Trennung? Endlich ich! - Anke Ames - E-Book

Trennung? Endlich ich! E-Book

Anke Ames

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  • Herausgeber: epubli
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2016
Beschreibung

Sind wir noch beziehungskompatibel? Nein. Das Rollenverhalten der Geschlechter klafft wie eine Schere auseinander. Ansprüche und Erwartungen an eine Partnerschaft sind ins Unermessliche gestiegen. Die schnelllebige Zeit fordert ihren Tribut und wir werfen die Flinte ins Korn, ehe wir uns versehen. Aber wir müssen nicht gleich aufgeben: Der Schlüssel zu einer glücklichen Partnerschaft ist in erster Linie die glückliche Beziehung zu uns selbst. Das erfordert Hinschauen und das Auflösen blockierender Muster. Wer sich innerlich reinigt und Glück nicht vom Partner abhängig macht, bei dem kommt der oder das Richtige ganz von allein.

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Seitenzahl: 284

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Kurzbeschreibung

Sind wir noch beziehungskompatibel? Nein. Das Rollenverhalten der Geschlechter klafft wie eine Schere auseinander. Ansprüche und Erwartungen an eine Partnerschaft sind ins Unermessliche gestiegen. Die schnelllebige Zeit fordert ihren Tribut und wir werfen die Flinte ins Korn, ehe wir uns versehen.

Aber wir müssen nicht gleich aufgeben: Der Schlüssel zu einer glücklichen Partnerschaft ist in erster Linie die glückliche Beziehung zu uns selbst. Das erfordert Hinschauen und das Auflösen blockierender Muster. Wer sich innerlich reinigt und Glück nicht vom Partner abhängig macht, bei dem kommt der oder das Richtige ganz von allein.

Autorin

TV Moderatorin und Dipl.-Musikerin Anke Ames arbeitet seit vielen Jahren als Business-Trainerin und -Coach in Unternehmen wie Würth, Lufthansa oder Schaeffler. Mit ihrem eigenen Persönlichkeitszentrum setzt sie sich vor allem für die Themen gesunde Führung und Persönlichkeitsentwicklung ein. Zu ihren Methoden zählen u.a. Persönlichkeitsprofile, systemische Familien- und Organisationsaufstellungen, Reiki, sowie das visuelle und auditive Lösen von limitierenden Glaubenssätzen, Ängsten und Blockaden. Mit dem Schreiben begann die gelernte Redakteurin, nachdem sie sich privat wiederholt mit Trennung und Scheidung auseinandersetzen musste. Ihre Erfahrungen an Betroffene weiterzugeben und ihnen wichtige Lebensimpulse zu vermitteln, wurde ihr Herzensprojekt.

Anke Ames

Trennung? Endlich ich!

Ein Impulsgeber

www.epubli.de

Impressum

2016 www.epubli.de

Ein Unternehmen der Holtzbrinck Digital Content Group

Alle Rechte vorbehalten.

Das Werk darf nur mit Genehmigung des Verlags oder der Autorin wiedergegeben werden.

Covergestaltung: PR– kleinesgestaltungswerk

Coverabbildung: Schmelz Fotodesign

ISBN 978-3-7418-4256-6

Inhalt

Einleitung: Trennung – und was nun? S. 7

Teil eins: Zu zweit allein

Zerplatzte Träume S. 19

Sind wir noch beziehungskompatibel? S. 35

Prägungen S. 44

Blockierende Muster S. 53

Teil zwei: Wege aus der Krise

Selbstreflexion S. 72

Trennung als Gewinn S. 81

Abhängigkeiten S. 90

KinderS. 101

Partnersuche S. 124

Negative Überzeugungen S. 133

Lösen limitierender Glaubenssätze S. 144

Charaktere S. 160

Vergebung S. 182

Teil drei: Leben gestalten

Der erste Schritt S. 190

Bewegung für die Seele S. 202

Wahrnehmung S. 210

Der 10 Punkte Plan S. 216

Lebensziele S. 232

Veränderung S. 246

Wie es weiterging S. 260

Anhang: Persönlichkeitstest S. 267

Auflösung S. 272

Für Mama

Einleitung

Trennung – und was nun?

„Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.“ Als das eine Fernsehkollegin, regelmäßiger Studiogast, in einer Sendung zum Thema Trennungen sagte, fehlten mir die Worte. Ich schaute sie entgeistert an.

Sie war Theologin und sprach sich ernsthaft für eine Trennung aus?

Die Sendung hieß „Lebenshilfe“. Ich moderierte sie bei einem privaten Fernsehsender in Deutschland. Meine Studiogäste waren Therapeuten, Seelsorger oder Ärzte, mit denen ich über Menschen in Lebenskrisen sprach. Wir diskutierten über die Schicksale und zeigten mögliche Wege aus der Krise auf.

Der wachsame und warme Blick meiner Kollegin verriet ihre Lebenserfahrung. Sie wusste von was sie sprach. Hier ging es nicht um leere Worthülsen. Als Seelsorgerin und Coach kümmerte sie sich nicht nur um Werte und moralische Verpflichtung, sondern in erster Linie um das seelische Wohl ihrer Klienten. Als Mensch war sie von Grund auf Pragmat und zögerte nicht, Dinge auf den Punkt zu bringen.

Ich fasste nach: „Was verstehen Sie konkret unter einem Ende mit Schrecken? Heißt das, Sie als Theologin würden eine Trennung befürworten?“

In meiner Frage schwang auch persönliches Interesse mit. Ihre nächsten Worte wählte sie mit Bedacht: „Wenn es für beide nur noch eine Qual ist, die Ehe aufrecht zu erhalten, ist es dann nicht besser, die Chance für einen Neuanfang zu bekommen? Es kann nicht im Sinne einer Ehe sein, wenn auch nur einer von beiden daran zugrunde geht, weil er die eigenen Grenzen überschreitet.“

Ich war überrascht und zugleich erleichtert. Wie sehr hatte ich mich mit dem Gedanken gequält, selbst alles falsch gemacht zu haben. Meine Ehe hatte ich schnell aufgegeben – viel zu schnell, wenn es um das Wohl der Kinder ging, auch wenn ich todunglücklich gewesen war.

Es ging noch weiter. Insgeheim zweifelte ich sogar an der Partnerwahl in meinen langjährigen Beziehungen. Mein Unterbewusstsein schien sich mit einer ungeheuren Präzision immer wieder die falschen Männer auszuwählen. Trennungen vorprogrammiert. Ich fühlte mich als Versager meines eigenen Beziehungslebens und dadurch auch als Rabenmutter. Mein 17-jähriger Sohn kommentierte neulich die Anzahl meiner Männer. Ich versank fast im Boden vor Scham. So viele waren es meiner Ansicht nach auch nicht. Aber er hatte eben nicht die Erfahrung eines stabilen Elternhauses gemacht.

Die Worte der Theologin berührten mich. Sie nahmen mir eine große Last von den Schultern. Schuld oder voreiliges Aufgeben – das spielte keine Rolle. Meine Ehe war beendet. Hätte ich sie weitergeführt, wäre ich emotional verhungert, was sich wiederum negativ auf die Kinder ausgewirkt hätte. Dessen war ich mir aus eigener Erfahrung sicher.

Jetzt ging es darum aufzuräumen. Muster, die eine gesunde Beziehung verhinderten, zu entlarven und sie aufzulösen. Ich wusste, dass sie da waren und sich wiederholten. Immer wieder gingen meine Beziehungen in die Brüche. Inzwischen hatte sich ein Gefühl der Unfähigkeit in mir breitgemacht. Ich war offensichtlich nicht in der Lage, eine gesunde Partnerschaft zu führen, zugleich aber voller Sehnsucht danach. Das Gespräch mit der Theologin sollte ein Schlüssel für mein Buch werden und weitere sollten folgen.

Noch ein Buch über Trennungen ...

Es gibt so unendlich viele Ratgeber über das Thema Beziehung oder Beziehungsende. Ob aus psychologischer Sicht, persönliche Erfahrungsberichte oder esoterische Betrachtungsweisen - von Engeln, über „Wünsch dir was“- Geschichten oder Bestellungen ans Universum, als Betroffene fand ich in der entsprechenden Situation nie das „Richtige“.

Das eine Buch war mir zu verkopft, das andere zu idealisiert. Endlich ich – ich wollte mich von der Abhängigkeit einer erfüllten Beziehung lösen und zufrieden sein. Ob mit oder ohne Partner. Das konnte doch nicht so schwer sein. Während meiner Trennungsphase suchte ich nach Impulsen. Korrekterweise muss ich in der Mehrzahl von Phasen sprechen, denn was Trennungen anging, war ich Profi. Nicht, dass ich alle paar Wochen den Mann wechselte, aber es schien mir doch eine Art Lebensthema zu sein. Eine Aufgabe, die es zu lösen galt.

Eine Scheidung hatte ich bereits hinter mir. Aus der laufenden Partnerschaft war ich dabei, mich zu befreien. Ich war überzeugt, erneut den falschen Partner an meiner Seite zu haben. Mir war, als verhindere er meine Selbstverwirklichung. Die Beziehung empfand ich immer mehr als Gefängnis.

Wenn wir uns in den Fängen einer unglücklichen Beziehung befinden, neigen wir dazu die „Schuld“ beim anderen zu suchen.

Auslösende Faktoren gibt es viele: Der Partner übernimmt zu wenig Verantwortung, schließlich sind es auch seine Kinder und er kann sich ebenso Gedanken darüber machen, mit welchen Wochenend-Aktionen er die Kleinen beschäftigen kann, solche und andere Gedanken kreisen im Kopf, wenn die Unzufriedenheit in der Beziehung zunimmt.

Vielleicht ist der Partner auch zu egoistisch und denkt nur an die eigenen Bedürfnisse. Kommt von der Geschäftsreise nach Hause und will als erstes mit seinen Kumpels zum Fußballspiel. Socken und Müll räumen sich nicht von alleine weg, und wer denkt mal an Romantik oder Gefühle? Am Anfang der Beziehung war doch alles ganz anders. Der Haken: Wir Frauen sind Meister im Vorwürfe-Machen. Die Botschaften lauten immer gleich: „Nie hörst du zu“, „Immer muss ich den Müll wegbringen“, „Nie kümmerst du dich um die Beziehung“…

Eine Langzeitstudie der Universität Braunschweig hat ergeben, dass es Merkmale für die Wahrscheinlichkeit einer Trennung gibt. Je emotionaler die Konflikte, desto höher ist das Trennungsrisiko. Demnach geben Stimmfrequenz und Cortisolspiegel Aufschluss über das mögliche Scheitern einer Beziehung.

Bei Frauen weisen sehr emotional ausgetragene Konflikte, die mit erhobener Stimme ausgetragen werden, auf das baldige Ende hin, während es bei Männern ein erhöhter Cortisolspiegel und Blutdruck sind.

Die Untersuchungen für die Langzeitstudie begannen 1990. Bereits elf Jahre später hatten sich von den 68 Paaren, die an dem Lernprogramm teilnahmen, rund ein Drittel scheiden lassen.

Beziehungskompatibel ist anders. Die Geschlechter triften in ihrer Vorstellung über funktionierende Partnerschaften auseinander. Warum sollte sich der Mann ändern, wenn es funktioniert? Männer sind nach wie vor Jäger, Frauen Nestbauer. Das heißt, am Steinzeitprinzip hat sich nichts geändert.

Männer verwenden viel Inbrunst darauf, die Frau zu erobern. Danach wird die Anstrengung runtergefahren, das Wild ist erlegt. Die Beziehungspflege ist Part der Frauen. Sie sind für den Nestbau zuständig. Das entspricht beider Natur und steht doch in krassem Widerspruch zu unsrem modernen Rollenverständnis.

Dieses natürliche Verhalten beider Geschlechter in Beziehungen ist eine unbequeme Wahrheit und regt in vielen Frauen erst mal Widerstand an. Auch bei mir. Trotzdem musste ich irgendwann einsehen, dass ich an diesem Urprinzip nichts ändern konnte, wollte ich mein „Glücks“ -Ziel erreichen.

Der Partner ändert sich nicht, nur weil wir es wollen. Wenn wir irgendetwas in unserem Leben anders haben möchten, können wir nur unsere Haltung dazu verändern. Im Innern. Dann erst passiert auch etwas im Außen. Der Mann würde niemals soviel Beziehungspflege übernehmen, wie ich es mir insgeheim wünschte. Das konnte ich akzeptieren lernen oder ich würde ewig in einem Zweikampf enden. Diese Erkenntnis kam mir nicht freiwillig.

Das Schicksal sorgte mit gnadenloser Unbarmherzigkeit dafür, dass ich endlich hinschaute und die eigenen Blockaden aus dem Weg räumte. Bis dahin dachte ich immer, der jeweils andere müsse sich ändern.

Nach wie vor schlummerte in mir der tiefe Wunsch, eine erfüllte Beziehung zu führen. Anders als meine Eltern. Dass ich die gescheiterte Ehe meiner Eltern mehrfach unbewusst wiederholte, war mir lange Zeit nicht klar.

Das Silvester kurz nach der Trennung von meinem Ex-Mann versetzte mir einen geradezu symbolkräftigen Tiefschlag. Meine Kinder waren beim Vater untergebracht. Ich wollte die Tage bei meiner Freundin verbringen, um auf andere Gedanken zu kommen. Wir hatten vereinbart, dass ich gegen Nachmittag bei ihr eintreffe, was 180 Kilometer entfernt lag. Den Morgen wollte sie mit ihrem neuen „Lover“ verbringen.

Mein Unterbewusstsein sträubte sich gegen ihre neue Liebe. Der Titel Lover erschien mir bezeichnend. Ich traute ihm nicht über den Weg. Meiner Ansicht nach war meine Freundin für ihn ein Objekt. Praktisch, um die eigenen sexuellen Bedürfnisse zu erfüllen und räumlich zu weit weg, um Enge entstehen zu lassen. Die beiden wohnten circa sechs Stunden Fahrtzeit voneinander entfernt. In jedem Fall fühlte sie wesentlich mehr als er, soviel stand für mich fest. Allerdings konnte ich nicht richtig greifen, ob meine inneren Vorbehalte gegen die Person an sich gerichtet waren oder ob sie durch meine eigene Sehnsucht nach Beziehung und ein damit verbundenes Neidgefühl entstanden waren.

Meine Ankunft hatte meine Freundin in den Nachmittag verschoben, um möglichst viel Zeit mit ihm verbringen zu können. Die Kinder hatte ich schon am Vorabend verabschiedet. Ich vertrieb mir die unerwartete Freizeit mit Shopping im Stuttgarter Breuningerland – meiner Wohlfühloase. Hier durch die Läden zu schlendern, neue Kleider zu begutachten, ein Stück nach dem anderen anzuprobieren, das bedeutete für mich Wellness pur. Wobei Shopping stark übertrieben war. Mein Geldbeutel ließ nicht mehr als einen Schal oder einen günstigen Modeschmuck zu. Trotzdem genoss ich die Inspiration und malte mir aus, was ich alles kaufen würde, wenn das nächste Geld kam.

In der Ankleidekabine klingelte auf einmal das Handy.

Meine Freundin war dran: „Du, kannst du auch ein paar Stunden später eintreffen?“

„Äh, was meinst du mit ein paar Stunden?“, fragte ich irritiert.

Ihre Stimme klang angespannt.

„Martin ist noch nicht da.“

„Wie, er ist noch nicht da? Er sollte doch gestern Abend schon eintreffen.“

Langsam verstand ich die Anspannung in ihrer Stimme. Sie saß auf glühenden Kohlen: „Er wollte, aber er hat sich kurzfristig mit einem Freund getroffen und will erst heute Nachmittag kommen.“

Meine Freundin saß in der Zwickmühle. Einerseits war sie völlig enttäuscht und verärgert darüber, dass er ihr seinen Freund vorgezogen hatte, andererseits sehnte sie sich nach seiner Nähe und fühlte sich nicht in der Lage, ihm abzusagen.

Ich war genervt. Eigentlich kannte ich sie ganz anders – als toughe, selbstbewusste Kämpferin, die ihr eigenes Ding durchzog.

„Das kann ja wohl nicht sein, dass er dich versetzt und du dich trotzdem völlig nach ihm richtest.“

„Anke, bitte versteh doch“, sagte sie flehend.

Ich seufzte. Klar konnte ich verstehen. Ich hätte es, wäre ich verliebt, wahrscheinlich keinen Deut besser gemacht.

„Also gut, ich komme später. Und ich hoffe für dich, dass er wirklich kommt.“

„Gut, dann bis später. Ich freu mich auf dich.“ Sie klang erleichtert. Ich hoffte für sie, dass er wirklich eintrudeln würde und mich mein negatives Gefühl täuschte.

Wenigstens konnte ich mir nun beim Anprobieren Zeit lassen.

Als ich gegen 19 Uhr eintraf, trat mir eine glückselige Freundin gegenüber. Sie strahlte über beide Backen.

„Er ist also da“, sagte ich.

„Ja“, antwortete sie lächelnd. „Komm rein.“

Für den restlichen Abend gesellten sich noch zwei weitere Freundinnen dazu. Der Club der einsamen Frauenherzen. Wir alle waren von unseren Männern geschieden oder gerade frisch getrennt und in den Alleinerziehenden-Status gewechselt. Der Kontakt zu den Ex-Männern war von o.k. bis „wir sind vor Gericht gezogen“. Die Beziehung unsres Frauenclubs war symbiotisch. Uns fehlten die Männer – der einen mehr, der anderen weniger – und wir versuchten unseren Kindern soviel Stabilität und heile Welt wie möglich zu vermitteln, indem wir sie so oft es ging zusammenbrachten. Damit ging es den Kindern gut und wir konnten unsere geschundenen Seelen laben.

Bei einer der Frauen war die Trennung von ihrem Mann noch ganz frisch. Er hatte sie betrogen. Jetzt ging es nicht nur um stark verletzte Gefühle, sondern auch um ihre Existenz, denn er wollte ihr das gemeinsame Haus nicht kampflos überlassen. Er kam und ging wie er wollte. Sie war am Boden zerstört. In dieser Verfassung befand sie sich an Silvester, und wir bemühten uns mit allen Kräften, sie seelisch wieder aufzurichten.

Die andere hatte sich schon vor langer Zeit getrennt. Sie suchte händeringend nach einem neuen Partner und war die Hälfte des Tages in irgendwelchen Singlebörsen unterwegs. Der zeitliche Rahmen einer Beziehung umfasste bei ihr in der Regel vier Wochen von der Kontaktaufnahme über das persönliche Kennenlernen inklusive Bettgeschichte bis zur Trennung. Ihre Verpackung versprach stets mehr als dahintersteckte. Sie war äußerst fotogen und hatte sich für ihr Profilbild sehr gut in Szene gesetzt. Mit ihrem offenen unkomplizierten Schreibstil hatte sie die Männer für ein erstes Date sofort am Wickel. Dann entpuppte sich aber in Summe für die Männer etwas völlig anderes, so dass diese meist ohne Angabe irgendwelcher Gründe die Flucht antraten. Bis sie unglücklich und depressiv den nächsten Kontakt knüpfte und sich das ganze Drama von Neuem einstellte.

So saß die eine Freundin am Silvesterabend depressiv in der Ecke, wo sie permanent SMS Botschaften mit ihren Kindern austauschte und noch vor Mitternacht nach Hause fuhr. Die andere saß am Computer und chattete wild mit vielversprechenden Dates, wobei ich mich fragte, wer zum Teufel an Silvester so viel Zeit zum Chatten hatte. Und die Nächste lag mit ihrem Lover auf der Couch und knutschte stundenlag. Das schaute ich mir eine ganze Weile an. Innerlich kochte ich von Minute zu Minute mehr und beschloss schließlich noch vor Mitternacht wieder die Heimreise anzutreten. Was zu viel war, war zu viel. Silvester auf der Autobahn, das war der endgültige Tiefpunkt.

Der Lover hatte sich übrigens nach ein paar Wochen auch „ausgelovert“.

Vier mehr oder weniger attraktive Frauen im besten Alter mit hohem Bildungsniveau und guten Berufen standen also alleine da. Keine hatte es geschafft, eine stabile Beziehung zu führen. Keine war mit ihrem Dasein zufrieden.

Zu meiner Traurigkeit gesellte sich in den Wochen und Monaten danach auch noch das Gefühl der Unfähigkeit. Waren wir nicht in der Lage einen Mann zu finden? Was an uns war nicht in Ordnung?

Frauen verfallen schnell in ein mangelndes Selbstwertgefühl, das uns vorgaukelt, wir wären zu dick, der Busen sei zu klein, die Beine zu kurz, das Gesicht zu unscheinbar. Die Palette an Faktoren für Selbstkritik ist riesengroß. Einmal Mann sein, der sich trotz aller unästhetischen Bierbauchvariationen ungemein sexy empfindet…das wär was.

Als ich anfing dieses Buch zu schreiben, war es das Ziel, mit meinen beiden Kindern zufrieden zu sein. Unabhängig von einem Partner.

In Wahrheit war ich todunglücklich.

Die nächste Trennung stand bevor.

Alle anderen waren glücklich. Nur ich nicht.

Wie in einer Schwangerschaft, wenn man nur noch kinderwagen-schiebende Mütter wahrnimmt, sah ich ausschließlich traute Zweisamkeit um mich herum. Ich suhlte mich in Selbstmitleid.

Mein Ziel war, mich endlich zu befreien und mit mir zufrieden sein. Endlich Ich! Das sollte sich bewahrheiten und doch kam alles ganz anders als gedacht.

Mit diesem Buch möchte ich keine Ratschläge erteilen. Ratschläge sind Schläge. Wenn es uns nicht gut geht, bekommen wir von allen Seiten Tipps.

Ungefragt, wohlgemerkt.

Helfen die? Nicht wirklich.

Jedes Leben, jeder Mensch ist anders. Wenn Sie aber durch dieses Buch und meine ganz persönlichen Erfahrungen als Coach, vor allem aber als Mensch, Impulse und Inspiration bekommen und ihr Leben eine positive Wendung erfährt, dann freue ich mich sehr.

Teil eins

Zu zweit allein

„Je tiefer wir das Leiden durchschauen, umso näher kommen wir dem Ziel der Befreiung vom Leiden ...“

Dalai Lama XIV

Zerplatzte Träume

Vielleicht mögen Sie sich jetzt denken, was will die denn? Die hat ja keine Ahnung. Wie will die sich denn ein Bild davon machen, wie es mir wirklich geht.

Stimmt, ich habe keine Ahnung von den konkreten Details Ihres Schicksals. Hat Ihr Mann Sie grade sitzengelassen, weil er eine andere hat? Die andere hat womöglich weniger als sie – weniger Falten, weniger Bauch, vor allem aber weniger Lebensjahre. Bedeutend weniger. Ja, dann geht’s Ihnen schlecht.

Berechtigterweise schlecht.

Aber ist es nicht auch berechtigt, dass er sich eine Jüngere genommen hat? Schließlich ist er in seiner Midlife-Crisis. Jetzt kommt es drauf an, dass er sein Leben noch mal komplett umkrempelt, schließlich kann er nichts dafür, dass ihm noch mal die große Liebe über den Weg gelaufen ist. Wo doch endlich mal anerkannt wird, was für ein toller Hecht er ist, er sich mal wieder richtig auf ein Podest gehoben fühlt.

Sie haben den Mann ja immer überfordert mit dem, was Sie alles an Anforderungen gestellt haben!

Überhaupt waren die letzten Jahre schlimmer als ein Dornröschenschlaf. Langeweile pur. Nichts mehr los im Beziehungsleben. Da ist es doch wohl verständlich, dass er aus seiner „Ehehölle“ ausbrechen musste.

Vielleicht hat er Sie aber gar nicht verlassen, sondern Sie haben ihn verlassen. Sie sind also die „Böse“. Das können Sie doch nicht machen, den armen Mann einfach im Stich lassen. Ach, er hat sich nicht um Sie gekümmert? Keine Verantwortung übernommen für die Familie und die täglichen Pflichten, die damit einhergehen?

Sie haben sich schon im Eheleben verlassen gefühlt? Hatten den Eindruck ihr Mann ist kein Partner sondern vielmehr ein weiteres Kind? Und Sie selbst würden emotional vor die Hunde gehen, wenn Sie dem nicht ein Ende setzen?

Dann war es wohl Ihr gutes Recht, den Partner zu verlassen. Oder nicht?

Ach, Sie haben ein schlechtes Gewissen? Und Sie fühlen sich zwar wohl mit dem Entschluss, dem Käfig entflohen zu sein? Trotzdem ist Ihr Traum einer erfüllten Partnerschaft – bis ans Ende ihrer Tage – zerplatzt wie eine Seifenblase?

Auch kein schönes Gefühl.

Vielleicht hatten Sie einen Geliebten. Um auszubrechen? Um sich mal wieder lebendig, attraktiv und begehrenswert zu fühlen?

Und dann wundern Sie sich, dass eine Lawine an schlimmen Konsequenzen auf Sie zurollt. Herzlichen Glückwunsch! Jetzt fühlen Sie sich zwar nicht mehr lebendig begraben, aber Sie haben Ihrem Mann eine Trumpfkarte zugespielt, die nicht zu unterschätzen ist und die auch Ihre gesamte Umgebung immer wieder auszuspielen weiß: Sie sind schuld!

Das wird auch in zehn Jahren noch so sein.

Denn für Ex-Partner gibt es nichts Einfacheres als Ihre Schuld.

Wiederholtes Fremdgehen ist übrigens Trennungsgrund Nummer eins. Das besagt eine aktuelle Studie von Elitepartner mit etwa 10.000 befragten Liierten und Singles. Dabei wurden die Gründe für das Scheitern von Beziehungen untersucht.

Immerhin wird jede dritte Ehe in Deutschland geschieden. Auch Unehrlichkeit und Geheimnisse vor dem Partner wirken sich negativ auf die Liebe aus. Weitere Gründe sind, wenn die Beziehung nur noch Routine und emotional verarmt ist, wenn Verständnis und Unterstützung des Partners fehlen oder es häufig zu Streit kommt. Die Studie belegt außerdem: Frauen trennen sich aus anderen Gründen als Männer, und Jüngere haben wiederum eine andere Trennungsmotivation als Ältere. Jüngere trennen sich eher wegen Seitensprüngen, während Ältere eher wegen zu häufiger Streitereien den Schlussstrich ziehen.

Laut Diplompsychologin Lisa Fischbach beenden Frauen häufiger ihre Partnerschaft. Sie sind danach weniger bereit, eine emotional verarmte oder unbefriedigende Beziehung auf Dauer aufrecht zu erhalten. Grund dafür ist ihre stärker ausgeprägte Singlekompetenz. Sie haben weniger Angst vor dem Alleinsein, weil sie in ihrem sozialen Netzwerk mehr Zuwendung und Geborgenheit finden.1

Dann also doch lieber allein und alleinerziehend? Bestimmt. Wäre da nicht das andere Problem: Wer von den Alleinerziehenden kennt es nicht, dieses Gefühl, ständig strampeln zu müssen, um den Kopf irgendwie über der Wasseroberfläche halten zu können.

Wenn wieder mal ein Tag vorbei ist, an dem die Kinder morgens nicht aus den Federn kommen, schleunigst angezogen, verfüttert und in Kindergarten und Schule gebracht werden müssen. Zwischendurch noch Wäsche sortiert, in die Maschine gesteckt, zwei bis drei Sachen gebügelt. Dann aber ganz schnell Sachen gepackt und zur Arbeit.

Arbeit? Nein, Arbeit ist Erholung. Dort ist Ruhe, zumindest eine andere Form von Ruhe. Danach geht’s wieder los. Die Couch entwickelt eine magnetische Wirkung. Doch ausruhen geht nicht.

Nein, erst mal Essen vorbereiten, die nächste Wäsche in die Maschine und Kinder abholen. Von der Kindergärtnerin gibt es den „sensiblen“ Hinweis, der Kleine stecke in seelischen Nöten. Ich solle mich doch einfach ein bisschen mehr um ihn kümmern und früher abholen.

Früher abholen? Die Tränen steigen mir in die Augen, die Bankkarte gibt auch schon wieder nichts her. Wie zum Teufel soll man da im Job reduzieren? Der Chef ist eh schon in seinem Verständnis für eine Alleinerziehende überstrapaziert. Die Fehltage für kranke Kinder sind bereits ausgereizt. Jeweils eine Woche. Nacheinander versteht sich.

Früher abholen kommt also nicht in Frage. Eine Lösung hat die Kindergärtnerin nicht. Auf die Frage, was ich tun kann, ernte ich nur ein desinteressiertes Schulterzucken. Gedanken muss ich mir später machen, denn jetzt gilt: erst den einen zum Fußball, dann mit dem anderen einkaufen – von den letzten 11,42 Euro im Geldbeutel. Das muss für zwei Wochen reichen. Wie, weiß ich nicht.

Abends habe ich oft das Gefühl, mein Herz im Hals schlagen zu hören. Ich bin kurzatmig und kämpfe ständig mit den Tränen. Aus Überforderung? Ängsten, wie es weitergehen soll. Wie soll ich die Wohnung halten? Ich habe keine Ahnung, wie ich die nächsten zwei Wochen finanziell über die Runden kommen soll. „Cornflakes,“ fragt der Große. „Nein mein Kind, Cornflakes gehen leider nicht. Lass uns beim Toastbrot bleiben“, lautet meine bekümmerte Antwort.

39 Cent, das geht noch, denn von den elf Euro für zwei Wochen muss auch noch Waschmittel ins Budget passen. Ich habe die letzten Krümel aufgebraucht. Mit dem Auto fahre ich nur noch die allernötigsten Wege und dann so spritsparend wie möglich. Geld für Benzin? Im Augenblick unmöglich.

Natürlich gibt es sie auch – die schönen Momente: Wenn ich von der Freundin begleitet den Kindergeburtstag auf dem Waldspielplatz ausrichte. Wenn überall Kinderlachen zu hören ist, wir inmitten der Natur sitzen und gemütlich Kaffee trinken. Wenn wir am See sind, die Kinder im Sand buddeln, wir Sonne tanken und dabei die glücklichen, zufriedenen Gesichtchen beobachten. Dann geht mir das Herz auf und ich kann nur tiefstes Mitleid für den Vater empfinden, dem ein solcher Moment entgeht.

In welch tiefe seelische Konflikte eine Frau stürzt, deren Familie zusammengebrochen ist, sie täglich versucht, ihren Kindern Vater und Mutter zu sein, den Alltag für sie so normal wie möglich zu gestalten und dabei ständig an der Existenzgrenze zu leben, ist kaum in Worte zu fassen.

In Deutschland gibt es insgesamt 2,7 Millionen Alleinerziehende. Davon sind 90 Prozent Frauen. Wenn der Ex-Partner den Unterhalt nicht zahlt, springt das Jugendamt ein – aber nur bis zum zwölften Lebensjahr des Kindes. Danach ist Schluss. Als berufstätige und alleinerziehende Mutter ist es schwer, ein normales Leben zu führen und Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren. Als alleinerziehende Mutter, die keinen Cent Unterhalt für die Kinder bekommt, ist es ungleich schwerer nicht zu verarmen. Nach Angaben des Bundesverbands alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) erhalten 75 Prozent der Kinder mit Anspruch auf Unterhalt diesen gar nicht oder nur in unzureichender Höhe.

Familien mit nur einem Elternteil haben mit rund 42 Prozent das größte Armutsrisiko aller Familienformen und das, obwohl die Erwerbstätigkeit alleinerziehender Frauen hoch ist und weiter steigt.2

Der Dalai Lama sagte einmal, ein wahres Wunder sei für ihn, wenn eine Mutter ihre Kinder alleine aufziehe, für den Lebensunterhalt sorge und den Kindern dann auch noch ein Hobby ermögliche.

Eine Anerkennung dafür gibt es weder in der Politik noch in der Gesellschaft. Alleinerziehende haben nicht nur mit dem Kampf ums Existenzminimum zu tun, sie sind auch noch ausgegrenzt, weil sie ohne Partner und permanente Kinderbetreuung gesellschaftlich nicht kompatibel sind.

Die medizinische Psychotherapeutin Alexandra Widmer, selbst alleinerziehend, bloggt seit einigen Jahren über die Herausforderungen. Sie geht sogar soweit, zu sagen, Alleinerziehende Frauen balancierten am Abgrund. Sie funktionierten und verausgabten sich bis zur völligen Erschöpfung, um den Kindern hartnäckig den Status Quo zu erhalten.3

Nach einer Studie des Robert Koch Instituts ist das Risiko an Depressionen zu erkranken bei Alleinerziehenden sogar signifikant erhöht.

Wie auch immer, Sie leiden. Ja, Sie haben ein Recht darauf, zu leiden.

Egal durch welchen Umstand Ihre Trennung zustande gekommen ist. Immerhin haben Sie gerade eine ganz große Enttäuschung zu verkraften. Eine Ent-täuschung. Denn Sie haben sich getäuscht. Hinsichtlich Ihres Partners, Ihres Durchhaltevermögens, Ihres Traums eine lange und wundervolle Partnerschaft zu führen und mit Ihrem Mann glücklich zu sein.

Sie sind auf dem harten Boden der Realität aufgeprallt. Zurück aus den Wattebäuschchen einer rosaroten Zukunft. Allein.

Furchtbar allein.

Ich weiß wie es Ihnen geht. Auch ich hatte eines Tages dieses fürchterliche Erwachen, das Bewusstsein, dass auch bei mir die Ehe gescheitert war. Keinen Mann, kein Geld, keine Zukunftsperspektive.

Es war beileibe nicht das, was ich mir erträumt hatte, als ich meinen Ex-Mann kennen lernte.

Es begann als filmreife Romanze: Eine Sternschnuppengeschichte.

Wir begegneten uns das erste Mal auf der Hochzeit einer Freundin.

Ich war hochschwanger mit meinem ersten Sohn - das Ergebnis einer zwanglosen flüchtigen Beziehung zu einem Mann, der weder als Partner noch als Vater meines Kindes für mich in Betracht kam. Wir hatten gemeinsam entschieden, dass ich das Kind alleine großziehen würde. Als Vater wollte er aus den verschiedensten Gründen nicht in Erscheinung treten. Ich respektierte diese Entscheidung.

Meine Freundin hatte darauf bestanden, dass ich die Trauung musikalisch begleitete. Mein Musikstudium lag schon ein paar Jahre zurück. Auch mein Hauptinstrument, die Oboe, hatte ich schon seit einiger Zeit nicht mehr angerührt. Es lag in der Ecke, begann allmählich zu verstauben und schien mich immer wieder vorwurfsvoll anzuschauen. Dennoch ließ es meine knappe Zeit wegen meiner Arbeit in einer Fernsehredaktion nicht zu, durch regelmäßiges Üben konditionell auf der Höhe zu sein. Nach ein paar niederschmetternden Versuchen, die weder klanglich noch in Sachen Technik meinen Ansprüchen als Diplommusikerin entsprachen, ließ ich es bleiben.

Was ich ab und an rausholte, um mein musikalisches Herz zu füllen, war die Blockflöte. Das tat ich mit Leidenschaft und nach Jahren des qualifizierten Unterrichts auf einem hohen Niveau. Die Flöte blieb mein künstlerisches Ausdrucksmittel.

Für die Kirche hatte ich ein schönes Programm bestehend aus einer Händel-Sonate und dem langsamen Satz eines Vivaldi-Konzertes zusammengestellt. Während des Spielens sah ich aus den Augenwinkeln, wie es meiner Freundin die Tränen in die Augen trieb. Das Brautpaar stand inniglich beieinander. Unter den Gästen waren einige meiner Verwandten und langjährige Weggefährten meiner Eltern. Ich berührte mein Publikum mit meinem Spiel und das tat mir gut. Meine Schwangerschaft hatte mich zu einem Außenseiter gemacht. In diesem Umfeld ging man den konservativen Weg. Kennenlernen – zusammenziehen – austesten, ob man zusammenpasst - Heiraten und dann erst Kinder. Ich hatte schon immer den schwierigeren Weg als andere gewählt und mich damit ausgegrenzt. Innerlich kämpfte ich. Ich blickte von der Empore. Vorn stand die heile Welt und mir wurde schlagartig bewusst, wie allein ich war. Die Eltern geschieden und jeder mit sich selbst beschäftigt, der Bruder zu jung und zu naiv, um der großen Schwester eine Stütze zu sein, die beste Freundin weit weg mit ihrem jüngst angetrauten Mann in Thailand. Ich fühlte mich schrecklich allein in diesem Augenblick und hatte einen Knoten im Hals. Auf einmal wich jegliche Stärke, die mich bis dahin immer voller Optimismus getragen hatte, von mir. Ich unterdrückte die Tränen, atmete tief durch und packte meine Sachen zusammen.

Als ich aus der Kirche trat, ließ ich den Blick schweifen. Das Licht blendete. Der Himmel strahlte mit dem Glück der Jungvermählten um die Wette. Nicht eine Wolke störte das Tiefblau. Obwohl der Sommer fast vorbei war, war es angenehm warm. Die Rahmenbedingungen waren perfekt für eine Traumhochzeit.

Einige Gäste standen locker in Gespräche vertieft beieinander. Vor der Haupttreppe der Kirche hatte sich eine Schlange gebildet, um dem Brautpaar zu gratulieren. Ich sah Onkel und Tante und jede Menge andere vertraute Gesichter. Obwohl weit weg von meinem Wohnort, hatte mir dieses Fleckchen Erde am Bodensee, das wir als Kinder oft besucht hatten, Heimat geboten. Insofern machte sich ein wohliges Gefühl des Nach-Hause-Kommens breit.

Plötzlich blieb mein Blick hängen. Neben einem älteren Ehepaar, Freunden meiner Mutter, stand ein junger Mann. Er musste fast zwei Meter groß sein, schlank, blond und attraktiv. Sein Lächeln wirkte umwerfend charmant. Ein Wunder, dass ich ihm noch nie begegnet war.

Der große Blonde musste der Sohn des älteren Ehepaars sein, ich hatte die beiden bei Einladungen zwar immer wieder getroffen, deren Kinder aber seltsamerweise nie.

Verunsichert hielt ich meinen Bauch. Meine Schwangerschaft war im siebten Monat schon weit fortgeschritten und nicht zu übersehen. Die Kleiderwahl für die Hochzeit war deprimierend gewesen. Mein Schrank gab nichts her, was dem Anlass angemessen gewesen wäre. Der Spruch „Ich hab’ nichts zum Anziehen“ erreichte eine völlig neue Dimension. Ich hatte bereits walrossartige Ausmaße. Eigens etwas zu kaufen, das ich nie wieder anziehen würde, erschien mir sinnlos. Also zog ich einen 08/15 knöchellangen beigen Strickrock und eine lange weiße Schwangerschaftsbluse an. Meine Rundungen versuchte ich mit einem lila Seidenschal zu kaschieren. Ich war schließlich nicht auf Männerfang, also war es egal, wie ich aussah. Und dann musste ich diesem Mann begegnen, der mir zu diesem Zeitpunkt wie eine Erscheinung vorkam.

Chancen, ihn kennen zu lernen, rechnete ich mir keine aus. Ich wagte nicht einmal daran zu denken. Mit einem Sieben-Monats-Bauch konnte ich nicht ernsthaft davon ausgehen, beim anderen Geschlecht anzukommen. Es erschien mir aussichtslos.

Wenig später kam ich mit den Eltern ins Gespräch und während sie sich nach mir und meiner Schwangerschaft erkundigten, betrachtete ich sie und dachte mir, was für wundervolle Großeltern das wären. Ein Himmelreich für solche Großeltern.

Ihr Sohn hatte mich nur kurz begrüßt und war mit anderen Gästen abgetaucht. Schade, dachte ich traurig. Da trifft man auf einen solchen Mann und hat keinerlei Möglichkeiten.

Das Schicksal wollte es anders. Als ich wenig später im Festsaal eintraf, war ich vollkommen perplex. Der Zufall führte uns zusammen. Meine Freundin hatte unter 150 Gästen ausgerechnet uns beide an denselben Tisch nebeneinander platziert. Ich staunte nicht schlecht. Wir waren also Sitznachbarn und kamen schnell ins Gespräch. Mein erster Eindruck schien sich zu bestätigen. Der große Blonde war nicht nur charmant, sondern auch unterhaltsam. Als Ingenieur in einem großen deutschen Konzern hatte er einen soliden Hintergrund und, wie ich bereits wusste, ein beneidenswert gutes Elternhaus. Die beiden führten seit Jahren eine gesunde, liebe- und respektvolle Ehe, wie ich sie von zuhause nicht kannte. Jemand, der solche Eltern hat, musste ein guter Partner sein.

Wir tauschten uns aus. Schnell waren die Hintergründe meiner Schwangerschaft geklärt. Die Funken begannen zu fliegen. Sein Blick verriet Interesse. Ich war gleichermaßen fasziniert und irritiert. Er flirtete. Ein Hoffnungsschimmer keimte auf, bis er kurz darauf jäh zerstört wurde.

Der Blonde hatte eine Freundin.

Trotzdem fragte er mich kurz nach Mitternacht, ob ich Lust hätte, Sternschnuppen anzuschauen. Mitte August war es die ideale Nacht dafür. Er nahm mich bei der Hand und führte mich auf die Wiese hinter der Kirche. Kein Mensch war weit und breit. Die Nacht war sternklar. Schweigsam legten wir uns nebeneinander auf die Wiese und blickten nach oben.

Nach 25 Sternschnuppen hörten wir auf zu zählen. Wenn das kein Zeichen war. Ich verdrängte den Gedanken an die Freundin und genoss den Augenblick. Auf seinen Wunsch legte er die Hand auf meinen Sieben-Monats-Bauch und das Kind stieß dagegen, als wolle es sagen: „Wir drei wären ein tolles Gespann.“

Zurück auf der Hochzeit wünschten uns die Tischnachbarn zum Abschied „fröhliches Kinderwagenschieben“.

Wir grinsten. Ganz selbstverständlich hatten sie uns als Paar und werdende Eltern betrachtet.

Ein Traum, denken Sie?

Nur ein paar Monate später sollte sich der Traum verwirklichen.

Um dann wie eine Seifenblase zu zerplatzen.

Wir hatten uns kurz nach der Geburt wieder gesehen und dann ging alles ganz schnell: Innerhalb von drei Wochen verlobten wir uns, nach drei Monaten waren wir verheiratet. Mein Sohn hatte endlich einen Papa und ... wundervolle Großeltern.

Erst viel später wurde mir bewusst, dass ich eher die Eltern geheiratet hatte, als den großen Blonden. Der Mann war nicht der, den er nach außen und vor allem seinen Eltern gegenüber repräsentierte.

Als ich mit meinem zweiten Kind im achten Monat schwanger war, schlichen sich ernsthafte Zweifel ein. Wir hatten gerade eine neue Wohnung bezogen. Die alte war aus allen Nähten geplatzt. Das Kinderzimmer befand sich in einer Art Abstellkammer und war gerade mal groß genug, um dort ein Kinderbettchen aufzustellen. Babysachen und Wickelkommode deponierte ich gezwungenermaßen im Bad, sodass man sich dort kaum noch rühren konnte. Das Schlafzimmer glich einem Möbelverschlag, weil es Arbeits- und Schlafzimmermöbel zugleich beherbergte, eigentlich aber nur Platz für eines von beiden war. Ein zweites Kind hier unterzubringen war ein Ding der Unmöglichkeit. Mir fehlten meine Freundinnen und mein schönes Zuhause. Die neue Wohnung war bereits abgewohnt. Aber im Stuttgarter Großraum günstigen Wohnraum zu mieten, erwies sich als schwierig. Zudem war es mir wichtig, dem Großen die Bezugsperson Tagesmutter zu erhalten. Immerhin hatten wir von Schlaf- und Wohnzimmer aus einen überwältigenden freien Blick über das ganze Tal. Dieser Blick bescherte mir jedes Mal ein Gefühl von Freiheit.

Für die Renovierung des Bodens hatten wir neues Laminat besorgt. 13 schwere Paletten warteten darauf, in die Wohnung getragen zu werden. Da der Arbeitskollege meines Mannes bereits am nächsten Morgen in aller Frühe mit dem Verlegen beginnen wollte, bat ich ihn, die Paletten hochzutragen.

„Später“, lautete jeweils die Antwort, wenn ich erneut nachhakte.

Schließlich hatte ich es satt und trug die 13 Kilo schweren Pakete – insgesamt nicht weniger als 169 Kilo – selbst hoch. Mit einem acht Monats Bauch. Gegenseitige Unterstützung hatte ich mir anders vorgestellt.