Traumafokussierte pädagogische Gruppenintervention für junge Flüchtlinge - Elisa Pfeiffer - E-Book

Traumafokussierte pädagogische Gruppenintervention für junge Flüchtlinge E-Book

Elisa Pfeiffer

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Beschreibung

Junge Flüchtlinge erleben vor, während und nach ihrer Flucht eine Vielzahl traumatischer Erlebnisse und entwickeln infolgedessen häufig posttraumatische Stresssymptome und depressive Symptome. Dies stellt pädagogische und psychologische Fachkräfte vor besondere Herausforderungen. Die in diesem Manual vorgestellte Gruppenintervention "Mein Weg" richtet sich speziell an junge Flüchtlinge im Alter von 13 bis 21 Jahren. Ziel des Manuals ist zum einen die Symptomprävention und -reduktion bei den jungen Flüchtlingen, zum anderen aber auch das Stärken von Fachkräften im Umgang mit traumatisierten jungen Flüchtlingen. Kompetenzen in den Bereichen Trauma und Traumafolgestörungen sowie das Arbeiten mit traumapädagogischen Konzepten werden gefördert. Die Intervention wurde für die Durchführung in Gruppen konzipiert und umfasst sechs wöchentlichen Sitzungen im Umfang von jeweils ca. 90 Minuten. Das Manual umfasst zahlreiche Materialien und konkrete Anweisungen für die traumafokussierte Arbeit im pädagogischen Setting. Im Gegensatz zu vielen anderen traumapädagogischen Interventionen wurde die Wirksamkeit von "Mein Weg" wissenschaftlich nachgewiesen. Die Intervention wird bereits in zahlreichen Jugendhilfeeinrichtungen angeboten. Passende Schulungen und Supervision werden über das TRAIN Institut (https://www.trauma-fortbildung.de/) angeboten

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Elisa Pfeiffer

Lutz Goldbeck

Traumafokussierte pädagogische Gruppenintervention für junge Flüchtlinge

Das Programm „Mein Weg“

M.Sc.-Psych. Elisa Pfeiffer, geb. 1990. 2009–2015 Studium der Psychologie an der Universität Konstanz und der National University of Singapore. Seit Oktober 2015 Tätigkeit an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie der Universitätsklinik Ulm als Doktorandin, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Projektleiterin von „Mein Weg“. Forschungsschwerpunkt: Diagnostik und Behandlung von Traumafolgestörungen bei Kindern und Jugendlichen, insbesondere jungen Geflüchteten.

Prof. Dr. Lutz Goldbeck (1958–2017). 2001-2017 leitender Psychologe an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/​-psychotherapie des Universitätsklinikums Ulm, dort Leiter der Sektion Psychotherapieforschung und Verhaltensmedizin mit Ausbildungszentrum für Verhaltenstherapie.

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autoren bzw. den Herausgebern große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

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[email protected]

www.hogrefe.de

Satz: ARThür Grafik-Design & Kunst, Weimar

Format: EPUB

1. Auflage 2019

© 2019 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

(E-Book-ISBN [PDF] 978-3-8409-2967-0; E-Book-ISBN [EPUB] 978-3-8444-2967-1

ISBN 978-3-8017-2967-7

http://doi.org/10.1026/02967-000

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Diese Bestimmungen gelten gegebenenfalls auch für zum E-Book gehörende Audiodateien.

Anmerkung:

Sofern der Printausgabe eine CD-ROM beigefügt ist, sind die Materialien/Arbeitsblätter, die sich darauf befinden, bereits Bestandteil dieses E-Books.

Zitierfähigkeit: Dieses EPUB beinhaltet Seitenzahlen zwischen senkrechten Strichen (Beispiel: |1|), die den Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe und des E-Books im PDF-Format entsprechen.

|5|Danksagung

An erster Stelle möchte ich mich bei meinem Ko-Autor dieses Manuals, Supervisor und Mentor Prof. Dr. Lutz Goldbeck († 30. Oktober 2017) bedanken, mit dem ich gemeinsam diese Intervention entwickelt habe. Als erfahrener (Trauma-)Therapeut und Wissenschaftler hat er Ende 2015 frühzeitig den dringenden Hilfebedarf in Form von niedrigschwelligen Interventionen für traumatisierte minderjährige Flüchtlinge einerseits und Weiterbildungsmöglichkeiten für Pädagogen andererseits erkannt, und sofort die Initiative ergriffen. Seine große Motivation, seine hohe professionelle Kompetenz und langjährige Erfahrung in diesem Bereich waren die Grundlage zur Entwicklung und Evaluation dieser Intervention.

Vielen Dank an Herrn Prof. Dr. Jörg M. Fegert, ärztliche Leitung der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie der Universitätsklinik Ulm, für die Übernahme der kommissarischen Leitung und die Unterstützung des Projekts „Mein Weg“ nach dem Tod von Herrn Prof. Dr. Lutz Goldbeck.

Mein besonderer Dank gilt den „Mein Weg“ Supervisoren Thorsten Sukale, Miriam Rassenhofer und Veronica Kirsch, die seit mehr als 2 Jahren viele „Mein Weg“-Gruppen begeistert supervidiert und unterstützt haben sowie wertvolles Feedback zu diesem Manual geliefert haben.

Weiterhin bedanke ich mich bei allen wissenschaftlichen Mitarbeitern und wissenschaftlichen Hilfskräften in der Sektion Psychotherapieforschung, die das Projekt bei zahlreichen Screenings und anderen Projektaufgaben unterstützt haben: Judith Hirschmiller, Belinda Fleischmann, Cedric Sachser, Svenja Schön, Marie Berlet, Sabine Grau, Dunja Tutus und insbesondere Lasse Bartels, der fast alle Grafiken für dieses Manual entworfen und ausgearbeitet hat.

Ich möchte mich an dieser Stelle bei der World Childhood Foundation, insbesondere Frau Andrea Möhringer und der Otto-Kässbohrer-Stiftung in Ulm bedanken, die das Forschungsprojekt „Mein Weg“ finanziell und inhaltlich unterstützt haben.

Zuletzt gilt mein herzlicher Dank unseren teilnehmenden jungen Flüchtlingen, den Gruppenleitern, Koordinatoren und Einrichtungsleitungen der folgenden Einrichtungen, ohne die das Gesamtprojekt nicht möglich gewesen wäre: Erzbischöfliches Kinderheim Haus Nazareth Sigmaringen und Hechingen, Eva Heidenheim gGmbH, AWO Augsburg, Paulinenpflege Winnenden, Jugendhilfe Aktiv e. V. Esslingen, Diakonische Jugendhilfe Region Heilbronn, Zentrum >guterhirte< Ulm, Kinder- und Jugendhilfe Neuhausen, Jugendhilfe Creglingen, Heilpädagogisches Jugendhilfezentrum Sperlingshof, Albert-Schweitzer-Kinderdorf e. V., Oberlin e. V. Ulm, Psychologische Beratungsstelle Diakonieverbund Ulm, AWO Ulm, My Beratung und Bildung Günzburg, Jugend- und Erwachsenenhilfe Seitz gGmbH Ulm und Sankt Hildegard Memmingen. Danke für Ihre leidenschaftliche und engagierte Unterstützung.

Elisa Pfeiffer

|6|Vorwort World Childhood Foundation

Traumata schädigen. Sie verhindern das Führen eines emotional stabilen und glücklichen Lebens. Allein gelassen mit ihnen, können Traumata das Leben eines Menschen langfristig negativ beeinflussen. Das gilt im Besonderen auch für Flüchtlingskinder und für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Auf ihrem oft langen Weg nach Deutschland waren viele von ihnen furchtbaren Erlebnissen ausgesetzt. Eine frühzeitige Intervention, die stützt, stabilisiert und das Erlebte anspricht, kann den Betroffenen einen Teil des Leidensdrucks nehmen.

Das geschieht im Projekt „Mein Weg“, das durch die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie des Universitätsklinikums Ulm entwickelt und in Zusammenarbeit mit einer Reihe von freien Trägern der Jugendhilfe implementiert wurde. Das niedrigschwellige Unterstützungsangebot hilft unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen bei der Bewältigung traumatischer Erlebnisse und schafft ein soziales Netz um die jungen Menschen. Bedenkt man, dass die Hälfte der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge derzeit noch keine ausreichende psychologische Betreuung erhält, erscheint die gelungene Projektimplementation von „Mein Weg“ als möglicher Lösungsansatz für eine flächendeckendere psychologische Erstversorgung für die Betroffenen.

Als Geschäftsführerin der World Childhood Foundation ist es mir ein besonderes Anliegen, innovative und interdisziplinäre Projektideen zu unterstützen, die neue Wege gehen und das Potenzial haben, mit ihrer Arbeit die Lebensqualität möglichst vieler Kinder und Jugendlicher zu verbessern. Es macht mich stolz zu sehen, dass wir als Stiftung mit der Förderung von „Mein Weg“ dabei geholfen haben, ein großartiges Konzept in die Praxis umzusetzen, von dem zukünftig viele junge Menschen profitieren werden.

Andrea Möhringer

WORLD CHILDHOOD FOUNDATION

Geschäftsführung

|7|Vorwort

Allein im Jahr 2017 haben über 1,4 Millionen Flüchtlinge und Asylsuchende die Bundesrepublik Deutschland erreicht, über die Hälfte von ihnen ist minderjährig (United Nations High Commissioner for Refugees, 2018). Eine hohe Zahl an jungen Flüchtlingen erlebt in ihrem Heimatland, auf der Flucht und auch im Gastland eine Vielzahl traumatischer Erlebnisse, welche die individuellen Bewältigungsmöglichkeiten übersteigen. Infolgedessen entwickelt etwa jeder zweite (unbegleitete) minderjährige Flüchtling posttraumatische Stresssymptome wie Wiedererleben der Erlebnisse in Form von sich ungewollt aufdrängenden Bildern oder Albträumen, Schlafstörungen, Konzentrationsproblemen oder Veränderungen in Stimmung (Freudverlust, Zunahme an Aggression und Traurigkeit) und Kognitionen („Ich bin an allem schuld“, „Ich bin seit dem Erlebnis wertlos“). Verschiedene strukturelle und individuelle Barrieren verhindern jedoch einen adäquaten Zugang zu einer psychotherapeutischen und psychiatrischen Versorgung. Gestufte Versorgungsmodelle sind eine Antwort auf ein nur eingeschränkt funktionierendes Hilfesystem, das dem aktuellen Bedarf nicht gerecht wird.

Die traumafokussierte pädagogische Gruppenintervention „Mein Weg“ stellt eine niedrigschwellige Komponente in einem gestuften Versorgungsmodell für junge Flüchtlinge dar. Die Intervention wurde Anfang 2016 gemeinsam mit Partnern aus der Jugendhilfe entwickelt und wissenschaftlich evaluiert (s. Evidenz). Sie richtet sich speziell an traumatisierte junge Flüchtlinge, die unter posttraumatischen Stresssymptomen und depressiven Symptomen leiden. Pädagogen1 werden anhand des Manuals befähigt, die insgesamt sechs Sitzungen mit 2 bis 5 Jugendlichen manualgetreu durchzuführen. Die Wirkfaktoren der Intervention sind das konkrete traumafokussierte Arbeiten sowie die Gruppenkomponente. Die Implementation der Intervention in Jugendhilfeeinrichtungen, Schulen oder Beratungsstellen bietet wichtige Vorteile wie etwa die Herabsetzung der Hemmschwelle zur Teilnahme am Hilfsangebot, eine bekannte und vertraute Umgebung für die Jugendlichen und ein relativ niedriger organisatorischer Aufwand für die Durchführenden.

Ziel des Manuals ist neben einer Symptomprävention und -reduktion bei den jungen Flüchtlingen auch Pädagogen im Umgang mit traumatisierten jungen Flüchtlingen zu stärken und Kompetenzen in den Bereichen Trauma, Traumafolgestörungen und das Arbeiten mit traumapädagogischen Konzepten zu fördern.

Das vorliegende Manual enthält vielfältige Arbeitsmaterialien wie ein Workbook für die Teilnehmenden mit nichtsprachlichen Inhalten oder Sitzungsprotokolle für die eigene Reflexion. Die genaue Anwendung der Materialien wird für jede Sitzung detailliert beschrieben. Die Durchführung der Intervention „Mein Weg“ wird nach einem allgemeinen theoretischen Hintergrund Sitzung für Sitzung beschrieben. Zunächst wird das Rational jeder Sitzung erklärt, anschließend die praktische Durchführung und Umsetzung dieses Rationals innerhalb der Stunde und zuletzt gibt es jeweils Abschnitte zum Umgang mit möglichen Schwierigkeiten und Tipps.

Parallel zur Durchführung der Intervention empfehlen wir eine umfassende Schulung zum Manual und eine kontinuierliche Supervision durch erfahrene Kliniker. Diese kann unter anderem durch das TRAIN Institut (https://www.trauma-fortbildung.de/), welche erfahrene „Mein Weg“ Supervisoren beschäftigt, in Anspruch genommen werden. Direkte Kontaktdaten der Supervisoren finden Sie auch im Manual.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei der Anwendung des Manuals „Mein Weg“.

Elisa Pfeiffer

1

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde im gesamten Text auf die Nennung der femininen und maskulinen Form (z. B. Gruppenleiterin/Gruppenleiter) verzichtet. Obwohl im Text meist die männliche Form verwendet wird, sind immer beide Geschlechter gemeint.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1 Theoretischer Hintergrund

1.1 Trauma und Posttraumatische Belastungsstörung

1.2 Epidemiologie und Symptomatik bei jungen Flüchtlingen

1.3 Traumatherapie: Stand der Therapieforschung

1.4 Kulturelle Aspekte bei jungen Flüchtlingen

Kapitel 2 Manual zur Intervention

2.1 Einordnung „Mein Weg“: Gestuftes Versorgungsmodell

2.2 Das Rational der Intervention „Mein Weg“

2.3 Allgemeine Anwendungshinweise

2.3.1 Supervision: Klinische Begleitung der Durchführung

2.3.2 Materialien zur Durchführung der Intervention

2.4 Eingangsüberlegungen

2.4.1 Gruppenzusammensetzung

2.4.2 Gruppenleitung

2.4.3 Einbezug der Bezugspersonen

2.4.4 Zeitliche Struktur der Sitzungen

2.5 Modul 1: Belastungseinschätzung vor der Gruppendurchführung (Evaluation, Teil 1)

2.5.1 Materialien

2.5.2 Durchführung einer Belastungseinschätzung

2.6 Modul 2: Sitzungsinhalte

2.6.1 Inhaltliche Struktur der Sitzungen

2.6.2 Sitzung 1; Fokus: Psychoedukation und Bauchatmung

2.6.3 Sitzung 2; Fokus: Beginn des Narrativs

2.6.4 Sitzung 3; Fokus: Narrativ, Teil 2

2.6.5 Sitzung 4; Fokus: Narrativ, Teil 3

2.6.6 Sitzung 5, Fokus: Narrativ, Teil 4

2.6.7 Sitzung 6; Fokus: Zukunftsperspektive und Abschluss

2.7 Modul 3: Belastungseinschätzung nach der Gruppendurchführung (Evaluation, Teil 2)

2.7.1 Schritte der Belastungseinschätzung

2.7.2 Nachsorge

Kapitel 3 Empirischer Wirksamkeitsnachweis

3.1 Pilotstudie

3.2 RCT Studie: Evaluation der Intervention im kontrollierten Studiendesign

3.2.1 Exkurs: Randomisiert kontrollierte Studien

3.2.2 Die RCT-Studie zu „Mein Weg“

3.2.3 Beschreibung der Studienteilnehmenden

3.2.4 Studienergebnisse

3.3 Implementations- und Disseminationsphase

3.4 Forschungsergebnisse bezüglich der Gruppenleitung

3.5 Fazit

Literatur

Anhang

Materialien auf CD-ROM

|11|Kapitel 1Theoretischer Hintergrund

1.1 Trauma und Posttraumatische Belastungsstörung

Anders als im alltäglichen Sprachgebrauch wird ein traumatisches Erlebnis nach DSM-5-Kriterien (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders; American Psychiatric Association, 2013) wie folgt definiert: „Konfrontation mit tatsächlichem oder drohendem Tod, ernsthafter Verletzung oder sexueller Gewalt (…)“ (American Psychiatric Association, 2014, S. 369). Diese Konfrontation kann entweder durch direktes eigenes Erleben, Zeugenschaft oder dadurch geschehen, dass man von anderen von einem solchen Ereignis erfährt. Beispiele sind das Erleben von physischer oder sexueller Gewalt, der Tod einer nahestehenden Person, Naturkatastrophen oder Unfälle. Traumatische Ereignisse werden in der Praxis häufig in zwei Subtypen unterteilt: Typ-1 und Typ-2 Traumata (Terr, 1991). Hierbei stellen Typ-1 Traumata akute, kurze und begrenzte Erlebnisse dar, wie beispielsweise einen Verkehrsunfall. Typ-2 Traumata hingegen umfassen langanhaltende und sich wiederholende Erlebnisse, wie etwa häusliche Gewalt oder das Leben im Kriegsgebiet. Traumatische Erlebnisse werden außerdem in die Kategorien interpersonell und akzidentell eingeteilt (vgl. Abbildung 1; angelehnt an Maercker, 2013). Interpersonelle Traumata und Typ-II-Traumata haben für gewöhnlich schwerwiegendere Folgen als akzidentelle oder Typ-I-Traumata.

Abbildung 1: Darstellung der Traumatypen

Mehr als 2/3 der Kinder weltweit erleben vor ihrem 16. Lebensjahr mindestens ein traumatisches Erlebnis, und etwa 13 % entwickeln infolgedessen posttraumatische Stresssymptome (Copeland, Keeler, Angold & Costello, 2007). Das Erleben von sexueller oder physischer Gewalt wird hierbei besonders stark mit der Entwicklung einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) assoziiert. Eine Studie von Loos, Wolff, Tutus und Goldbeck (2015) untersuchte die Arten traumatischer Erlebnisse in einer Stichprobe von 159 in Deutschland lebenden Kindern und Jugendlichen mit klinisch relevanter posttraumatischer Stresssymptomatik und fand heraus, dass am häufigsten kör|12|perliche Gewalt (57,9 %), der Verlust einer nahestehenden Person (45,9 %) und sexuelle Übergriffe bzw. Missbrauch (44 %) berichtet werden. Das Erleben eines traumatischen Ereignisses führt in den meisten Fällen zu einer akuten Stressreaktion, bei welcher Kinder und Jugendliche ängstlich, entsetzt, aufgelöst und verwirrt wirken, bzw. sind. Wenn diese Stressreaktionen mindestens 4 Wochen anhalten, ist eine weitere Abklärung einer PTBS durch Kinder- und Jugendpsychiater/Psychotherapeuten notwendig. Die Symptome der PTBS können nach DSM-5 in vier Bereiche (Wiedererleben, Vermeidung, Negative Veränderungen in Kognitionen und/oder Affekten, Veränderung in Erregungsniveau und Reaktivität; s. Kriterien B bis E) mit insgesamt 20 Symptomen eingeteilt werden (vgl. Kasten 1).

Kasten 1:Diagnostische Kriterien für eine Posttraumatische Belastungsstörung nach DSM-5 (Abdruck erfolgt mit Genehmigung aus der deutschen Ausgabe des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, Fifth Edition © 2013, Dt. Ausgabe: © 2018, American Psychiatric Association. Alle Rechte vorbehalten)

Diagnostische Kriterien

F43.10

Posttraumatische Belastungsstörung

Beachte: Die folgenden Kriterien gelten für Erwachsene, Jugendliche und Kinder, die älter als 6 Jahre sind. Für 6-jährige oder jüngere Kinder gelten die entsprechenden weiter unten aufgeführten Kriterien.

Konfrontation mit tatsächlichem oder drohenden Tod, ernsthafter Verletzung oder sexueller Gewalt auf eine (oder mehrere) der folgenden Arten:

Direktes Erleben eines oder mehrerer traumatischer Ereignisse.

Persönliches Erleben eines oder mehrerer solcher traumatischer Ereignisse bei anderen Personen.

Erfahren, dass einem nahen Familienmitglied oder einem engen Freund ein oder mehrere traumatische Ereignisse zugestoßen sind. Im Falle von tatsächlichem oder drohendem Tod des Familienmitgliedes oder Freundes muss das Ereignis bzw. müssen die Ereignisse durch Gewalt oder einen Unfall bedingt sein.

Die Erfahrung wiederholter oder extremer Konfrontation mit aversiven Details von einem oder mehreren derartigen traumatischen Ereignissen (z. B. Ersthelfer, die menschliche Leichenteile aufsammeln, oder Polizisten, die wiederholt mit schockierenden Details von Kindesmissbrauch konfrontiert werden).

Beachte: Eine Konfrontation durch elektronische Medien, Fernsehen, Spielfilme oder Bilder erfüllt das Kriterium A4 nicht, es sei denn, diese Konfrontation ist berufsbedingt.

Vorhandensein eines (oder mehrerer) der folgenden Symptome des Wiedererlebens (Intrusionen), die auf das oder die traumatischen Ereignisse bezogen sind und die nach dem oder den traumatischen Ereignissen aufgetreten sind:

Wiederkehrende, unwillkürlich sich aufdrängende belastende Erinnerungen (Intrusionen) an das oder die traumatischen Ereignisse.

Beachte: Bei Kindern, die älter als 6 Jahre sind, können traumabezogene Themen oder Aspekte des oder der traumatischen Ereignisse wiederholt im Spielverhalten zum Ausdruck kommen.

Wiederkehrende, belastende Träume, deren Inhalte und/oder Affekte sich auf das oder die traumatischen Ereignisse beziehen.

Beachte: Bei Kindern können stark beängstigende Träume ohne wiedererkennbaren Inhalt auftreten.

Dissoziative Reaktionen (z. B. Flashbacks), bei denen die Person fühlt oder handelt, als ob sich das oder die traumatischen Ereignisse wieder ereignen würden. (Diese Reaktionen können in einem Kontinuum auftreten, bei dem der völlige Wahrnehmungsverlust der Umgebung die extremste Ausdrucksform darstellt.)

Beachte: Bei Kindern können Aspekte des Traumas im Spiel nachgestellt werden.

Intensive oder anhaltende psychische Belastung bei der Konfrontation mit inneren oder äußeren Hinweisreizen, die einen Aspekt des oder der traumatischen Ereignisse symbolisieren oder an Aspekte desselben bzw. derselben erinnern.

Deutliche körperliche Reaktionen bei der Konfrontation mit inneren oder äußeren Hinweisreizen, die einen Aspekt des oder der traumatischen Ereignisse symbolisieren oder an Aspekte desselben bzw. derselben erinnern.

|13|Anhaltende Vermeidung von Reizen, die mit dem oder den traumatischen Ereignissen verbunden sind, und die nach dem oder den traumatischen Ereignissen begannen. Dies ist durch eines (oder beide) der folgenden Symptome gekennzeichnet:

Vermeidung oder Bemühungen, belastende Erinnerungen, Gedanken oder Gefühle zu vermeiden, die sich auf das oder die Ereignisse beziehen oder eng mit diesem/diesen verbunden sind.

Vermeidung oder Bemühungen, Dinge in der Umwelt (Personen, Orte, Gespräche, Aktivitäten, Gegenstände, Situationen) zu vermeiden, die belastende Erinnerungen, Gedanken oder Gefühle hervorrufen, die sich auf das oder die Ereignisse beziehen oder eng mit diesem bzw. diesen verbunden sind.

Negative Veränderungen von Kognitionen und der Stimmung im Zusammenhang mit dem oder den traumatischen Ereignissen. Die Veränderungen haben nach dem oder den traumatischen Ereignissen begonnen oder sich verschlimmert und sind durch zwei (oder mehr) der folgenden Symptome gekennzeichnet:

Unfähigkeit, sich an einen wichtigen Aspekt des oder der traumatischen Ereignisse zu erinnern (typischerweise durch Dissoziative Amnesie und nicht durch andere Faktoren wie Kopfverletzungen, Alkohol oder Drogen bedingt).

Anhaltende und übertriebene negative Überzeugungen oder Erwartungen, die sich auf die eigene Person, andere Personen oder die Welt beziehen (z. B. „Ich bin schlecht“, „Man kann niemandem trauen“, „Die ganze Welt ist gefährlich“, „Mein Nervensystem ist dauerhaft ruiniert“).