Träume des Sommers - Ina Christiane Sasida - E-Book

Träume des Sommers E-Book

Ina Christiane Sasida

5,0

Beschreibung

"Träume des Sommers" - bezaubernd und hochspannend bis zum Schluss. Nach einer verkorksten Wintersaison in den Schweizer Bergen kehrt Denise ziemlich frustriert nach Deutschland zurück. So hatte sie sich das nicht vorgestellt, denn sie wollte endlich etwas erleben, was ihr langweiliges Leben beendet. Wild entschlossen packt sie deshalb noch einmal ihre Koffer und kehrt in die Schweiz zurück, wo sie am Lago Maggiore Jörn wiedertrifft, den sie flüchtig aus ihrer vergangenen Wintersaison kannte. Völlig überrascht versucht sie sich gegen ihre aufkommenden Gefühle zu wehren, was ihr nicht gelingt, und es beginnt eine zauberhafte Romanze. Doch mit der Zeit geschehen merkwürdige Dinge, die sie nicht versteht, und sie bemerkt, dass er sie belügt. Plötzlich erscheint so vieles in einem ganz anderen Licht. Denise bemerkt immer mehr, dass vieles, was er ihr sagt, nicht stimmt und sie wird misstrauisch. Bald weiß sie nicht mehr, was sie ihm noch glauben kann und irgendwann muss sie sich fragen, ob der Mann ihrer Träume am Ende nicht ein einziger großer Albtraum ist.

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Seitenzahl: 482

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Mein Gott, was war das für ein Tag, Denise! dachte ich. Es war dein letzter Arbeitstag in diesem verhassten Job. Was war geschehen? Ich hatte die Nase gestrichen voll von meinem öden Leben in Deutschland. Meine Kinder waren aus dem Haus, ich war Ende 40 und jetzt musste etwas geschehen. Mein Job, naja, es war halt ein Job und mehr nicht. So wollte ich nicht bis zu meiner Rente weitermachen. Irgendetwas musste anders werden. Aber was? Wie so oft suchte ich mal wieder im Internet nach entsprechenden Angeboten. Ich hatte im Moment keine Ahnung, was ich machen wollte, ich wusste nur, es sollte irgendetwas anderes sein. Etwas, was Freude und Abwechslung in mein Leben bringt und wo es nicht nur, wie es bisher eigentlich immer war, um das liebe Geld geht. Ich schaute schon seit Wochen immer mal wieder die Jobanzeigen durch, aber ich hatte noch nichts Interessantes gefunden. Alles, was ich bisher gesehen hatte, fand ich langweilig. Ich hatte schon so einen faden, langweiligen Job in der Klinik, noch so einen brauchte ich nun wirklich nicht. Aber was wollte ich eigentlich? Was konnte ich mir vorstellen zu tun? Ich wusste es absolut nicht. Das Einzige, was ich wusste, war, dass ich total unzufrieden war – mit meinem Job, mit mir, ja, mit meinem ganzen Leben. So saß ich dann eines Tages mal wieder an meinem Computer und suchte im Internet, als ich mehr durch Zufall auf eine Seite stieß, wo Jobs in die Schweiz vermittelt wurden. Schweiz, dachte ich, das hört sich ja nun nicht schlecht an. Das wäre doch vielleicht mal ein Abenteuer wert. Mein Interesse war geweckt und ich sah mir diese Seite etwas genauer an. Es waren durch die Bank lauter Jobs in der Gastronomie, die dort angeboten wurden. Wieder einmal Kellnern, dachte ich, warum nicht? Das hatte ich früher schon getan und das hatte mir immer viel Spaß gemacht. Ich sagte mir: Denise, jetzt oder nie! Wenn du jetzt nicht deinen Hintern bewegst und etwas unternimmst, wirst du hier versauern und in deinem Leben wird sich nie etwas ändern! Also überlegte ich nicht mehr lange, sondern schickte sofort online einige Bewerbungen. Nachdem ich sie abgeschickt hatte, überkam mich doch ein etwas flaues Gefühl. Würde ich in meinem Alter überhaupt eine Chance haben einen Job zu finden? War ich vielleicht doch etwas vorschnell gewesen? Tausend Gedanken gingen mir durch den Kopf und ich konnte in dieser Nacht kaum schlafen. Der nächste Tag begann daher auch etwas zögerlich, aber es war zum Glück Sonntag und ich musste nicht arbeiten, sodass ich es gemütlich angehen konnte. Ich frühstückte erst einmal ausgiebig und setzte mich dann an meinen Computer, um nach meinen E-Mails zu sehen. Das tat ich eigentlich immer einmal am Tag, aber heute war ich irgendwie etwas angespannt. Hatte sich vielleicht schon jemand auf meine Bewerbung gemeldet? Ich konnte es mir zwar nicht wirklich vorstellen, aber gehofft hatte ich es natürlich trotzdem. Ich öffnete mein Postfach und traute meinen Augen kaum: Ich hatte sechs Angebote aus der Schweiz, in denen mir in den schillerndsten Farben die jeweiligen Hotels und Restaurants angepriesen wurden. Ich konnte es nicht glauben, was ich da sah. Das war wirklich unglaublich! Das hätte ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht vorstellen können. Ich saß etwas irritiert vor meinem PC. Was sollte ich jetzt tun? Ich fing an, mir die Webseiten der einzelnen Hotels anzusehen und sortierte dann so nach und nach aus, was für mich nicht in Frage kam. Zum Schluss blieb ein kleines Restaurant auf einer Alb übrig. Es machte einen netten Eindruck und was ich so beim Recherchieren gefunden hatte, gefiel mir. Denise, sagte ich mir, das ist deine Chance. Nutze sie – jetzt! Und so schrieb ich eine E-Mail zurück und vereinbarte tatsächlich einen Termin.

Es war ein wunderschöner Herbsttag, als ich mich zu meinem Vorstellungsgespräch aufmachte. Einige Stunden Zugfahrt, dann eine halbe Stunde Seilbahn fahren und schon war ich auf knapp 2.000 Metern Höhe in den Alpen. Neugierig suchte ich mir meinen Weg zu meiner, vielleicht bald neuen, Arbeitsstelle. Ich fand es schnell, und als ich mit klopfendem Herzen vor der Tür stand, drückte ich ohne lange zu überlegen, auf den Klingelknopf. Es öffnete mir eine nette Dame, die sich auch gleich als die Chefin des Hauses entpuppte. Sie begrüßte mich freundlich und führte mich in das kleine Restaurant. Ich wurde gebeten Platz zu nehmen und einen Moment zu warten, denn sie wollte ihren Mann holen. Während ich so allein in der Gaststube saß, schaute ich mich ein bisschen um und was ich sah, gefiel mir. Der Raum war nicht besonders groß, aber freundlich eingerichtet. Die Tische waren aus hellem Holz, es gab eine kleine Nische mit einer Bank, im vorderen Teil gab es zwei Stehtische und eine kleine Theke. Auch diese war mit Holz verkleidet und es wirkte alles ein bisschen rustikal, aber auch ein wenig heimelig. Ich versuchte mir vorzustellen, wie das wohl im Winter hier sein würde, wenn der Schnee meterhoch vor der Tür lag und man von der warmen Stube aus in eine verschneite Winterlandschaft blicken konnte, denn an der Außenwand gab es eine lange Fensterfront, durch die man die hohen Berge im Hintergrund sehen konnte. Das musste ein Paradies für Ski- und Snowboard-Fans sein. Ich versuchte mir auszumalen, wie es wohl sein würde, wurde aber abrupt aus meinen Gedanken gerissen, denn die Chefin kam mit ihrem Mann im Schlepptau wieder zurück. Er begrüßte mich ebenfalls sehr freundlich und wir setzen uns an einen der gemütlichen Tische. Beide machten einen wirklich sehr netten Eindruck auf mich und wir unterhielten uns angeregt miteinander. Schnell waren die Dinge geklärt und wir waren uns einig. So verabschiedete ich mich nach etwa einer Stunde wieder und war überglücklich, als ich draußen stand, denn ich hatte einen Job für die Wintersaison. Ich hätte schreien können vor Glück. So einfach ging das. Es war wie ein Traum für mich.

Ich ging ein paar Schritte in Richtung der Seilbahn, wusste eigentlich gar nicht so recht was ich jetzt tun sollte, und sah mich dabei ein wenig um. Mir fiel mit einem Mal ein, dass ja jetzt die Fahrt mit der Seilbahn wieder vor mir lag und dass mir das Ding schon beim Hochfahren nicht besonders angenehm war, aber jetzt beim Hinunterfahren war das doch bestimmt noch schlimmer. Alles, was mit der Luft zu tun hatte, war nun einmal nicht meine Welt. Nein, dachte ich, das kann noch ein bisschen warten. Wenn ich nun schon einmal hier oben war, wollte ich mich auch noch ein bisschen umsehen. Ich ging einen Weg entlang, der ganz am Rande der Alb verlief und von dem man nach unten ins Tal schauen konnte. Man musste wirklich aufpassen, dass man vor lauter neugierigem nach unten Schauen nicht zu nahe an den Rand kam, denn es war hier alles ungesichert. Es gab keine Leitplanken oder etwas Ähnliches. Ganz schön gefährlich, dachte ich, aber es war trotzdem unsagbar schön. Auf der einen Seite ging es fast senkrecht nach unten und im Gegensatz dazu schaute ich auf der anderen Seite fast senkrecht nach oben. Man konnte die herrlichen Berge sehen und die Vorstellung, dass ich hier auf 2.000 Metern Höhe stand, war einfach gigantisch. Es war ein toller Ausblick, sowohl nach unten als auch nach oben. Ich ging noch ein bisschen weiter und entdeckte am Ende des Weges ein kleines Café mit einer hübschen Terrasse, die fast frei über dem Abhang hing. Wenn man über das Geländer sah, konnte man meinen, es gab nichts mehr darunter. Ein merkwürdiges Gefühl beschlich mich, als ich mich an einen kleinen Tisch in der Ecke setzte. Es war ein bisschen unheimlich, aber die Aussicht war einfach zu schön. Ich war gefesselt von dem Anblick der riesigen Berge, die direkt um mich herum zum Greifen nah waren, aber genauso von denen, die man in der Ferne sehen konnte. Und durch eine kleine Lücke zwischendurch konnte man sogar das Matterhorn erkennen. Das war wirklich ein Traum. Ich saß völlig versunken in diesen schönen Anblick an meinem kleinen Tisch und genoss meinen Kuchen und ich wusste, dass ich nicht zum letzten Mal hier war. Aber für dieses Mal musste es jetzt reichen, denn ich sollte mich so langsam auf den Weg nach unten machen. Ich bezahlte, verabschiedete mich und ging in Richtung der Seilbahn. Seilbahn – ja, da waren sie schon wieder, die Problemchen. Dieses Ding würde mir wohl immer ein bisschen unheimlich bleiben, aber es nutzte alles nichts, ich musste nach unten. Also stieg ich schweren Herzens in die Gondel und setzte mich auf einen der wenigen Plätze. Die meisten Leute blieben stehen und ich hatte den Eindruck, dass es für sie die normalste Sache der Welt war, irgendwo zwischen Himmel und Erde ins Tal zu gleiten. Ich jedenfalls war froh, als wir unten waren. Ich stieg aus und mit festem Boden unter den Füßen fühlte ich mich gleich viel wohler. Ich sah noch einmal nach zurück und konnte es selber kaum glauben, dass ich eben noch dort oben war. Nachdem ich noch einen letzten Blick auf dieses riesige Bergmassiv geworfen hatte, machte ich mich endgültig zur Bahnstation auf. Ich musste nicht lange warten, bis der Zug kam. Es war eine kleine „Bimmelbahn“, die mich ein paar Stationen weiter zu einem größeren Bahnhof brachte, wo ich dann in meinen Zug nach Hause einsteigen konnte. Ich fuhr mit einem guten Gefühl nach Hause. Drei Tage später hatte ich, wie versprochen, meinen Arbeitsvertrag im Briefkasten. Ich unterschrieb ihn und schickte ihn postwendend wieder zurück, glücklich darüber, dass ich es so schnell und einfach geschafft hatte, für die kommende Wintersaison eine Stelle zu finden. Es waren noch gut zwei Monate Zeit, denn ich musste erst Anfang Dezember anfangen. Ich war total happy.

Als ich meinen Kindern und meiner Freundin davon erzählte, was ich gemacht hatte, konnte ich anfangs in große Augen sehen, aber nachdem der erste Schock vorbei war, fanden es alle super. Ich kündigte meinen Job in der Klinik, und da ich ja noch einige Wochen Zeit hatte, beschloss ich noch ein bisschen Urlaub zu machen und so fuhr ich zu meiner Freundin nach Tschechien, wo sie seit circa einem Jahr mit ihrem Mann lebte. Sie hatten dort ein schönes Haus mit Garten und lebten mit Hund und Katz’ in einer wunderschönen Naturlandschaft. Ich fuhr mit dem Zug und sie holte mich am Bahnhof ab. Was für eine Wiedersehensfreude, wir hatten uns schließlich eine Ewigkeit nicht gesehen. Es war einfach schön. Wir verbrachten ein paar wunderschöne Tage miteinander. Sie zeigte mir einiges von dem Land, aus dem zwar mein Vater stammte, das ich selber aber noch nie besucht hatte. Natürlich hatten wir uns auch viel zu erzählen und so kam es, dass ich ihr auch von meinen Plänen für den Winter berichtete.

Sie war zuerst etwas sprachlos, aber dann lachte sie und meinte: „Denise, du bist komplett verrückt. Wie kommst du denn auf diese Idee?“

Ja, wie kam ich darauf? Das wusste ich eigentlich selber schon nicht mehr so genau. Irgendwann war die Idee einfach da und ließ mich nicht mehr los. Auch wenn meine Freundin doch einige Zweifel daran hatte, ob das wirklich eine so gute Idee war, freute sie sich mit mir und wünschte mir viel Glück für mein „großes Abenteuer“, wie sie es nannte. Als ich aus dem Urlaub zurück war, fing ich an, alles für meine Abreise vorzubereiten. Ich war noch nie so lange von meinem Zuhause weg gewesen und das musste schon gut organisiert werden. Aber ich schaffte alles wunderbar und als dann der Dezember kam, konnte ich mit gutem Gewissen auf mein „Bergli“ fahren.

Es war also Anfang Dezember, als ich Deutschland verließ. Meine Kinder brachten mich zum Bahnhof und verabschiedeten mich. Für mich bedeutete es nun noch einmal einige Stunden Zug fahren, bis ich wieder vor meiner wenig geliebten Seilbahn stehen würde. Aber das kannte ich ja jetzt alles schon, mit dem einzigen Unterschied, dass es das letzte Mal, als ich hier war noch Herbst war und jetzt war es Winter. Es schneite, als ich oben ankam, und das sollte auch noch zwei Tage und Nächte so weitergehen. Es sah traumhaft schön aus, wie mit Puderzucker bestäubt. Ich war etwas überrascht, als ich aus der Seilbahn ausstieg. Im Herbst war ja noch alles ein bisschen grün und vor allem gab es noch erkennbare Straßen, aber jetzt war alles zugeschneit und Straßen waren keine mehr sichtbar. Es waren nur irgendwo zwischen den Skipisten Wege platt gewalzt. Aber eigentlich sah es so aus, als wäre die ganze Alb eine einzige Skipiste. Autos gab es hier oben sowieso keine, denn die Alb war autofrei, dafür gab es aber umso mehr Schneemobile. Ich stand etwas irritiert an der Seilbahnstation und musste mich zuerst einmal orientieren, denn es war, wohin man auch blickte, einfach nur weiß. Aber nach kurzem Überlegen fand ich mich dann auch in dieser weißen Welt zurecht. Nur der Transport meiner zwei Koffer war nicht ganz unproblematisch. Aber auch das schaffte ich letztendlich und stand irgendwann vollgepackt vor meinem neuen Arbeitsplatz. Ich klingelte wieder wie beim letzten Mal und wurde sehr herzlich von meinen Chefs empfangen. Nach einem kurzen Begrüßungsgespräch wurde mir gezeigt, wo meine Wohnung war und ich musste mit Schrecken feststellen, dass sie mitten zwischen den Skipisten lag. Das hieß also auf jeden Fall, den verschneiten Berg hinaufgehen zu müssen. Ich stand da und überlegte schon, wie ich mein Gepäck da hinauf bekommen sollte, als mein Chef, als hätte er meine Gedanken gelesen, kurz verschwand und mit einem Schlitten zurückkam. Wir befestigten meine beiden Koffer darauf und los ging es. Es war trotz Schlitten eine recht beschwerliche Angelegenheit und ich war froh, als ich oben war. Nach einer kurzen Verschnaufpause fing ich an, mich häuslich einzurichten. Ich packte meine Koffer aus und sah mich etwas um. Da ich noch zwei Tage Zeit hatte, bis ich anfangen musste, konnte ich noch in aller Ruhe die Alb erkunden und vor allem „mein“ Café wieder besuchen. Aber das wollte ich auf den nächsten Tag verschieben. Für heute reichte es mir erst einmal. Ich ging früh ins Bett und schlief wie ein Bär in dieser guten Bergluft. Auch die zwei Tage, die ich noch frei hatte, verbrachte ich viel draußen in diesem herrlichen Schnee und dann fing ich an zu arbeiten. Den ersten Tag ging ich voller Tatendrang zur Arbeit und lernte so meinen neuen Arbeitsplatz kennen. Die Arbeit an sich war mir ja nicht fremd und ich kam auch gleich gut damit zurecht. Am Abend kamen die ersten Gäste. Da die Saison noch nicht begonnen hatte, waren noch keine Touristen da und so waren es zuerst einmal die Einheimischen, die an der Theke saßen und ihr Bier oder ihren Wein tranken und dort wurde auch geraucht. Im Restaurant selber war das nicht so schlimm, da der Rauch nach oben abzog, aber an der Theke bekam man so ziemlich alles ab. Und so war mein erster Arbeitstag eigentlich auch schon der Anfang vom Ende. Nach Feierabend war ich ziemlich frustriert. Zum einen wegen der Sache mit dem Rauchen, zum anderen, weil einfach so gut wie nichts los war und ich mich nur gelangweilt hatte. Doch ich dachte mir: Denise, das war dein erster Tag, das wird schon noch!

Am nächsten Tag fragte mich mein Chef, wie mir denn mein erster Arbeitstag so gefallen hatte. Ich sagte ihm, dass mir das viele Rauchen an der Theke nicht so gefällt und dass ich etwas enttäuscht darüber war, wie wenig es hier zu tun gab, doch er meinte, dass sich das schon noch ändern würde, wenn die Saison erst richtig beginnt. Dann hätten wir auch mehr Gäste, die zum Essen kommen würden. Gut, dachte ich, hoffen wir, dass alles so sein wird. Zwei Wochen später bekam ich noch einen Kollegen und dann begann an Weihnachten die ersehnte Wintersaison. Doch an meiner Arbeit und den Problemen änderte sich überhaupt nichts. Wir hatten zwar wesentlich mehr Gäste als am Anfang, und einige saßen auch tatsächlich zum Essen an den Tischen, aber die anderen – und das war der weitaus größere Teil – stand nach wie vor an der Theke und an den Stehtischen und trank. Sobald die Sonne untergegangen war, kamen sie in Scharen von den Pisten, denn man konnte direkt bis vor unsere Tür fahren. Ich wunderte mich jeden Tag aufs Neue, wie viel Alkohol Menschen in sich hineinschütten konnten. Es war, um es kurz zu machen, eine einzige Sauferei. Von dem Restaurant, wie man es mir vorgestellt hatte, waren wir hier Lichtjahre entfernt Après-Ski-Bar wäre die treffendere Bezeichnung gewesen. Saufen und Rauchen, daraus schien das Leben der Menschen hier zu bestehen. Mir fiel es von Tag zu Tag schwerer, das zu ertragen. Ich hatte mittlerweile einen Husten entwickelt, den man wirklich als Raucherhusten bezeichnen konnte, obwohl ich selber nicht rauchte, und ich hatte absolut keine Lust mehr auf diese Arbeit. Ich glaube, in den zwei Monaten, die ich jetzt hier war, verging kein Tag, an dem ich nicht abends nach dem Arbeiten in meiner Wohnung saß und mich fragte, ob es wirklich die richtige Entscheidung war, hierher zu kommen. Ich zweifelte immer mehr daran. Zwei Monate jeden Tag das gleiche Spiel und ich fand, es reichte jetzt. Meine Gesundheit war mir wichtiger als jeder Job auf dieser Welt. Ich sprach mit meinem Chef und sagte ihm, dass ich aufhören möchte. Natürlich war er nicht begeistert. Schließlich musste er dann während der laufenden Saison jemand Neuen finden, aber ich konnte es nicht ändern. Ich hatte mir mein Arbeiten hier auch anders vorgestellt. Hätte er mir von Anfang an die Wahrheit gesagt, dann hätten wir uns das gleich sparen können, denn ich hätte hier nämlich gar nicht erst angefangen. Also selber schuld, dachte ich.

Wie ein Lauffeuer sprach es sich herum, dass ich gehen würde. Und eines Abends, ich würde es heute fast wirklich als schicksalhaft bezeichnen, sprach mich einer unserer Stammgäste darauf an, warum ich denn hier aufhören möchte. Er hieß Jörn und war ein ziemlich netter Typ, irgendwie anders als die anderen. Er kam zwar öfter mal vorbei, trank aber immer nur ein Bier und ging wieder. Er war keiner von denen, die ihre Abende saufend in der Kneipe verbrachten. Und so kamen wir ins Gespräch. Ich erzählte ihm, dass ich mir unter einem Restaurant etwas anderes vorgestellt hatte und dass mich dieser ständige Qualm hier krank macht.

Daraufhin lachte er und sagte: „Ja, dann musst du halt zu uns ins Tessin kommen, dort ist alles rauchfrei.“

„Wirklich?“, fragte ich erstaunt.

„Ja, wirklich“, bestätigte er.

Das war ja interessant! Darüber hatte ich ja nun überhaupt noch nicht nachgedacht, dass es woanders auch anders sein könnte, doch der Gedanke gefiel mir.

„Aber, was heißt hier zu uns ins Tessin kommen. Was sollte das bedeuten?“, fragte ich, und er erzählte mir, dass er eigentlich im Tessin zu Hause ist und nur den Winter hier oben verbringt.

Ja, das war natürlich eine Überraschung. Da sieht man jemanden fast jeden Tag, denkt, dass er ein Einheimischer ist, und erfährt dann so ganz nebenbei einmal, dass es eigentlich ganz anders ist. Ich war sprachlos.

Er musste lachen, drückte mir einen Zettel mit seiner Adresse und Telefonnummer in die Hand und meinte: „Wenn du dort bist, melde dich mal. Vielleicht können wir uns auf einen Kaffee treffen, wenn du willst!“

Damit verschwand er aus dem Lokal und ließ mich völlig verwirrt zurück.

Es war schon spät und er war zum Glück der letzte Gast gewesen, sodass ich jetzt Schluss machen und nach Hause gehen konnte. Ich machte mich langsam und sehr nachdenklich auf den Heimweg. Zu Hause lag ich im Bett und konnte nicht einschlafen, denn ich musste ständig an dieses Gespräch denken. Und je länger ich darüber nachdachte, desto besser gefiel mir der Gedanke, den Sommer im Tessin zu verbringen. Ich konnte es jetzt kaum noch erwarten, hier wegzukommen und sehnte meinen letzten Arbeitstag herbei. Jeder einzelne Tag war eine Qual für mich, aber irgendwann war es dann doch soweit und ich hatte es endlich geschafft. Und es war seltsam, dass Jörn seit dem Tag, an dem er mir seine Adresse in die Hand gedrückt hatte, nicht mehr da war. Ich hatte jeden Tag damit gerechnet und auch herbeigesehnt, dass er vorbeikommen würde, denn ich hätte so gerne noch mehr über sein Tessin erfahren, aber er kam nicht und so konnte ich mich nicht einmal von ihm verabschieden. Ich war mittlerweile körperlich wirklich angeschlagen, richtig kraft- und saftlos, und ich machte mir schon Gedanken darüber, wie ich es nur schaffen sollte, mein Gepäck von meiner Wohnung zur Seilbahnstation zu bringen, denn auf den Schlitten vom Chef brauchte ich dieses Mal nicht zu hoffen. Er war so sauer. Zum einen natürlich auf mich, weil ich aufgehört hatte, zum anderen aber auch deshalb, weil er noch immer keinen Ersatz gefunden hatte. Ich machte mir wirklich Sorgen, wie ich das alleine schaffen sollte. Aber manche Dinge lösen sich eben manchmal von alleine. Ich hatte, nachdem ich meinen Job gekündigt hatte, meine Kinder angerufen und erzählt, was passiert war und gesagt, dass ich nach Hause kommen werde, da es mir absolut schlecht geht.

Einige Tage vor meiner Abreise rief meine Tochter an und meinte: „Gib mir mal deine genaue Adresse, ich komme dich abholen.“

Das war natürlich die genialste Lösung für mein Problem. Nun konnte ich mich in aller Ruhe und ohne mir weitere Sorgen machen zu müssen, auf meine Abreise vorbereiten. Zwei Tage später war es dann soweit, meine Tochter war „im Anflug“. Sie rief mich von unterwegs ein paar Mal an, um mir zu sagen, wo sie gerade war und wie lange sie noch etwa brauchen wird, damit ich rechtzeitig mit der Seilbahn ins Tal fahren konnte, um sie unten abzuholen. Sie hatte sich etwas verspätet und so war es schon gegen Abend, als ich mich auf den Weg nach unten machte. Es war Februar und bitterkalt und ich stand zitternd in der Kälte und wartete. Und endlich war es soweit. Sie war da. Wie habe ich mich gefreut, sie zu sehen! Doch die Freude wurde noch größer, als ich sah, dass sie nicht alleine, sondern in Begleitung meiner jüngeren Tochter war. Wir begrüßten uns herzlich und es war ein schönes Gefühl, die beiden Mädels wiederzusehen. Aber viel Zeit für unsere Freude blieb nicht, denn es war schon ziemlich spät und wir mussten uns beeilen, um die letzte Seilbahn nach oben noch zu erreichen. Doch es klappte alles wunderbar und wir verbrachten alle drei einen schönen Abend in meiner Wohnung. Am nächsten Morgen schleppten wir mein Gepäck den Berg hinunter zur Seilbahnstation, fuhren ins Tal und packten alles in ihr Auto. Dann machten wir uns auf den Heimweg. Ich war einfach nur noch froh, von hier wegzukommen. Wir fuhren gemütlich, machten unterwegs ausgiebig Mittagspause und kamen so gegen Spätnachmittag zu Hause an. Mein Sohn begrüßte mich und alle wollten nun natürlich wissen, was denn genau passiert war. Ich erzählte ihnen alles ausführlich während des Abendessens. Danach verabschiedeten sich meine Mädels und fuhren nach Hause. Ich ging auch recht früh schlafen, denn ich war wirklich müde und ich merkte auch immer mehr, dass es mir gesundheitlich nicht gut ging. Aber als ich im Bett lag, konnte ich nicht schlafen. Zu viele Dinge gingen mir durch den Kopf. Warum war das nun wieder geschehen? So hatte ich mir mein Leben in der Schweiz nicht vorgestellt. Ich war ziemlich frustriert. Wie sollte es jetzt nur weitergehen? Irgendwann bin ich dann wohl doch eingeschlafen. Als ich am nächsten Morgen aufwachte, hatte ich überhaupt keine Lust aufzustehen, also blieb ich erst einmal im Bett. Es war schon gegen Mittag, als ich mich endlich überwinden konnte, aus dem Bett zu kriechen. Völlig lustlos und deprimiert setzte ich mich in die Küche. Ich machte mir einen Tee und dachte traurig über die letzten zwei Monate nach. Aber ich konnte es drehen und wenden, wie ich wollte, ich konnte der Sache nichts Gutes abgewinnen. Nur der Gedanke ans Tessin ließ mich nicht mehr los. Als ich meinen Tee ausgetrunken hatte, setzte ich mich an meinen Computer und recherchierte ein bisschen. Was genau war das Tessin? Und wo lag das? Ich wusste das alles nicht so richtig, aber ich fand sehr schnell heraus, dass es sich dabei um den südlichsten Zipfel der Schweiz handelte, der direkt an Italien grenzte. Und dann fiel mir auch ein, dass ich einmal auf einer meiner unzähligen Reisen nach Italien am Lago Maggiore einen kurzen Aufenthalt sehr genossen hatte. Ich konnte mich allerdings nicht mehr so genau daran erinnern, ob das auf der italienischen oder der schweizerischen Seite war. Und dass dieser obere Teil des Lago Maggiore zum Tessin gehörte, wusste ich auch nicht. Aber ich kannte mich bis dahin mit den Kantonen in der Schweiz auch nicht gut aus. Was ich jetzt herausgefunden hatte, gefiel mir, denn der Lago Maggiore war mir gut in Erinnerung geblieben und die Nähe zu meinem geliebten Italien war natürlich ein Traum. Aber sollte ich es nach dieser Pleite, die ich gerade hinter mir hatte, wirklich wagen noch einmal in die Schweiz zurückzukehren? Ich war mir im Moment nicht so sicher, ob das eine gute Idee war. Doch was ich auch tat, der Gedanke wollte nicht mehr aus meinem Kopf. Also machte ich mich die nächsten Tage daran, mir die Sommerjobs im Internet anzusehen. Es waren auch tatsächlich schon Stellen ausgeschrieben, aber irgendwie war nicht das Richtige dabei. Eigentlich lag es an mir selber, dass mich nichts wirklich angesprochen hat, denn ich war noch immer nicht überzeugt, ob es gut für mich war. Doch es war im Moment sowieso egal was ich tat, denn mir machte überhaupt nichts mehr Freude. Ich war und blieb einfach frustriert. Dieser verkorkste Winter steckte mir noch in den Knochen oder besser gesagt, hatte sich rabenschwarz auf meiner Seele ausgebreitet. Ich war todunglücklich und badete in meinem Selbstmitleid. So verging etwa eine Woche, als ich eines Morgens aufwachte, und obwohl es erst Anfang März war, lachte mir die Sonne ins Gesicht. Ich war so überrascht über diesen wunderschönen Morgen, dass ich meine depressive Stimmung, in der ich mich seit meiner Ankunft befand, total vergaß und mich an diesem schönen Morgen freute. Ich blieb noch eine Weile im Bett und dachte nach. Und je länger ich nachdachte, desto klarer wurden meine Gedanken und ich dachte mir: Denise, wie lange willst du dich noch selbst bedauern? Ja, dieser Winter war eine Pleite und so hattest du dir das auch nicht vorgestellt, aber es ist nun einmal passiert und du kannst es nicht mehr ändern – aber an deiner miesen Laune kannst du etwas ändern! Und irgendwie, als hätte die Sonne die Schatten auf meiner Seele aufgelöst, bekam ich plötzlich gute Laune und war voller Tatendrang. Ich sprang aus dem Bett, ging unter die Dusche und anschließend richtete ich mir mein Frühstück. Während ich so in der Küche saß und auf meinem Honigbrötchen herumkaute, überlegte ich, was ich denn jetzt tun wollte. Zuerst einmal musste ich diese bescheuerte Wintersaison für mich abhaken, denn sie bestimmte im Moment mein Leben. Doch damit war jetzt Schluss. Ich merkte, wie ich langsam wütend wurde, wütend auf mich selbst, dass ich mich durch so eine dumme Sache dermaßen habe aus der Bahn werfen lassen, dass mir nichts mehr Freude machte. Nachdem ich gefrühstückt hatte, setzte ich mich an meinen Computer und fing an, nach Sommerstellen im Tessin zu suchen. Und dieses Mal richtig, denn ich war jetzt wild entschlossen, es noch einmal zu probieren. Es gab relativ wenig Angebote im Moment und es war wirklich nichts Gescheites dabei. Aber so schnell wollte ich nicht aufgeben. Ich suchte mir eine Karte vom Lago Maggiore und schaute mir die Orte auf der Schweizer Seite genau an. Ich fand Ascona und Locarno und suchte dort gezielt nach Hotels. Allen, die einen guten Eindruck machten, schickte ich spontan eine Bewerbung per E-Mail. Ob sie gerade Personal suchten oder nicht, war mir ganz egal. Ich wollte jetzt da hin, koste es, was es wolle. Und man glaubt es kaum, ich hatte innerhalb von zwei Tagen drei Angebote. Eines davon gefiel mir nicht so gut, aber die anderen beiden hörten sich vielversprechend an. Ich schrieb beiden sofort eine E-Mail, machte einen Termin für ein Vorstellungsgespräch aus und fuhr eine Woche später hin. Beide Hotels lagen auf der Piazza, nur ein paar Meter auseinander, direkt am See. Als ich ankam, es war immerhin erst Anfang März, schien schon die Sonne und der Blick auf den See war einfach traumhaft schön. Ich stand zuerst einmal völlig überwältigt am Ufer und war fasziniert von dieser atemberaubenden Kulisse. Ich konnte es kaum glauben und alle Zweifel, die ich je gehabt hatte, waren mit einem Schlag verflogen. Hier wollte ich bleiben! Das war meine Welt! Ich ging ein paar Schritte am See entlang und bewunderte diese herrliche Umgebung. Es war einfach unglaublich schön. Ich hätte den ganzen Tag hier verbringen können, ohne auch nur irgendetwas zu tun. Ich konnte mich nicht sattsehen. Aber leider ging das natürlich nicht, denn es hatte ja schließlich einen Grund, warum ich hier war. Da ich keine genaue Uhrzeit mit den Hotels vereinbart hatte, konnte ich mir eigentlich auch noch etwas Zeit lassen. Andererseits hätte ich es auch gerne hinter mich gebracht, denn was wäre, wenn ich den Job gar nicht bekommen würde? Das wäre schrecklich. Doch daran mochte ich jetzt gar nicht denken. Die Vorstellung, den Sommer nicht an diesem See verbringen zu dürfen, war einfach furchtbar. Aber was sollte ich tun, wenn doch nicht? Nein, so wollte ich jetzt gar nicht denken. Es musste einfach klappen. Also machte ich mich auf und steuerte das erste Hotel an. Ich betrat das Restaurant und wurde auch gleich von einer Mitarbeiterin angesprochen, natürlich in Italienisch. Na prima, das fing ja schon toll an. Ich suchte krampfhaft die paar italienischen Worte zusammen, die ich sprechen konnte und versuchte ihr klar zu machen, dass ich den Chef sprechen wollte. Zum Glück verstand sie, was ich wollte, denn sie machte eine Handbewegung, dass ich mitkommen sollte. Wir verließen das Restaurant und sie führte mich durch einen kleinen, schmalen Gang zur Rezeption. Dort saß ein Herr, dem sie in kurzen Worten mitteilte, dass ich ihn sprechen wollte. Dann verschwand sie wieder und ließ mich mit dem Herrn alleine. Er kam auf mich zu und begrüßte mich freundlich. Wir gingen zurück in das Restaurant, wo wir uns an einen kleinen Tisch setzten, um uns in Ruhe zu unterhalten. Er fragte, ob ich etwas trinken möchte und als ich das bejahte, bestellte er und kurz darauf erschien die Kellnerin von vorhin und servierte mir ein gut gekühltes Mineralwasser. Mit einem Lächeln und einem meiner Meinung nach etwas merkwürdigem Blick in Richtung Chef verschwand sie wieder. Ich war etwas irritiert. Was ging hier ab? Wo war ich hier gelandet? Erst viel später sollte ich erfahren, dass ich an diesem Tag voller Neugier erwartet wurde, und zwar nicht nur von meinem Chef, sondern auch von den Mitarbeitern, da er ihnen von meiner Bewerbung erzählt hatte und alle schon ziemlich gespannt waren, wie denn „die Neue“ so ist. Aber da ich das alles nicht wusste, fand ich diese Blicke zwischen den beiden eben etwas sonderbar. Später hatte ich dann verstanden, dass dies Zustimmung bedeutet hatte. Sie hatte dem Chef signalisiert, dass ich zu ihnen passte.

Nun saß ich also mit dem Chef an einem kleinen Tisch und wir unterhielten uns. Und obwohl das Gespräch sehr nett verlief, beschlich mich irgendwie ein seltsames Gefühl, denn auch wenn hier alles einen sehr guten Eindruck auf mich machte, musste ich unwillkürlich an meine letzte Saison denken. Auch da hatte beim Vorstellungsgespräch alles gut ausgesehen und es war trotzdem ein Chaos daraus geworden. Der Gedanke daran machte mich etwas nervös. Aber der Herr mir gegenüber hatte so eine offene, freundliche Art, dass ich mich hier trotz meiner schlechten Erinnerung sehr wohl fühlte. Wir unterhielten uns sehr angeregt miteinander und ich fragte ihm wirklich ein Loch in den Bauch. Ich wollte dieses Mal einfach alles wissen. Tausend Dinge fielen mir ein, wonach ich fragen musste. Doch egal was und wie viel ich ihn auch fragte, er saß mir in einer Seelenruhe gegenüber und beantwortete mir alles in seiner netten, charmanten Art. Irgendwann gingen mir die Fragen aus, denn es war mittlerweile eigentlich alles geklärt und es gab absolut nichts, was mir nicht gefallen hätte. Aber gab es so etwas tatsächlich? Ein Job, an dem alles stimmte? Ich konnte es kaum glauben. Das wäre ein Traum! Von seiner Seite aus war es sowieso überhaupt kein Problem, er war total begeistert von mir und ich hätte sofort den Arbeitsvertrag unterschreiben können. Doch so schnell ging das ja nun nicht, denn ich hatte ja noch den anderen Termin, aber das konnte er natürlich nicht wissen. Also sagte ich ihm, dass ich noch einmal darüber nachdenken möchte und wollte ihm nach dem Wochenende Bescheid geben. Er war damit einverstanden und wir verabschiedeten uns. Er wünschte mir eine gute Heimfahrt und sagte, dass er sich sehr freuen würde, wenn ich mich dafür entscheide zu kommen. Ich freute mich sehr über diese netten Worte und verließ ziemlich zufrieden das Hotel. Draußen ging ich wieder ein paar Schritte am See entlang und setzte mich auf eine Bank. Ich genoss die warmen Sonnenstrahlen und dachte dabei noch einmal über das Gespräch nach. Es war eigentlich zu schön, um wahr zu sein. Wo war dabei nur der Haken? Aber egal wie sehr ich auch noch einmal darüber nachdachte, ich konnte keinen finden. Ich war hin- und hergerissen zwischen meinem Wunsch, hier den Sommer zu verbringen und der Angst, noch einmal so eine Pleite zu erleben wie im Winter. Ich saß nun schon bestimmt eine halbe Stunde in der Sonne, aber ich fand keine Ruhe. Also stand ich auf und machte mich auf den Weg zu meinem nächsten Termin. Da die Hotels ja quasi nebeneinander lagen, ging ich den Weg wieder zurück. Von außen sah es ja eigentlich noch besser aus als das Andere. Die Terrasse war noch größer und für meinen Geschmack auch noch schöner hergerichtet. Nicht schlecht, dachte ich und betrat dabei das Hotel. Ich stand auch gleich im Restaurant und sah mich etwas verloren um. Dann bemerkte ich jemanden hinter der Theke und ging zu ihm hin. Ich fragte nach dem Chef und zu meiner Überraschung sprach dieser „Jemand“ hier auch deutsch und so erfuhr ich, dass der Chef im Moment nicht im Hause war, aber bestimmt bald wiederkommen würde. Wann genau, konnte mir aber nicht gesagt werden. Gut, dachte ich, dann werde ich eben warten. Der „Jemand“ hinter der Theke kümmerte sich nicht weiter um mich und überließ mich mir selbst. Ich sah mich etwas um und musste feststellen, dass es mir hier sehr gut gefiel. Das Restaurant war, genau wie ich das auch schon auf der Terrasse gesehen hatte, sehr geschmackvoll eingerichtet. Es hatte alles so einen leichten italienischen Touch, was mir natürlich sehr gut gefiel. Italien war und blieb nun einmal das Land meiner Träume. Ich hing so ein bisschen meinen Gedanken nach, als mich plötzlich jemand ansprach. Ich erschrak, denn ich hatte niemanden reinkommen gehört. Ich drehte mich um und vor mir stand ein mittelgroßer, schlanker Herr, der sich als Chef des Hauses vorstellte. Er lächelte mich kurz an und bat mich, Platz zu nehmen. Er erzählte mir einiges über sich und sein Geschäft und fragte mich auch das Eine oder Andere, aber es war irgendwie merkwürdig. Es war eigentlich nur ein Frage- und Antwortspiel. Ein richtiges Gespräch wollte nicht so recht entstehen. Wenn ich ihm eine Frage stellen wollte, war er ziemlich kurz angebunden. Kein Vergleich zu dem netten Herrn von vorhin. Ich war etwas verunsichert. Was war das Problem? Ich hatte irgendwie das Gefühl, dass er nicht richtig bei der Sache war. Ich wusste im Moment nicht, was ich ihn noch hätte fragen sollen, da ich den Eindruck hatte, dass ihm alles zu viel war. Ich verstand es nicht so ganz, denn schließlich hatte er mich ja zu diesem Termin hier eingeladen. Hatte er sich schon für jemanden anderen entschieden oder war ich ihm schlichtweg nicht sympathisch? Wenn ja, dann beruhte das auf Gegenseitigkeit. Ich fand ihn nämlich sehr unsympathisch. Alles an ihm machte keinen besonders guten Eindruck. Schon sein Lächeln zu Anfang war eher kühl und hatte nicht viel Herzlichkeit. Und auch das ganze Gespräch mit ihm verlief nicht sehr angenehm. Nein, Denise, dachte ich, den brauchst du nicht als Chef! Ich beendete dann auch das Gespräch und denke, dass er froh darüber war und ich war es auch. Umso überraschter war ich, als er mich plötzlich anlächelte und sagte, ich solle mir über das Wochenende alles in Ruhe überlegen und mich am Montag melden, um ihm meine Entscheidung mitzuteilen. Er würde sich freuen, wenn ich käme. Ich glaubte mich verhört zu haben. Das konnte doch wohl jetzt nicht wahr sein! Also diesen Eindruck, dass er sich freut, hatte ich während des ganzen Gespräches nicht. Aber gut, was auch immer ihn zu dieser Aussage bewogen haben mag, es war mir ziemlich egal, denn ich glaubte ihm kein Wort. Ich verließ das Hotel mit dem sicheren Gefühl, dass ich hier auf gar keinen Fall arbeiten wollte.

Ich trat wieder hinaus auf die Piazza und war ein weiteres Mal fasziniert von dieser atemberaubenden Kulisse. War das schön hier! Ich freute mich meines Lebens. Was wollte ich denn jetzt tun? Schließlich hatte ich meine Aufgabe hier, wie ich meinte, erfolgreich gemeistert, denn für mich war ganz klar, dass nur das erste Hotel in Frage kam. Der andere komische Kauz konnte mir gestohlen bleiben, mit dem wollte ich nichts zu tun haben. Ich hatte meine Entscheidung getroffen. Der Chef des ersten Hotels hatte so einen netten Eindruck gemacht, dass ich gar keine andere Wahl hatte, als „Ja“ zu sagen, wenn ich den Sommer hier verbringen wollte. Und das wollte ich ja eigentlich schon, bevor ich hierhergekommen war. Aber jetzt, nachdem ich diesen Ort gesehen hatte, wollte ich am liebsten gleich hierbleiben. Leider ging das natürlich nicht. Doch ich wollte heute auf jeden Fall so lange wie nur irgend möglich hierbleiben. Ich ging noch einmal den Weg zurück, den ich gekommen war und da ich mittlerweile Hunger hatte, überlegte ich mir, wo ich etwas Essbares bekommen könnte. Während ich so über die Piazza schlenderte und alles in mich aufsog wie ein Schwamm, blieb ich vor einem kleinen Lokal stehen, wo Pizza angeboten wurde. Ein großes Schild lud in die kleine, nette „Bar“ ein. Das Wort „Bar“ verunsicherte mich zwar etwas, denn das, was ich unter „Bar“ kannte, war nicht das, wo ich verkehren wollte. Aber da ich sah, dass an den Tischen draußen gegessen wurde, nahm ich meinen Mut zusammen und setzte mich auch an einen der kleinen Tische. Es war zwar erst Mitte März, aber die Sonnenstrahlen waren schon recht warm und man konnte tatsächlich draußen sitzen. Ich nahm die Speisekarte zur Hand und sah sie mir an. Es gab ein paar nette Kleinigkeiten zu essen und dann natürlich, wie das Schild am Anfang schon sagte, Pizza. Ja, Pizza, das war nicht schlecht. Kaum hatte ich die Karte zur Seite gelegt, stand auch schon eine Kellnerin an meinem Tisch und nahm meine Bestellung auf. Ich bestellte mir eine Pizza und etwas zu trinken. Sie war unheimlich nett, sprach auch etwas deutsch und hatte eine sehr angenehme Art mit Menschen umzugehen. Mir gefiel es jedenfalls sehr gut hier. Ich musste auch nicht lange warten, bis meine Pizza serviert wurde und ich ließ sie mir schmecken. Ich saß in der Sonne und genoss sowohl meine Pizza als auch die warmen Sonnenstrahlen und den herrlichen Blick auf den See. War das ein Leben! So konnte man das aushalten. Ich beneidete die Menschen, die hier lebten, wirklich sehr. Die hatten das Paradies auf Erden hier gefunden. Aber ich gehörte leider nicht dazu, denn ich musste wieder gehen. Mein Zug würde sicher nicht auf mich warten, nur weil ich mich nicht von diesem Anblick hier trennen konnte. Also bezahlte ich schweren Herzens und machte mich auf den Heimweg.

Zuerst musste ich zurück zur Bushaltestelle, um mit dem Bus zum Bahnhof zu fahren. Ich wusste, dass bis 23.00 Uhr jede Stunde ein Zug fährt. Den sollte ich dann aber unbedingt bekommen. Besser wäre allerdings schon ein früherer, da ich einmal umsteigen musste und es etwas früher bessere Anschlussmöglichkeiten gab. Ich fuhr also zum Bahnhof und suchte mir einen Fahrplan. Es war jetzt so gegen halb drei und der nächste würde schon in einer halben Stunde fahren. Nein, dachte ich, das ist zu früh, einen später reicht auch noch! Auf der Fahrt zum Bahnhof hatte ich nämlich gesehen, dass man durch einen Hinterausgang in wenigen Schritten am See war, und da wollte ich unbedingt noch einmal hin. Und das tat ich auch. Nachdem ich mir die Zugverbindungen notiert hatte, ging ich hinunter zum See. Man gelangte direkt zum Schiffsanlegesteg, der aber ziemlich einsam und verlassen lag. So wie es aussah, fuhren keine Schiffe. Schade, dachte ich. Trotzdem fand ich es unbeschreiblich schön hier. Dieser See hatte es mir angetan. Ich fand in der Nähe eine kleine Eisdiele und man glaubte es kaum, aber auch hier saßen die Menschen schon draußen auf der Terrasse. Ich setzte mich dazu und bestellte mir einen Eisbecher. Mein Gott, Denise, sagte ich mir, heute willst du es aber wissen! Zuerst Pizza, dann einen Eisbecher. Hoffentlich vertragen die zwei nachher auch das Zugfahren. Aber egal, es musste sein, auch auf die Gefahr hin, dass mir später übel sein würde. Ich saß nun schon zum zweiten Mal an diesem Tag auf einer Terrasse am See und ließ es mir gut gehen. Ich schob die Heimfahrt wirklich hinaus, solange es nur ging. Ich wollte nicht gehen. Aber plötzlich wurde mir das Gehen sehr leicht gemacht, denn mit einem Mal war die Sonne verschwunden und es wurde ziemlich kühl. Das war ja ein krasser Unterschied! Eben hatte ich noch warme Sonnenstrahlen im Gesicht und jetzt zog ich meine Jacke bis zur Kinnspitze. Nein, jetzt wollte ich nicht mehr hier bleiben. Ich winkte den Kellner heran, bezahlte und machte mich auf dem schnellsten Weg auf zum Bahnhof. Ich hatte dabei gar nicht auf die Uhr gesehen und oben angekommen sah ich, dass der Zug gerade vor fünf Minuten abgefahren war. Das war Pech, denn jetzt musste ich eine Stunde warten. Aber es ließ sich nun einmal nicht ändern. Die Frage war nur, was tun in dieser Zeit? Ich verließ das Bahnhofsgebäude durch den vorderen Ausgang und stand damit wieder an der Stelle, wo ich heute Morgen angekommen war. Auf der anderen Straßenseite lag die Bushaltestelle, von der ich abgefahren war und dahinter war eine Reihe mit Geschäften. Ich überquerte die Straße und schlenderte an den Geschäften entlang. Es war zwar auch hier etwas kühl, aber bei Weitem nicht so sehr wie unten am See. Ich hatte keine Ahnung, wohin ich gehen sollte, also ging ich einfach den Geschäften folgend weiter, bis ich mich plötzlich mitten in der Stadt auf einem großen Platz wiederfand. Der Platz war riesig, und als ich ein Straßenschild mit dem Namen „Piazza Grande“ sah, dachte ich, dass der seinem Namen alle Ehre machte. Rechts und links davon gab es unzählige Geschäfte und Lokale und ich konnte mir gut vorstellen, dass hier bei schönem Wetter viel los sein würde, aber im Moment konnte von schönem Wetter keine Rede mehr sein und so machte ich mich auf den Rückweg. Ich schlenderte langsam den Weg, den ich gekommen war zurück, und als ich am Bahnhof ankam, war es gerade noch eine Viertelstunde bis zur Abfahrt des Zuges. Ich setzte mich auf eine Bank und wartete. Als der Zug kurze Zeit später einfuhr, stieg ich ein und suchte mir einen schönen Fensterplatz. Somit konnte ich, als der Zug abfuhr, noch kilometerweit den See an mir vorbeigleiten sehen. Doch irgendwann war es dann doch endgültig vorbei. Ein letzter sehnsüchtiger Blick und weg war er. Schade!

Ich lehnte mich in meinem Sitz zurück und hing meinen Gedanken nach, als plötzlich die Tür des Wagens aufging und der Schaffner zur Fahrscheinkontrolle herein kam. Ich kramte mein Ticket aus meiner Tasche und zeigte es ihm. Er knipste es mit einer Zange ab und gab es mir zurück. Nachdem er mir eine gute Weiterfahrt gewünscht hatte, ging er weiter. Da es nur wenige Leute in diesem Wagen gab, hatte er hier nicht viel zu tun und war schnell wieder draußen. Es war ziemlich ruhig hier drinnen und ich war nach kurzer Zeit eingeschlafen. Der Tag war, obwohl sehr angenehm, doch auch ziemlich anstrengend gewesen. Als ich aufwachte, war es draußen schon stockdunkel, aber nach einem kurzen Blick auf die Uhr absolut verständlich, denn es war schon 19 Uhr. Das hieß, dass ich gut zwei Stunden geschlafen hatte! Ich musste mich zuerst einmal ein bisschen strecken, denn ich fühlte mich etwas „verbogen“. Das Schlafen im Zug war alles andere als bequem, aber nach ein paar Lockerungsübungen war alles wieder in Ordnung. Ich war immer noch oder vielleicht auch schon wieder – das wusste ich nicht so genau – allein in diesem Abteil. Das fand ich sehr angenehm, denn dadurch war es ziemlich ruhig hier. Nur das Rattern des Zuges hallte durch die Nacht. Ich saß am Fenster und sah hinaus. Ich hatte keine Ahnung, wo wir gerade waren, ich wusste nur, dass ich in gut einer Stunde umsteigen musste, also sollte ich jetzt besser nicht mehr einschlafen, sonst würde ich wohl Gott-weiß-wo landen. Ich lehnte mich in meinem Sitz zurück und hing wieder einmal so meinen Gedanken nach. Was war das heute für ein Tag, Denise, dachte ich. Ein unglaublich schöner, auf jeden Fall. Es war einfach fantastisch. Wenn jetzt nichts mehr schief ging, hatte ich einen Job für die Sommersaison und durfte für einige Monate an diesem herrlichen See leben. Auch wenn ich noch das Wochenende zum Nachdenken hatte, gebraucht hätte ich es nicht. Ich würde den Arbeitsvertrag in diesem ersten Hotel sofort unterschreiben und ich freute mich schon auf den Montag, wenn ich endlich anrufen konnte. Aber auch wenn dieser Chef bei mir einen noch so netten Eindruck hinterlassen hatte, was wäre, wenn er es sich bis dahin anders überlegte? Schließlich hatte ich nur eine mündliche Abrede und absolut nichts Schriftliches in der Hand. Oh Gott, nein, das durfte nicht passieren. Ich wurde allein bei dieser Vorstellung nervös. Nein, sagte ich mir, das wird nicht passieren. Das ist dein neuer Sommerjob. Ich wollte einfach, dass es so war und das musste ich mir jetzt auch selber einreden, denn der Gedanke daran, dass es anders sein könnte, brachte mich fast um. Aber egal, wie es auch war, ich musste mich bis Montag gedulden. Und Geduld, das war so eine Sache, die auf jeden Fall nicht zu meinen Stärken gehörte. So saß ich also in Gedanken versunken in meinem Zugabteil, als plötzlich eine Lautsprecherdurchsage kam, dass wir gleich in einen Bahnhof einfahren würden. Das brachte mich erst einmal wieder in die Realität zurück, denn das war der Bahnhof, an dem ich umsteigen musste. Da ich vorher aber auf jeden Fall noch einmal auf die Toilette gehen wollte, musste ich mich jetzt ein wenig beeilen. Als ich zurück an meinem Platz kam, zog ich mir meine Jacke an, denn mittlerweile war es fast 20.30 Uhr und draußen bestimmt ziemlich kühl. Wir hatten ja schließlich erst Mitte März. Kurz darauf fuhr der Zug mit quietschenden Bremsen in den Bahnhof ein und ich stieg aus. Trotz der späten Stunde herrschte ein reger Betrieb. Ich hatte etwa eine halbe Stunde Aufenthalt und brauchte mich deshalb nicht zu beeilen. Da ich nicht wusste, auf welchem Gleis mein nächster Zug abfahren sollte, machte ich mich auf die Suche nach einem Fahrplan. Ich fand ihn am Ende des Bahnsteiges und sah, dass ein gutes Stück Weg zwischen mir und Gleis 12, wo ich hin musste, lag. Also machte ich mich langsam auf den Weg. Als ich dort ankam, sah ich, dass der Zug schon bereitstand, sodass ich gleich einsteigen konnte. Das war gut, denn zum einen war mir ziemlich kalt und zum anderen war ich auch total müde. Ich stieg ein und suchte mir ein ruhiges Plätzchen, ließ mich in den Sitz fallen und machte es mir bequem. Ich beobachtete das Treiben auf dem Bahnsteig und dachte daran, dass ich in knapp zwei Stunden wieder zu Hause sein würde. Und darauf freute ich mich mittlerweile doch sehr, denn ich sehnte mich nach meinem Bett. Dieser letzte Abschnitt meiner Reise ging dann auch ziemlich schnell vorbei und als der Zug endlich in meinen Heimatbahnhof einrollte, war ich glücklich, denn ich wollte nur noch eines: schlafen! Ich war total erledigt und ging auch sofort ins Bett. Elf Stunden hatte ich heute allein im Zug verbracht und das war anstrengend. Entsprechend gut schlief ich in dieser Nacht.

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, lag ich im Bett und meine Gedanken waren schon wieder bei dem gestrigen Tag. Verflixt noch mal, es war nun einmal heute erst Samstag und ich würde eben erst am Montag wissen, ob ich den Job nun auch wirklich sicher hatte. Es waren noch zwei Tage und die würden wohl richtig lang werden. Nachmittags rief meine Freundin an und fragte neugierig, wie es denn gelaufen war. Ich erzählte ihr von diesem grandiosen Tag. Wie schön alles war und dass ich am liebsten gleich dort geblieben wäre. Wir verabredeten uns für den Abend und beschlossen, zusammen unseren Lieblings-Italiener zu beehren. Das war auch eine richtig gute Idee, denn es wurde ein wunderschöner Abend. Den Sonntag verbrachte ich dann ziemlich nervös alleine zu Hause, denn mein Sohn war bei seiner Freundin. Die Nacht schlief ich mehr als schlecht und als ich am Montagmorgen aufwachte, fühlte ich mich auch dementsprechend. Rein körperlich zumindest, ansonsten sprühte ich vor Energie. Es war Montag heute und ich konnte endlich anrufen. Ich sprang aus dem Bett und hüpfte sofort unter die Dusche. Danach ging ich in die Küche und richtete mir mein Frühstück. Jetzt frühstückst du in Ruhe, Denise, dachte ich, und danach rufst du an. Ich setzte mich an den Tisch in der Küche und begann auf meinem Brötchen herumzukauen, aber eigentlich hatte ich gar keinen Hunger. Oder war ich vielleicht nur zu aufgeregt? Da ich beim genaueren Nachdenken darüber zu dem Entschluss kam, dass es das wohl sein könnte, legte ich mein Brötchen aus der Hand, stand auf, ging zum Telefon und rief ohne weiter darüber nachzudenken im Hotel an. Jetzt oder nie! Ich musste es einfach wissen, sonst würde ich nicht mehr zur Ruhe kommen. Ich nahm den Hörer ab, wählte, und während es auf der anderen Seite klingelte, schlug mein Herz bis zum Hals. Plötzlich nahm jemand ab und ich erkannte die Stimme des netten Herrn, mit dem ich am Freitag gesprochen hatte. Nachdem ich mich gemeldet hatte, kam ein sehr freundliches „Guten Morgen!“ von der anderen Seite. Er freute sich total, mich zu hören, und als ich ihm mit klopfendem Herzen sagte, dass ich die Sommersaison gerne bei ihm arbeiten wollte, wartete ich gespannt auf eine Reaktion. Und die kam sofort. Man hörte es seiner Stimme an, dass er sich freute, und er sagte, dass er gehofft hatte, dass ich mich so entscheiden würde. Den Arbeitsvertrag wollte er noch am gleichen Tag abschicken. Ich sollte ihn bitte gleich unterschreiben und ihn so schnell wie möglich zurückschicken. Ich sagte, dass ich das sehr gerne tun würde und wir verabschiedeten uns. Ich legte auf und hüpfte vor Freude im Wohnzimmer umher. Ich hatte einen Sommerjob! Nun ja, noch nicht ganz sicher, schließlich hatte ich den Vertrag ja noch nicht unterschrieben, aber so gut wie. Dieser Chef machte einen so angenehmen Eindruck, dass ich mir nicht vorstellen konnte, dass er es nicht ehrlich meinte. Ich ging zurück in die Küche und wollte mein Frühstück jetzt in aller Ruhe genießen. Doch so recht wollte mir das nicht gelingen, denn ich war total aufgeregt. Aber dieses Mal vor lauter Freude. Drei Tage später lag tatsächlich ein Brief aus der Schweiz in meinem Briefkasten. Ich riss ihn schon auf dem Weg zurück in die Wohnung auf, so neugierig war ich. Und es war unglaublich: Ich hielt meinen Arbeitsvertrag in meinen Händen. Es war ein nettes Schreiben dabei, in dem stand, dass ich den Vertrag schnellstmöglich zurückschicken sollte. Schnellstmöglich war viel zu langsam, wie der Blitz würde das sein! Ich setzte mich an meinen Schreibtisch und las den Vertrag durch. Es war alles genauso, wie wir es beim Vorstellungsgespräch besprochen hatten und ich unterschrieb mit einem sehr guten Gefühl. Ich war total happy und lief sofort zum Briefkasten und warf den Brief ein. Auf dem Weg zurück nach Hause ging ich wie auf Wolken. Ich hatte einen Job an diesem herrlichen See! Zu Hause angekommen, rief ich sofort meine Freundin an und erzählte ihr alles. Wir telefonierten fast eine Stunde miteinander, denn es gab jetzt, wo alles unter Dach und Fach war, so viel zu erzählen. Ich war total aus dem Häuschen. Als wir das Gespräch beendet hatten, fing ich an darüber nachzudenken, was ich jetzt alles organisieren musste, denn ich hatte nur noch zwei Wochen Zeit. Ich machte mich auf die Suche nach meinem Koffer. Was wollte ich denn alles mitnehmen? Die nächsten Tage hatte ich ziemlich viel zu tun. Was alles vor der Abreise noch erledigt werden musste, wollte kein Ende nehmen. Wenn ich dachte: Jetzt hast du alles, fiel mir immer noch etwas ein. Und je knapper die Zeit bis zur Abreise wurde, desto nervöser wurde ich. Aber dann war es doch irgendwann geschafft und der letzte Abend zu Hause war gekommen. Mittags waren meine Kinder vorbeigekommen, um sich von mir zu verabschieden und den Abend verbrachte ich mit meiner Freundin. Am nächsten Morgen fuhr mich mein Sohn recht früh zum Bahnhof. Wie überrascht war ich, als plötzlich auch meine beiden Töchter auftauchten. Sie wollten es sich nicht nehmen lassen und mich zum Bahnhof begleiten. Schließlich würden sie mich ja für eine lange Zeit nicht sehen, meinten sie. Als der Zug einfuhr, verabschiedeten wir uns dann endgültig voneinander. Mein Sohn schleppte meine beiden Koffer in den Zug und schon ging es los. Der Zug fuhr ab, noch ein kurzer Blick aus dem Fenster und dann begann mein neues Abenteuer.

Die Zugfahrt verlief recht ruhig und als ich einige Stunden später ankam, war ich unendlich glücklich. Ich war an meinem geliebten See angekommen. Ich verließ den Bahnhof, nahm den nächsten Bus und fuhr zum Hotel. Ich betrat das Hotel durch einen Seiteneingang, durch den ich direkt zur Rezeption gelangte und ich lief auch gleich dem Chef in die Arme. Er begrüßte mich freundlich und auch die Mitarbeiterin an der Rezeption kam gleich auf mich zu, begrüßte mich mit einem Lächeln und stellte sich als Margareta vor. Es war ein sehr herzlicher Empfang und ich fühlte mich auf Anhieb unheimlich wohl. Vor der Rezeption standen einige Stühle und der Chef bat mich, dort einen Moment Platz zu nehmen, denn er wollte seine Frau holen. Kurz darauf kamen die beiden zurück und ich lernte auch meine Chefin kennen, die ebenfalls einen sehr netten Eindruck machte. Wir unterhielten uns kurz miteinander und dann zeigte sie mir meine Unterkunft. Sie lag quasi um die Ecke, keine fünf Minuten vom Hotel entfernt, direkt in der Fußgängerzone. Super! Die Wohnung lag oberhalb einer Apotheke und es gab außer meiner noch sechs andere. Der Zugang zu den Wohnungen ging über einen Innenhof, der sehr schön hergerichtet war. Hier konnte man wohnen, dachte ich. Dass es dann doch nicht ganz so idyllisch sein würde, sollte sich bald zeigen. Im Moment war ich total begeistert. Ich hatte im zweiten Stock eine kleine Einzimmerwohnung mit Küche, Bad und Balkon. Der Balkon lag nach vorne zur Straßenseite und so konnte man von oben das Treiben auf der Straße beobachten. Nachdem die Chefin mir alles gezeigt hatte, verabschiedete sie sich und ich war alleine in meinem kleinen Reich. Ich begann meine beiden Koffer auszupacken und legte alles ordentlich in den Schrank. Eigentlich wollte ich auch gleich anfangen alles ein bisschen zu dekorieren und nett herzurichten, aber ich war einfach zu müde dazu. Ich musste mich zuerst etwas ausruhen.