Toxisch! - Nicole Diercks - E-Book

Toxisch! E-Book

Nicole Diercks

3,9

Beschreibung

Gewalt in der Partnerschaft ist kein Kavaliersdelikt! Und dennoch passiert sie täglich, stündlich, minütlich. In diesem Buch geht es nicht um körperliche und lebensgefährliche Misshandlungen, sondern um psychischen und emotionalen Missbrauch. Diese Form der Partnerschaftsgewalt schleicht sich meist auf ganz leisen Sohlen heran und wuchert dann schon bald wie ein schreckliches Geschwür in die Seele des Opfers hinein. Viele Frauen können oft gar nicht klar benennen, was ihnen da eigentlich täglich widerfährt: Ignoranz, Respektlosigkeit, Grobheit, Missachtung, fehlende Wertschätzung, Unhöflichkeit, Desinteresse, Kritik, böse Witze, vorenthaltene Unterstützung... Vieles davon wirkt wie ausversehen alltäglich, ist es aber nicht, denn es handelt sich um Partnerschaftsgewalt. Hier wird untersucht, wie dieser Missbrauch sich auslebt, wie er sich anfühlt und nach welchen psychologischen Gesetzmäßigkeiten er angelegt ist.

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Toxisch!

Einleitende WorteLegendeEine Geschichte unter dem Fokus „Impuls-Affekt“Zutaten aus Geschichten mit „Macht-Affekt“Hinter den Kulissen der MissbrauchtäterEin typisches Klagelied einer ehemals BetroffenenCrazymakingMindgamesGlaskugelFred KrügerShit-StormLogikSystemikHimmel auf ErdenGeklautes SelbstMachtToxische WutEntschuldigungDie Eckpfeiler des HexenkesselsIdeen zu DiagnosenIm Spiegelkabinett der SüchteDer Weg zurück in die FreiheitRückfall-ProphylaxeWie konnte es dazu kommen?Toxische MerkmaleImpressum

Liebe Leserinnen, 

Schade, dass es Euch gibt! Nee jetzt, ist natürlich toll, dass es EUCH gibt, aber das es Euch als LESER eines Buches über Partnerschaftsmissbrauch gibt, finde ich ehrlich gesagt kacke. Ich finde das ganze Thema ehrlichgesagt total kacke. Jedes Mal wieder! Aber das Thema ist leider erschreckend real, egal wie man es nun finden mag. Es sollte Euch als Opfer eines Beziehungsquälers gar nicht geben dürfen, aber das ist nur mal meine private Meinung dazu. Keiner hat das Recht Euch weh zu tun! Ihr seid so wundervoll, so wichtig, so einzigartig herrlich und so zauberhaft! Es gibt keinen einzigen denkbaren Grund Euch das Leben zu vergällen, lieblos, grausam und emotional vernachlässigend mit Euch umzuspringen. Und das merken wir uns bitte auch gleich mal! Es gibt keinen Grund für sowas!!! Das hat niemand verdient!

Und weil das so ist, müsst Ihr da auch aussteigen – und zwar so schnell, wie es geht. Es macht Euch kaputt, es weicht Euch die Birne auf, es zermatscht Euren Verstand, es zerstört Eure Gesundheit, es sprengt Euren Bezugsrahmen und es macht Euch einfach fertig! Ihr glaubt, Ihr kriegt das irgendwie noch gehandhabt: mehr Geduld, mehr Verständnis, mehr Verstehen … Aber das ist ein Trugschluss – und eine ganz böse Denkfalle! Es gibt nichts zu verstehen und es gibt nichts zu verzeihen! Ihr habt nichts zu gewinnen, aber alles zu verlieren. Und genau das ist es, was hier passiert: Ihr verliert jeden Tag ein Stückchen mehr von Euch. Eure Würde, Euren Stolz, Euer Glück, Euer Vertrauen, Eure Zuversicht, Eure Hoffnung, Euren Glauben, Euer Selbstvertrauen, Euren Selbstwert, Euer Glück, Eure Zeit, Eure Kraft, Eure Gedanken, Eure Kreativität, Eure Gesundheit, Eure Selbstbestimmung, Euer Selbstgefühl, Eure Liebe, Eure Chance, Eure Zukunft, Eure Kontrolle, Euer Leben. Ihr verliert hier gerade Euer Leben!!!

Einer Clientin wurde das eines Tages plötzlich nach knapp sechs Monaten im Missbrauchs-Höllenkarussell mit voller Wucht klar, als ihr dank der spontan verstorbenen Batterie mitten auf einer vereisten Landstraße sowohl Lenkung als auch Bremse komplett versagten. Sie wirbelte in ihrem Panda wie ein Papierbällchen vor einer Kurve über die Straße und hatte nur unsägliches Glück, dass gerade niemand auf der Gegenfahrbahn kam. „Es war wie eine göttliche Allegorie: Ich saß zwar am Steuer, aber ich hatte keinerlei Kontrolle mehr! Es war mir weder möglich irgendwas zu regulieren, zu stoppen oder auch nur ansatzweise zu lenken! Das völlig blockierte Fahrzeug tat was es wollte - und ich war nur eine geschockte Statistin! Jede Art meiner Reaktion war völlig sinnlos. Und das sollte mein Leben sein?!“ Ihr wurde sofort klar, dass sie ebenso gut tot sein könnte, dazu hätte ja nur noch ein Laster gefehlt. Und sie sah auch, dass sie jetzt dann vor dem Himmelstor memorieren würde, wie sie die letzten Monate ihres Lebens in einer Beziehungshölle verbracht hatte, die aber irritierenderweise mal als „die ganz große Liebe“ begonnen hatte. Sie saß zitternd hinter dem Steuer ihres quer auf der Gegenfahrbahn stehenden Wagens und sah plötzlich ganz klar: „Meine sogenannte Beziehung spielt sich ganz genauso ab, wie dieser Totalausfall von Lenkung und Bremse: Ich habe überhaupt keinerlei Kontrolle darüber!“

So ein „Glück“ haben leider nicht alle Opfer. Die meisten harren ohne eine solche Nahtoderfahrung in ihrer Beziehungshölle aus und hoffen, warum sie tun ist von außen nicht nachvollziehbar, dass bald alles wieder so schön wird wie am Anfang. Die schlechte Nachricht lautet: Das wird es aber nicht, nie mehr! Das kann es auch gar nicht, denn dazu bräuchte es einen völlig anders gestrickten Mann als diesen Gewalttäter. Die gute Nachricht lautet: Wenn es nichts mehr zu gewinnen gibt, kann man ja auch endlich gehen!

Da generalisierte häusliche, partnerschaftliche, emotionale und psychische Gewalt in fast allen Fällen nur von Männern gegenüber Frauen ausagiert wird, benutze ich hier durchgehend den Terminus „ER“ und spreche von „einem Täter“, „einem Quäler“ und „einem Misshandler“. Es soll tatsächlich aber auch Frauen geben, die solche Gewalt in der Partnerschaft ausüben, doch diese gehen uns, zumindest mal an dieser Stelle, nichts an. Wir senden Ihnen Kraft, auf dass sie in ihre weibliche Mitte zurückfinden und als zarte, beschützte Frau doch noch ihr spätes Glück finden mögen!

Was ich auch gleich entschuldigend anmerken muss, ist meine Klarheit und Deutlichkeit. Wer hier auf politisch korrekte, medizinisch verschleiernde Bezeichnungen wie „Geisteskrankheit“, „Soziale Unangepasstheit“, „Verhaltensirritation“ und „Erkrankter“ rechnet, hat das falsche Buch zur Hand. Ich nenne in aller Härte die Dinge hier wirklich beim Namen. Und zwar bei ihrem echten Namen! Der Grund ist, dass ich aus der Perspektive der Opfer dieser Männer schreibe. Und wenn wir es mit „Wahnsinn“ und „Verrücktheit“ zu tun haben, mit „Quälern“, „Tätern“ und „Misshandlern“ - verdammt: Dann nennen wir das doch bitte auch so! Wer mag, kann ja den „Quäler“ gerne durch einen „Kranken“ ersetzen, es bleibt sich aber dennoch dasselbe: Der Mann ist irre! Punkt.

Tja, und was steckt dann nun dahinter?! Es ist medizinisch noch nicht komplett erklärt. Oder besser gesagt: gar nicht. Es ist vieles möglich, beginnend vom Punkt aus, dass Opfer irgendwann entweder wieder zu Opfern werden, oder kompensatorisch dann zu Tätern. Im Raume steht manchmal auch das Opfer kindlicher Misshandlungen: physisch, psychisch, emotional. Es gibt angeborene Gründe: Cluster-B-Störung / Borderline Syndrom ( ~ emotional-instabile Persönlichkeitsstörung), ADHS, Persönlichkeitsstörungen verschiedenster Couleur und Ausprägung, Geisteskrankheit, Schizophrenie, Hirnanomalie, hormonelle Anomalie, Hirnmissbildung, Hirnschaden, Hirntumor, ... Es gibt erworbene Gründe: Substanzabusus (Alkohol, Drogen, …), Minderwertigkeitskomplexe, Bindungsstörungen bis hin zu Bindungsunfähigkeit und Nähephobie, Alexithymie (~ Unfähigkeit zu Empathie und echtem Gefühl), antisoziale Tendenzen, Macht- und Kontrollwahn, Vergiftungen, Unfälle, Narzissmus, Gewaltstörung (~Freude an Gewalt und Schmerz), . . . Also eine ganze Palette an möglichen Syndromen und manifesten Krankheiten ist jederzeit denkbar! Die wirklich schlechte Nachricht ist aber: möglicherweise, und nicht selten, handelt es sich nur um eine einzige Störung! In der medizinischen Differentialdiagnose sagt man dazu so flapsig: „Nur weil der Patient Flöhe hat, heißt das ja nun nicht, dass er keine Läuse haben kann, und keine Mückenstiche …“ Und das bedeutet im Volltext, dass er sowohl ADHS, als auch Borderliner, als auch ein Drogenproblem, als auch noch schizophrene Episoden haben kann! Allerdings besitzt er, trotz der ganzen Verkorkstheit, kein Recht all das, was mal psychisch eine falsche Abbiegung genommen hat, ungehemmt an seiner Partnerin auszuleben! Auch dann nicht, wenn man sich eine klingende Diagnose dafür verpassen lassen hat! Darum drücke ich mich hier auch absichtlich so ganz klar aus: Es ist keine Zeit mehr für Mitleid und Verständnis! Und es gibt keinen einzigen Grund einem Mann, der uns emotional missachtet, der sich kalt und grausam gegen uns verhält, der uns verbal und psychisch quält, der uns Angst macht und uns droht, der uns möglicherweise auch noch sexuell unter Druck setzt oder handgreiflich wird, irgendwie mit Verständnis oder Empathie zu begegnen! Das schreiben wir uns jetzt bitte gleich mal auf: Es gibt keinen Grund nachsichtig mit einem Misshandler zu sein!!

Gehabt Euch wohl meine Schönen!

Ich hab Euch lieb und sende Euch VIEL KRAFT!

Eure Nicole 

Legende

Deklaration: Love-Bombing

Zum Beginn eines Kennenlernens kommt es bereits zu überschwänglichen und ungewohnt intensiven Emotionen, die (leider erst im Rückblick!) ganz offensichtlich das Ziel hatten eine gewünschte Entwicklung zu beschleunigen. Ein bestimmter Mensch wird dazu nahezu sofort und vollkommen umfassend blind idealisiert und mit jeder Art von Aufmerksamkeit über belohnt. Diese Idealisierungsphase ist für viele verkappte Cindarella’s und für am Selbstwert geschädigte Mädels der Himmel auf Erden! In aller Regel bricht dieser Zustand so rauschhaft und unmittelbar über eine (oft leider innerlich ungefestigte) Lady herein, dass es diese buchstäblich von den Füßen fegt - und sie im Ansturm fast sofort sein Gleichgewicht verliert. Ihre Reflexe werden ausgeschaltet, sie wird von „Liebe“ und Anerkennung quasi überspült -und leider auch gezielt unterspült. So ergibt sie sich diesem süßen Rausch, es fühlt sich so wahr, so gut, so richtig endlich mal an! Und dann vertraut sie ihr Glücksempfinden alleine noch dem Partner an und macht sich selber freiwillig süchtig nach diesen Gefühlen, nach dieser Beziehung, nach diesem Mann. Er ist einfach der empathischste und leidenschaftlichste Mensch den sie jemals getroffen hat! Ein Traum von einem Mann! Ein Traummann!

Es handelt sich um eine absolut übertriebene Form angeblicher Liebe. Diese ist nämlich leider ausschließlich sekundär motiviert: Das Interesse des Bombers ist nämlich keineswegs die angeblich angestrebte Liebesbeziehung, sondern zielt alleinig auf Macht, Dominanz, Kontrolle, Steuerung und psychische Entlastung hin! In dieser Idealisierungsphase will er Dich an sich binden. Er hat scheinbar die gleichen Werte wie Du, die gleichen Interessen, Ziele, Ansichten. Ihr habt ja sogar oft den gleichen Geschmack (und das, obwohl er völlig anders wohnt und lebt!) und Eure Gewohnheiten sind wie magisch völlig mühelos aufeinander abgestimmt. Er bewundert alles was Du sagst, bist, hast und tust. Eure Bindung hätte nicht schneller gefestigt werden können. Er will „der Eine“ für dich sein! Für immer! Denn Du bist seine ganz große Liebe, endlich! Er ist so froh und dankbar Dich gefunden zu haben, nach all den Enttäuschungen, nach all der Zeit! Du bist seine Traumfrau! Er wird darüber hinaus nie müde Dir zu versichern, dass Du noch niemals(!) so geliebt wurdest, wie jetzt von ihm! Seelenverwandtschaft wird demonstriert und immer wieder „bewiesen“, dahinter steckt etwas dramatisches: Der Bomber versteckt sich nämlich schon blitzschnell im Charakter, den Werten und Vorlieben seines Opfers, um lückenlos „Eins“ mit ihm zu werden, und um sich so zu tarnen. Wenn er „so ist wie sie“, fliegt er unter dem Radar dahin, ist er ungefährlich, spielt im richtigen Team und gehört zu „den Guten“. Es ist im Prinzip nichts als eine unsichtbare und höchst perfide Gehirnwäsche! Er will Dich nämlich dazu manipulieren in ihn zu investieren. Und zwar weil er unbewusst weiß, dass emotionale Investitionen Dich an ihn binden werden - und somit steuerbar für ihn machen, weil Du dann nämlich etwas von ihm zurück haben musst, um nicht aus der Balance zu kommen!

MERKE: Es fühlt sich zu schön an, um wahr zu sein, weil es eben auch gar nicht wahr ist!

Deklaration: Crazymaking

Das ist bekannt unter dem Namen „Verrückt machen“ oder auch „Gaslighting“. Es ist, als würde Dir von einem anderen Menschen im Umgang permanent Kleister ins Gehirn geschüttet! An irgendeinem Punkt weißt Du nicht mehr, was wahr ist, was wirklich geschehen ist, wie es kam, wer verantwortlich war, wie es zu bewerten ist, wer verantwortlich ist, was normal wäre, was krank ist, wo Dein Part ist, was Du denkst, was Du eigentlich mal gemeint hattest und vor allem: was Du überhaupt noch fühlst?! Crazymaking gehört zu den sogenannten „Mindgames“ (~ Gedankenmanipulation, Psychospiele) und damit in die Kategorie „geistige Kontrolle“: also Gehirnwäsche! Es stellt einen perfiden Machtmissbrauch dar und die Folgen von Crazymaking sind sehr schwerwiegend für die Opfer. Wenn ein Anderer sich nämlich permanent anmaßt, Deine Wahrheit, Deine Wirklichkeit, Deine Auffassung der Realität und deine Wahrnehmung als „einfach völlig falsch“ zu deklarieren und in seinem Sinne neu zu definieren, verlierst Du sogar noch viel mehr, als nur Deinen Verstand! Du wirst verrückt gemacht, weil Deine inneren Bezüge auf denen Deine Realität gründet bombardiert werden! Du verlierst Deine Fähigkeit diese offenen Angriffe auf Deine persönliche Integrität abzuwehren, unter anderem weil Du dem Feind vertraust. Und wenn es schon mal soweit ist, fängst Du auch schon bald an Deinen eigenen Wahrnehmungen, Gefühlen und Werten zu misstrauen. Wenn Dir nämlich gewaltsam immer wieder beigebracht wird, das alles was Du siehst, fühlst und glaubst falsch und völlig irre ist, und wenn Dir zeitgleich eine neue „endlich mal gesunde und normale“ Deutung übergestülpt wird, ist dies ein massiver Akt der psychischen Gewalt. Wenn Du diesen Angriffen nichts entgegenzusetzen hast, weicht es Dich von innen her auf und Du vergisst glatt wer Du bist! Und das dauert tragischerweise gar nicht lange. Stell Dir das nur mal vor: Deine heile Wirklichkeit wird durch die kranke, nur ich-gemünzte Vorstellung einer anderen Person ersetzt. Von einer Person, die es überhaupt nicht gut mit Dir meint und die nur versucht Dich zu eigenem Nutzen zu kontrollieren und unter ihre Macht zu bringen!

Deklaration: Emotionaler Missbrauch

„Häusliche Gewalt beginnt mit Liebe, nicht mit Schlägen. Emotionaler Missbrauch beginnt nicht als Kreislauf, sondern als große Liebe.“ (re-empowerment)

Die üblichen Schritte:

Endorphinrausch, Idealisierung, Abhängigkeit/Sucht, die Fassade bröckelt, Irritation, Crazymaking, die Angriffe nehmen an Häufigkeit und Härte zu, Verlustangst beim Opfer, Machtanspruch des Täters wird stärker, Opferung des Selbst, immer feindseligeres und heftigeres Ausagieren, Unterwerfung als letzer Ausweg, Griff nach der ganzen Macht seitens des Täters, Selbstaufgabe des Opfers, Angst bis hin zur Panik, Irrationales Verhalten des Täters, psychische und physische Krankheit des Opfers, purer Terror, offene Gewalt. Dazu gehören die Formen: verbale Gewalt, emotionale Gewalt, psychische Gewalt, körperliche Gewalt, ökonomische Gewalt, soziale Gewalt, sexuelle Gewalt.

Partnerschaftsgewalt untergräbt dramatisch das Selbstvertrauen, die Wahrnehmung und die Integrität der Opfer. Dies führt zu schwerwiegendenden Folgen in fast allen Lebensfeldern.  

Psychischer und emotionaler Missbrauch ist eine Form zumeist unsichtbarer häuslicher Gewalt. Gewalt hinterlässt immer Spuren in der Seele und im Geist des Opfers und ist in der Lage dort massive und langfristige Schäden anzurichten. Nichts eignet sich besser für einen Gewalttäter, als seine Opfer direkt und jederzeit in Reichweite zu haben, wie z. B. innerhalb einer Familie oder einer Lebensgemeinschaft! Dies ermöglicht ihm ein breites Spektrum von heimlicher Gewalt und es ist wie Fischestechen in einer Tonne.  Ein Misshandler lebt nach einem völlig anderen Skript, als ein Mensch in einer normalen Liebesbeziehung, und er verfolgt auch ganz andere Ziele. Er betrachtet seine Partnerin nämlich nie als gleichwertig: zuerst überhebt er sie, dann wertet er sie komplett ab. Kaputte Beziehungen sind sekundär-motiviert in ihrem Streben nach Macht, Dominanz, beherrschender Einflussnahme, Kontrolle - und zwar durchgehend. Eine solche „unlogische Dynamik“ innerhalb einer angeblichen Liebesbeziehung ist oft schwer, bis gar nicht zu durchschauen, weil sie sich dem Gefühl und dem Verstand gleichzeitig widersetzt. Der Misshandler gewinnt wegen der „Lähmung“ seiner Partnerin zunehmend an Sicherheit, dass sein Verhalten keine ernst zu nehmenden Konsequenzen haben wird und dass er sie immer wieder „eingeseift“ kriegt. Häusliche Gewalt fliegt unerkannt „unter dem Radar“ und wird oft lange verkannt. Klar, auch weil ja nun nicht sein kann, was nicht sein darf! Und weil nicht möglich ist, was ja in sich völlig unlogisch wäre! Ich meine: Niemand geht eine Liebesbeziehung ein, nur um aus den schönen Gefühlen dann plötzlich auszusteigen und den Partner – wegen sprichwörtlich nichts - fortgesetzt zu quälen? Das wäre dann doch wohl völlig irre?! Tja, harte Wahrheiten! Insbesondere weil jede Missbrauchsbeziehung immer mit einem Love-Bombing beginnt, ist die Partnerin in aller Regel schon so dermaßen breiig im Hirn und so vollkommen eingelullt, dass sie lange nicht begreifen kann, dass der schöne Traum zu Ende ist. Sie lebt quasi das invertierte Märchen von „Die Schöne und das Biest“. Nur, dass Vincent sich eben leider mittels ihrer Liebe nicht vom üblen Monster in einen zuckrigen Prinzen zurück verwandelt. Sondern das er eben plötzlich anstatt „dem Schönen“ jetzt „das Biest“ gibt! Und das dies leider auch sein einziges und wahres Gesicht ist! Kann doch nicht sein? Wäre doch wohl total … unfair?!

Ich gehe stark davon aus, dass jeder Misshandler immer einen massiven psychischen Defekt hat. Ja, ich mache es mir schön leicht … Ich beziehe mich nämlich einfach auf die Genetik und die Neurobiologie. Und es sieht eben einfach nun mal so aus, das normal und geistig/seelisch gesund gepolte Menschen einfach keine Freude aus Gewalt und Grausamkeit ziehen, sondern sich alleinig an guten Gefühlen organisieren und diese auch suchen und fördern! Tatsache ist und bleibt daher: Ein Misshandler ist immer irgendwo irre! Das ist übrigens auch genau das, was er täglich in seine Beziehung ausdehnt: IRRSINN! Er macht sie verrückt! Er treibt sie in den Wahnsinn! Er macht sie genauso matschig in der Birne, wie er selber ist!

Und das heißt, dass es höchstwahrscheinlich auch kein Einsehen und Innehalten gibt! Denn wie sagte Goethe, und nirgendwo ist das besser ersichtlich als innerhalb einer Missbrauchsbeziehung: „Wahnsinn schützt sich selbst am besten!“ Man kommt nach dem Punkt seines sichtbaren psychischen „Umkippens“ weder emotional noch rational jemals wieder wirklich an an ihn heran. Das liegt auch daran, dass der vitale Kontakt absichtlich boykottiert, sabotiert und zerstört wird: no entry! Der Irre verfügt der Regel nach somit in aller Regel über keinerlei Krankheitseinsicht, über keine funktionierende soziale Kompetenz und über keinerlei wirksame emotionale Intelligenz. Er ist ein Zombie.

Die stets gut gespielte, zumeist offensichtlich innerlich völlig gebrochene und so tränenreiche wie dramatische „Reue“, steht in ihrer plötzlichen, scheinbaren Sensibilität und Emotionalität in keinem Verhältnis zur üblicherweise gegen sie angewendeten Kälte und Grausamkeit. Sie ist eine Währung, ein Schüttelscheck, den er immer dann einlöst, wenn das böse Spiel doch noch über die Klippe zu rutschen droht und ihn mitreißen könnte. Game over?! Er hat vielleicht keine emotionale Intelligenz, aber psychologische Raffinesse als Waffe besitzt er durchaus! Er versteht Emotionen zwar nicht, aber er weiß dennoch, wie man mit ihnen andere Menschen höchst wirksam erpressen kann. Und seine „Reue“ bezeugt auch deshalb keinerlei Einsicht und Verhaltensumkehr, weil sie eben nur ein hohles Symbol ist und überhaupt nichts bedeutet. Sie ist ebenso aufgeblasen, unemotional und unecht, ebenso wenig tragfähig, wie all die im Love-Bombing verwendeten falschen Symbole. Und dass es nach jedem „Anfall von Reue“ ungebrochen genauso, und oft ja sogar noch schlimmer, weitergeht, zeigt das noch viel deutlicher.

Seine Weltsicht ist in sich womöglich sogar schlüssig, in Hinblick auf die normale Realität jedoch komplett verschoben und kaputt. Mittels Crazymaking wird er daher über kurz oder lang seinem Opfer „die Normalität“ beizubringen versuchen, seine Normalität wohlgemerkt. Er allein bestimmt, „was hier wahr und logisch ist“, so legt er die Realität fest, in der beide fortan zu leben gezwungen sind. Und dass er sich nämlich gar nicht anders verhalten kann (wie jeder sofort bestätigen wird), bei einer so geistesgestörten, beziehungsunfähigen und frigiden Hexe wie ihr …! QED.

Interessanterweise suchen sich solche Männer über zufällig häufig aktive, intelligente, hoch-empathische, zugewandte, attraktive, starke und selbstständige Frauen. Es ist ein absoluter Ego-Shooter als erklärter Loser eine solch tolle Frau dazu zu bringen „freiwillig“ (naja, fast!) ihre kompletten Energie auf ihn zu konzentrieren und nur noch um ihn zu kreisen, mehr noch: ihm untertan zu sein! Außerdem braucht er „die starke Frau“ um sich heimlich an ihr zu orientieren und um an ihr seine kranken „Reaktionen“ zu erproben.

Deklaration: Systemik

Im Gedanken der Systemik liegt der Schwerpunkt insbesondere auf den Interaktionen zwischen Menschen in deren sozialem Umfeld (= System). Der systemische Gedanke baut auf dem Konzept systemtheoretischer Wissenschaft auf. Er ermöglicht komplexe Phänomene über alle Beziehungsebenen darzustellen, objektiv sichtbar zu machen und sogar extern zu beeinflussen. Die systemische Perspektive rückt die dynamischen Wechselwirkungen zwischen Menschen ins Zentrum. Dabei fokussiert man sich nie auf einzelne Mitglieder eines Systems, sondern nur auf die Energie des gesamten Systems und ihre Wirkung auf die Teilnehmer und das ganze System. Einzelne Teilnehmer werden als Wirkungsträger im gesamten System betrachtet. Aus systemischer Sicht manifestiert sich an Problemträgern nur eine Störung, die ihre Ursache im instabilen und gestörten Gesamt­system hat in Form eines Symptoms.

Eine Geschichte unter dem Fokus „Impuls-Affekt“

Schon sein Love-Bombing stand alleine unter seiner eigenen Kontrolle. Es begann damit, dass wir uns über die Hunde auf dem Feldweg kennenlernten und dann miteinander Gassi gingen. Er war überhaupt nicht mein Typ: klein, eher dick, schlampig gekleidet. Mir fiel schnell auf, dass er sich ein wenig absonderlich benahm, denn er war zwar exterm zugewandt, total intensiv und erfrischend wach … aber er sah mir nie ins Gesicht. Ich dachte bei mir, er habe vielleicht einfach einen kleinen, harmlosen Lattenschuss. Das wurde unterstrichen durch diese unglaublichen „Mützen“ die er auf dem Feldweg spazierentrug und die ungelogen wirkten, als sei er völlig geistesgestört. Gut, was ging es mich an …! Wir konnten uns super unterhalten, genossen die Natur, machten also lange Spaziergänge, fotografierten, suchten Pilze, alberten herum und tauschten uns über die neuesten Abenteuer der Schlümpfe auf Disney Channel aus. Dann tranken wir mal ein Bier zusammen und spielten dabei mit den Hunden. Dann grillten wir mal auf meinem Balkon. Dann gingen wir mal auf einen Weihnachtsmarkt. Dann trennte er sich mal von seiner Frau und warf sie aus der Wohnung, die vorher seine gewesen war. Dann machte er mir mal eine Liebeserklärung: Stilecht per WhatsApp, Dienstag um 5:12h, mit jeder Menge Schreibfehler, voller wirrer abgerissener Sätze und jeder Menge blöder Smileys mit Herzen in den Augen. Eine spätere Erklärung dazu verlief unter der Ausarbeitung, dass er mir absichtlich nie in die Augen gesehen hatte, um sich nicht zu verraten. Außerdem sei er immer absichtlich einen halben Schritt hinter mir gegangen „um mich in der Nase zu haben“. Hm?!

Er wendete sofort alles an Hollywood-Symptomen auf, was das Haus hergab: Meere von selbstgepflückten Blumen, Schwüre, Zärtlichkeit, Herzen und Liebes-Bekenntnisse. Und alles immer schön offen breitgetragen, obwohl er nicht müde wurde tapfer in alle Richtungen zu posaunen, dass „hier ja nun gar nichts lief“. Nur ER lief hier, nämlich offensichtlich auf Hochtouren! Und es passte mir überhaupt nicht, dass halb Rosenheim live dabei war, das „ja hier nun so gar nichts liefe!“ Alles immer schön tagesaktuell über das Profilbild im Whatsapp verbreitet. Der Renner: Auf Autos, in den Sand oder irgendwo spontan hin gekrickelte und fotografierte Liebesschwüre. Er pushte sich an seinen Gefühlen „für mich“ grandios auf: Ich, seine erste wahre, große Liebe! Ich, die einzige Traumfrau! Ich merkte unangenehm, dass er sich an seinen Gefühlen förmlich kickte und sich einfach nur ganz großartig mit sich selber fühlte! Schon damals schaute ich mir diese, oft bereits übergriffigen Übertreibungen, aus gesottener Distanz an: Das war mir alles viel zu heftig! Und es fiel mir sofort auf, dass es scheinbar vollkommen unerheblich war, ob ich da nun mit einstieg oder es sein ließ! Es war ganz allein seine Show! Er versicherte sich nicht ein einziges Mal, wo ich überhaupt stand, ob ich überhaupt mit im Spiel war oder wo er sich eigentlich gerade befand. Er fragte mich nie, was ich eigentlich nun für ihn empfand?! Und er fragte mich nie: „Was muss und darf ich tun, um Dich auf meine Seite zu ziehen? Um Dich zu faszinieren und zu erobern?“ Das Love-Bombing ging einfach immer nur ungebrochen weiter - und das skurrile und vollkommen übertriebene Theater lief dabei komplett an mir vorbei! Es war scheinbar auf meine Person gerichtet, verfehlte aber sowohl meinen Standort, als auch meine Persönlichkeit, meine Neigungen, wie auch meine Innerlichkeit total. Und das fiel ihm leider überhaupt nicht auf. Was mich ganz unangenehm hellhörig werden ließ, waren seine großspurigen und völlig selbstverblendeten Texte: „Ich schwöre Dir, dass Du noch niemals so geliebt wurdest, wie von mir! Noch niemals hat ein Mann Dich so geliebt, wie ich!“ Was fiel dem denn bitte ein?! Was wusste der denn wohl von meinem Leben und meinen Galanen?! Enges Nachfragen, wie er bitte auf solch verstiegene und selbstverliebte Bemerkungen verfallen konnte, wurden nur großartig weggewedelt: „Ist einfach Fakt! Wirst Du schon auch noch merken!“ Uferlos.

Ich stieg da nicht ein, es schreckte mich ab, und ich musste ihn sogar dann mehrfach zur Ordnung rufen, mich nicht als mit seiner Liebe protzender Romeo zur Vorzeige-Julia für seine Internetpräsenz zu missbrauchen! Nicht permanent alles „was hier nicht lief“ überall ständig breitzutreten! Er merkte nicht, was das eigentlich bedeutete, und er merkte auch nicht, dass ich ganz offensichtlich als Nenner in seinem gloriosen Liebes-Bruch fehlte! Er war zum Beispiel schon damals kein Bisschen in der Lage zu erkennen oder anzuerkennen, dass ich große, schlanke, elegante, gebildete, städtische Frau möglicherweise einen rauchenden, dörflichen Fliesenleger, der einen halben Kopf kleiner war als ich, dick, stets ungekämmt, mit schwarz tätowierten Armen, immer nur in zu großen Jeans und zu großen bedruckten T-Shirts, möglicherweise dann nicht ganz so spannend finden könnte?! Und dann noch einen, dessen scheinbar auch nur wenige Zähne wie ein kaputter Gartenzaun im Mund herumstanden. Ich wurde nicht müde in unauffälligen Nebensätzen zu erwähnen, wie groß, schlank, gut angezogen, nicht-rauchend und nicht-tätowiert all meine durchweg sehr gut aussehenden Ex-Männer gewesen seien …! Einfach nur um diesen „Traumfrau“-Modus mal auf ein richtiges Gegenmaß zu konvertieren. Was der Leser hier unzweideutig mitbekommt: „Ich bin Deine Traumfrau, Du jedoch bist für mich eher ein optischer Albtraum!“ Es erstaunt, oder auch möglicherweise schon nicht mehr: Keinerlei Reaktion! Kein Adressat!

Aber auch wenn er sich scheinbar irgendwie nie so ganz auf mich persönlich zu beziehen schien, tat er dennoch spektakuläre Dinge: Er nahm innerhalb kürzester Zeit fünfzehn Kilo ab, was man eminent bemerkte, reduzierte seinen Zigarettenkonsum von über einer Schachtel auf nur noch fünf Stück am Tag, und in meiner Gegenwart rauchte er überhaupt nie mehr. Er renovierte die Wohnung innerhalb von Rekordzeit und stellte alles vollkommen um. Ich sollte mich unbedingt wohlfühlen bei ihm! Und wenn er genügend abgenommen hätte, würde er sich einen ganz neuen Klamottenstil zusammenstellen, er wollte mir gefallen! Er sagte, das täte er alles allein für mich! Er wollte mir einfach ein perfekter Mann werden! So perfekt, wie ich für ihn sei! Das imponierte mir dann allerdings schon auch mächtig …Denn das waren ja nicht nur in den Sand gekrickelte Worte: Das waren knallharte Fakten!

Und es erleichterte mich auch. Selbst wenn er mal was anderes anhatte als die zu großen T-Shirts und die unten mehrfach umgekrempelten, mittlerweile faltig gegürteten Jeans … Ich kam mit vielen seiner Klamotten einfach nicht zurecht, denn sie sahen teilweise aus, als gehörten sie einem rebellierenden Vierzehnjährigen. Einige von seinen Unmengen an Kombinationen wirkten auf mich fast irre, das bemerkte ich an meinem inneren Widerwillen. Er hatte Outfits in knallbunt und gemustert, in denen er, dann auch noch mit weißen Schuhen oder dottergelben Crocs, irgendwie völlig entsprungen wirkte!

Dennoch konnte ich an all seinen Großtaten unzweifelhaft ablesen, dass es ihm wirklich wichtig war mir zu gefallen und mich zu erobern. So etwas hatte tatsächlich noch niemals ein Mann für mich getan! Und in dem Maße, wie ich sah, dass sich unter dem speckigen Gesicht ein wirklich gar nicht unattraktiver Mann mit sehr schöner Haut und guten Zügen herausschälte, der einen wundervollen Blick besaß, begann ich mich doch auch ein kleines bisschen in ihn zu verlieben … Ich meine: wer weiß??? Wenn er wirklich wieder so schlank würde wie auf den älteren Fotos …?! Wenn er sich die furchtbaren Tätowierungen lasern ließ …?! Wenn er sich dann vielleicht sogar noch auf die Zähne konzentrierte …?! Dann blieb halt immer noch, dass er einfach ein kleiner Wurzelsepp war! Damit könnte ich dann möglicherweise ja sogar leben, wenn er ja vielleicht ansonsten „der Größte“ war …?! Ich wusste: Es waren ja alles „nur“ Oberflächlichkeiten! Dennoch, ob wir das nun wahrhaben wollen oder nicht, sind wir genetisch darauf getrimmt diesen Dingen höchste Wertigkeit zuzusprechen, weil sie eben doch viel über das Innere eines Subjektes verraten! Und ganz ehrlich mal: das Auge isst ja nun auch immer mit! Und kleine Männer … also nee, oder?

Leider machte ich hier einen eminenten und oft leider lange unsichtbar bleibenden Fehler: Ich pokerte mit seinen Möglichkeiten! Ich nahm auf seine Worte, Erstlings-Taten und Absichten ganz ausversehen einen emotionalen Kredit auf, weil die Schecks, die er auf den Tisch des Hauses gelegt hatte, ganz offensichtlich ja gedeckt waren und er seinen großen Worten auch große Taten folgen ließ …! Dennoch war er immer noch weit entfernt von dem, was ich als schön, attraktiv oder gar sexy empfand! Er pochte auf meine Unkonventionalität, auf mein Querdenkertum - und das unsere ganz besondere Liebe eben auch einfach ganz andere Gesetze der Perfektion lebe! Emotionale Erpressung, par excellence! Und so ganz Unrecht wollte ich ihm damit scheinbar dann auch nicht geben …

Nebenbei machte er ungebrochen weiter mit seinem Love-Bombing. Er überschüttete mich mit den zauberhaftesten Spitznamen und verbalen Liebkosungen, er füllte jede einzelne Vase mit immer neuen Blumen. Er schleppte süße, kleine Geschenke an. Er hinterließ überall Liebesbekundungen. Er liebte mich! Aber was für mich daran das Schlimmste war: Er brauchte mich! Diese ständigen Beteuerungen seines mich-Brauchens erfüllte mich sowohl mit Grauen, als auch mit einem Alarmklingeln: Von einem Mann willkürlich aus dem Stegreif erst „über alles geliebt“ und dann auch noch „gebraucht zu werden“, war ja nun wirklich das Allerletzte, was ich in meinem Leben grad noch haben wollte! Gebraucht zu werden, hieß nichts anderes als: in Abhängigkeit gesetzt zu werden, in Verantwortung gezwungen zu werden, und zwar von dem, der einen zu brauchen beschlossen hatte! Suchtartige Besessenheit mit dem Willen zur Abhängigkeit, Verschmelzung und Eins-Werdung?! Das kam aus, und vor allem das ging, in eine für mich völlig verkehrte, völlig kaputte Richtung! Aber das war seine Realität. Und wie es mal aussah, hatte alles andere eben einfach außen vor zu bleiben! Auch eine irgendwie geartete tätige Vernunft - die wohl mal ganz zuvorderst, rückblickend betrachtet.

Er hatte mich durch seine Art und seinen sichtbaren Willen der perfekte Mann für mich zu werden tatsächlich auch ein wenig bezaubert und mit sich selber verführt! Außerdem faszinierte und bannte mich seine unglaubliche Präsenz, Empathie und Intensität! Er hatte, trotz allem, oft unglaublich feine Antennen und nichts entging ihm jemals. Alles was er tat, tat er leidenschaftlich und vollkommen. Er war total präsent, total zugewandt, fast hellseherisch, und total gegenwärtig! Er war achtsam, dankbar, liebend und jederzeit immer ansprechbar und voll da. Er hatte echte Emotionen und Gefühle, die in seinen Handlungen und Worten klar zu Tage traten. Er lebte! Er dehnte dieses starke, pulsierende und vibrierende Leben auf mich aus, er durchtränkte mich damit förmlich. Es tat gut. Unglaublich gut! Ich dachte öfter bei mir, dass diese Anziehung zwischen uns möglicherweise auch daher rührte, dass ich endlich mal, wahrscheinlich zum ersten Mal in meinem ganzen Leben überhaupt, hier auf einen Mann getroffen war, „der es mal mit mir und meiner Energie aufnehmen konnte“! Der total stark war, der voll in sich ruhte, der wusste wer er war, und der vor allem wusste was er wollte: mich! Er wurde nicht fertig zu betonen, wie klasse er das fände, dass ich „eine so dermaßen starke Frau sei“. Ich weiß nicht zu sagen warum, aber irgendwie klingelten da bei mir jedes Mal die Alarmglocken: Warum war das so dermaßen wichtig?! Aber auch wenn er optisch leider in großen Teilen unter meinem Radar flog, war er seelisch ehrlich gesagt genau das, was ich mir immer gewünscht hatte! Er sprach mich einfach auf eine ganz tiefe Weise seelisch an – und ich ließ mich gerne so von ihm ansprechen!

Es wirkte außerdem, als seien wir uns tatsächlich sehr, fast unheimlich, ähnlich! Das überraschte mich ja total. Und es überraschte mich umso mehr, da ER dies alles ja schon längst wusste und schon längst korrekt skaliert hatte: „Unsere Herzen schlagen im Gleichklang! Und auch Du wirst das schon bald noch merken!“ Es schien überraschenderweise tatsächlich so. Wir wollten dieselben Dinge zur selben Zeit. Wir machten oft dieselben Dinge. Wir lachten über dieselben Dinge. Wie entspannt und wie zauberhaft das war! Und aber auch etwas reichlich mysteriös, das vergaß ich trotz steigender Bezauberung aber trotzdem nie … Aber quelle surprise: Auch darüber übernahm er sofort die alleinige geistige Herrschaft: „Überirdisch! Eine Beziehung, die im Himmel geschlossen wurde! Karmisches Schicksal! Wir kennen uns aus einem früheren Leben, wir haben uns hier verabredet! Du hast mich gesucht und ich habe Dich erkannt! Endlich!!! Ich danke Dir dafür, danke …!“ Also langsam mal jetzt …Äh, was ist los?!

Ich hörte mir das alles an, ziemlich verlegen, von der blinden Heftigkeit total abgestoßen, aber zugebenermaßen (leider!) auch etwas fasziniert. Er schien all das wirklich zu glauben! Ich ließ ihn also mit seinem süßen Märchen (leider!) wortlos gewähren, aber stieg innerlich nicht drauf ein. Und noch etwas fand ich extrem merkwürdig: Ein tätowierter Handwerker vom Dorf, rauchend, mit einem Hang zu Alkohol, in einer völlig ausgefransten Borderline-Ehe steckend - und eine intellektuelle, selbstständige, attraktive Junggesellin aus der Stadt, trafen sich an diesem Punkt?! Wie konnte denn das bitte sein?! Es spottete jeder mir bekannten Logik und Erfahrung! Und es machte mich (leider!) neugierig und wirr zugleich. Er wischte alle Zweifel stets nur mit einer großartigen Bewegung weg: „Wir sind einander bestimmt! Ich weiß, dass alles am Ende gut ausgehen wird! Da mache ich mir überhaupt keine Sorgen! Es wird dann schon auch schnackseln bei Dir …Hoffentlich bald mal!“ Hm! 

Schon schnell wucherte er mit großer Wucht in mein Leben und versuchte überall Raum zu greifen. Er fabulierte bereits innerhalb der ersten Wochen von einem gemeinsamen Urlaub und bestand darauf, dass wir „jeden Abend schön zusammen kochten“. Das täte mir schmächtigem Persönchen einfach gut! Ach. Ich hatte allerdings noch weit mehr den Eindruck, dass es in erster Linie ihm gut tat, und dass er quasi von einer Küche in die nächste gehüpft war! Die Ehefrau war ja jetzt weg, der Versorgungsanspruch und der Wunsch nach Bequemlichkeit aber natürlich, auch mangels alternativer Verhaltensweisen, ungebrochen vorhanden. Und wie es nur passte: Da war ja schon die nächste denkende und kochende Frau am Start! Manchmal kochten „wir“ dann tatsächlich mal miteinander. Dazu hatte er mich dann um die Mittagszeit angerufen (wie eine Ehefrau eben) und gefragt, was „wir“ denn heute schönes kochen wollten??? Ich mochte diese Gespräche nicht und fühlte mich höchst unwohl dabei. Es waren immer gleich kalte und sachliche Telefonate, er sagte mir nie etwas schönes. Einmal nannte er mich abwesend sogar beim Spitznamen seiner Ehefrau, ohne es zu bemerken. Das zeigte mir schnell, in welch kontaktarmem Modus diese „Gespräche“ tatsächlich stattfanden: Er wusste ja schon nicht mal mehr, mit wem er da eigentlich gerade sprach! Er quasselte sich genervt aus dieser Peinlichkeit heraus: „Mein Gott, das kann doch nun jedem mal passieren! Ich war eben einfach etwas unkonzentriert gewesen! Und meinen Kollegen ist das allen schon mal passiert – kein Drama jetzt, aber echt nicht!“ Natürlich nicht, es hat nichts