Triumph der himmelblauen Nacht - Lisa Brenk - E-Book

Triumph der himmelblauen Nacht E-Book

Lisa Brenk

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Beschreibung

Wie der große Bär in den Himmel kam

Eifersüchtig bewacht Arkas Nachtfell den größten Schatz der Bären: das Gleißen, das wundersame Licht, das seit Anbeginn der Zeit im alten Gehölz liegt. Kurz vor den ersten Winterstürmen taucht unerwartet eine fremde Bärin auf, Mika. Als sie ihm erzählt, sein Gleißen sei vom Himmel gefallen und müsse dorthin zurückgebracht werden, lacht er sie aus und jagt sie fort. Doch kaum beginnt die Winterruhe, bemerkt er, dass das Gleißen gestohlen wurde. Alleine begibt er sich auf die Suche nach Mika. Diese ist bereits auf dem Weg in den hohen Norden, dorthin wo die weißen Bären wohnen und der Himmel mit dem Ozean verschmilzt. Wo Lichter über dem Himmel tanzen und die Sternbilder geschmiedet werden.

Auf der Reise durch die verschneiten Wälder, durch eine finstere Eishöhle und über das gefrorene Meer begegnet Arkas viele wundersame Wesen, die alle eins gemeinsam haben: Sie bringen Arkas sich selbst näher und dem Gleißen, das sein ganz eigenes Geheimnis hat.

Triumph der himmelblauen Nacht ist eine zauberhafte, verträumte Erzählung über die Suche nach dem, was uns im Innersten ausmacht.

Auch diesmal schaffte es Lisa Brenk, mich in ihre Welt zu ziehen und festzuhalten. Es ist ein Erlebnis für die Sinne, da es ein toller Mix aus emotionalen Momenten, Action und Humor war. Achtung, Suchtgefahr! Leserstimme auf lovelybooks zu einem Buch der Autorin

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Seitenzahl: 200

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Inhalt

Eifersüchtig bewacht Arkas den größten Schatz der Bären: das Gleißen, das wundersame Licht, das seit Anbeginn der Zeit im alten Gehölz liegt. Kurz vor der Winterruhe bemerkt er, dass das Gleißen verschwunden ist. Alleine macht er sich auf die Suche danach und wählt den Weg in den hohen Norden, dorthin, wo die weißen Bären wohnen und der Himmel mit dem Ozean verschmilzt. Wo Lichter über dem Himmel tanzen und die Sternbilder geschmiedet werden.

Auf der Reise durch die verschneiten Wälder, durch eine finstere Eishöhle und über das gefrorene Meer begegnet Arkas viele wundersame Wesen, die alle eins gemeinsam haben: Sie bringen Arkas sich selbst näher und dem Gleißen, das sein ganz eigenes Geheimnis hat.

Triumph der himmelblauen Nacht ist eine zauberhafte, verträumte Erzählung über die Suche nach dem, was uns im Innersten ausmacht.

Autorin

Lisa Brenk, 1990 geboren und aufgewachsen in Norddeutschland. Sie ist Autorin und Illustratorin. Triumph der himmelblauen Nacht ist ihr erstes Buch für Erwachsene.

Lisa Brenk

Triumph der himmelblauen Nacht

Über die Suche nach dem, was uns ausmacht

Mit Illustrationen von Lisa Brenk

DIEDERICHS

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Copyright © 2023 Diederichs Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Vera Baschlakow

Umschlag: zero-media.net

Umschlagmotiv: Lisa Brenk

Umsetzung eBook: Greiner & Reichel, Köln

ISBN 978-3-641-30869-8V001

www.diederichs-verlag.de

Inhalt

Prolog: Das Flüstern der Sterne

Der Geruch des Winters

Das Gleißen

Die fremde Träumerin

Der Tanz der Schneefeen

Schlaflos

Kreischfrost und Heulwinde

Hunger

Die Rache der Vielmäuler

Das steinerne Labyrinth

Das Rätsel der Wisperschlange

Der Abendvogel im Rosendickicht

Die Spur im Schnee

Die Stimme aus den Bäumen

Der Grollende Wald

Die Geschichten im Wind

Eine finstere Nacht

Am Saum des Ozeans

Jaro Goldrücken

Die Sternenlichtschmiede

Ein Wiedersehen und ein Geheimnis

Das innere Leuchten

Die Eisperlenspinne

Ohne Flügel schweben

Epilog

Prolog: Das Flüstern der Sterne

Die Sterne haben mir diese Geschichte geflüstert.

Sie erzählten sie mir in einer Nacht, als ich ohne Schuhe auf das Feld gestapft bin, weil ich so zornig auf mich selbst war, dass ich den hoffnungslosen Versuch machte, vor mir davonzulaufen. Das gelingt nur den wenigsten, wie ihr wahrscheinlich wisst.

Unter meinen nackten, kalten Füßen knirschten Sand und Feldsteine, ein leiser Wind fuhr raspelnd durch das fahle Korn.

Meine Gedanken, die eben noch aufgescheucht und hauchzart waren wie ein Schwarm Motten, der um die Lampions auf der Veranda kreist, zerfaserten sich und verschmolzen mit der Düsternis. Das passiert immer, wenn man lange Zeit einfach nur herumstreift. Zuerst wirbelt im Inneren alles durcheinander, ähnlich wie in einem Tümpel, in den man einen Stein geworfen hat. All die schlammigen, trüben, morastigen Gedanken steigen auf. Aber sie verschwinden rasch wieder, und hinter der Stirn wird alles klar und kühl.

Als ich stehen blieb, bemerkte ich, dass die Nacht gar nicht mehr so tintenschwarz war wie in der Nähe meines Zuhauses.

Hier oben auf dem Feld wirkte die wilde Nacht viel heller, beinahe stahlblau.

Von einer merkwürdigen Leere ergriffen, legte ich mich einfach auf den Boden und sah in die Höhe. Das Gras kitzelte mir im Nacken. Ich hatte dabei das seltsame Gefühl, jeden Moment einfach nach oben zu fallen und im endlosen Firmament verloren zu gehen.

Ich krallte meine Finger in die dürren Halme, um mich an der Erde festzuhalten. Beobachtete, wie die Sterne über mir klarer wurden und wie gestickte Perlen auf dem Stoff des Himmelszeltes ein Muster bildeten, das mir vage bekannt vorkam.

Es war ein Sternbild, das man immer im Norden findet (wenn man auf der nördlichen Erdhalbkugel zu Hause ist).

Damals war mein Herz voller Fragen. Ja, ich war von Fragen zum Bersten gefüllt und wusste auf sie keine Antworten.

Mit klopfendem Herzen lauschte ich in die Stille der Nacht hinein. Hörte den sanften Wind, der durch die Krone einer fernen Eiche strich, die einsam im Kornfeld stand. Hörte das Rascheln des Grases unter mir und mit einem Mal auch das Flüstern der Sterne. Es war eine warme, kraftbeseelte Stimme. Die Stimme von Arkas Nachtfell, dem Bären, der mir seine außergewöhnliche Geschichte erzählte und mich mitnahm in das geheimnisvolle Uralte Gehölz in einer längst vergangenen magischen Zeit. Wir begeben uns auf eine sagenhafte Reise, durch verschneite Winterwälder, wo Kreischfrost und Schneewellen lauern. Hin zum eisgrauen, gefrorenen Meer, über dem die Lichter tanzen, und hinein in die mysteriöse Sternenlichtschmiede, wo die himmelblaue Nacht immer über die Finsternis in uns triumphiert.

Der Geruch des Winters

»Das sind zu wenige!«, knurrte ich und richtete mich zu meiner vollen Größe auf. Mein Schatten verschluckte die junge Bärin, die vor mir stand.

Lika Grauspitz wich einen Schritt zurück und wiegte den zottigen Kopf.

»Aber, Arkas, mehr konnte ich nicht finden!«, brummte sie und deutete mit einer Kralle auf die Tatze voll dunkelblauer Zirbelzapfen, die auf dem schroffen Stein vor mir lagen. Sie waren prall gefüllt mit fetten Samen.

Ich zog einen Zirbelzapfen zu mir und knackte ihn mit meinen scharfen Zähnen.

»Es sind kaum noch welche da. Sieh selber nach, wenn du mir nicht glaubst.« Likas Blick war herausfordernd. Lauernd. Mein Blick huschte zur Wurzelhöhle hinauf. Wollte sie sich hineinschleichen, während ich selbst nachsah, ob die Äste der Zirbelkiefern wirklich leer waren?

Lika schnaufte. Ihre Nase zuckte verräterisch.

»Selbst die Tannenhäher sind schon fortgezogen. Die Feuerschwänze nagen die Reste weg. Die Zapfenernte ist zu Ende.«

»Das ist eine Lüge!« Ich schlug mit meiner gewaltigen Pranke auf einen der Zapfen, der krachend zerplatzte und davonhüpfte. Lika sah ihm erschrocken nach. Grollend senkte ich den Kopf.

Schon seit Tagen lag sie mir in den Ohren. Dass sie es unbedingt sehen wollte, bevor Moduur über das Land zog. Dass sie eine Wächterin werden wollte.

Meine Muskeln zitterten, als ich mich anspannte. Lika wich weiter zurück.

»Ganz ruhig, Arkas! Ich klettere noch einmal in die Wipfel und sehe nach!«, schnaufte sie hastig, drehte sich um und trottete davon.

»Wehe, du kommst ohne Futter zurück!«, brüllte ich ihr hinterher. Da mein Felsen am höchsten lag, konnte ich ihr lange mit den Blicken folgen. Sie kletterte über einen Pfad aus umgestürzten Fichten in Richtung der Zirbelkiefern, die sich weit unten im Tal in den Himmel schraubten.

Grummelnd sammelte ich die Zapfen ein und trug sie in meine Höhle. Ich schnupperte zufrieden, als ich mich hineindrängte. Der Berg an Zirbelzapfen duftete süß und verlockend. Ich legte die heutige Beute dazu. Arrangierte zufrieden meine Sammlung, die fast bis zur Decke reichte.

Ich hockte mich vor meine Vorräte, die ich in meiner Höhle anhäufte. Die anderen Bären spotteten über mich, wenn ich nicht in der Nähe war. Kein Bär legte sich einen Vorrat an wie ein Eichhörnchen oder ein Tannenhäher. Aber auch kein anderer Bär bewachte das Gleißen so gewissenhaft wie ich.

Ich streckte mich. Ein Teppich aus weichem Moos machte meine Winterhöhle behaglich. Das faulige Laub hatte ich schon vor langer Zeit hinausgeschoben. Die Wände waren mit Farnen ausgepolstert. Ein Kissen aus duftenden Flechten lag bereit. Rings um mich herum breiteten sich die Muster aus, die ich mit den Krallen in den Felsen geschabt hatte. Wirbel und Wellen, die ich im weißen Strom gesehen hatte.

Mein Rückenfell streifte die niedrige Decke, als ich mich drehte und den Kopf wieder aus der Felsspalte steckte.

Ich wollte meinen Pelz noch etwas in der goldenen Abendsonne wärmen, die glühend über die Berghänge kroch.

Als ich jedoch vor meine Winterhöhle trat, drehte der Wind.

Witternd hob ich die Nase.

Ich schüttelte meinen Pelz und blickte in das Walddunkel unten am Hang. Lauschte dem Krakeelen der Wacholderdrosseln, die sich in Scharen in der nahen Esche niedergelassen hatten und um die roten Beeren zankten.

Ein merkwürdiges Kribbeln lief mir über das Fell.

Ich sollte nachsehen, ob alles in Ordnung war.

Schwerfällig tapste ich den Berghang abwärts, nicht ohne ab und zu einen Blick zurück zur Wurzelhöhle zu werfen, in welcher der größte Schatz der Bären lag.

Rastlos kletterte ich über umgestürzte Baumstämme dem glucksenden weißen Strom entgegen, der wie ein Nebelschleier durch das Tal kroch. Ich fuhr prüfend mit der Nase über den Boden. Die Flechten auf den Felsen hatten in den Farben der untergehenden Sonne gebadet und sie aufgesaugt. Orange und Rot tropfte aus ihren Blättern. Überall sah es aus, als würde der graue Fels in Flammen stehen. Shitak, der heiße Tod, wurde das Feuer in der Sprache der Bären genannt. Ich schnaufte unbehaglich und tapste weiter hangabwärts.

Ich entdeckte ein paar Blaubeeren und schnappte sie mir im Vorbeigehen. Sie waren vertrocknet und sauer.

Ich hielt an einer dicken Kiefer, reckte mich in die Höhe und erneuerte meine Reviermarkierungen, indem ich mit meinen Krallen tiefe Furchen ins Holz schlug.

Das Krachen und Splittern hallte weit durch den Wald am Hang. Gut so! Sollten sie alle Reißaus nehmen.

Ich überprüfte andere Baumstämme. Die Zeichen von den übrigen Wächtern, um zu sehen, wer auf Patrouille war. Es schien alles seinen geregelten Gang zu gehen.

Ein Stück noch, dann tobte der weiße Fluss durch die Senke. Das Wasser schäumte um die moosbewachsenen Felsen. Ich trank einen Schluck. Es war kälter geworden.

Lange würde es nicht mehr dauern, bis die ersten Schneefeen tanzten und Moduur über uns hereinbrach.

Ich drehte mich um und spähte durch die Baumstämme hinauf.

Von hier aus konnte ich die Schatzkammer kaum noch sehen, doch ich musste weitergehen. Wenn Moduur schon so bald kam, brauchte ich ein Paar Wurzeln, um in den ersten Frostnächten nicht einzuschlafen. Nachtkralle. Sie würde mich stärken, damit ich der Kälte die Stirn bieten konnte.

Lärmend folgte ich dem Flusslauf ein Stück, bis mir meine Nase verriet, dass in der Nähe ein paar Wurzeln auf mich warteten.

Mit halb geschlossenen Augen und lautstark schnuppernd tappte ich über den laubbedeckten, feuchten Boden. Hier wuchsen Unmengen an Steinpilzen, und ich ließ es mir nicht nehmen, mir ein paar der bauchigen braunen Leckerbissen zu genehmigen. Ich kaute andächtig, als ich plötzlich ein Rascheln hörte.

»Ah, Meister Nachtfell. So weit weg von der geheimnisvollen Schatzkammer?« Eine raue Wolfsstimme riss mich aus dem Tun. Mein Kopf ruckte hoch.

Links von mir war eine große Wölfin aufgetaucht. Es war die mit dem weißen Fleck über dem einen Auge. Sie war die Anführerin des Rudels, das so oft die Frechheit hatte, mein Tal zu passieren.

Ich ließ den Blick schweifen. Sie war nie alleine unterwegs. Dort zwischen den Dornensträuchern witterte ich die anderen Vielmäuler. Konnte ihren grauen Pelz hinter den Sträuchern sehen. Ihre gierigen gelben Augen leuchteten.

»Geht dich nichts an, was ich tue, Mascha. Verschwinde lieber, bevor ich dich in Stücke reiße!« Ich blieb stehen, beäugte sie misstrauisch.

Mascha schüttelte sich.

»Es ist nicht so leicht, fett zu werden, wenn ständig irgendein Bär daherkommt und uns unsere Beute abnimmt! Darum bin ich hier. Wir hatten darüber verhandelt. Mein Rudel bringt euch ab und zu einen Hasen von den Waldhängen, und ihr lasst uns die Honighirsche und Elche, die wir erlegen. Hast du die Bande etwa nicht im Griff, Wächter Nachtfell?« Spott tropfte aus ihrer Stimme, als sie Wächter sagte. »Du zumindest scheinst genug Fett für zwei Bären auf den Rippen zu tragen. Würde mich wundern, wenn das nur von Pilzen und Baumrinde kommt.«

Ich bleckte die Zähne. Mascha hatte recht. Ich hatte mein Wintergewicht schon lange erreicht. Möglicherweise weil ich es war, der Ofren und Katjur Silberfell den Befehl gegeben hatte, den Vielmäulern die Beute streitig zu machen, wann immer sie es konnten, und mir einen Anteil zu bringen. Ich schmeckte jetzt noch das saftige Fleisch auf der Zunge, das ich vor ein paar Tagen in meiner Höhle verputzt hatte. Maschas gelbe Wolfsaugen musterten mich scharf. Ihre Nasenflügel zuckten, als würde sie den verräterischen Geruch noch an meiner Schnauze wittern.

Ich blieb stehen und erhob mich auf die Hinterbeine.

»Selbst wenn es so wäre, Vielmaul? Was willst du dagegen tun?«

Ich brüllte herausfordernd. Über uns stoben ein paar Vögel in den Himmel. Sofort kniff sie die Rute ein und leckte sich beschwichtigend die Lefzen. Hasenherziges Pack. Im Sommer, vor der Verhandlung, hatte ich es mit allen zugleich aufgenommen und sie in Windeseile in die Flucht geschlagen!

»Jetzt verzieh dich!«, knurrte ich ungeduldig und versetzte ihr einen Hieb. Mascha sprang zurück, und ich erwischte nur ihr graues Fell. Fiepsend und jaulend machte sie sich davon. Fürs Erste hatte ich sie verjagt. Aber ich musste wachsam bleiben.

Mit scharrenden Tatzen und wiegendem Kopf wartete ich einen Augenblick, bis sich die Waldesstille wieder über mich legte, dann grub ich flink nach der Wurzel. Da war sie. Nachtkralle. Sie war schwarz und bitter und färbte mein Rückenfell dunkel, doch sie machte mich stark. Meine Muskeln brannten tagelang kraftvoll, wenn ich sie zerkaute. Mein Herz pumpte schneller in meiner Brust.

Durch Nachtkralle konnte ich wach bleiben, wenn der Große Traum nach mir rief. Kein anderer Bär im Tal wusste von diesen Wurzeln. Sie waren mein Geheimnis.

Zufrieden kauend stieg ich den Berghang wieder hoch und warf dabei einen Blick nach links und rechts, um zu sehen, was die anderen trieben.

Ofren und Katjur polsterten geschäftig ihre Höhlen mit Moos aus, Trajor, Schinka und Zilbar hockten in der Nähe der Wurzelhöhle und streckten wachsam ihre Nasen in den Wind.

So sah ich das gerne!

Ich stapfte zu ihnen. Loses Geröll polterte hinter mir den Abhang herunter. Ich grollte vor mich hin, weil ich noch immer an die frechen Vielmäuler dachte.

»Wir haben ein paar Murmeltiere und einen Schakal verjagt!«, meldete Schinka eifrig, als ich bei ihnen ankam und auf sie herabblickte.

»Habt ihr es gerochen?«, fragte ich und sah in die Runde.

Trajor nickte schnell.

»Ich hab es gerochen! Gestern schon.«

»Er kommt früh dieses Jahr«, sagte Schinka.

»Bald werden endlich die Schneefeen tanzen!«, seufzte Trajor, und er wirkte dabei sogar glücklich.

Ich schnaufte missbilligend und stieß ihn grob mit dem Kopf. Er rutschte mit den Hinterbeinen vom Felsvorsprung und hatte Mühe, sich festzuhalten.

»Die Schneefeen bringen nur Ärger!«, grollte ich und starrte in den dunkler werdenden Himmel. Die Sonne hatte sich hinter den Bergen verkrochen.

Wie jeder Bär mochte ich zwar den Großen Schlaf. Die Zeit der Träume, wenn der Geist auf Reisen ging und durch die Unendlichkeit schwebte. Doch als Wächter des Schatzes musste ich jederzeit bereit sein, ihn gegen alle Tiere im Wald zu verteidigen, die nicht schliefen. Das feige Wintervolk. Die Wölfe gehörten dazu. Mascha und ihr Rudel. Ich spürte deutlich, dass ich sie im Winter wiedersehen würde. Ich bleckte die Zähne, als ich an vergangene Kämpfe um die Wurzelhöhle dachte, in welcher der Schatz verborgen lag.

»Ich hatte übrigens eine Idee!«, schnaufte Schinka.

»Wie wäre es, wenn wir dieses Jahr einfach das Gleißen bei einem Wächter in der Höhle verbergen? Keiner vom Wintervolk wird versuchen, es einem Bären unter dem Hintern wegzustehlen. Wir stehen alle paar Monde auf und bringen es in eine andere Höhle. Dann weiß kein Dieb, wo es steckt!«

Erwartungsvoll starrte Schinka mich an.

»Du willst dir das Gleißen unter den Hintern stecken«, sagte ich trocken und spürte heißen Zorn hinter meiner Stirn pochen.

Schinka machte ein erschrockenes Gesicht.

»Nein. Also ich dachte, es wäre klug, wenn wir …«

»Du sollst nicht denken! Das Gleißen bleibt in der Wurzelhöhle!«, donnerte ich. »Dort ist sein angestammter Platz. So war es schon immer!«

Ohne ein weiteres Wort schob ich mich an den anderen Bären vorbei.

Prüfend hielt ich die Nase auf den Boden gerichtet, als ich mich dem Eingang der Schatzkammer näherte.

Manchmal konnten es die anderen Wächter nicht lassen und warfen einen Blick hinein. Dabei war das allein mir vorbehalten! Die Wurzelhöhle erstreckte sich unter einer mächtigen Esche, die sich seit ewiger Zeit in den Felsen krallte. Gelbe dicke Flechten hingen von den Wurzeln herunter wie ein Vorhang. Darin waren dicke Stränge Johannisbeeren geflochten.

Links davon stand ein Gebilde aus kreideweißem Treibholz, das mit Blüten drapiert war, die langsam verwelkten. Jeder Wächter trug etwas dazu bei, dass die Wurzelhöhle würdevoll aussah. Als ich daran vorbeiging, regneten ein paar gelbe Schotendotterblüten herab.

Ich schob meinen massigen Körper in den engen Spalt. Die Wurzelhöhle war gefüllt mit Heimlichkeiten. An den erdigen Wänden leuchteten Mondflechten in gewundenen Spiralen. Die eigentliche Schatzkammer lag hinter einer weiteren Öffnung und war so hoch, dass ich darin aufrecht stehen konnte. Der ganze Boden der Höhle war mit Fuchsgold bedeckt, einer kupferfarben schimmernden Pflanze, die nur hier wuchs.

Ich strich über die aufgeschichteten bunten Steine zwischen den Pflanzen. Jeder Wächter, der sich das Recht verdient hatte, den Schatz zu betrachten, legte hier einen Stein ab. Ich tippte gegen meinen. Ein großer glänzender Flussstein. Der größte Stein von allen. Ich hatte einen ganzen Tag gebraucht, um ihn hierher zu rollen. Dann hatte ich mit meinen Krallen Muster hineingeritzt. Er war nicht nur der größte, sondern auch der prächtigste Stein. Ich schnaufte zufrieden und richtete mich zu meiner vollen Größe auf.

Es wurde Zeit, einen Blick auf den Schatz zu werfen. Zu überprüfen, ob alles in Ordnung war, ob ich beruhigt die Winterhöhle vorbereiten konnte.

Ich tastete mit der Tatze weit über mich in dem Wurzelgeflecht. Nur ich wusste, wo der Beutel genau hing.

An den anderen Wurzelsträngen wuchsen Brüllpilze, die schrille Geräusche machten, wenn man sie berührte. So wie die Pfeifhasen die sich gegenseitig warnten.

Da war er!

Ich löste mit der Kralle behutsam die Schlaufe und zog den großen Beutel zu mir herunter.

Ein Kribbeln lief mir durch den Pelz. Mein Herz schlug schneller. Ganz sachte legte ich den Schatz vor mich auf den Boden.

Ich warf einen Blick zum Eingang zurück. Niemand war mir gefolgt.

Mit den Tatzen zog ich das Band auf, und Wärme durchströmte meinen ganzen Körper, als in einer goldenen Welle von Licht das Gleißen sichtbar wurde.

Das Gleißen

Es musste genauso alt sein wie die Bären, denn soweit ich mich erinnern konnte, lag es schon immer dort in der Wurzelhöhle. Meine Mutter erzählte mir davon, als ich ein vertrauensseliges Jungtier war und mit ihr durch die Gefilde zog.

»Das Gleißen ist eine Gabe. Es sorgt dafür, dass wir kraftstrotzend und scharfsinnig sind. Dass wir uns zurechtfinden in der Waldfinsternis. Aber auch dass im Uralten Gehölz im Bärental die stärksten Zirbelkiefern wachsen. Dass wir immer genug Blaubeerfelder haben. Es macht das Mondmoos so saftig und bewirkt, dass es immer genug Pilze im Schatten der Tannen gibt. Wir sollten dankbar sein, dass der Geist im Wind es uns schenkte.«

Was der Wind damit zu tun hatte, mochte sich mir nie erschließen. Meine Mutter hatte oft von dem Geist im Wind gesprochen. Doch der Wind war es, der meine Mutter das Leben kostete.

Ein Baum, der vom Sturmgeheul gepackt wurde, stürzte auf sie und zerschmetterte ihre Knochen, da war ich kaum groß genug, um mich selbst zu versorgen.

Wie sollte der Wind also das Gleißen in die Höhle gelegt haben?

Ich glaubte daran, dass das Gleißen von der Bhas ausgegraben wurde. Sie war die erste Bärenmutter, die sich mit ihren Jungen aus ihrer Höhle im Eis grub und den Moduur mit ihrem Brüllen vertrieb.

Vorher bedeckte Moduur die ganze Welt. Er biss mit seinen unsichtbaren Frostzähnen. Zerteilte mit seinen Windschwingen Gebirge und Wälder. Ließ Flüsse und Seen erstarren. Doch die Bhas, die einen sicheren Ort für ihre Jungen brauchte, schlug ihn mit ihrem Brüllen in die Flucht.

Moduur schreckte zurück und gab die Erde preis, auf der bald genug Essbares zu finden war.

Die Bhas führte ihre Jungen in das Tal, und ihre Kinder wuchsen bald zu stattlichen Bären heran.

Doch der Moduur war nie vollständig vertrieben.

Immer zu der Zeit, wenn die Schneefeen ihn rufen, kommt er zurück, um die Welt zu packen und durchzuschütteln. Nur den Bärenmüttern, die im Frühling mit Brüllen aus den Höhlen kommen, ist es zu verdanken, dass der Moduur sich wieder verzieht. Den Bärenmüttern und natürlich dem Gleißen. Nur ich wusste, wie viel Wärme in dem Schatz steckte.

Es musste ebenso für die Vertreibung des Moduur da sein. Vielleicht war es die Träne der Urmutter. Eine Träne der Bhas, vielleicht ihr Herz.

Ich berührte das Gleißen ehrfürchtig mit den Krallen.

Seine Strahlen waren heller als die der Sonne, doch brannte mir das Licht nicht in den Augen. Ich konnte es immerzu anschauen. Die Wärme des Sommers breitete sich in mir aus. In meinem Kopf flüsterte es leise. Das Gleißen erzählte mir Geschichten voller Licht.

Von der Mondlichtstraße, dem glänzenden Lichtpfad, den man in tiefblauen Nächten auf dem See sehen konnte. Es erzählte von tanzenden Funken und Silberbeeren. Vom Himmelsschimmer, der im Morgen über die Welt zieht. Von wunderbunten Wäldern, von flatterschönen Wiesen, vom goldenen Herbstnachtsturm, von Bäumen, die ihren Frühlingsschmuck auftrugen, und von sonnenübersponnenen Berggipfeln. Mein ganzer Kopf füllte sich mit Lichtworten. Draußen zog der Mond auf.

Im Gleißen konnte ich mich verlieren. Erst die Kälte der Nacht brachte mich schließlich zurück. Meine Glieder schmerzten, weil ich in einer kauernden Position ausgeharrt hatte, um ja kein Wort zu verpassen. Ich streckte mich in alle Richtungen, bevor ich das Gleißen wieder in den Beutel steckte und an seinem geheimen Platz verbarg. Niemals würde das Brüllen der Bärenmütter alleine ausreichen, um Moduur zu vertreiben. Ich in dieser Höhle sorgte auch dafür, dass er sich verzog.

Stolz reckte ich die Brust.

Den Kopf voller Lichtworte schob ich mich aus der Höhle hinaus. Die anderen Bären hatten sich in ihre Behausungen zurückgezogen. Nur zwei hielten Wache unten im Wald, verborgen bei den großen Geröllblöcken.

Einen Augenblick blieb ich im Eingang stehen und lauschte.

Der dunkle Nachtgesang des Waldes schmeichelte meinen Ohren. Ich hatte keine Lust, in meine Höhle zurückzukehren. Langsam kletterte ich den grauen Abhang hinunter.

Die Nacht war die Zeit der Dachse, Füchse und des Luchses. Der Raubzähne und Klauen. Der hinterhältigen Beuteschläger.

Mir wird heute niemand in die Quere kommen. Meine Augen glühten vom Gleißen. Die anderen Tiere zitterten, wenn sie mich sahen. Jeder würde sich bei meinem Anblick fürchten! Zufrieden brüllte ich in den Wald hinein, um mich anzukündigen.

Der Geruch nach Silberdistel stach mir in die Nase, irgendwo roch ich noch etwas Nachtkralle.

Ich würde meinen Vorrat vergrößern müssen, damit ich alle paar Nächte nach dem Gleißen schauen konnte.

Wach sein bedeutet, Fett zu verlieren. Ich brauchte genug zum Fressen. Vor meinen Tatzen schimmerten die fast kahlen Blaubeersträucher. Dicker Nebel hing im Tal. Feine Tropfen bildeten sich in meinem Fell und auf den Pflanzen.

Ich fand ein paar letzte Beeren und kaute sie genüsslich. Der Tau auf den Blättern, die ich mit abriss, war herrlich kühl. Ich sah hoch. Hinter den wabernden Nebelschwaden leuchteten die Sterne.

Das Gleißen.

Gleich im ersten Morgenlicht würde ich es noch einmal betrachten.

Wenn die Schneefeen kamen, halfen die Lichtworte, um den bissigen Frost abzuschütteln. Sie vertrieben die Trägheit aus den Gliedern.

Bestimmt würde morgen Lika wieder vor meiner Höhle warten. Sie war klein und schmächtig und gerade gut genug, um in die dünnsten Zirbelkiefern zu klettern. Aber eine Wächterin würde aus ihr nicht werden. Hungrig knurrte mein Magen, als ich an die Zirbelzapfen dachte.

Vielleicht sollte ich noch ein oder zwei von ihnen kosten.

Guter Dinge drehte ich mich um und trottete in Richtung meiner Höhle.

Hätte ich ein paar Herzschläge länger dort gestanden, wäre mir aufgefallen, dass eine fremde Witterung in der Luft lag. Doch so verschwand ich ahnungslos in meiner Schlafhöhle.

Die fremde Träumerin

Am Morgen hatte sich der Nebel nicht verzogen.

In dicken herbstverhangenen Schleiern zog er sich durch das ganze Bärental und ließ keinen Sonnenstrahl hindurch.

Auf der Erde hatte sich eine harte glitzernde Kruste gebildet. Der Frost war in der Nacht heraufgezogen. Die Flechten und letzten Gräser waren von einer eisfunkelnden Schicht bedeckt. Eine vereinzelte Schneefee wirbelte durch den Nebel. Ihr fast durchsichtiger Körper trudelte auf und ab und hinterließ eine hauchfeine Schicht puderfeinen Schnees auf den Felsen. Ich lugte träge aus meiner Höhle. Die Lichtworte von gestern Abend waren vergessen. Feuchtklumpige Gedanken hingen hinter meiner Stirn. Der Nebel durchnässte mein Fell und machte mich schwer.