uhr morgens war. Gabe hatte recht gehabt mit der Nachtschicht. Sie hatte mal wieder eine eingelegt, weil es für sie keine Option war, allein zu Hause zu sitzen und sich von ihren Dämonen quälen zu lassen. Also hatte sie sich in die Arbeit geflüchtet.

Ich dachte, wenn ich schon mir selbst nicht helfen kann, dann vielleicht wenigstens jemand anderem. Jemandem wie Cathy Wise.

Sie kamen an Gabes Assistentin Melody vorbei, die Ana freundlich zuwinkte. Ana erwiderte den Gruß, und dann blieb ihr Blick an Gabes geschlossener Bürotür hängen. Cash war da drinnen. Wie sollte sie mit dieser Situation umgehen?

Tu so, als wäre nie irgendetwas gewesen. Ja, das konnte funktionieren. Cash war geschäftlich hier, also würde sie sich ganz professionell geben. Außerdem rechnete sie nicht damit, dass ein guter Junge wie Cash irgendwelche Probleme machen würde. Möglicherweise erinnerte er sich auch gar nicht mehr an ihre gemeinsame Nacht. Sie waren nach der großen Feier beide ziemlich betrunken gewesen. Ana hatte damals einen der zehn meistgesuchten Verbrecher des Landes gefasst, ein sadistisches Arschloch namens Bernie Tate, das Spaß daran hatte, junge Frauen Anfang zwanzig zu entführen und zu töten. Er hatte drei Opfer zu verzeichnen gehabt, bevor er gestoppt werden konnte.

Und ich war diejenige, die ihn dingfest gemacht hat.

Auf diese Tatsache war sie noch immer stolz.

Gabe öffnete die Tür und hielt sie ihr auf. Ana bemühte sich um einen neutralen Gesichtsausdruck und einen langsamen, selbstbewussten Gang, als sie den Raum betrat, um sich ihrer Vergangenheit zu stellen.

FBI-Special-Agent Cash Knox stand mit dem Rücken zu ihr an dem großen Fenster und sah auf die Stadt hinunter. Aber sobald sie die Schwelle übertreten hatte, verspannte sich sein Körper, und sein Kopf drehte sich in ihre Richtung.

Cashs Blick traf ihren. Sie hatte ganz vergessen, wie leuchtend grün seine Augen waren. Dass er nicht gerade ein klassisch hübsches Gesicht hatte. Es war eher schroff und hatte noch immer dieses gewisse Etwas, das für sie schon damals Gefahr ausgestrahlt hatte. Cashs Kinnpartie war markant, kantig und gerade extrem angespannt. Er hatte hohe Wangenknochen und ein leichtes Grübchen in der Mitte des Kinns. Sein dunkler Dreitagebart hatte die gleiche Farbe wie seine Haare, die er sehr kurz trug – genauso wie vor zwei Jahren. Seine Haare waren so dick, dass sie zu gerne gewusst hätte, wie sie aussahen, wenn er sie wachsen ließ … sexy.

Aber das war nicht sein Stil. Ein pflichtbewusster FBI-Agent trug sein Haar nicht lang. Und ich denke mal, dass dieser Dreitagebart eigentlich auch eher unüblich ist. Anscheinend war sie nicht die Einzige, die letzte Nacht durchgearbeitet hatte.

Cash kam auf sie zu. Er trug einen Anzug – ein gut sitzendes Jackett und eine schlichte, schwarze Hose. Typisch FBI eben. Seine Marke glänzte an seiner Hüfte, und als er den Arm bewegte, bemerkte sie das Waffenholster auf der anderen Seite.

Gabe war Ana ins Büro gefolgt und schloss die Tür hinter sich.

»Ana Young«, sagte Cash, und seine Stimme klang genauso tief, wie sie sie in Erinnerung hatte. »Lange her.« Er streckte ihr die Hand entgegen.

Und sie – ganz Profi – lächelte ihn an und schüttelte sie ihm. »Nicht wahr?« Sie ließ seine Hand nach einer, wie sie fand, angemessen langen Zeit los. Vielleicht prickelten ihre Finger nach dieser Berührung. Vielleicht bildete sie sich das Prickeln aber auch nur ein.

»Ja«, erwiderte Cash und neigte den Kopf zu ihr herunter. »Zwei Jahre, um genau zu sein.«

Nein, zwei Jahre und einen Monat. Nicht, dass hier irgendjemand so genau mitzählen würde.

Cash ließ die Hand sinken. »Das letzte Mal, als ich dich gesehen habe …«, begann er.

Wehe, du beendest diesen Satz. Das letzte Mal, als er sie gesehen hatte, war sie nackt gewesen. Und hatte auf ihm gelegen.

»Das letzte Mal, als ich dich gesehen habe«, wiederholte Cash und knirschte mit den Zähnen, »hattest du gerade den Job erledigt, den zu erledigen mehrere Dutzend FBI-Agenten nicht in der Lage gewesen waren. Du hattest Bernie Tate aufgespürt und festgesetzt.«

Ihre Lider flatterten. »Das war mein Job als Kopfgeldjägerin.« Tatsächlich konnte sie stolz darauf sein, die beste Kopfgeldjägerin der Vereinigten Staaten gewesen zu sein. »Und auf seinen Kopf war eine ziemliche Belohnung ausgesetzt.« Aber diese Belohnung hatte ihr nichts bedeutet – darum ging es ihr nie. Sie hatte einfach nur dieses Monster aufhalten wollen, damit es niemandem mehr Schaden zufügen konnte.

Und das war ihr gelungen. Bernie moderte gerade im Wingate Penitentiary, einem Hochsicherheitsgefängnis in Virginia, vor sich hin. Ein Ort, der den Ruf hatte, die Hölle auf Erden zu sein.

»Du musst diesen Job für mich noch einmal machen«, sagte Cash.

Sie blinzelte überrascht. »Wie bitte?«

Gabe ging um sie herum und zu seinem Schreibtisch hinüber. »Gestern Abend gab es anscheinend einen … Vorfall.« Er setzte sich, und der schwere Lederstuhl ächzte leise unter ihm. »Da du ja hier im Büro eine Nachtschicht eingelegt hast, hast du vermutlich die Nachrichten verpasst.«

Anas Blick wanderte zwischen Gabe und Cash hin und her. »Welche Nachrichten?«

»Bernie Tate sollte verlegt werden«, erklärte Cash mit ernster Miene, »aber während der Überführung hatte der Gefangenentransport eine Panne. Tate ist entkommen.«

»Du verarschst mich doch.« Wehe, wenn das kein Scherz war.

»Schön wär’s«, entgegnete Cash. »Glaub mir, ich wünschte, es wäre anders, aber er ist wirklich entkommen. Und du musst ihn finden.«

»Bevor er wieder tötet.« Sie begann, im Raum auf und ab zu gehen. Das machte sie immer – wenn sie wütend war oder Angst hatte, wenn sie versuchte, sich darüber klar zu werden, was sie als Nächstes tun sollte. »Ich fasse es nicht! Der Kerl sollte bis an sein Lebensende einsitzen! Er hat da draußen nichts zu suchen. Wie konnte das überhaupt passieren?« Sie dachte an seine Opfer …

Sie erinnerte sich an jede von ihnen.

Brenda George, zweiundzwanzig, Krankenschwesterschülerin. Sie war mit zweiundzwanzig Messerstichen getötet worden … für jedes Lebensjahr einer.

Kennedy Crenshaw, vierundzwanzig, eine junge Mutter, die noch gelebt hatte, als man sie fand … aber eine Stunde später war sie an ihren Stichverletzungen gestorben.

Janice Burrell, achtundzwanzig, geschieden. Sie hatte den Fehler begangen, mit Bernie in einer Bar anzubändeln. Er hatte so oft auf sie eingestochen, dass sich die Wände ihres Motelzimmers rot gefärbt hatten.

»Er hat behauptet, es gäbe noch mehr Opfer«, murmelte Cash. »Also hat das FBI einen Deal mit ihm abgeschlossen, dass er in ein anderes Gefängnis verlegt wird, wenn er redet und uns sagt, wo die Leichen liegen.«

Sie kniff die Augen zusammen. »Er hat euch verarscht. Bernie ist nicht der Typ, der seine Opfer versteckt. Er wollte, dass jeder weiß, was er getan hat. Er war stolz auf seine Verbrechen.«

»Ich weiß«, stimmte Cash ihr zu.

Sie öffnete überrascht die Augen und sah ihn an.

»Aber mein Boss hat nicht auf mich gehört.« Die feinen Linien um seinen Mund herum vertieften sich. »Und jetzt stecken wir bis zum Hals in der Scheiße. Die Medien rasten aus. Wir lassen die gesamte Gegend absuchen und müssen Bernie Tate so schnell wie möglich zu fassen kriegen – am besten gestern, verdammt.«

Gabe trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte herum. »Ich habe dem Agenten hier erklärt, dass LOST normalerweise keine Kriminellen jagt.« Sein Gesichtsausdruck wurde härter, als er Cash anschaute. »Unser Ziel ist es, den Opfern zu helfen.«

Cash fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Und ich habe deinem Boss erklärt, dass es, wenn wir Bernie nicht aufhalten, definitiv neue Opfer geben wird. Es ist nur eine Frage der Zeit.«

Ana leckte sich über die Oberlippe, spürte dabei die alte Narbe unter ihrer Zunge. »Agent Knox hat recht. Bernie Tate wird nicht heimlich, still und leise in den Sonnenuntergang verschwinden. Er wird wieder auf die Jagd gehen, und er wird dabei so viele unschuldige Menschen ins Verderben stürzen, wie er kann.« Sie trat zum Fenster hinüber. »Vor allem, nachdem er so lange im Gefängnis gesessen hat«, überlegte sie. »Es gab damals keine großen Abstände zwischen seinen Morden. Er stand auf den Blutrausch, den Kick, den er daraus zog, Frauen wehzutun.« Sie beobachtete die Fußgänger dort unten auf der Straße. Männer und Frauen, die ihrem Alltag nachgingen. Ahnungslos … Die Gefahr lauert überall.

»Du hast ihn schon einmal aufgespürt, Ana«, sagte Cash mit rauer, eindringlicher Stimme. »Ich bin mir sicher, du kannst es wieder schaffen. Ich habe grünes Licht von meinem Boss, dich ins Boot zu holen. Das FBI will Bernie Tate so schnell und so ruhig wie möglich fassen.« Er hielt kurz inne. »Ich brauche dich, Ana.«

Sie drehte sich um. Sah ihn an. Da lag etwas in seinem Blick …

Cash atmete langsam aus. »Ich habe deinem Boss bereits mitgeteilt, dass das FBI sich zu einigen Vergünstigungen bereiterklärt hat für den Fall, dass du mit uns zusammenarbeitest.«

»Was für Vergünstigungen?«

Gabe lachte leise. »Frei nach dem Motto ›Eine Hand wäscht die andere‹.«

»Das FBI verspricht, euch bei zukünftigen LOST-Fällen zu unterstützen«, führte Cash aus. »Die beiden Organisationen sind inzwischen schon so oft aufeinandergetroffen, und manchmal war dieses Aufeinandertreffen … schmerzvoll.«

Was für eine Untertreibung.

»Wir bieten LOST Unterstützung an. Wir geben euch, was auch immer ihr haben wollt«, fügte Cash grimmig hinzu. »Aber wir brauchen dich an Bord bei der Jagd nach Bernie.«

»Das FBI wirkt ganz schön verzweifelt«, sagte Gabe.

Ja, das fand Ana allerdings auch.

»Sie haben kein großes Vertrauen in sich selbst, wenn es darum geht, diesen Kerl zu fassen, was?«, fragte Gabe und musterte Cash eindringlich.

Dessen Augen blitzten verärgert auf. »Diesen Bullshit können wir uns sparen, oder?«

Besser wär’s. Sie hatte noch nie die Geduld für so was gehabt.

Cash deutete auf Ana. »Sie ist die beste Spurenleserin überhaupt. Ich weiß immer noch nicht, wie sie ihn damals gefunden hat, verdammt, aber hier zählt jede Sekunde. Bernie Tate ist verschwunden, und das FBI will ihn dingfest machen. Wenn Ana es schafft, stehen wir ins LOSTs Schuld.«

Definitiv eine Eine-Hand-wäscht-die-andere-Situation.

»Was meinst du, Ana?«, wollte Gabe wissen und blickte ihr in die Augen. »Du bist zu LOST gekommen, um die Opfer zu finden, nicht um hinter dem FBI aufzuräumen. Wenn du den Fall nicht annehmen willst, musst du es nicht tun.«

Cash knurrte.

Sie bekam eine Gänsehaut.

Gabe stand auf. »Ana entscheidet«, stellte er fest. »Ich habe Ihnen gesagt, ich gebe Ihnen die Möglichkeit, mit ihr über den Fall zu reden. Und genau das habe ich getan. Was als Nächstes passiert, liegt allein bei Ana.«

Ihr Herzschlag dröhnte in ihren Ohren. Sie dachte an die Akten auf ihrem Schreibtisch. An die Opfer, die ihre Hilfe brauchten.

Und an die Frauen, die vielleicht sterben würden, wenn Bernie Tate noch länger frei da draußen herumlief.

»Darf ich mit Ana alleine sprechen?«, fragte Cash mit rauer Stimme.

Gabe sah überrascht aus. »Ich wüsste nicht, warum. Was auch immer Sie ihr zu sagen haben, können Sie ja wohl auch vor mir sagen.« Er kam jetzt um seinen Schreibtisch herum und stellte sich neben Ana. Sein Arm berührte ihre Schulter. »Ich kenne Ana schon ewig, und ich will, dass Sie wissen, dass sie meinen höchsten Respekt genießt. Deshalb überlasse ich ihr die Entscheidung. Wenn sie diesen Fall will, hat sie die volle Unterstützung von LOST. Falls nicht …«

Cashs Blick wanderte zwischen Gabe und Ana hin und her. Seine grünen Augen verdunkelten sich. Er öffnete den Mund, um etwas zu erwidern –

»Ich würde gerne kurz mit ihm alleine sprechen«, warf Ana schnell ein. Denn ich bin mir nicht sicher, was er sonst vielleicht als Nächstes von sich gibt.

Gabe studierte eingehend ihren Gesichtsausdruck. Was immer er darin entdeckte, brachte ihn immerhin zum Nicken. »Ich werde also aus meinem eigenen Büro rausgeschmissen, was?« Er lächelte leicht. »Das ist mal was Neues.«

Sie war heute echt nahe dran, es sich mit ihm zu verscherzen. »Gabe …«

Er berührte ihre Schulter. »Ich bin draußen. Ich muss sowieso etwas mit meiner Assistentin besprechen. Und … Ana …«

»Ja?«

»Du entscheidest.«

Er nickte Cash zu und verließ in aller Ruhe den Raum. Ana hatte gar nicht gemerkt, dass sie den Atem angehalten hatte – nicht, bis sich die Tür hinter ihm schloss.

Dann wurde sie sich der mächtigen, schweren Stille im Büro bewusst. Und spürte das Gewicht von Cashs Blick, der auf ihr ruhte. Sie zwang sich dazu, ihn anzusehen.

»Du scheinst … deinem Boss sehr nahezustehen.«

Ihre Augen verengten sich. Passen Sie bloß auf, Special Agent. »Gabe ist ein guter Mann. Er will den Opfern dort draußen helfen.«

Cash fluchte. »Und Bernie Tate ist kein Opfer.«

»Nein, ganz bestimmt nicht.« Sie rang die Hände. »Aber wenn Bernie nicht gefasst wird, wird es bald noch mehr tote Frauen geben. Das wissen wir beide.«

Er machte einen Schritt auf sie zu. »Dann hilfst du mir also? Das hättest du auch gleich sagen können –«

»Ich habe ein paar Bedingungen.« Und die wollte sie nicht vor Gabe ausdiskutieren.

»Schieß los.«

»Nummer eins … ich verlange absolute Ehrlichkeit von dir.«

Seine Lider flatterten. »Willst du damit sagen, dass ich dich schon mal belogen habe?«

»Ich will damit sagen, dass sich das FBI nicht immer an die Regeln hält. Wenn ich mit dir zusammenarbeite, wenn du in diesem Fall mein Partner bist, dann muss ich wissen, dass ich dir vertrauen kann. Ich muss mich auf dich verlassen können.«

»Natürlich.« Er klang so aufrichtig.

Sie wollte ihm glauben. »Ich brauche Zugang zu sämtlichen Informationen, die ihr zu Bernie habt, auch zu dem vertraulichen Material. Also denk gar nicht erst daran, irgendetwas zurückzuhalten.«

Er nickte. »Klar.«

Okay, so weit, so gut. Zeit für die letzte Bedingung.

»Du erwähnst niemals unsere Vergangenheit.«

Ein Muskel zuckte an seinem Kinn. »Was meinst du damit?«

»Ich glaube, das weißt du ganz genau.« Sie zog eine Braue hoch. »Du weißt genau, wovon ich spreche. Das wird sich nicht wiederholen. Wenn wir Bernie jagen, ist das das Einzige, was wir tun. Wir bleiben professionell, und alles, was mal gewesen ist, bleibt genau dort, wo es hingehört. Begraben und vergessen.«

Er blickte zu der geschlossenen Bürotür hinüber. »Du willst nicht, dass dein Boss von uns erfährt.«

»Ich will nicht, dass irgendjemand davon erfährt. Mein Privatleben geht niemanden etwas an. Wenn du damit ein Problem hast –«

»Ganz ruhig, Ana«, sagte er, und seine Stimme wurde ein wenig weicher. Sanft … heiser … so, wie sie in jener Nacht geklungen hatte. »Auch wenn du es anscheinend nicht glaubst, ich war nie der Typ, der mit so was herumprahlt. Was war, betrifft nur uns beide und niemanden sonst.«

»Gut.« Ana nickte. »Dann bleibt es auch so.« Sie streckte ihm die Hand hin. »Ich glaube, wir haben einen Deal.«

Wieder schloss sich seine Hand um ihre.

Und, verdammt, da war wirklich ein Prickeln. Sie hatte ihm nur deshalb die Hand schütteln wollen, weil sie sehen wollte …

Die Anziehung ist immer noch da. Ich berühre ihn, und mein Körper reagiert. Ich schaue ihn an und brauche ihn.

Aber manchmal konnten Anas Bedürfnisse sehr, sehr dunkel werden.

Cash weiß nichts von diesem Teil von mir. Und er wird nie etwas davon erfahren. Denn dieser Fall würde rein geschäftlich bleiben. Und sie hatten einen Deal.

Es wurde Zeit, einen Killer zu jagen … bevor er wieder töten konnte.

Bernie Tate öffnete stöhnend die Augen. Er erwartete, die durchgelegene alte Pritsche über sich zu sehen, eingedellt vom Arsch seines Zellengenossen, aber …

Nein, ich bin nicht in diesem Höllenloch. Nicht mehr …

Seine Erinnerung kehrte zurück. Er war in diesem Transporter gewesen. Als einziger Gefangener. Er hatte Handschellen getragen, aber man hatte vergessen, seine Füße zu fixieren. So ein dummer Fehler.

Bernie hatte auf den richtigen Zeitpunkt gewartet. Seine Chance auf die Freiheit …

Er lächelte. Und diese Chance ist gekommen.

Über ihm war keine durchgelegene Pritsche, sondern nur das raue Holz einer Hütte. Der rauchige Geruch eines Feuers in der Nähe stieg ihm in die Nase. Wahrscheinlich kam es aus dem Nachbarzimmer. Sein Partner hatte einen echt guten Job dabei gemacht, ihm zur Freiheit zu verhelfen.

Bernie setzte sich auf und schwang die Beine aus dem schmalen Bett. Dann erhob er sich, und das Grummeln in seinem Magen erinnerte ihn daran, dass er ewig nichts mehr gegessen hatte. Vielleicht hatte sein Partner schon etwas für ihn vorbereitet. Lächelnd ging er auf die Tür zu.

Da stolperte er und schlug der Länge nach auf den Holzboden auf.

»Was zur Hölle?«, knurrte Bernie, während er sich wieder aufrichtete. Er war gut in Form – hatte immer darauf geachtet, sich fit zu halten. In diesem Knast hatte er sowieso nichts anderes zu tun gehabt, als zu trainieren. Damit hatte er sich über Wasser gehalten – mit Training … und Pläneschmieden.

Er hatte so viele Pläne.

Ziel Nummer eins … die Schlampe finden, die mich in den Knast gebracht hat. Sie bezahlen lassen. Bluten lassen. Zum Schreien bringen.

Aber …

Bernies Hand wanderte zu seinem Knöchel hinunter. Er trug eine Art Fußfessel. War mit einer Kette an das schmale Bett gefesselt. Er zog an der Kette, und das gesamte Bett neigte sich ihm entgegen.

Hinter ihm öffnete sich knarrend die Tür. Sein Kopf flog herum, und er drehte den Oberkörper, um das Arschloch dort im Türrahmen besser sehen zu können. »Soll das ein Scherz sein?«, brüllte er. »Mach mich von diesem Ding los!«

Dann … entdeckte Bernie das Messer. Die glänzende Klinge.

»Kein Scherz, Bernie.« Sein Partner trat näher. Hob das Messer. »Es wird Zeit, dass du bezahlst.«

Was? Nein, nein, so lief das nicht. Er war frei! Er war aus diesem Rattenloch von Gefängnis entkommen. Hatte die Wärter ausgetrickst. Er war frei –

Das Messer kam auf ihn zu. Bernie hob die Hände, versuchte, sein Gesicht zu schützen.

Die Klinge bohrte sich in seine linke Hand, und Bernie schrie auf.

»Siehst du?«, flüsterte sein Partner. »Rache.«

Kapitel zwei

»Dein Boss hat dir den Firmenjet gegeben«, murmelte Cash, als er Ana gegenüber Platz nahm – in einem äußerst exklusiven Privatjet. »Du musst bei ihm einen ganz schön guten Stand haben.« Und ja, da brodelte Eifersucht in seinem Inneren hoch. Er konnte nichts dagegen tun.

Wenn es um Ana Young ging – Ana Herzensbrecherin Young –, waren seine Gefühle immer roh und elementar.

Ana wandte die Augen von den Wolken vor dem Fenster ab und sah ihn an. Ihr dunkler Blick fühlte sich an wie ein Schlag in die Magengrube. Ana war nicht der Typ Frau, den man als Mann so schnell vergaß. Und Cash hatte sich weiß Gott bemüht, ihre gemeinsame Nacht hinter sich zu lassen.

Ana war anders.

Sie war der Typ Frau, der einen Mann zerstören konnte.

»Wenn du irgendeine Frage zu der Beziehung zwischen Gabe und mir hast«, sagte sie mit klarer Stimme, »dann frag. Aber hör auf, mir mit diesen abfälligen Kommentaren auf den Sack zu gehen, okay?«

Das war typisch Ana. Sie kam immer direkt zur Sache. Eine Frau, die keine Spielchen spielte. Das verdiente seine Anerkennung. »Hast du etwas mit ihm?«

»Ob ich mit meinem Boss schlafe? Nein. Übrigens ist er verheiratet. Ziemlich glücklich.« Sie lächelte. »Mit einer ehemaligen Klientin.«

Cashs Blick blieb an ihren Lippen hängen. Diese Lippen waren echt unglaublich – rot und voll. Und ihre Narbe hätte nicht so sexy auf ihn wirken sollen. Cash hasste die Tatsache, dass man Ana wehgetan hatte. Dass sie Narben an sich trug. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte sie nie auch nur einen Moment der Angst oder des Schmerzes erleben dürfen.

Ana hatte die Angewohnheit, über diese feine Narbe zu lecken, wenn sie in Gedanken versunken war. Dann fuhr sie sich mit der sexy rosa Zunge über die Oberlippe.

Das macht mich wahnsinnig.

Doch das wusste sie nicht. Und das würde er ihr auch ganz bestimmt nicht auf die Nase binden. Es war zwei Jahre her, verfluchte Scheiße. Er war darüber hinweg. Und auch wenn Ana nicht mit ihrem Boss schlief, hatte eine Frau wie sie doch sicher irgendjemanden im Bett.

Wer immer der Typ auch sein mochte … er war ein verdammter Glückspilz.

»Was ist mit Ihnen, Agent Knox?«

Er hob die Brauen. Seit wann war er Agent Knox?

»Bist du in einer Beziehung?« Ihr Blick schweifte hinunter zu seiner linken Hand. »Ich sehe keinen Ring, aber das hat nichts zu bedeuten. Auf mich wirkst du auf jeden Fall so, als wäre Heiraten etwas für dich.«

Er bewegte die Finger. »Nicht in einer Beziehung. Und definitiv nicht verheiratet.« Aber ihre Worte nagten an ihm. »Was meinst du damit, Heiraten wäre etwas für mich?«

Sie machte eine abwiegelnde Handbewegung. »Ach, du weißt schon.«

Er hatte keine Ahnung.

»Du bist ein bodenständiger Kerl. Ein Ritter in schimmernder Rüstung. Also dachte ich, du hättest inzwischen ein nettes Häuschen am Stadtrand und eine liebende Familie, die auf dich wartet.« Eine gewisse Traurigkeit flackerte in ihren Augen auf. »Auf jeden Fall hätte ich dir das gewünscht.«

Moment, wie bitte? »Ana Young«, sagte er mit heiserer Stimme. »Du verwirrst mich total.«

Sie senkte den Blick, und ihre langen Wimpern warfen Schatten auf ihre Wangen.

»Also … werden wir überhaupt nicht darüber reden?«, fragte Cash und war sich bewusst, dass dabei sein texanischer Akzent zum Tragen kam. Ana war ebenfalls in Texas aufgewachsen, auch wenn sie natürlich nie mit ihm über ihr Leben gesprochen hatte. Sie hatten damals sowieso nicht gerade viel geredet.

Sie hatten sich kennengelernt. Es hatte gefunkt. Sie hatten heißen Sex gehabt.

Und dann war sie verschwunden.

Sie schaute langsam wieder hoch. Studierte sein Gesicht mit schiefgelegtem Kopf. »Du siehst noch genauso aus wie damals. Aber der Dreitagebart ist neu. Lässt dich derber wirken.« Sie hielt kurz inne. »Gefällt mir.«

Ana.

»Was das ›darüber reden‹ angeht … ich nehme an, du meinst damit den Fall? Weil es wirklich nichts anderes zu bereden gibt.«

Das war mehr als deutlich. Cash konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. »Du hast dich anscheinend auch nicht verändert.« Direkt. Höllisch sexy. Aber … »Wobei du noch hübscher geworden bist. Wie ist das überhaupt möglich? Wie kannst du immer noch schöner werden?«

Sie hielt seinem Blick stand. Ihre Augen waren so dunkel, aber er erkannte das goldene Funkeln, das sich in ihnen verbarg. Das goldene Funkeln, das zu einem wahren Feuerwerk geworden war, als er in ihr gewesen und sie für ihn gekommen war.

Konzentrier dich auf den Fall, Mann!

Denn er war nicht hier, um in Erinnerungen zu schwelgen. Er war hier, mit Ana, weil sie die Beste war. Und …

Womöglich habe ich sie ein wenig angeschwindelt. Er log ständig Menschen an, und sie waren ahnungslos. Von wegen Ritter in schimmernder Rüstung.

Das war wirklich absurd. Er war so was von nicht ritterlich. Seine Augen verengten sich, als er Ana betrachtete. Sie verstand nicht, was es mit diesem Fall auf sich hatte. Er schon.

Schließlich war er dort gewesen, als Bernie Tate zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden war. Er hatte die Schreie des Mannes gehört. Sein wütendes Brüllen: »Ich will die Schlampe sehen, die mir das hier angetan hat! Bringt sie her! Das wird sie büßen!« Ana war damals nicht dabei gewesen. Sie war weitergezogen, hatte einen neuen Fall, einen neuen Killer gehabt, um den sie sich kümmern musste. Also hatte sie gar nicht mitgekriegt, wie viel Hass sie auf sich gezogen hatte.

Vielleicht hätte dieser Hass mit der Zeit verblassen sollen. Aber so war es nicht. Sobald Cash von Bernies Verschwinden erfahren hatte, war er zum Wingate Penitentiary gefahren. Hatte sich in Bernies Zelle umgeschaut und sich mit seinem Zellengenossen unterhalten. Und er hatte erfahren, dass Bernie noch immer die »schöne, lügende Schlampe« verantwortlich machte, die ihn ins Gefängnis gebracht hatte.

Bernie hatte nicht vergeben und auch nicht vergessen. Und jetzt, da er frei war, hätte Cash alles darauf verwettet, dass der Kerl einen Rachefeldzug plante. Und diese Rache … würde sich auf die wunderschöne Ex-Kopfgeldjägerin konzentrieren, die Cash gerade gegenübersaß.

Bernie wollte sich an Ana rächen.

Das wird nicht passieren.

Also war Cash direkt zu Ana geflogen. Er wollte, dass sie ihm dabei half, Bernie aufzuspüren. Er hatte nicht gelogen, als er von ihren herausragenden Fähigkeiten gesprochen hatte. Aber Cash wollte Ana auch in seiner Nähe haben, weil der verschwundene Verbrecher sie wollte. Wenn Ana und Cash Bernie nicht bald fanden, dann würde Bernie sie finden. Oder besser gesagt … Ana.

Und wenn der Killer kam, würde Cash bereit sein. Bernie würde ganz bestimmt nicht Anas zarte Haut mit einem seiner Messer bearbeiten. Bernie der Schlächter würde sie niemals zu einem seiner Opfer machen.

Auf keinen Fall.

»Okay, du starrst mich jetzt schon minutenlang an«, murmelte Ana. »Willst du mir irgendetwas mitteilen?«

Cash räusperte sich. »Ich habe nur darüber nachgedacht, dass ich recht hatte. Du bist heute noch schöner.« Das war keine Lüge. Diese Frau war einfach umwerfend. Ihr herzförmiges Gesicht. Dieses dicke, dunkle Haar, das ihr über die Schultern fiel. Ihre dunklen, unendlich tiefen Augen …

Wenn Männer Ana ansahen, mussten sie zweimal hinschauen – und konnten dann nicht mehr weggucken.

Er wusste, dass sie ihr Aussehen während ihrer Zeit als Kopfgeldjägerin mehr als einmal zu ihrem Vorteil genutzt hatte. Verdammt, wenn eine Frau wie sie auf dich zukam … welcher Mann dachte da noch an Flucht?

»Und ich merke schon, du bist noch genauso charmant wie früher.« Ein Lächeln blitzte auf ihrem Gesicht auf, verschwand dann aber genauso schnell wieder. »Aber vergeude deinen Charme lieber nicht an mich. Das hier ist rein geschäftlich. Nur ein Fall. Und dann war es das.«

Cash nickte. »Ist mir schon klar. Keine Angst.« Er blickte auf die Uhr. »Wir landen gleich.« Und ihr erster Zwischenstopp würde das Gefängnis sein. Ana wollte mit Bernies Zellengenossen reden. Cash hatte ihr gesagt, er habe den Kerl schon verhört, aber sie wollte trotzdem selbst mit ihm sprechen. Und Cash musste zugeben, dass er ganz schön neugierig war. Er wollte Ana endlich mal in Action erleben. Die Frau, die fast schon eine lebende Legende war.

Damals, vor zwei Jahren, war er der Außenstelle in Virginia zugeteilt gewesen. Eines Tages war sie einfach so ins Büro marschiert, hatte sich dezent geräuspert und verkündet, sie wäre hier, um ihre Belohnung abzuholen.

Jedem Mitarbeiter im Gebäude war die Kinnlade heruntergeklappt, als klar wurde, wer der Mann war, den sie bei sich hatte. Bernie »der Schlächter« Tate. Einer der meistgesuchten Verbrecher des Landes. In Schach gehalten von einer Frau, die kaum größer zu sein schien als eins fünfzig. Aber es kam anscheinend nicht immer auf die Größe an.

»Ich will auch mit dem Fahrer des Gefangenentransports sprechen«, sagte Ana jetzt.

»Er erinnert sich an nichts. Anscheinend ist der Motor verreckt, und als er ausgestiegen ist und die Motorhaube geöffnet hat, wurde er von hinten niedergeschlagen.«

»Und als er wieder zu sich kam, war der Gefangene weg.« Ana schüttelte den Kopf. »Was für ein Zufall. Habt ihr nachgeprüft, ob nicht zufällig auch sein Bankkonto um zehn- oder zwanzigtausend gewachsen ist?«

Natürlich hatte er das nachgeprüft. »Soweit wir wissen, hat der Typ nichts damit zu tun.«

»Oberflächlich kann das so aussehen. Man muss schon tiefer bohren, um an die Dunkelheit heranzukommen.« Ihre Hände schlossen sich um die Armlehnen ihres Sitzes. »Bernie hat offensichtlich einen Freund in der Nähe. Jemanden, der ihm dabei geholfen hat, zu verschwinden.«

Ja, Cash war klar, dass es einen Komplizen geben musste.

»Bernie war zu lange nicht mehr auf der Jagd«, bemerkte Ana mit besorgtem Unterton in der Stimme. »Das wird er so bald wie möglich ändern.«

»Wie hast du ihn damals gefunden?« Das war die Frage, die ihn viel zu oft beschäftigte. »Jeder hat nach ihm gesucht. Niemand hat ihn gefunden. Außer dir. Wie hast du das gemacht?«

Sie lächelte wieder. »Genau so, wie ich es dieses Mal machen werde.«

»Wie?«

Sie lachte leise, etwas heiser, überraschend süß. »Wenn ich dir mein Geheimrezept verrate, wofür bin ich dann überhaupt noch gut?«

»Für eine Menge«, knurrte Cash.

Sie schien darüber nachzudenken. »Okay … du schätzt mich völlig falsch ein, weißt du?«

Wirklich?

»Du glaubst, es dreht sich alles darum, der Jäger zu sein, auf Spurensuche, um diese Männer zu finden – diese Verbrecher.« Sie schüttelte den Kopf. »Das ist die falsche Vorgehensweise. Ich finde sie nicht. Ich verstehe sie.«

»Indem … du ein Profil erstellst?« Er hatte in Quantico eine Menge zum Thema Täterprofile gelernt.

»So ungefähr. Aber …« Sie wandte den Blick ab. »Es geht dabei eher um die Opfer. Ich werde zur Beute, die gejagt wird.«

Sie – was?

»Ich schaue mir ihre Opfer an. Sehe, was die Mörder sehen. Und dann werde ich zu dem, was ich sein muss, um sie anzulocken.«

Ein Köder.

Wieder lachte sie leise. »Glauben Sie, ich würde Sie nicht verstehen, Agent Knox?«

Er konnte den Blick nicht von ihr nehmen, aber Ana sah ihn nicht an.

»Glaubst du, ich wüsste nicht, warum du den ganzen Weg nach Atlanta zurückgelegt hast, um mich für diesen Fall an Bord zu holen?«

»Ana …«

»Ritter in schimmernder Rüstung«, flüsterte sie. »Du musst mich nicht beschützen.«

»Du irrst dich.«

»Das denke ich nicht. Ich habe es dir gesagt: Ich bin sehr, sehr gut darin, Menschen zu lesen. Tatsächlich …« Sie berührte ihre Lippe mit dem Zeigefinger. Oder besser: die Narbe, die sich dort entlangzog. »Tatsächlich bin ich sehr gut darin, Monster zu lesen.«

Cash erstarrte. Er kannte Anas Geschichte. Es war unmöglich, in Texas aufgewachsen zu sein und nicht zu wissen, was Ana Young und ihrem Zwillingsbruder Asher zugestoßen war.

Ihr Finger blieb noch einen Augenblick liegen, wo er war, dann ließ sie die Hand wieder sinken. »Ich bin überrascht, dass du vom FBI grünes Licht dafür bekommen hast, mich zu benutzen.«

Mich zu benutzen. Am liebsten hätte er sich bei diesen Worten gewunden. Er fühlte sich schuldig. Aber … Ich beschütze sie damit auch. Ich werde nicht zulassen, dass Bernie Ana in die Finger kriegt. »Angesichts des Ausmaßes dieser Situation war mein Boss bereit, ein wenig von den normalen Regeln abzuweichen.«

»Dein Boss.« Sie sah ihn immer noch nicht an. »Darius Vail, richtig? Ist er nicht der stellvertretende Exekutivdirektor?«

»Ja, das ist Vail.«

»Und du stehst direkt unter ihm in der Nahrungskette. Der Agent, der für die Strafverfolgung zuständig ist.« Jetzt durchbohrte ihr dunkler Blick ihn beinahe. »Du hast dich ziemlich schnell nach oben gearbeitet bei den Feds, oder?«

»Ich bin einfach gut in meinem Job.« Hatte sie ihn im Auge behalten? Vorsichtig, Ana, sonst glaube ich noch, du interessierst dich für mich.

»Daran habe ich keinen Zweifel.« Sie zuckte mit den Achseln. »Genauso, wie ich sehr gut in meinem Job bin.«

Er hielt ihrem Blick stand. »Dann geben wir doch perfekte Partner ab, oder?«

Ana lächelte ihn an. Aber es war ein Lächeln, das ihre dunklen Augen nicht erreichte. »Wir werden sehen …«

Wingate Federal Penitentiary.

Ana schaute an dem imposanten Gebäude hoch. Die mächtigen Steinmauern … der Stacheldraht auf diesen Mauern. Und die bewaffneten Wachen, die in den Türmen patrouillierten.

Einschüchternd.

»Dieser Ort sollte eigentlich ausbruchssicher sein«, murmelte Cash, als sie aus dem Mietwagen stiegen und auf das Tor zugingen. »Er besteht bereits seit über fünfzig Jahren, und vor Bernie hat es noch keinen Ausbruch gegeben.«

»Wohl kaum die Art von Aufmerksamkeit, die sie hier auf sich ziehen wollen.«

»Der Gefängnisdirektor ist stinksauer«, nickte Cash.

Ana wandte ihre Aufmerksamkeit dem Tor zu, wo ein Mann in braunem Anzug unruhig auf und ab lief. Das ist wahrscheinlich der Direktor.

»Wobei Direktor Phelps sich natürlich darauf beruft, dass der Ausbruch nicht im Gefängnis selbst stattfand. Er weist also jede Verantwortung von sich.«

»Gegenseitige Schuldzuweisungen helfen uns auch nicht dabei, Bernie schneller zu finden.« Der Direktor konnte mit dem Finger auf den Fahrer des Gefangenentransports zeigen, solange er wollte. »Das Einzige, was für mich im Moment zählt … weiß Phelps, dass er mir nicht in die Quere kommen soll?«

Cash stieß ein ersticktes Lachen aus. »Ähm, nein, aber ich bin mir sicher, er wird das schnell kapieren.«

Der Gefängnisdirektor kam jetzt auf sie zugeeilt. Ein großer, dünner Mann mit roten Wangen und hellblauen Augen. Er musterte Ana mit verwundertem Blick und sah dann zu Cash hinüber.

»Agent Knox.« Er schüttelte Cash hastig die Hand. »Haben Sie Neuigkeiten? Haben Ihre Agenten Tate gefunden?«

Seine Agenten. Richtig. Denn Cash war für das gesamte FBI-Team verantwortlich. Gabe hatte einige Erkundigungen eingeholt und Ana die Ergebnisse seiner Recherchen auf ihr Smartphone geschickt. Es war nicht so, als hätte sie sich die letzten zwei Jahre über Cashs Rockstarkarriere beim FBI auf dem Laufenden gehalten … Aber, ja, er war auf der Karriereleiter wirklich schnell nach oben geklettert. Seine Erfolgsbilanz konnte sich sehen lassen. Und die Verbrecher, die er gefasst hatte …

Sie konnte nicht anders, als seine Leistungen anzuerkennen. Er hatte sich in der Strafverfolgungsabteilung definitiv einen Namen gemacht.

»Wir haben ihn noch nicht«, erwiderte Cash jetzt.

Der gespannte Gesichtsausdruck des Direktors fiel augenblicklich in sich zusammen.

»Das hier ist Ana Young.« Cash legte ihr eine Hand auf den unteren Rücken. Ana bemühte sich, nicht zu erstarren, aber sie spürte deutlich diesen seltsamen Stromstoß, der sie jedes Mal durchzuckte, wenn er ihr nahe kam. »Sie arbeitet mit dem FBI zusammen. Ana, das ist Direktor Hayden Phelps.«

»Direktor.« Sie nickte ihm kurz zu.

»Ms Young«, sagte er schnell und sah dann wieder Cash an. »Ich verstehe nicht, warum Sie zurückgekommen sind. Sie haben sich seine Zelle doch schon angeschaut. Mit seinem Zellengenossen geredet und –«

»Ich aber nicht«, unterbrach Ana ihn mit betont freundlicher Stimme. »Deshalb sind wir hier. Manchmal kann ein zweites Paar Augen entscheidend sein.«

Der Blick des Direktors ruhte jetzt wieder auf ihr. Seine Augen verengten sich, während er sie musterte. Dann weiteten sie sich plötzlich, als er sie erkannte.

Ana war daran gewöhnt, fassungslos angestarrt zu werden. Als Teenager war ihr das ständig passiert. Sobald man sie erkannte – bum. Hallo, Schock und Bestürzung.

Je mehr Zeit verging, desto weniger wurde gestarrt. Aber es geschah immer noch. Bestimmte Kriminalfall-Enthusiasten erkannten ihr Gesicht oder ihren Namen noch immer.

Und Phelps’ Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hatte er sie auf jeden Fall erkannt. Als Gefängnisdirektor kam er ja schließlich auch aus der »Branche«.

»Sie sind das«, sagte er.

Ganz genau. Ich. Das Mädchen, das entkommen ist. Das vernarbte Opfer. Das –

»Sind Sie seine Freundin?«

»Was?«, fragte Ana. Was war das denn für eine Frage?

»Tate.« Phelps rieb sich das Kinn. »Er hat Sie ständig gezeichnet …« Er machte einen hektischen Schritt auf Cash zu. »Warum bringen Sie seine Freundin hierher?«

Cash öffnete den Mund, um etwas zu erwidern.

Aber Ana stellte sich vor ihn. »Hey, Direktor, entspannen Sie sich.« Sie stemmte die Hände in die Hüften. »Lassen Sie uns mal ein paar Dinge klarstellen. Erstens bin ich die Freundin von niemandem, und ganz bestimmt nicht die von diesem Scheißhaufen Bernie Tate.«

Der Direktor blinzelte.

»Zweitens«, Ana verlieh ihrer Stimme einen schärferen Unterton, »hat Ihnen Agent Knox bereits gesagt, dass ich mit dem FBI zusammenarbeite. Das bedeutet also, ich habe das Recht, hier zu sein. Und das bedeutet, dass Sie sich nicht wie ein Arsch benehmen, wenn Sie mit mir reden, sondern Anweisungen Folge leisten. Und die momentane Anweisung lautet, dass Sie jetzt aufhören, unsere Zeit zu verschwenden, und uns ins Gefängnis lassen. Wir wollen Bernies Zelle sehen und mit seinem Zellengenossen sprechen.«

Der Direktor leckte sich über die Lippen. »Sie … weiß es nicht?«

Er ging ihr tierisch auf die Nerven. Sie stand direkt vor ihm, und er redete immer noch mit Cash anstatt mit ihr.

Aber dann drehte sich Phelps auf dem Absatz um und hastete auf das Tor zu. »Geben Sie Ihre Waffen am Eingang ab.«

Sie hatte keine Waffe zu ihrem kleinen Ausflug mitgebracht. Es war nicht ihr erster Besuch in einem Gefängnis. Sie wusste, wie so was ablief. Bevor sie dem Direktor zum Tor folgte, drehte Ana sich zu Cash um. »Gibt es etwas, das ich wissen sollte, bevor wir da reingehen?« Denn die Worte des Gefängnisdirektors – Sie … weiß es nicht? – nagten an ihr.

Cash zögerte.

»Oh, Agent Knox«, murmelte sie. »Sie verheimlichen etwas. Kein guter Start für unsere Zusammenarbeit.« Dann drehte sie sich um und machte sich auf den Weg zum Tor.

Doch Cash schloss schnell zu ihr auf. »Tate ist vielleicht … ein bisschen auf dich fixiert.«

Sie passierte die Sicherheitskontrolle und ließ sich mit erhobenen Armen abtasten.

Cash wurde direkt neben ihr kontrolliert.

»Fixiert?«, fragte Ana. »Daher kennt der Direktor mich also.« Und nicht wegen meiner eigenen Vergangenheit. Sie fühlte sich seltsam erleichtert. Sie hasste es, dass alle Welt genau wusste, welche Hölle sie durchlebt hatte. Warum hatte ihr Seelenleben damals in aller Öffentlichkeit breitgetreten werden müssen? »Der Kerl hat ein Bild von mir in seiner Zelle?«

Die Wärter wiesen sie an, weiterzugehen. Sie nickte und folgte den Anweisungen. Phelps war einige Schritte vor ihnen.

»Nicht nur ein Bild«, hörte sie Cashs knurrige Stimme hinter sich.

Sie durchquerten den Zellentrakt. Alle Türen waren geschlossen, aber die Insassen standen an den Gittern und musterten Ana. Es gab zahlreiche Pfiffe, Rufe und eindeutige Angebote.

Ana ignorierte sie alle. Darauf zu reagieren hätte die Männer nur noch mehr angestachelt, und sie war nicht in der Stimmung für so eine Scheiße.

Aber … Cash rückte beim Gehen näher an sie heran. Sie spürte die Wärme seines Körpers unmittelbar hinter sich. Als sie sich umdrehte, sah sie, dass seine grünen Augen vor Wut funkelten und er die Zähne fest zusammengebissen hatte.

»Ich könnte es dir so richtig besorgen, Baby!«, rief einer der Gefangenen. »Du würdest mich anbetteln –«

Cash blieb stehen.

Ana seufzte. »Nicht.«

Aber er wandte sich bereits dem Gefangenen zu.

Ana packte ihn am Arm. »Wir haben keine Zeit für diesen Mist. Er ist nicht wichtig. Nur ein Vollidiot in einer Zelle. Wir haben einen Job zu erledigen.«

Sie fühlte, wie angespannt er war. Cash war auf einen Kampf vorbereitet. Aber er war nun mal FBI-Agent. Musste nach den Regeln spielen.

»Das stimmt, Arschloch«, lachte der Gefangene. »Hör auf die Fotze. Hör –«

Cash stürzte auf die Gitterstäbe zu. Der Gefangene schrie auf und machte einen Satz zurück.

Ein kaltes Lächeln umspielte Cashs Lippen. Ein Lächeln, das sein gesamtes Gesicht veränderte. Er sah jetzt nicht mehr gut aus, sondern gefährlich. Dunkel. Grausam?

Der Gefangene war verstummt.

Alle anderen auch.

»Du glaubst, ich könnte dich nicht in Einzelhaft versetzen lassen?« Cashs Finger schlossen sich um die Gitterstäbe. »Du glaubst, ich könnte dir das Leben hier drin nicht zur Hölle machen?«

Der Gefangene – ein blasser Rothaariger mit tätowierten Armen – stieß ein abschätziges Lachen aus. »Mein Leben hier ist schon die Hölle.«

»Nein.« Cash schüttelte den Kopf. »Aber wenn du so weiterredest, dann zeige ich dir, wie die Hölle wirklich aussieht.«

Ana packte ihn wieder am Arm. »Komm schon, Cash.«

Dieses Mal ließ er sich von ihr weiterziehen. Der Rothaarige sagte keinen Ton mehr. In den anderen Zellen wurde leise geflüstert und getuschelt. Aber dann führte der Direktor sie einen weiteren Flur hinunter, auf einen abgetrennten Bereich zu.

Hier war es ruhiger, aber …

Ana schaute nach rechts hinüber. Auch hier waren zahlreiche Insassen untergebracht, aber diese Insassen waren anders. Nicht wild und laut.

Sie bekam eine Gänsehaut, als ihr Blick den eines weiteren viel zu blassen Gefangenen traf. Anscheinend sehen diese Typen so gut wie nie das Sonnenlicht. Er stand regungslos hinter der Gittertür seiner Zelle und starrte sie an, ohne zu blinzeln. Er beobachtet mich.

Dann grinste er, und dieses Grinsen ließ Ana das Blut in den Adern gefrieren.

Sie kamen an einer weiteren Zelle vorbei. Der große Mann darin hatte die Arme um seinen Oberkörper geschlungen und wiegte sich vor und zurück. Dabei summte er. Eine leise, gruselige Melodie.

»Diese Insassen benötigen eine intensivere Überwachung«, erklärte Phelps. Er deutete auf den summenden Gefangenen. »Das ist James Duman. Vielleicht haben Sie von ihm gehört. James –«

»Hat seine gesamte Familie getötet und danach wochenlang mit ihren Leichen zusammengewohnt«, fiel Cash ihm ins Wort.

Ja, Ana erinnerte sich an diese Geschichte. Damals hatte jeder James Duman für psychisch krank gehalten, aber er hatte sich geweigert, sich für den Prozess eine Geisteskrankheit attestieren zu lassen. Er hatte sich ganz einfach schuldig bekannt und verkündet, er müsse unbedingt eingesperrt werden.

Damit er nie wieder tötet.

Schließlich erreichten sie die letzte Zelle des Ganges, und als Ana einen Blick hineinwarf, blieb ihr fast das Herz stehen. Jetzt verstand sie, was Cash ihr verschwiegen hatte, und ja, sie verstand sogar, warum der Gefängnisdirektor sie gefragt hatte, ob sie Tates Freundin sei.

In Bernies Zelle hing nicht nur ein Bild von ihr an der Wand.

Sie nahm die gesamte Scheißwand ein. Zahlreiche Zeichnungen waren dort aufgehängt worden, eine neben der anderen. Manche zeigten ihr ganzes Gesicht, manche nur Ausschnitte wie ihre Augen oder ihre Nase. Ihren Mund.

Die Narbe, die sich ihre Oberlippe entlangzog.

Direktor Phelps räusperte sich. »Unser Psychologe ist der Meinung, es würde den Insassen guttun … sich künstlerisch auszudrücken.«

Ana drehte sich um und starrte Phelps an. Wortlos.

Seine Wangen röteten sich noch mehr.

Und aus der Zelle drang ein leises Lachen zu ihnen herüber.

»Der Typ war besessen«, rief eine tiefe Stimme. »Und jetzt weiß ich auch, warum.«

Ana atmete langsam aus und drehte sich zu der Stimme um. Sie gehörte zu einem Mann, der auf der unteren Pritsche des Stockbetts lag. Als er merkte, dass sie ihn ansah, richtete er sich langsam auf und kam auf sie zu. Er war der totale Durchschnittstyp, mittelgroß, weder dünn noch dick. Braunes Haar, graugrüne Augen. Ein Gesicht, das niemandem im Gedächtnis blieb. Wahrscheinlich genau das, was sich ein Verbrecher wünschte. Ganz schnell wieder vergessen.

»Das ist Ray Laker«, sagte Phelps mit ruppigem Unterton in der Stimme. »Er war von Anfang an Tates Zellengenosse.«

Ray lächelte Ana an.

»Die Hände durch das Gitter, Ray«, bellte Phelps. Ray gehorchte, und der Wärter, der sie hergeführt hatte, eilte herbei, um dem Insassen Handschellen anzulegen und ihn damit an den Stäben festzuketten.

»Lassen Sie sie rein«, wies der Direktor den Wärter an. Der junge Mann zog seinen Schlüsselbund heraus, und ein paar Augenblicke später öffnete sich die Zellentür. Ana betrat die Zelle als Erste, bemühte sich um einen langsamen, ruhigen Gang. Sie näherte sich der rückwärtigen Wand, an der all die Bilder von ihr hingen.

Cash kam zu ihr. »Ich … wollte dich auf dem Weg hierher nicht beunruhigen.« Er sprach leise, sodass nur sie ihn hören konnte.

Ana lachte. »Lügner.« Sie schielte aus dem Augenwinkel zu ihm hinüber und deutete dabei auf die Wand. »Du hattest Angst, dass ich dir, wenn du mir all das erzählst, nicht helfen würde.« Dann drehte sie sich zu ihm um und musterte ihn. »Was hast du geglaubt? Dass ich Angst kriegen würde?«

»Ja.« Er sprach noch immer mit gedämpfter Stimme.

»Das macht mir keine Angst. Es macht mich wütend.« Bernie hatte während all der Zeit in dieser Zelle ihr Bild angestarrt? Sie ließ ihre Stimme hart und wütend klingen, aber im Inneren … tief im Inneren …

Cash trat näher an sie heran. »Es ist okay, Angst zu haben.«

»Fick dich, Agent Knox.« Sie wirbelte herum. »Und keine weiteren Geheimnisse mehr.« Sie ging auf den am Gitter fixierten Mann zu. »Ihr Zellengenosse … wollte sich also an mir rächen, was?«

Diese Folgerung war logisch, wenn man bedachte, dass auf einigen dieser Zeichnungen … ihre Augen ausgekratzt waren.

Ray lehnte sich an die Gitterwand, drehte ihr aber den Kopf zu. »Sie sind Ana.«

Sie wippte ungeduldig mit dem Fuß.

»Ich musste mir nächtelang Schimpftiraden anhören. Darüber, wie Sie ihn verarscht haben. Ihn angelogen haben. Ihn haben glauben lassen, Sie wären schwach …« Ray lachte. »Ich muss schon sagen, es ist mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen. Ich habe dieses Arschloch Tate gehasst. Jeder hier hat so getan, als wäre er der große, böse Mann, aber ich wusste von Anfang an, dass er nur ein Stück Scheiße ist. Und die Tatsache, dass so eine winzige Person wie Sie ihn gefasst hat …« Er lachte noch lauter.

Ana ballte die Hände zu Fäusten. »Ja, es ist echt ein Vergnügen, mich kennenzulernen. Eine wahre Wonne.« Sie legte den Kopf schief. »Wissen Sie, was noch eine wahre Wonne wäre? Wenn Sie dafür verantwortlich wären, dass dieses Arschloch wieder in den Knast wandert.«

Ray kniff die Augen zusammen.

Sie hatte Cash vorhin nicht angelogen. Sie verstand diese Monster wirklich. Sie hatte Ray innerhalb von wenigen Sekunden eingeschätzt und wusste genau, was er wollte. Macht. Kontrolle. »