Träume vom Wüstenplaneten - Frank Herbert - E-Book

Träume vom Wüstenplaneten E-Book

Frank Herbert

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Beschreibung

Hintergründe und Kurzgeschichten zum größten aller Science-Fiction-Epen

Mit dem „Wüstenplanet“-Zyklus hat Frank Herbert eine Zukunftssaga geschaffen, die in ihrer epischen Wucht nur mit J. R. R. Tolkiens „Herr der Ringe“ zu vergleichen ist. Dies sind die bislang unveröffentlichten „Wüstenplanet“-Texte des erfolgreichsten Science-Fiction-Autors aller Zeiten: Erzählungen und Essays rund um Arrakis, den „Wüstenplaneten“, in denen Frank Herbert dieser faszinierenden Welt neue Facetten hinzufügt und etliche Geheimnisse lüftet. Brian Herbert und Kevin J. Anderson trugen diese Texte, die teilweise aus Herberts Nachlass stammen, zusammen, darunter auch die Erstfassung des "Wüstenplaneten", "Der Gewürzplanet" und etliche bislang unveröffentlichte Kurzgeschichten.

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Seitenzahl: 669

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Das Buch

Mit dem »Wüstenplanet«-Zyklus hat Frank Herbert eine Zukunftssaga geschaffen, die den größten Teil unserer Galaxis und einen Zeitraum von Tausenden von Jahren umfasst und in ihrer epischen Wucht und ihrem außerordentlichen Detailreichtum nur mit J. R. R. Tolkiens »Herr der Ringe« zu vergleichen ist. Nach dem Tod des Autors Mitte der 80er Jahre schien diese Saga – zum Bedauern von Millionen von Leserinnen und Lesern rund um die Welt – zu einem Abschluss gekommen zu sein. Doch das Abenteuer geht weiter: In Frank Herberts Nachlass wurden zahllose Notizen, literarische Skizzen und Briefe gefunden, die das »Wüstenplanet«-Universum weiter ausbauen und etliche Geheimnisse dieser faszinierenden Welt lüften – darunter auch eine umfangreiche Erzählung, die ein völlig neues Licht auf Herberts Schöpfung wirft: »Der Gewürzplanet«. Gemeinsam mit dem bekannten Science-Fiction-Autor Kevin J. Anderson hat Frank Herberts Sohn Brian Herbert diese verstreuten Texte zusammengetragen und in einem einzigartigen Band versammelt.

Die Autoren

Frank Herbert, 1920 in Tacoma, Washington, geboren, arbeitete als Austerntaucher, TV-Kameramann, Rundfunksprecher und Journalist. 1963 wird der erste Teil seines SF-Romans »Dune«, zu deutsch »Der Wüstenplanet«, veröffentlicht. Der dritte Teil, der 1976 erscheint, landet in den Bestsellerlisten von Publishers Weekly. Nach der Verfilmung durch David Lynch 1984 werden die »Wüstenplanet«-Bände zum Weltbestseller. Frank Herbert starb am 11. Februar 1986.

Brian Herbert, der Sohn von Frank Herbert, hat selbst SF-Romane verfasst, darunter den in Zusammenarbeit mit seinem Vater entstandenen »Mann zweier Welten«.

Kevin J. Anderson ist einer der meistgelesenen SF-Autoren unserer Zeit. Zuletzt ist von ihm die gefeierte »Saga der Sieben Sonnen« erschienen.

Eine Liste aller im Heyne Verlag erschienenen Wüstenplanet-Bücher finden Sie am Ende des Bandes.

Mehr über die Autoren und ihre Romane erfahren Sie auf:

diezukunft.de

FRANK HERBERT

BRIAN HERBERT

KEVIN J. ANDERSON

TRÄUME VOM

WÜSTEN

PLANETEN

Deutsche Erstausgabe

WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN

Titel der amerikanischen Originalausgabe

THE ROAD TO DUNE

Deutsche Übersetzung von Jakob Schmidt

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Deutsche Erstausgabe 10/2009

Redaktion: Bernhard Kempen

Copyright © 2005 by Herbert Properties, LLC

Copyright © 2009 der deutschen Ausgabe und der Übersetzungby Wilhelm Heyne Verlag, München,in der Verlagsgruppe Random House GmbH,Neumarkter Straße 28, 81673 München

Umschlagillustration: Chris Moore

Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München

Satz: Schaber Datentechnik, Austria

ISBN: 978-3-641-25419-3V002

www.diezukunft.de

Inhaltsverzeichnis

Vorwort von Bill Ransom

Vorbemerkung von Brian Herbert und Kevin J. Anderson

DER GEWÜRZPLANET

Einleitung

Der Gewürzplanet, Erster Teil

Der Gewürzplanet, Zweiter Teil

DER WEG ZUM WÜSTENPLANETEN

»Sie haben den Wandersand zum Stillstand gebracht«

Die Briefe des Wüstenplaneten

Unveröffentlichte Szenen und Kapitel

Einleitung

Entfernte Szenen und Kapitel aus Der Wüstenplanet

Paul und die Ehrwürdige Mutter Mohiam

Paul und Thufir Hawat

Paul und Gurney Halleck

Paul und Dr. Yueh

Paul und Herzog Leto Atreides: Die Raumgilde und die große Konvention

Baron Harkonnen und Piter de Vries

Von Caladan nach Arrakis

Augen, blau in blau

Jessica und Dr. Yueh: Das Gewürz

Paul und Jessica

Flucht vor den Harkonnens: Mit Duncan und Liet-Kynes in der Wüstenbasis

Die Flucht von Kynes’ Wüstenbasis

Muad’dib

Entfernte Szenen aus Der Herr des Wüstenplaneten

Ursprüngliche Zusammenfassung zur Einleitung von Der Herr des Wüstenplaneten

Alia und der Ghola von Duncan-Idaho

Der menschliche Distrans

Das Ende der Verschwörung

Der blinde Paul in der Wüste

KURZGESCHICHTEN

Einleitung

Das Flüstern der Meere Caladans

Harkonnen-Hatz

Der Prügel-Mek

Gesichter einer Märtyrerin

Danksagung

Für Beverly Herbert

In der gesamten Geschichte der Literatur gibt es keine anrührendere Würdigung eines Menschen als die drei Seiten, die Frank Herbert in Die Ordensburg des Wüstenplaneten über Beverly Herbert schrieb. Er verfasste diesen Roman auf Hawaii, an ihrem Sterbebett. Über seine liebende Ehefrau und seine engste Freundin in mehr als siebenunddreißig Ehejahren erklärte er dort: »Ist es also ein Wunder, dass ich auf die Jahre unseres Zusammenseins mit einem Glücksgefühl zurückschaue, das alles übersteigt, was sich in Worte fassen lässt? Ist es also ein Wunder, dass ich keinen Augenblick unseres Zusammenlebens vergessen möchte oder zu vergessen brauche? Die meisten anderen haben ihr Leben nur am Rande berührt. Ich habe es in allen Einzelheiten geteilt, und alles, was sie tat, hat mich bestärkt. Es wäre für mich nicht möglich gewesen, das zu tun, was die letzten zehn Jahre ihres Lebens an Notwendigem von mir verlangten, was wiederum ihr Kraft verlieh, hätte sie nicht in den vorangegangenen Jahren gegeben, ohne etwas zurückzuhalten. Ich halte dies für mein allergrößtes Glück und mein wunderbarstes Privileg.«

Seine frühere Widmung in Die Kinder des Wüstenplaneten verwies auf weitere Dimensionen dieser außergewöhnlichen Frau:

Für Bev:

Aus dem wunderbaren Band unserer Liebe heraus,

und um ihre Schönheit und ihre Weisheit

mit anderen zu teilen, denn sie hat dieses Buch

wahrhaftig inspiriert.

Frank Herbert hat die Figur der Lady Jessica Atreides seiner Frau Beverly Herbert nachempfunden, ebenso wie zahlreiche Aspekte der Bene-Gesserit-Schwesternschaft. Beverly Herbert war seine Gefährtin beim Schreiben, und sie war ihm intellektuell ebenbürtig. Sie war Frank Herberts ganze Welt, seine Muse und – mehr als jeder andere Mensch – seine geistige Führerin auf dem Weg zum Wüstenplaneten.

Vorwort

Frank Herbert hatte mehr Spaß am Leben als jeder andere Mensch, den ich je gekannt habe. Er hat mehr gelacht, mehr gescherzt und mehr geschrieben als jeder andere Autor, dem ich je begegnet bin. Aufgewachsen ist er in einfachen Verhältnissen, gar nicht weit vom Ort meiner Geburt, auf der anderen Seite des Puyallup River. Er liebte die freie Natur und beurteilte Menschen nach ihrer Kreativität und danach, ob sie den Härten des Lebens mit Humor oder mit Verbitterung begegneten. Sein Humor half ihm dabei, harte Zeiten durchzustehen und Freude an ihrer Überwindung zu finden. Frank glaubte, dass es die Verlage waren, die den Schriftstellern das Klischee des brotlosen Künstlers in der Dachkammer aufgedrückt hatten, um mit möglichst geringen Vorauszahlungen davonzukommen. Die einzige Währung, die Frank wirklich anerkannte, war die Zeit, in der er sich kreativ betätigen konnte.

»Die Sache ist die, Ransom«, hat er einmal gesagt. »In der ersten Klasse hat man mehr Zeit zum Schreiben.«

Da er nie zur Angeberei neigte, lebte er so komfortabel, wie es ihm gefiel, aber nicht so extravagant, wie er es sich hätte leisten können. Stets bewahrte er sich eine enge Bindung zur freien Natur. In den Jahren n. D. (»nach Dune«) erfreute er sich an neuen schriftstellerischen Abenteuern und daran, anderen zum Erfolg zu verhelfen. Frank bot seinen Mitmenschen Gelegenheiten an, keine Almosen, und erklärte dazu: »Ich helfe einem anderen lieber hoch, als ihm auf die Finger zu treten.« Das erinnert mich an mein Lieblingszitat von Dostojewski: »Gib den Menschen zu essen, bevor du Tugendhaftigkeit von ihnen verlangst.«

Für Frank fiel alles und jeder in eine von zwei groben Kategorien. Es/er/sie verschaffte ihm entweder mehr Zeit zum Schreiben oder störte ihn dabei. Ich hatte immer ungefähr die gleiche Einstellung. Wir kannten uns über unsere Publikationserfolge, doch aufeinander aufmerksam geworden sind wir vor allem deshalb, weil wir beide aus dem Puyallup Valley kamen, weil unsere Väter beide Gesetzeshüter im gleichen Bezirk waren und weil zwei entfernte Verwandte von uns miteinander verheiratet waren. In den frühen Siebzigern zogen wir beide in der gleichen Woche nach Port Townsend, was wir herausfanden, als die Lokalzeitung Artikel über uns veröffentlichte. Ich wollte Frank endlich persönlich kennenlernen, doch gleichzeitig wollte ich ihm nicht die Zeit stehlen, die er zum Schreiben benötigte. Nur ein paar Jahre zuvor hatte Frank unter einem Pseudonym etwas für Helix geschrieben, meine Lieblingsuntergrundzeitschrift aus Seattle. Ich schickte Frank eine Postkarte, die an sein Pseudonym (»H. Bert Frank«) adressiert war und auf der ich erklärte, dass ich immer bis mittags schrieb, mich danach aber gerne mal auf einen Kaffee mit ihm treffen würde. Am nächsten Tag rief er mich um zehn nach zwölf an. »Hallo Ransom. Hier Herbert. Steht unsere Verabredung zum Kaffee?« So war es, und die nächsten fünfzehn Jahre lang trafen wir uns fast jeden Tag zum Kaffeetrinken oder Mittagessen.

Frank war der Meinung, dass Lyrik das ausgezeichnetste Destillat von Sprache ist, ob nun in offener oder geschlossener Form. Gierig verschlang er die zeitgenössischen Gedichte in Literatur- und Kleinstmagazinen, und wenn er sich mit den Problemen seines Lebens und Schreibens auseinandersetzen musste, schrieb er selbst Lyrik. In sehr jungen Jahren hatte er herausgefunden, dass er von seinem Sachliteraturschreibstil, der sehr viel lesbarer war als die meisten journalistischen Texte seiner Zeit, halbwegs leben konnte. Sein guter Prosastil, sein Blick für Details und sein Ohr dafür, wie die Menschen wirklich reden, führten ihn in Verbindung mit der für ihn stets wichtigen Frage »Was wäre wenn?« von ganz allein in den Bereich der Erzählliteratur. Erfolg fand Frank mit seiner Erzählliteratur, aber die Inspiration füllte seine Notizbücher und seine Geschichten mit Dichtung.

Meine erste Gedichtsammlung, Finding True North & Critter*, wurde im selben Jahr für den National Book Award nominiert, während Franks Soul Catcher als bester Roman nominiert wurde. Wenn Frank und ich beide von Anfang an Romanautoren – oder Dichter – gewesen wären, hätte sich unsere Freundschaft vielleicht anders entwickelt. So, wie die Dinge lagen, konnten wir einander mit unseren Werken neue Kraft und Begeisterung verleihen. Wir ermutigten uns gegenseitig, schriftstellerische Risiken einzugehen, unter anderem, indem wir uns in neuen Genres versuchten, zum Beispiel als Drehbuchautoren. Das größte dieser Risiken, sowohl für unsere Freundschaft als auch für unseren Ruf als Autoren, war es, gemeinsam Der Jesus-Zwischenfall zu schreiben und den Roman unter unseren beiden Namen anzubieten. Frank wies darauf hin, dass man uns, sollte das Buch veröffentlicht werden, jeweils unterschiedlich für unsere Zusammenarbeit kritisieren würde. Man würde sagen, dass Frank Herbert die Ideen ausgegangen waren und dass Bill Ransom sich an den Rockzipfel des Meisters gehängt hatte. Als diese Behauptungen dann tatsächlich geäußert wurden, waren wir geistig umso besser dagegen gewappnet, weil wir sie bereits vorausgeahnt hatten. Die Umstände, die zu unserer Zusammenarbeit geführt hatten, waren komplex, aber unsere persönliche Übereinkunft war ganz einfach: Keiner unserer jeweiligen Wünsche sollten zwischen uns und unserer Freundschaft stehen. Also gaben wir uns die Hand darauf. Und nichts trat zwischen uns, nicht einmal der Wunsch unseres Verlegers, das Buch nur unter Franks Namen zu veröffentlichen (das Garantieangebot für diesen Vorschlag lag eine ganze Zehnerstelle über dem, was wir mit unseren beiden Namen auf dem Umschlag erhielten). Diejenigen, die das Sagen hatten, wären auch mit einem Pseudonym zufrieden gewesen, aber sie beharrten steif und fest darauf, dass ein Roman, der offiziell von zwei Autoren stammte, bei der Leserschaft durchfallen würde, und sie beharrten ebenso steif und fest darauf, nur mit Frank zu verhandeln. Des Weiteren gingen sie davon aus, dass meine Bekanntschaft im Bereich der Dichtung nichts zur Vermarktung des Romans beitragen würde, weshalb ich 25 % und Frank 75 % des endgültigen Honorars erhalten sollte. Frank legte buchstäblich den Hörer auf und besorgte sich ein Flugticket nach New York. Als er mit einem Vertrag in der Hand zurückkam, erzählte er mir, dass er während seines Besuchs beim Verlag einfach nur ein einziges Mantra wiederholt hatte: »Wer die Hälfte der Arbeit geleistet hat, hat sich die Hälfte des Ruhms und die Hälfte der Bezahlung verdient.« Frank nahm einen neunzigprozentigen Honorarverlust in Kauf und gab sich mit einem halben Verfassertitel zufrieden, um mit mir zusammenzuarbeiten, und das ist nur eines der Beispiele für seine Charakterstärke und freundschaftliche Treue.

Das Risiko zahlte sich aus. Wir erfuhren, dass die New York Times Book Review etwas über unser Buch schreiben würde, und ich war nervös. »Ganz ruhig, Ransom«, sagte Frank. »Selbst ein völliger Verriss in der New York Times sorgt für zehntausend verkaufte Hardcover-Exemplare am Folgetag.« John Leonard schrieb eine wunderbare Rezension, und wir waren im Geschäft. Jetzt nahm unser Verlag die beiden nächsten Bücher der Reihe, Der Lazarus-Effekt und Der Himmelfahrts-Faktor, ohne weitere Diskussionen über die Autorennamen auf dem Umschlag an. Für zwei Dorfjungen aus Puyallup Valley, die sich ihr Handwerk selbst beigebracht hatten und dabei ständig bemüht waren, irgendwo einen Fuß in die Tür zu kriegen, haben wir uns ganz gut geschlagen, weil wir uns nämlich immer auf die Geschichte konzentriert haben. Unsere Egos machten uns keine Probleme beim gemeinsamen Schreiben, vor allem, weil Frank als »Autor« kein besonders großes Ego hatte. Von ihm habe ich gelernt, dass es Autoren nur um der Geschichten willen gibt und nicht andersherum und dass eine gute Geschichte zwei Dinge leisten muss: Sie muss lehrreich sein und unterhalten. Der lehrreiche Teil muss unterhaltsam genug sein, damit Leser in die Geschichte eintauchen können und nicht das Gefühl haben, sich eine Predigt anzuhören. Und Unterhaltung ohne irgendeinen lehrreichen Gehalt zu schreiben, ohne jede Einsicht in die Frage, was es bedeutet, ein Mensch zu sein, ist reine Papierverschwendung.

Frank vertrat die Meinung, dass die Dichtung der Höhepunkt der menschlichen Sprache sei. Er vertrat außerdem die Meinung, dass die Science Fiction das einzige Genre sei, in dem der Versuch einer Definition unternommen wird, was es bedeutet, ein Mensch zu sein. Wir benutzen den Kontakt mit fremden Lebensformen oder fremden Umweltbedingungen als Anstoß oder Hintergrund für zwischenmenschliche Handlungen. Die Figuren der Science Fiction lösen ihre Probleme selbst – weder Zaubersprüche noch Götter kommen ihnen zu Hilfe –, und manchmal müssen sie erstaunliche technische Vorrichtungen erfinden, um ihre Haut zu retten. Menschen schauen in Büchern nach, wie andere Menschen vor ihnen menschliche Probleme gelöst haben. Frank bewunderte die menschliche Entschlossenheit und Erfindungsgabe und sang ihr Loblied in seinem Leben und in seinen Werken. Diese Einstellung hatte auch eine pragmatische Seite: »Denk dran, Ransom«, sagte er, »Außerirdische kaufen keine Bücher. Menschen kaufen Bücher.«

Frank hielt sich Hühner, und sogar dabei machte er keine halben Sachen. Er hatte ein zweistöckiges, sonnengeheiztes Hühnerhaus mit einer automatischen Fütterungsanlage, das direkt an den Garten angrenzte und den Kompost anreicherte. Neben dem Hühneranwesen, doch gnädigerweise außer Sichtweite der Hühner, befand sich eine Weiterverarbeitungsanlage einschließlich Holzofen, Dampfkochtopf und automatischer Rupfmaschine. Jede Alltagshandlung war mögliches Ziel von Franks Einfallsreichtum und Lebensfreude. Er bewunderte hochintellektuelle Autoren wie Pound, doch vor allem hatte er eine Schwäche für Schriftsteller aus einfachen Verhältnissen wie Hemingway und Faulkner, die sich ihr Handwerk zur Erforschung der menschlichen Natur selbst beigebracht hatten.

William Faulkners Werk hat Frank in vielerlei Hinsicht beeinflusst, nicht zuletzt durch die Art und Weise, in der er ein glaubwürdiges fiktives Universum auf der Grundlage komplizierter Verwandtschaftsverhältnisse schuf. Frank sah die Science Fiction als einmalige Gelegenheit, mit »den großen Fragen« ein sehr breites Publikum zu erreichen. Er war tief bewegt von der Rede, mit der Faulkner 1950 den Nobelpreis entgegennahm, und er beherzigte sie bei allem, was er schrieb: »… der junge Schriftsteller und die junge Schriftstellerin von heute haben die Probleme des menschlichen Herzens vergessen, das im Widerstreit mit sich selbst liegt und das als Einziges fähig ist, gutes Schreiben hervorzubringen, weil es sonst nichts gibt, was des Schreibens wert wäre, was all die Todesqualen und den Schweiß wert wäre … die alten Weisheiten und Wahrheiten des Herzens, die alten, universellen Wahrheiten, ohne die jede Geschichte flüchtig und zum Scheitern verurteilt ist – Liebe und Ehre und Bedauern und Stolz und Mitgefühl und Opfermut.« Geschichten bilden das Fundament jeder menschlichen Zivilisation, und Geschichtenerzähler müssen diese Verantwortung annehmen.

Frank hatte einen Schutzengel, der ihn und die Zeit, die ihm zum Schreiben zur Verfügung stand, fast vier Jahrzehnte lang um jeden Preis verteidigte. Beverly Stuart Herbert verbrachte ihre Flitterwochen mit Frank auf einem Feuerwehr-Aussichtsposten, lud die Kinder ins Auto, um mit ihnen in ein mexikanisches Dorf zu fahren, während er schrieb, und ermutigte ihn dazu, aussichtslose Jobs zu kündigen, um stattdessen das zu schreiben, was ihm am Herzen lag, komme, was wolle. Sie hatte ein geradezu unheimliches Gespür dafür, Volltrottel, Trittbrettfahrer, Betrüger und andere Idioten frühzeitig zu erkennen, und Frank war auch recht gut darin. Nicht viele sind an Bev vorbeigekommen, um Frank auf die Probe zu stellen. Aber Bev war diplomatisch und großmütig genug, nicht nur Frank zu schützen, sondern auch die Würde derjenigen, die versuchten, sich ihm aufzudrängen. Später erst, bei Kaffee und hausgemachtem Kuchen, kamen die Witze.

Bev war es, die vorgeschlagen hatte, dass wir gemeinsam einen Roman schreiben sollten. Sie war Franks erste Leserin und Kritikerin, und er maß ihrer Meinung hohes Gewicht bei. Bei unseren täglichen Kaffeetreffen hatten wir angefangen, einander aus Spaß die Bälle zuzuspielen und uns im Zuge dessen eine neue Geschichte auszudenken. »Ihr solltet es einfach hinter euch bringen und die Geschichte schreiben«, sagte sie. Wir beide widmeten uns dem Projekt aus sehr unterschiedlichen Gründen. Ich wollte lernen, wie man eine Geschichte von Romanlänge in Gang hält, und Frank wollte das gemeinsame Schreiben üben, weil er Drehbücher verfassen wollte, ein Medium, das für die Notwendigkeit von Teamarbeit berüchtigt ist. So bekamen wir beide, was wir wollten, und der stets geistreiche Frank bezeichnete unseren gemeinsamen Schreibprozess als »einen einvernehmlichen privaten Akt der Zusammenarbeit zwischen zwei erwachsenen Menschen«.

Nicht all unsere gemeinsamen Erfahrungen waren erfreulich. Meine schriftstellerische Arbeit mit Frank wird für uns beide von traurigen Erinnerungen eingerahmt. Wir begannen mit unserem ersten gemeinsamen Buch, als Bevs Krebs diagnostiziert wurde und ich gerade eine Scheidung durchmachte. Als wir an Der Lazarus-Effekt schrieben, focht Bev ihre zweite Schlacht gegen den Krebs aus (zur selben Zeit schrieb Frank Die weiße Pest), und das Buch erschien kurz vor ihrem Tod. Unsere Zusammenarbeit an Der Himmelfahrts-Faktor endete mit Franks Tod.

Ein unerwarteter und erfreulicher Nebeneffekt unserer gemeinsamen Betätigung war Franks Zusammenarbeit mit seinem Sohn Brian. Frank erwähnte, dass er immer gehofft hatte, dass eins seiner Kinder eines Tages in seine Fußstapfen als Schriftsteller treten würde, und Brian fing mit einigen Versuchen im Bereich humorvoller Science Fiction an. Die gemeinsame Arbeit von Vater und Sohn an Mann zweier Welten markierte nach Bevs langem letztem Leidensweg einen Durchbruch für Frank. Brian lernte an Franks Seite die hohe Kunst schriftstellerischer Zusammenarbeit, und Frank wäre stolz darauf, dass das zwiefache Erbe des Dune-Universums und des Herbert’schen Schriftstellergens ihn überlebt hat. Brian und Kevin J. Anderson haben die Art von Freude am Schreiben, die auch Frank und ich empfunden haben. Sie haben dem Panorama, vor dem Dune entstanden ist, eine neue, greifbare Tiefe verliehen und es um zahlreiche gesellschaftspolitische Details bereichert.

Ich war etwa zur Hälfte mit dem ersten Entwurf von Der Himmelfahrts-Faktor fertig, als die Morgennachrichten im Radio verkündeten, dass Frank Herbert von uns gegangen war. Ganz, wie man es von ihm erwartet hätte, war er davon ausgegangen, dass er auch diese Herausforderung, wie so viele davor, meistern würde. Ebenso keineswegs unerwartet war er gerade dabei gewesen, eine neue Kurzgeschichte zu schreiben, als er starb, eine Geschichte, aus der sich seinen Worten zufolge möglicherweise ein weiterer Nicht-Genre-Roman wie Soul Catcher entwickeln würde. Bei den hektischen Versuchen, Franks Leben zu retten, ist sein Laptop und mit ihm seine letzte Geschichte abhanden gekommen, ähnlich wie Einsteins letzte Worte verlorengingen, weil die Krankenschwester an seiner Seite kein Deutsch sprach.

Jedes Mal, wenn ich eine Tastatur berühre, denke ich an Frank und hoffe, dass mein Schreiben seinen hohen Maßstäben genügt. Auf Altenglisch war »Poet« ein Wort für einen »Gestalter« oder »Schöpfer«. Frank Herbert war ein Schöpfer im großen Maßstab, der treueste Freund, den man sich nur wünschen kann – und ein lustiger, verdammt schlauer, erstklassiger Kerl. Er wird noch immer schmerzlich vermisst.

Bill Ransom

* Anmerkung des Übersetzers: Das Buch wurde nicht ins Deutsche übertragen. Im Folgenden werden, sofern deutschsprachige Fassungen von Büchern oder Filmen vorliegen, deren Titel angegeben, andernfalls der englischsprachige Originaltitel.

Vorbemerkung

Die größte Sorgfalt zu Beginn eines jeden Unternehmens sollte man auf die gleichmäßige Verteilung der Kräfte legen.

Aus Frank Herbert, Der Wüstenplanet

Es war, als würde man einen vergrabenen Schatz finden.

Genau genommen handelte es sich um Pappkartons voller Ordner, Manuskripte, Briefe, Zeichnungen und loser Blätter. Einige der Kisten waren an den Kanten eingeknickt, unter dem Gewicht ihres Inhalts in sich zusammengesackt oder teilweise zerdrückt, weil sie unter Stapeln von schweren Gegenständen vor sich hin vegetierten.

Wie Brian in seiner für den Hugo Award nominierten Biographie The Dreamer of Dune schrieb, war Frank Herberts Ehefrau Beverly in den letzten Jahren ihres Lebens sehr krank und nicht mehr in der Lage, mit der Flut von Papier Schritt zu halten. Davor hatte sie das Werk ihres produktiven Ehemannes lange Zeit bestens organisiert. Sie verwendete ein ausgeklügeltes Ablagesystem, um den Überblick über alte Manuskripte, Verträge, Erfolgsbeteiligungshonorare, Briefe, Rezensionen und Werbematerial zu behalten.

In den Kartons fanden wir neben alten Manuskripten von Frank Herberts zahlreichen Romanen auch unveröffentlichte oder unvollendete Romane und Kurzgeschichten sowie einen faszinierenden Ordner voller unverwendeter Ideen für Geschichten. Wir fanden alte Drehbücher, Reisetagebücher und Geschäftsunterlagen bezüglich Frank Herberts Mitarbeit an verschiedenen Filmen, darunter Die Hellstrom-Chronik, Threshold: The Blue Angels Experience, The Tillers, David Lynchs Der Wüstenplanet und sogar Dino de Laurentiis Flash Gordon, an dem Frank in London als Drehbuchberater mitgewirkt hatte. Wir fanden auch Verträge und Drehbücher für zahlreiche unvollendete Filmprojekte, darunter Soul Catcher, The Santaroga Barrier und The Green Brain.

Eingestreut zwischen den verschiedenen Kartons mit Material für Der Herr des Wüstenplaneten und Der Gottkaiser des Wüstenplaneten (das den Arbeitstitel Sandworm of Dune trug) fanden wir weitere Juwelen: Kapitelentwürfe, Überlegungen zu ökologischen Themen, handschriftliche Gedichtfragmente und poetische Beschreibungen der Wüste und der Fremen. Einiges davon war auf lose Blätter, Notizblöcke oder in kleine Notizbücher, wie Zeitungsreporter sie benutzen, gekritzelt. Neben seitenweise Epigraphen, die Frank in seinen sechs Dune-Romanen nie verwendet hatte, fanden wir historische Übersichten und faszinierende Beschreibungen von Figuren und Schauplätzen. Als wir erst einmal angefangen hatten, uns durch diese Tausende von Seiten zu arbeiten, fühlten wir uns wie Archäologen, die eine authentische Karte entdeckt hatten, auf der die Lage des heiligen Grals verzeichnet war.

Und das war nur das, was wir in der Dachkammer von Brian Herberts Garage fanden.

Hinzu kam noch der Inhalt der beiden Schließfächer, die mehr als zehn Jahre nach Franks Tod entdeckt wurden, wie wir bereits in unserem Nachwort zu unserem ersten Dune-Prequel, Das Haus Atreides, schrieben. Darüber hinaus hatte Frank Dutzende von Kartons mit Entwürfen und Notizen einem Universitätsarchiv vermacht, zu dem die Universität uns freundlicherweise Zugang gewährte. Nach einiger Zeit in stillen akademischen Hinterzimmern förderten wir neue Beute zutage. Später kehrte Kevin noch einmal dorthin zurück, um weitere Tage mit dem Fotokopieren und Abgleichen von Textmaterial zu verbringen, während Brian sich anderen Dune-Projekten widmete.

Der Reichtum neuentdeckten Materials war wie ein Traum für jeden Dune-Fan. Und eins können Sie uns glauben: Wir sind Dune-Fans. Wir haben über wahren Schätzen von wundersamen und faszinierenden Informationen gebrütet, die nicht nur aufgrund ihrer historischen Bedeutung von Wert sind, sondern auch wegen ihres reinen Unterhaltungswerts. Das schließt einen Handlungsabriss (einschließlich Notizen zu einzelnen Szenen und Figuren) für Der Gewürzplanet ein, eine völlig andere Version des Wüstenplaneten, die noch nie zuvor das Licht der Öffentlichkeit erblickt hat. Wir haben auch bislang unveröffentlichte Kapitel und Szenen aus Der Wüstenplanet und Der Herr des Wüstenplaneten entdeckt, sowie Briefwechsel, die entscheidende Entwicklungen im Dune-Universum erhellen – und sogar eine abgerissene Seite aus einem Notizbuch, auf die Frank Herbert mit Bleistift geschrieben hatte: »Vergesst das Gewürz. Rettet die Männer!« Diese Worte, die das entscheidende Element in der Charakterisierung von Herzog Leto Atreides darstellen, hat Frank Herbert vielleicht noch schnell im Licht seiner Nachttischlampe aufgeschrieben, kurz bevor er einschlief.

Träume vom Wüstenplaneten enthält die größten Juwelen aus dieser Science-Fiction-Schatztruhe, darunter auch Der Gewürzplanet, eine Geschichte, die wir auf der Grundlage von Frank Herberts Handlungsabriss verfasst haben. Darüber hinaus haben wir vier unserer eigenen Geschichten aufgenommen: »Das Flüstern der Meere Caladans« (die während der Ereignisse von Der Wüstenplanet spielt) und drei »Verbindungskapitel«, die die Romane aus unserer Saga um Butlers Djihad verknüpfen: »Harkonnen-Hatz«, »Der Prügel-Mek« und »Gesichter einer Märtyrerin«.

Hätte Frank Herbert länger gelebt, hätte er der Welt zahlreiche weitere Geschichten aus seinem phantastischen, einmaligen Universum präsentiert. Heute, fast zwei Jahrzehnte nach seinem viel zu frühen Tod, ist es uns eine Ehre, dieses klassische Erbe mit den Millionen von Frank-Herbert-Fans auf der Welt zu teilen.

Das Gewürz muss fließen!

Brian Herbert und Kevin J. Anderson

DER GEWÜRZPLANET

Der andere Dune-Roman

Von Brian Herbertund Kevin J. Anderson

Nach einem Originalentwurfvon Frank Herbert

Einleitung

Einen solchen Reichtum an Notizen zu finden war nur einer von vielen Schritten, doch das neue Textmaterial, die neuen Ideen, Hinweise und Erklärungen ließen plötzlich viele Aspekte der Chronologie des Dune-Epos klarer hervortreten. Dieses Ereignis fachte in uns erneut eine Art Flitterwochen-Begeisterung für Frank Herberts Universum an.

Wir haben kistenweise Textmaterial fotokopiert und es anschließend sortiert, gekennzeichnet und organisiert. Die größte Herausforderung dabei war, sich einen Reim auf das zu machen, was wir da vor uns hatten. Ein Teil unserer Vorbereitungen für das erste Dune-Prequel hatte darin bestanden, eine detaillierte Konkordanz zusammenzustellen sowie den gesamten Text der ersten sechs Romane einzuscannen, damit wir das Ausgangsmaterial besser durchsuchen konnten. Jetzt strichen wir mit Textmarkern wichtige Informationen in den Zettelstapeln an und hoben unbenutzte Textpassagen und Beschreibungen hervor, die wir möglicherweise in unsere Romane aufnehmen würden – Figurenhintergründe und Ideen für Geschichten.

Über mehrere Kartons verteilt entdeckten wir einige mit Buchstaben markierte Blätter – Kapitel B, Kapitel N und so weiter –, auf die wir uns im ersten Moment keinen Reim machen konnten. Diese Seiten enthielten kurze Beschreibungen von dramatischen Szenen, in denen es um Sandwürmer, Stürme und neuartige Gewürzförderungstechniken ging. Ein Teil der Handlung spielte sich an bekannten, aber seltsam verzerrten Schauplätzen ab, als würde man sie durch eine gesprungene Linse betrachten: Die Rede war vom »Dune Planet« oder der »Dune World« statt von »Dune«, von Catalan statt Caladan, von Carthage statt Carthag und dergleichen. Anders als in Der Wüstenplanet gehen die Figuren in Der Gewürzplanet nicht unrhythmisch durch den Wüstensand, damit die Sandwürmer sie nicht hören und angreifen. Offenbar handelte es sich um eine Idee, auf die Frank zu diesem Zeitpunkt in der Entstehungsphase des Wüstenplaneten noch nicht gekommen war.

Die Kapitel aus Der Gewürzplanet waren von uns unbekannten Figuren bevölkert: Jesse Linkam, Valdemar Hoskanner, Ulla Bauers, William English, Esmar Tuek und eine Konkubine namens Dorothy Mapes. Diese Fremden trafen auf wohlbekannte Figuren wie Gurney Halleck, Dr. Yueh (der hier Cullington statt Wellington Yueh hieß), Wanna Yueh und einen irgendwie vertraut klingenden Planetenökologen namens Dr. Bryce Haynes. Obwohl in der letztlich veröffentlichten Fassung von Der Wüstenplanet eine Nebenfigur (genaugenommen ein Gewürzschmuggler) den Namen Esmar Tuek trägt, handelte es sich in den neu entdeckten Aufzeichnungen um eine ganz andere Person, einen bedeutenden Mann, der eindeutig die ursprüngliche Version einer weiteren bekannten und beliebten Figur war: des Krieger-Mentaten Thufir Hawat. Dorothy Mapes füllte eine Rolle aus, die der von Lady Jessica ähnelte. Der Edelmann Jesse Linkam war dagegen offensichtlich die Grundlage für Herzog Leto Atreides und Valdemar Hoskanner die embryonale Form von Baron Vladimir Harkonnen.

Als wir die Kapitel in die richtige Reihenfolge gebracht und diesen beachtlichen Handlungsabriss gelesen hatten, stellten wir fest, dass es sich bei Der Gewürzplanet um eine ganz eigene Geschichte handelte, die es wert war, erzählt zu werden, und nicht nur um einen Vorläufer des Wüstenplaneten. Obwohl die lebensfeindliche Wüste deutlich an diejenige erinnert, die Millionen von Fans bekannt ist, hat die Geschichte selbst ein anderes Thema und konzentriert sich auf Dekadenz und Drogenabhängigkeit statt auf Ökologie, begrenzte Ressourcen, Freiheit und religiösen Fanatismus. In einer längeren Sequenz des Kurzromans muss die Hauptfigur, Jesse Linkam, gemeinsam mit seinem Sohn Barri (einer achtjährigen Version von Paul Atreides, wenn auch ohne besondere Kräfte) in der Wüste überleben. Diese Szene erinnert an die Flucht Lady Jessicas und ihres Sohns Paul, wie wir sie aus Der Wüstenplanet kennen. Genau wie Der Wüstenplanet ist auch Der Gewürzplanet randvoll mit politischen Intrigen und zeigt uns eine herrschende Klasse selbstgefälliger Adliger – es gibt also zahlreiche Parallelen. Vor allem aber gewährt uns dieses frühere Konzept einen Einblick in den komplexen Verstand von Frank Herbert.

Irgendwann hat der Autor seine Arbeit an Der Gewürzplanet abgebrochen und den detaillierten Handlungsabriss beiseitegelegt. Er fing ganz von vorn an, wobei ihm der legendäre Herausgeber John W. Campbell jr. mit Rat zur Seite stand, und entwickelte einen viel weiter greifenden und bedeutenderen Roman aus seinem ursprünglichen Konzept, allerdings auch einen, der fast unmöglich an den Mann zu bringen war. Der Wüstenplanet wurde von mehr als zwanzig Verlagen abgelehnt, bevor ihn schließlich Chilton Book Co. ins Programm aufnahm, ein Verleger, der vor allem dafür bekannt war, Autoreparaturhandbücher zu publizieren.

Es ist eine Ironie des Schicksals: Hätte Frank Herbert Der Gewürzplanet so geschrieben wie ursprünglich geplant – als Science-Fiction-Abenteuerroman, der etwa so lang gewesen wäre wie die meisten damals erscheinenden Taschenbücher –, wäre es ihm vielleicht sehr viel einfacher gefallen, einen Herausgeber und einen Verlag zu finden.

Auf der Grundlage von Franks Handlungsabriss haben wir den Roman Der Gewürzplanet so geschrieben, wie er ursprünglich angelegt war, um den Blick auf einen Wüstenplaneten zu ermöglichen, den es nie gab, den es aber hätte geben können.

ERSTER TEIL

1

Die Dünenwelt ist wie das Imperium und das Leben selbst: Ganz gleich, wie ihre Oberfläche aussieht, ein kluger Forscher kann immer wieder tiefere, komplexere Ebenen freilegen.

Dr. Bryce Haynes, mit der Erforschung der Dünenwelt beauftragter Planetenökologe

Als das kaiserliche Schiff am Hauptraumhafen von Catalan eintraf, verrieten bereits der hohe Stand und die Bekanntheit des an Bord befindlichen Passagiers Jesse Linkam, dass es wichtige Neuigkeiten gab. Der Abgesandte des Kaisers richtete seine Übertragung an das »Protokollbüro« des Hauses Linkam und verlangte, ohne Verzögerung und mit allen gebührenden Ehren empfangen zu werden.

Jesse antwortete höflich und erwähnte dabei nicht, wer er war und dass sein Haushalt keine Verwendung für ein offizielles Protokollbüro hatte. Er zog es vor, kein großes Aufhebens um seinen Stand zu machen, und verbrachte seine Freizeit gerne mit Angehörigen der Arbeiterschicht. Tatsächlich hatte er eben diesen Nachmittag auf den weiten und fruchtbaren Meeren von Catalan zugebracht. Ein letztes Mal hatte er die Netze nach Glimmerfischen ausgeworfen, bevor der aufziehende Sturm die Küste heimsuchte. Als die Nachricht ihn erreicht hatte, war er gerade dabei gewesen, die mit Fischen gefüllten sonischen Netze an Bord zu ziehen, und hatte gemeinsam mit den derben Seeleuten gelacht, die sich alle Mühe gaben, ihre Ehrfurcht vor dem Edelmann zu überwinden und ihn als einen der ihren zu akzeptieren.

Obwohl er der wichtigste Adlige auf Catalan war, hatte Jesse Linkam nichts dagegen, sich die Finger schmutzig zu machen. Er war hochgewachsen, in mittlerem Alter und ein stiller Mensch mit verborgenen Stärken. Seine grauen Augen maßen, wogen und zählten alles um ihn herum. Seine klassischen Züge hatten dank einer einst gebrochenen Nase etwas Wildes. Sein Gesicht ließ an ein Metronom denken, das gegen den Takt schlug.

Er war nicht verweichlicht und verbrachte seine Zeit auch nicht mit Albernheiten, wie es auf anderen Welten die meisten Edlen seines Standes taten, für die das Führen von Menschen kaum mehr als ein Kostümfest war. Hier in den »unzivilisierten« Randbereichen des Imperiums gab es zu viel echte Arbeit zu erledigen, um sich mit Modeerscheinungen und höfischen Intrigen zu beschäftigen. Jesse liebte die frische, salzige Luft und hielt schweißverklebte Kleidung für ein würdigeres Ehrenabzeichen als die feinste Flüsterspitze von der kaiserlichen Hauptwelt Renaissance. Wie sollte man richtig über ein Volk herrschen, wenn man die täglichen Mühen, die Freuden und Sorgen der Menschen nicht kannte?

Dennoch war Jesse aufgrund seines hohen Standes gesetzlich dazu verpflichtet, dem Abgesandten des Hochkaisers auf den leisesten Wink hin zur Verfügung zu stehen. Nachdem er in sein Anwesen zurückgekehrt war, wechselte der Edelmann die Kleidung und schrubbte sich den Fischgeruch von den Händen, während ein Diener ihm dienstbeflissen parfümierte Wundsalbe auf die aufgesprungenen Fingerknöchel strich. Zu guter Letzt heftete Jesse sich seine Amtszeichen an den Wappenrock. Um sich mehr herauszuputzen, fehlte ihm die Zeit. Hofrat Bauers würde so, wie er war, mit ihm vorliebnehmen müssen.

Vor dem Haus erwartete ihn ein hastig zusammengestellter Konvoi von Bodenfahrzeugen, bereit, zum Raumhafen aufzubrechen. »Ich hoffe, es ist wichtig«, brummte Jesse an seinen Sicherheitschef gewandt.

»Wichtig für Sie? Oder für den Hochkaiser?« Esmar Tuek saß neben ihm im ersten Fahrzeug. Die motorisierte Eskorte setzte sich in herrschaftlicher Eile in Richtung des gelandeten Schiffs in Bewegung. »Wie oft bemerkt Kaiser Wuda, dass es unser kleines Catalan überhaupt gibt?« Da sie unter sich waren, gestattete Jesse dem alten Veteranen, so vertraulich mit ihm zu sprechen.

Es war eine gute Frage, und Jesse hoffte, dass er schon bald eine Antwort darauf erhalten würde. Mit flatternden Bannern näherten sich die Bodenfahrzeuge dem prunkvollen kaiserlichen Raumschiff. Die Landerampe war bereits ausgefahren, aber noch niemand war herausgetreten. Offenbar wartete man auf einen offiziellen Empfang.

Jesse verließ den vordersten Wagen. Sein dunkles Haar flatterte im Wind wie Seetang in einer Strömung. Er rückte seine förmliche Jacke zurecht und wartete, während die Ehrenwachen auf ihre Positionen hasteten.

Das improvisierte Gefolge würde die Besucher zweifellos in ihrem Vorurteil bestätigen, dass es sich bei Catalan um eine raue, rückständige Welt handelte. Auf anderen Welten drillten die Edelleute ihre Soldaten mit endlosen Paraden und Heerschauen. Im Gegensatz dazu würden Jesses Freiwillige zwar mit aller Kraft kämpfen, um ihre Heimat zu verteidigen, brachten aber nur wenig Interesse dafür auf, mit Stöcken herumzuwirbeln und im Gleichschritt zu marschieren.

Auf der Rampe des kaiserlichen Raumschiffs erschien Hofrat Ulla Bauers. Er rümpfte die Nase, als er die feuchte Meeresluft roch, und seine Stirn legte sich in Falten. Der Abgesandte des Hochkaisers, ein zimperlicher, wieseliger Mann mit affektiertem, inkompetentem Gebaren, trug eine voluminöse Robe mit hohem Kragen und geckenhaften Verzierungen, die seinen Kopf seltsam klein erscheinen ließen.

Doch Jesse wusste, dass man diesen Mann nicht unterschätzen durfte. Das übergroße Gewicht, das der Abgesandte auf Kleidung und Statussymbole legte, war vielleicht nur Tarnung. Gerüchten zufolge war Bauers ein flinker und ausgesprochen zuverlässiger Meuchelmörder. Dass er hierher gekommen war, verhieß nichts Gutes.

Jesse legte die Finger an die Augenbraue, das traditionelle Zeichen der Kaisertreue. »Hofrat Bauers, ich heiße Sie auf meiner bescheidenen Welt Catalan willkommen. Möchten Sie uns nicht begleiten?«

Der kaiserliche Berater kam so geschmeidig, als hätte er Räder unter den Füßen, die Rampe herunter und hielt auf halbem Weg inne. Sein stechender Blick wanderte über die Anlegestellen, die Fischerboote, die wettergezeichneten Bretterbuden, die Lagerhäuser und Geschäfte, die den Hafen einrahmten. Er saugte Informationströpfchen auf wie ein trockener Schwamm. »Hmm, ja … in der Tat bescheiden, Edelmann Linkam.«

Die catalanischen Wachen versteiften sich. Jesse hörte ein ungehaltenes Brummen und eine schneidend geflüsterte Zurechtweisung von Seiten General Tueks, doch er selbst lächelte nur. »Wir stellen Ihnen mit Freuden unsere komfortabelsten Gemächer zur Verfügung, Hofrat, und laden Sie zum abendlichen Bankett ein. Meine Konkubine ist in der Verwaltung unserer Küchen ebenso geschickt wie in der meiner Geschäfte.«

»Ich habe meinen eigenen Koch an Bord dieses Diplomatenschiffs.« Bauer holte ein reich mit Einlegearbeiten verziertes Metallröhrchen aus einem bauschigen Ärmel und hielt Jesse den Briefstat wie ein Zepter entgegen. »Was den heutigen Abend betrifft, sollten Sie ihn lieber mit Packen verbringen. Ich kehre morgen früh nach Renaissance zurück, und der Kaiser möchte, dass Sie mich begleiten. Alle weiteren Einzelheiten sind in dieser Nachricht enthalten.«

Mit einem Gefühl eisigen Schreckens nahm Jesse das Röhrchen entgegen. Er deutete eine Verbeugung an und zwang sich zu erwidern: »Danke sehr, Hofrat. Ich werde sie aufmerksam lesen.«

»Seien Sie bei Anbruch des Morgens hier, Edelmann.« Bauer wandte sich mit wehenden Gewändern um und marschierte die Rampe hinauf. Der Würdenträger hatte nicht einmal einen Fuß auf Catalans Boden gesetzt, als fürchtete er, sich die Schuhe zu beschmutzen.

Kalter Regen dauerte bis in die dunkelsten Stunden der Nacht an, und Wolken verbargen die Sterne. Von einem offenen Balkon über dem Meer aus sah Jesse zu, wie die Regentropfen zischend auf den elektrostatischen Wetterschirm trafen, der ihn umgab. Die Fünkchen waren wie Wandelsterne, die über seinem Kopf flüchtige Sternbilder entstehen ließen.

Seit fast einer Stunde war er tief in Gedanken versunken. Er nahm den Briefstat, der auf dem Balkongeländer lag. Als er an beiden Enden des Zylinders zog, kamen Spiegel und Linsen zum Vorschein, und eine Nachricht mit der Stimme von Hochkaiser Wuda wurde abgespielt. »Seine kaiserliche Hoheit ersucht Edelmann Jesse Linkam, sich unverzüglich in den Hauptpalast zu begeben, um Unsere Entscheidung bezüglich des Gewürzproduktionsstreits um die Dünenwelt im Arrakis-System zu vernehmen. Als Beschwerdeführer und als rechtmäßig gewählter Repräsentant des Adelsrats wird Ihnen hiermit erklärt, dass der Verteidiger, Edelmann Hoskanner, einen Kompromiss vorgeschlagen hat. Falls Sie sich weigern zu erscheinen, werden Wir Ihre Klage abweisen und keine weiteren Streitigkeiten zulassen.«

Jesse ließ den Zylinder zuschnappen, bevor die Stimme des Hochkaisers seine endlose verbale Unterschrift abspulen konnte, die die traditionelle Aufzählung seiner Titel und Würden umfasste.

Dorothy Mapes, seine geliebte Konkubine und Geschäftsführerin, trat hinter ihn und berührte ihn am Arm. Nach elf Jahren, die sie an seiner Seite gedient hatte, wusste sie seine Gemütslagen zu deuten. »Die meisten Edelmänner wären geehrt, eine persönliche Einladung vom Hochkaiser zu erhalten. Solltest du nicht zumindest die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass er nur dein Bestes will?«

Jesse wandte sich zu ihr um und runzelte kurz die Stirn. »Diese Nachricht ist in bester Diplomatensprache abgefasst, aber ich fürchte, sie könnte unser Ende bedeuten, Liebling. Ein Angebot von Valdemar Hoskanner hat mit Sicherheit nicht einfach nur einen Haken. Eine Schlinge ist wahrscheinlicher.«

»Dann sei wachsam. Aber trotzdem weißt du, dass du wegen Valdemar etwas unternehmen musst. Du bist in diesen Streit hineingezogen worden, und jetzt zählen die anderen Edlen auf dich.«

Er schenkte ihr ein erschöpftes, liebevolles Lächeln. Sie hatte kurzes dunkles Haar, das mit helleren pfefferfarbenen Strähnen gesprenkelt war. Die großen braunen Augen im hübschen ovalen Gesicht hatten die Farbe von glattem Myrtenholz, wie man es an der Küste fand. Einen Moment lang betrachtete er den ungewöhnlichen Ring mit den beiden Edelsteinen, den sie an der rechten Hand trug – Zeichen seiner Liebe zu ihr als Edelmann. Obwohl sie dem gemeinen Volk entstammte, war Dorothy alles andere als gewöhnlich.

»Viele Jahre lang warst du meine Inspiration, mein Leitstern und meine engste Beraterin. Du hast die finanzielle Lage meiner Familie zum Besseren gewendet und den größten Teil des Schadens wiedergutgemacht, den mein Vater und mein Bruder vor ihrem Tod angerichtet haben. Aber ich bin mir nicht so sicher, was die Dünenwelt angeht …« Er schüttelte den Kopf.

Die kleine Frau blickte zu ihm auf. »Dann sag mir, ob das hier dir mehr Klarheit verschafft.« Sie strich ihm eine Prise der Gewürz-Melange auf die Lippen. »Von der Dünenwelt. Darum geht es bei allem.«

Er genoss den Zimtgeschmack und spürte das angenehme Aufwallen der Drogenwirkung. Heutzutage schien jeder das Gewürz zu nehmen. Kurz nach der Entdeckung der Substanz auf jener unwirtlichen Welt hatten die Inspektionstruppen des Kaisers Außenposten errichtet und die Wüste kartografiert, um die nötigen Grundbedingungen für den Gewürzabbau zu schaffen. Seitdem war die Melange eine ausgesprochen beliebte Handelsware.

In einem kommerziellen Coup, der in den Augen vieler Bestechung oder Erpressung vermuten ließ, hatte das Haus Hoskanner sich ein Monopol auf alle Dünenwelt-Unternehmungen gesichert. Seitdem ernteten die Arbeitstruppen der Hoskanners in den lebensfeindlichen Dünenmeeren Gewürz und verkauften es mit hohem Gewinn, an dem der Kaiser einen beträchtlichen Anteil erhielt. Auf kaiserlichen Strafplaneten standen ganze Armeen von Sklaven als Sandarbeiter zur Verfügung.

Zu Beginn bemerkten die anderen Adelsfamilien nicht, welche Vorzugsbehandlung den Hoskanners zuteil wurde. Sie waren zu sehr mit höfischen Spielchen beschäftigt. Jesse war einer der wenigen, die auf das bestehende Ungleichgewicht hingewiesen hatten, und schließlich hatten auch die anderen Edlen ein Auge auf die Reichtümer geworfen, die die gerissenen Hoskanners ernteten, und ein Stück vom Kuchen verlangt. Sie schrien im kaiserlichen Rat herum, erhoben Anschuldigungen und ernannten schließlich den geradlinigen Jesse Linkam zu ihrem Sprecher, der eine offizielle Beschwerde vorbringen sollte.

»Die Edelleute haben mich nicht wegen meiner Fähigkeiten ausgewählt, Dor, sondern weil sie nostalgischen Erinnerungen an meinen närrischen Vater und an Hugo, meinen unfähigen Bruder, nachhängen.« Er starrte finster auf den Briefstat-Zylinder und war in ernsthafter Versuchung, ihn vom Balkon in die aufgewühlten Fluten tief unten zu werfen.

»Jesse, dein Vater und dein Bruder waren vielleicht schlechte Geschäftsleute, aber sie haben viel Wohlwollen bei anderen Edelleuten erlangt.«

Er runzelte die Stirn. »Indem sie die höfischen Spiele auf Renaissance mitgemacht haben.«

»Das solltest du zu deinem Vorteil nutzen, Geliebter, und daraus Gewinn schlagen.«

»Diese Sache wird uns kaum Gewinn einbringen.«

Nach dem sinnlosen Tod seines Bruders in der Stierkampfarena war Jesse noch vor seinem zwanzigsten Geburtstag zum Oberhaupt des Hauses Linkam geworden. Kurz darauf musste seine Konkubine feststellen, dass Catalans Wirtschaft und Finanzwesen ein heilloses Durcheinander waren.

Nachdem er sich mit dem Adelsrat getroffen hatte, erkannte Jesse bald, dass nur wenige der modernen Edlen, die ihre Güter geerbt hatten, gute Anführer oder kompetente Geschäftsleute waren. Viele Familien, die einst unermesslich reich und mächtig gewesen waren, glitten in die Dekadenz ab und taumelten unaufhaltsam dem Bankrott entgegen, größtenteils, ohne es überhaupt zu bemerken.

Mit luxuriösen Festivitäten und schlecht gegenfinanzierten Bauprojekten hatten Jesses Vater und Bruder das Haus Linkam an den Rand des Abgrunds getrieben. Aber in den letzten Jahren hatten Dorothys umsichtige Verwaltung und ihr strenger Sparkurs gemeinsam mit Jesses Bemühungen, die Menschen zu mehr Leistung anzutreiben, das Blatt gewendet.

Er blickte in die regengepeitschte Nacht hinaus und seufzte resigniert. »Immer regnet es hier. Unser Haus ist immer feucht, ganz egal, wie viele Schilde und Heizungen wir einbauen. Dieses Jahr sind die Seetangerträge zurückgegangen, und die Fischer haben nicht genug gefangen, um exportieren zu können.« Er hielt inne. »Aber trotzdem ist diese Welt meine Heimat und die Heimat meiner Ahnen. Ich habe kein Interesse an anderen Planeten, nicht einmal an der Dünenwelt.«

Dorothy trat näher und legte Jesse einen Arm um die Hüfte. »Ich wünschte, du könntest Barri mitnehmen. Jeder Sohn eines Edlen sollte wenigstens einmal in seinem Leben Renaissance sehen.«

»Nicht dieses Mal. Es ist zu gefährlich.« Jesse liebte ihren achtjährigen Jungen von ganzem Herzen. Es machte ihn stolz, wie Barri unter der behutsamen Anleitung seiner Mutter und des alten Hausarztes Cullington Yueh gereift war. Barri lernte, ein guter Geschäftsmann und auch ein guter Anführer zu sein – Eigenschaften, die ihm in dieser Ära der verblassenden kaiserlichen Größe gute Dienste erweisen würden. Alles, was Jesse tat, tat er um der Zukunft willen, für Barri und zum Wohle des Hauses Linkam. Selbst die Liebe zu seiner Konkubine musste dahinter zurückstehen.

»Ich werde nach Renaissance reisen, Dor«, sagte Jesse, »aber ich habe dabei kein gutes Gefühl.«

2

Nimm dich vor Kompromissen in Acht. Sie sind sehr viel häufiger Angriffswaffen als Werkzeuge des Friedens.

General Esmar Tuek, Strategische Prinzipien

Ulla Bauers saß allein im Exekutivabteil seines Diplomatenschiffs und dachte über den Dummkopf von Edelmann nach, den er nach Renaissance brachte. Fischen! Jesse Linkam war draußen auf einem Boot gewesen und hatte die Arbeit eines Gemeinen verrichtet. Was für eine unglaubliche Zeitverschwendung!

Die Quartiere auf Bauers Raumschiff waren eng und karg, doch er verstand den Grund dafür. Bei so langen Reisen zwischen den Sonnensystemen schränkten die Treibstoffkosten das Mitführen unnötiger Masse stark ein. Mahlzeiten gab es nur in Form von Tabletten aus konzentrierter Melange, ein weiteres Zeichen für die umfassende Bedeutung des Produkts von der Dünenwelt. Nach über einer Woche im Transit würden Passagiere und Besatzung große Mengen richtiger Nahrung zu sich nehmen, sobald sie ihr Ziel erreicht hatten. Auf Raumreisen war Bauers stets hungrig, und das versetzte ihn nicht gerade in die bestmögliche Laune.

Er hörte seinen Magen knurren. Er nahm noch eine Melangetablette, genoss ihren Zimtgeschmack und spürte, wie ihn die beruhigende Wirkung der Droge durchströmte.

Das Gewürz verbesserte das Wohlgefühl und steigerte die Effizienz des menschlichen Stoffwechsels, indem es mehr Energie aus der Nahrung holte. Vom praktischen Standpunkt aus betrachtet hieß das, dass die platzraubenden Vorräte, die man auf langen Raumreisen normalerweise benötigte, auf ein oder zwei Kisten reduziert werden konnten, was es erlaubte, die Frachträume anderweitig zu verwenden. Bauers hatte von der Theorie gehört, dass Melange vielleicht sogar die Lebensdauer erhöhte, aber da es erst seit wenigen Jahren bekannt und in Benutzung war, gab es noch keine Langzeitstudien, die diese Behauptung bestätigen konnten.

Während das Diplomatenschiff durch Abkürzungen im Gewebe des Raumes schoss, blieb Hofrat Bauers in seiner Kajüte und unternahm keinen Versuch, Bekanntschaften zu schließen. Ironischerweise verfügte er zwar über großes diplomatisches Geschick, hatte jedoch nicht besonders viel für Menschen übrig.

Zwei Decks unter Bauers saß Jesse mit einer Eskorte aus sechs handverlesenen Angehörigen der catalanischen Volksgarde in einem Passagierabteil. Er zog es ohnehin vor, sich in Gesellschaft seiner eigenen Männer aufzuhalten.

Er hatte seine besten Kämpfer ausgewählt, darunter auch General Tuek. Der alte Veteran war ein schlanker Mann mit olivfarbener Haut, hohen Schultern und einem Auftreten, das gleichzeitig Loyalität verriet und Vertraulichkeiten abwehrte. Sein dünnes, graues Haar gab den Blick auf eine ledrige, gebräunte Kopfhaut frei. Die scharlachroten Flecken um seine Lippen verrieten, dass er die Sapho-Sucht besiegt hatte. Er trug die Male wie ein Ehrenabzeichen.

Der Sicherheitschef hatte schon Jesses Vater und Bruder treu gedient und sie beide vor wiederholten Mordanschlägen gerettet, wenn auch nicht vor ihrem eigenen Leichtsinn. Er hatte geschworen, jedem Herrn des Hauses treu zu folgen, doch in den letzten Jahren war er darüber hinaus zu Jesses Freund geworden. In einem seiner seltenen sorglosen Augenblicke hatte er einmal gesagt, dass es erfrischend sei zu sehen, wie jemand wichtige Entscheidungen auf einer soliden Grundlage fällt, statt sich einer Laune oder dem Zufall hinzugeben.

»Wir müssen auf alles vorbereitet sein, Esmar«, erklärte Jesse ihm, als sie sich in dem engen Abteil hinsetzten, um eine Runde Strategie-Steine zu spielen. Unterdessen versperrten die anderen fünf Wachleute den engen Gang, um sich im Rapierfechten und im Nahkampf zu üben und jederzeit bereit zu sein, Edelmann Linkam gegen alle Angriffe zu verteidigen.

»Nachts liege ich wach und denke darüber nach, was mir Sorgen bereiten sollte, Mylord.« Tuek war gerade dabei, Jesse im ersten Spiel zu schlagen. »Meine größte Hoffnung ist, dass Valdemar Hoskanner einen Fehler macht, damit ich einen guten Grund habe, ihn zu töten, während ich Sie verteidige. Er muss für den Tod Ihres Vaters bezahlen.«

»Valdemar wird keinen Fehler machen, Esmar. Man hat uns nicht zufällig nach Renaissance bestellt. Du kannst dein letztes Geld darauf verwetten, dass die Hoskanners einen ausgeklügelten Plan haben. Ich fürchte, einen zu raffinierten Plan, als das wir ihn jetzt schon erkennen könnten. Einen viel zu raffinierten Plan.«

Aus dem gesamten Sternenimperium floss Reichtum nach Renaissance und ermöglichte es dem Hochkaiser, jedes Maß an grellem Prunk zu entfalten, das er sich nur vorstellen konnte. Und viele Generationen von Herrschern hatten sich eine ganze Menge Prunk einfallen lassen.

Der Hauptpalast war eine riesige Kugelkonstruktion aus Millionen von Kristalltafeln. Armillarringe folgten den Bahnen, die auf einem Himmelskörper Längen- und Breitengrade repräsentiert hätten, und die Außenwände waren mit Lichtern gesprenkelt, die die astronomischen Positionen von Kaiser Wudas Sternensystemen anzeigten. Genau in der Mitte der Kugel saß der Kaiser am symbolischen Nullpunkt, womit er (im übertragenen Sinne) im Zentrum des bekannten Universums thronte.

Auf dem Weg zum Kaiser trug Jesse den formellen Mantel und die Hosen, die Dorothy aus seiner selten benutzten Garderobe höfischer Gewänder ausgesucht hatte. Sein dunkles Haar war geölt und mit einem penetrant süßen Duftstoff parfümiert, bei dessen Geruch sich ihm der Magen umdrehte. Salben verdeckten die Schwielen an seinen Händen.

General Tuek inspizierte die fünf catalanischen Gardisten und nahm ihnen anschließend mit großer Geste selbst die zeremoniellen Waffen ab, bevor sie dem Kaiser unter die Augen traten. Nur Tuek und Jesse wussten, dass die Männer noch immer versteckte Waffen trugen, scharfe Würgedrähte, die als Haarsträhnen getarnt waren, und selbsthärtende Ärmel, die als Schnittwaffen eingesetzt werden konnten. Zweifellos hatten die Hoskanners ähnliche Vorkehrungen getroffen. Die Frage war, ob Valdemar kühn genug war, hier im Thronsaal einen blutigen Kampf herauszufordern.

Nach einem melodischen Fanfarenstoß verkündete ein Ausrufer laut und in allen fünf Hauptsprachen des Imperiums das Eintreffen von Edelmann Linkam. Mit hocherhobenem Haupt schritt Jesse auf den Thron zu.

In einem zylindrisch gewölbten Thron auf einem hohen Monolithen saß Kaiser Wuda, ein dicklicher, kahler Mann mit wabbliger Haut. Obwohl er vergleichsweise jung war, hatte sein hedonistischer Lebensstil ihn früh altern lassen, sodass sein Körper bereits zu einem fleischigen Kloß zusammengesackt war. Dennoch gebot er über mehr Reichtum und Macht als jeder andere Mensch im bekannten Universum.

Jesse trat zurück, als ein zweiter Fanfarenstoß die mehrsprachige Vorstellung des Edelmanns Hoskanner von Gediprime ankündigte. Valdemar war auffällig groß, fast wie ein wandelnder Baum. Er trug einen schwarzen Anzug aus Spiegelstoff, der wie öliges Schattenspiel an seiner schlanken Gestalt schimmerte. Schwarzes Haar war von einem spitzen Haaransatz zurückgekämmt und krönte eine breite Stirn, auf die die gekrümmte Gestalt einer gehörnten Kobra tätowiert war, das Abzeichen des Hauses Hoskanner. Valdemars Nase stach aus seinem Gesicht hervor, und sein markanter Kiefer schien eigens dafür geschaffen, ihm beim Zähneknirschen zusätzliche Kraft zu verleihen. Den Blick fest auf den Fuß des kaiserlichen Throns gerichtet, vollführte Valdemar eine makellose, förmliche Verbeugung. Nicht ein einziges Mal schaute er zur Delegation der Linkams hinüber.

Die sechs Hoskanner-Leibwachen, die gleiche Anzahl, die auch Jesse gestattet war, trugen einschüchternde nietenbesetzte Uniformen. Ihre Gesichter wirkten stumpf und eckig, fast schon nicht mehr ganz menschlich. Sie alle trugen die tätowierte gehörnte Kobra, allerdings auf der linken Wange. Tuek bedachte sie mit einem höhnischen Lächeln und wandte sich anschließend um, als der Hochkaiser beide Edelmänner zu sich rief. Pflichtschuldig gingen sie aufeinander zu, bis sie das hohe Podest, auf dem der Thron stand, erreicht hatten.

»Edelmann Jesse Linkam, Sie haben im Namen des Adelsrats eine Beschwerde bezüglich des Monopols der Hoskanners auf die Gewürzproduktion eingelegt. Normalerweise bitten Wir die Adelshäuser darum, ihre Streitigkeiten ohne kaiserliche Einmischung beizulegen. Ihnen stehen direktere Mittel zur Verfügung: persönliche Zweikämpfe zwischen den Streitenden, Schiedsgerichte und sogar das Kanly. Keine dieser Methoden erscheint Ihnen hinreichend?«

»Nein, Herr«, antworteten Jesse und Valdemar gleichzeitig, als hätten sie ihre Antwort abgesprochen.

Das fleischige Gesicht des Kaisers zog sich zu einer finsteren Miene zusammen. Er wandte sich Jesse zu. Seine winzigen Augen lagen tief zwischen bleichen Fettfalten. »Edelmann Hoskanner hat einen Kompromiss angeboten, und ich schlage vor, dass Sie ihn annehmen.«

»Ich werde jedes Angebot in Betracht ziehen, solange es fair und gerecht ist.« Jesse schaute zu Valdemar hinüber, der seinem Blick auswich.

»Seit achtzehn Jahren deckt das Haus Hoskanner unseren Gewürzbedarf«, sagte der Kaiser. »Wir sehen keinen Grund, diese profitable Zusammenarbeit zu beenden, nur weil einige Familien sich einer missgünstigen Laune hingeben. Wir müssen uns davon überzeugen, dass eine Veränderung uns zum Vorteil gereicht. Edelmann Hoskanner ist mit Recht stolz auf seine Leistungen. Um seinen guten Willen zu beweisen, ist er bereit, sein Monopol auf die Dünenwelt für einen Zeitraum von zwei Jahren aufzugeben. Das Haus Linkam – und nur das Haus Linkam – wird die Kontrolle über die Gewürzernte übernehmen. Wenn Linkam am Ende dieser Probezeit mehr fördert als Hoskanner in den beiden vorangegangenen Jahren, werden Wir seinem Haus die Rechte auf den Gewürzabbau dauerhaft zusprechen. Anschließend können Sie dem Adelsrat nach eigenem Gutdünken Anteile übertragen.«

»Ein Wettbewerb, Euer Hoheit?«

Der Hochkaiser ließ sich nicht gern unterbrechen. »Edelmann Hoskanner hat mit diesem Angebot seine außergewöhnliche Großzügigkeit unter Beweis gestellt, und gleichzeitig bringt er damit das Vertrauen in seine Fähigkeiten zum Ausdruck. Wenn Sie der Bessere sind, gehört das Monopol Ihnen. Nehmen Sie diese Bedingungen als angemessene Lösung des Konflikts an?«

Das kaum verhohlene Lächeln, das hinter Valdemars Miene lauerte, verriet Jesse, dass es genau das war, was sein Gegenspieler wollte, aber er sah keine andere Möglichkeit. »Ist es mir gestattet, die Produktionszahlen der Hoskanners einzusehen, damit ich weiß, wie viel wir fördern müssen?«

Hoskanner trat vor. »Herr, meine Arbeiter hatten es weder mit einer Herausforderung noch mit einem vorgegebenen Soll zu tun. Wir haben unser Bestes gegeben und den geforderten Anteil ans Imperium abgetreten. Wenn man Edelmann Linkam ein Soll vorgibt, wäre das ein unfairer Vorteil.«

»Dem stimme ich zu«, erklärte der Hochkaiser mit einem schnellen Blick zu Valdemar. Jesse war davon überzeugt, dass die beiden diese Bedingung im Vorhinein abgesprochen hatten.

Doch so einfach gab der Patriarch des Hauses Linkam nicht auf. »Aber Hoskanner hatte viele Jahre Zeit, um eine Infrastruktur aufzubauen, seine Arbeiter auszubilden und Ausrüstung zu kaufen. Meine Leute müssten bei null anfangen. Man muss mir eine annehmbare Vorlaufzeit zugestehen. Wird das Haus Hoskanner einen Teil seiner Spezialausrüstung für unseren Bedarf zurücklassen?«

Valdemar verzog gelassen das Gesicht, und seine Antwort klang einstudiert. »Das Haus Linkam hat ohnehin den Vorteil unserer Erfahrung, das Datenmaterial von achtzehn Jahren Wüstenarbeit. Unsere Sandarbeiter mussten anfangs zahlreiche Techniken ausprobieren und viele Rückschläge erdulden. Meine Ingenieure haben die Maschinen und Techniken zur Gewürzernte entwickelt, und das lief nicht immer reibungslos. In vielerlei Hinsicht befindet sich mein Gegner schon jetzt in einer besseren Position, als wir Hoskanner sie jemals hatten.« Als er die Stirn in Falten legte, sah die darauf tätowierte gehörnte Kobra aus, als würde sie sich zum Sprung zusammenrollen.

Mit einer gelangweilten Geste sagte Kaiser Wuda: »Die Nachteile scheinen die Vorteile auszugleichen.«

»Herr, wir brauchen irgendeine Ausrüstung, mit der wir anfangen können!«, drängte Jesse und lächelte dann. »Ansonsten wird der Gewürzabbau völlig zum Erliegen kommen, bis wir alles an Ort und Stelle haben. Das könnte Monate dauern. Ich glaube kaum, dass das den Wünschen des Imperiums entspricht.« Er wartete.

»Nein, das wäre unverantwortlich.« Der Hochkaiser schniefte. »Na schön, das Haus Hoskanner erhält hiermit den Befehl, zwölf Gewürzerntemaschinen und drei Carryalls auf der Dünenwelt zurückzulassen. Sie gelten als Leihgaben und müssen am Ende des Wettkampfs unabhängig von seinem Ausgang zurückerstattet werden.«

Valdemars Miene verfinsterte sich, aber er sagte nichts.

Jesse ließ nicht locker. »Und darf ich auch um einen kaiserlichen Erlass bitten, dass weder Edelmann Hoskanner noch irgendjemand, der Verbindungen zu ihm unterhält, meine Unternehmungen stören darf? Schließlich hat auch das Haus Linkam in den vergangenen achtzehn Jahren nichts getan, um ihn zu behindern.«

Die Ungeduld des Hochkaisers grenzte an offene Verärgerung. »Wir werden uns nicht in die Einzelheiten Ihres kleinlichen Disputs hineinziehen lassen, und Wir werden auch nicht bei einer Plänkelei vermitteln, die uns schon viel zu viel von unserer wertvollen Zeit gekostet hat. Weitere Regeln und Einschränkungen verkomplizieren die Sache nur. Am Ende des zweiten Jahres wird das Haus Linkam seine Abrechnung mit der des Hauses Hoskanner vergleichen. Als Ihr Souverän muss ich neutral bleiben, solange das Gewürz weiter fließt.«

Jesse wusste, dass er nicht mehr erreichen würde. Er verbeugte sich förmlich. »Ich nehme die Herausforderung an, Herr.« Keine Regeln.

Der Hochkaiser verschränkte die Hände auf dem geschwollenen Bauch und lächelte. Jesse hatte das Gefühl, dass er die Stahlzähne der Falle um sich zuschnappen hörte.

3

Ich habe die darstellende Kraft von Dichtung und Lied immer für unbezwingbar gehalten. Aber wie kann man auch nur den Versuch unternehmen, die Essenz der Dünenwelt in Worte zu fassen? Man muss dorthin reisen und sie selbst erleben.

Gurney Halleck, Spielmann des Hauses Linkam

Esmar Tuek und einhundert Catalaner trafen als Vorhut auf der Dünenwelt ein.

Die Hoskanners hatten eilig ihre Sachen gepackt und waren wie Mieter, die man mitten in der Nacht hinausgeworfen hatte, verschwunden. Den Großteil ihrer teuren Gewürzerntemaschinen und Transportschiffe hatten sie mitgenommen. Nur zwölf Einheiten ließen sie wie befohlen zurück, doch es handelt sich größtenteils um defekte, schlecht gewartete Ausrüstung.

Esmar Tuek schüttelte den Kopf, als er die unangenehmen Nachrichten hörte. Der Kaiser hatte vermelden lassen, dass er großzügige Konzessionen einräumte. Offenbar hatte er also einen eigenen, nicht unbeträchtlichen Gewürzvorrat zur Seite geschafft, mehr als genug, um über die Runden zu kommen, während das Haus Linkam gegen größte Widrigkeiten kämpfte, wenn es versuchte, die Förderung wieder aufzunehmen. Höchstwahrscheinlich hatten die Hoskanners den Kaiser mit einem Teil ihrer eigenen Gewürzvorräte bestochen, um seine Entscheidung zu beeinflussen.

Während ein paar ambitionierte unabhängige Sandarbeiter die Gewürzförderung auch unter den Linkams fortsetzten, richteten Tueks Männer in der Hauptstadt eine Operationsbasis ein. Carthag kauerte zwischen einem abweisenden Gewirr spitzer Felsen, das sich aus dem offenen Sandmeer erhob und Schutz vor den tobenden Stürmen und anderen Bedrohungen bot. Tuek hätte einen geordneteren Grundriss bevorzugt, aber das zerklüftete Gelände ließ kein erkennbares Schema für die Anordnung von Gebäuden, Straßen und Landeplätzen zu. Die Bauwerke mussten auf jedem verfügbaren Flecken ebener Erde errichtet werden, mochte er noch so klein sein.

Die meisten Angestellten mussten bleiben, da sie sich den exorbitant teuren Flug zu einer anderen Welt nicht leisten konnten. Personal, Köche, Wasserhändler, Handwerker, Gemischtwaren- und Wüstenkleidungshändler blieben in Carthag zurück und gaben vor, sich hier einfach nur durchzuschlagen. Tuek hatte den Verdacht, dass viele von ihnen Saboteure waren, die man mit Absicht zurückgelassen hatte, damit sie gegen das Haus Linkam arbeiteten.

Die erste Amtshandlung des alten Veteranen bestand darin, sich einen Leiter für die Gewürzförderung zu sichern, jemanden mit Erfahrung als Sandarbeiter, der gleichzeitig nicht viel für die Hoskanners übrig hatte. Tuek wollte jemanden, der weit unten in der Hierarchie stand, weil er davon ausging, dass sich Leute, die einen höhergestellten Posten bekleidet hatten, ihren früheren Herren verpflichtet fühlen könnten. Dagegen würde ein Sandarbeiter, der in Sachen Stellung und Verantwortung – und nicht zu vergessen Bezahlung – plötzlich einen Sprung nach oben machte, geneigt sein, sich voll und ganz dem Haus Linkam zu verschreiben.

Tuek und Gurney Halleck, der Spielmann der Familie Linkam, trafen sich mit jedem, der sich auf die Stelle bewarb, und auch mit anderen, die unter den Hoskanners gelernt hatten, nicht zu viel Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Gurney, ein rothaariger Felsen von einem Mann, hatte scharfe Augen und eine tödliche Klinge, obgleich seine lockere Art dafür sorgte, dass seine Feinde ihn immer wieder unterschätzten.

Nachdem sie mit über vierzig Kandidaten gesprochen hatten, entschied sich Tuek für einen ehrgeizigen Erntevorarbeiter namens William English. Selbst nach dem Abzug der Hoskanners hatte English die Leitung dreier Gewürzerntegruppen übernommen und dafür gesorgt, dass sie während des Regierungswechsels weiter Melange abbauten und sogar Prämien dafür erhielten. Zu seinen Gunsten sprach, dass er aus einem edlen Geschlecht stammte. Sein Großvater war ein Verbündeter der Linkams gewesen, bevor eine Wirtschaftskrise das Haus English ruiniert hatte. Die linke Gesichtshälfte des Mannes war rau und wächsern, als hätte man sie mit einem Sandstrahlgebläse bearbeitet. English war in einen tobenden Sandsturm geraten und hatte nicht ausreichend Schutz zwischen den Felsen gefunden. Der größte Teil seiner freiliegenden linken Wange war schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. Die medizinische Versorgung in Carthag hatte genügt, um sein Leben zu retten, aber nicht, um ihn in einen gutaussehenden Mann zurückzuverwandeln. Er hatte nicht viel für die Hoskanners übrig.

Tuek interessierte sich jedoch mehr für die ungewöhnliche winkelförmige Tätowierung über der rechten Augenbraue des potenziellen Vorarbeiters. »Was ist das für ein Zeichen? Ich habe es schon mehrmals in Carthag gesehen, oft bei alten Sandarbeitern.«

»Hat es etwas mit der Gefängnisreligion der Zensunni zu tun?«, warf Guerney ein. »Hat man Sie als Zwangsarbeiter hergebracht?«

Englishs Gesicht nahm einen stolzen Ausdruck an, als er die Tätowierung berührte. »Die meisten von uns sind als Gefangene hergekommen, aber dieses Zeichen weist mich als Freien aus. Ich wurde eines Verbrechens für schuldig befunden und zu zwanzig Jahren Schwerstarbeit in den Strafhöhlen von Eridanus V verurteilt. Dann boten der Hochkaiser und die Hoskanners jedem Gefangenen Amnestie an, der bereit war, für fünfundzwanzig Prozent der im Urteil festgelegten Zeit auf der Dünenwelt zu arbeiten. Ich musste nur fünf meiner ursprünglich zwanzig Jahre ableisten.«

Gurney schnaubte. »Die Hoskanners brauchten eine Menge Arbeitskräfte für die Gewürzförderung.« Immer begierig, neue Geschichten und neues Material für die Lieder zu finden, die er so gerne schrieb, fragte er: »Was für ein Verbrechen haben Sie begangen? Hatte es etwas mit dem unglückseligen Untergang Ihres Hauses zu tun?«

Englishs Miene verfinsterte sich. »Meine Strafe wurde umgewandelt, alle Aufzeichnungen darüber gelöscht. Deshalb habe ich überhaupt kein Verbrechen begangen.« Er lächelte sarkastisch. »Hat sich nicht jeder Mensch etwas zuschulden kommen lassen?«

Dem stets auf Sicherheit bedachten Esmar Tuek gefiel es gar nicht, dass die meisten seiner Sandarbeiter verurteilte Sträflinge waren. Wie vertrauenswürdig konnten die schon sein? Andererseits wusste er auch, dass viele der besten Soldaten, mit denen er im Militär gedient hatte, eine zwielichtige Vergangenheit hatten oder von Gewissensbissen geplagt wurden.

In versöhnlichem Tonfall fragte er: »Wie lange müssen Sie noch auf der Dünenwelt bleiben? Ich kann keinen Erntevorarbeiter gebrauchen, der uns in ein paar Monaten verlässt.«

»Wie gesagt, inzwischen bin ich ein Freier. Ich lebe seit zwölf Jahren hier, sieben davon seit dem Ende meiner Strafe.«

»Warum sind Sie nicht gegangen, Mann?«, entfuhr es Gurney. »Ich kann mir nicht vorstellen, warum jemand freiwillig an diesem verfluchten Ort bleiben sollte.«

»Ich bin nicht