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Was Homer mit seinen Heldengesängen so wunderbar poetisch berichtet, ist allerdings nicht die ganze, die eigentliche Wahrheit über diesen grausamen Krieg, der zum Untergang Trojas führte. Deswegen muss die Geschichte noch einmal erzählt werden, nicht mit schönen Bildern und schönen Hexametern, sondern nahe an jener anderen und weitaus weniger schönen Wirklichkeit. Denn damals wie heute gibt es Pazifisten und Militaristen, Brandstifter und Friedensstifter, gibt es Wunsch- und Wahnvorstellungen in den Köpfen der Menschen, die auch heute noch glauben, es sei ihre Pflicht, sie zu verwirklichen. Und wenn sie auch keine Gottheit mehr beauftragt, dann ist es eben "die Geschichte," die ihnen das Recht dazu gibt.
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Seitenzahl: 126
Veröffentlichungsjahr: 2023
Eckhard Lange
Troja muss brennen
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Inhaltsverzeichnis
Titel
WIDMUNG
ERSTER TEIL
ZWEITER TEIL
DRITTER TEIL
VIERTER TEIL
FÜNFTER TEIL
NACHTRAG
ANHANG
Impressum neobooks
Hochverehrter, lieber Homer!
Um es gleich vorweg zu sagen: Du hast uns ein großartiges, ein gewaltiges und auch wortgewaltiges Werk hinterlassen, ein Werk der Weltliteratur, wenn Dir dieser moderne Begriff etwas sagen sollte, vergleichbar vielleicht noch mit dem Gilgamesch-Epos.
Und es sei Dir verziehen, wenn Du den Kampf um Troja als Taten edelmütiger Helden erzählt hast, weil es ja in grauer Vorzeit gar nicht anders geschehen konnte. Männer mit großen Gefühlen mußten es sein - groß in ihrer Liebe, aber auch in ihrem Zorn, groß in ihrem Edelmut, aber auch in ihrer Niedertracht.
Nicht jedoch kann ich es Dir verzeihen, daß Du damit all jene höchst banalen Hintergründe verschwiegen hast, die diesen Krieg letztlich ausgelöst haben; daß Du all dies allein den olympischen Göttern in ihre himmlischen Sandalen geschoben hast, als ob es wirklich um ihre doch eigentlich recht dümmlichen Konflikte gegangen wäre.
Ja, ich gebe es zu: Für Deine Leser damals war es wohl gut und richtig, lechzten sie doch nach solchen trivialen Geschichten über die da oben, wie unser heutiges Publikum nach ähnlichem aus unseren Adels- und Königshäusern. Schließlich warst Du, genau wie wir, Deine kleinen Nachkommen heute, darauf angewiesen, eine wachsende Leserschaft zu gewinnen.
Aber irgendwann muß dann doch endlich einmal die Wahrheit auf den Tisch, die schlichte und höchst menschliche Wahrheit. Und dabei geht um ganz andere Gefühle und auch um ganz andere Hintergründe, die zu einem solchen langen und grausamen Kriegsgeschehen geführt haben. Also, mit Deiner freundlichen Erlaubnis, sei jetzt diese Wahrheit ans Licht geholt.
Es grüßt Dich, dort in jenen elysischen Gefilden, Dein Dich allezeit zutiefst verehrender N.
Als unsere Vorfahren, das mächtige Volk der Dorer, in dieses Land einwanderten, weil es im Norden immer kälter und unwirtlicher wurde, weil die Äcker nicht mehr genug Frucht hervorbrachten, die Weinstöcke erfroren und die Tiere auf den Weiden von Jahr zu Jahr magerer wurden, da waren alle geeint in dem einen Ziel, eine neue Heimat zu finden. Das machte sie stark. Sie hatten einen Führer, der sie zusammenhielt. Mag sein, daß es wirklich der sagenhafte Herakles war, doch das tut nichts zur Sache. Aber es war ein Mann, der sie zusammenhielt, der ihnen die Richtung wies, sie ermutigte und ihnen voranzog. Das machte sie siegessicher.
Die Menschen, die dort wohnten, erschienen ihnen verweichlicht trotz oder gerade wegen ihrer kulturellen Blüte, sie unterwarfen sich willig dem Stärkeren, der sie wieder das Kämpfen lehrte, nun als seine Untertanen. Ja, wir haben vieles angenommen von ihrer Lebensart, wie sie nun unsere Sprache lernten, um uns gleich zu werden.
Eine mächtige Nation waren wir unter mächtigen Fürsten, und sie verglichen sich gerne mit den Großkönigen jenseits des Meeres, an den Ufern des Nil oder des Euphrat, und sie verkehrten mit ihnen wie mit fernen Brüdern, tauschten Botschaften aus und auch Waren.
Es war ein gutes Land unter südlicher Sonne, das nun dorisch geworden war, umgeben von Meeren, die niemals zufroren. An den Hängen zogen sich Weinberge hin und Olivenhaine, die Ebenen waren fruchtbar, Gerste und Weizen gediehen dort ebenso wie Bohnen, Zwiebeln und Kohl, in den lichten Eichenwäldern fanden ihre Ziegenherden ausreichend Nahrung.
Und dennoch: Dieses Land wurde uns zum Verhängnis. Steile Gebirge trennten die fruchtbaren Täler, die die Flüsse geschaffen hatten mit ihrem Schwemmsand, und schon die Menschen vor uns waren zersplittert in kleine Gemeinden, die sich um die Burgen ihrer Fürsten sammelten.
Auch unser Volk siedelte nun dort, getrennt voneinander, so daß der König der Dorer überall Verwalter einsetzen mußte, um Recht zu sprechen und Streit zu schlichten. Doch damit wuchs ein anderer, ein gefährlicher Streit zwischen diesen Männern selbst. Denn bald verlor der König seine zentrale Macht, krönten sich nun seine Verwalter zu Königen ihrer kleinen Herrschaften, und es kam, wie es kommen mußte: zum Streit zwischen diesen Fürsten selbst noch um Nichtigkeiten, und aus dem Streit wurden blutige Kriege, die unsere Kräfte banden, statt sie zu bündeln, um die dorische Nation zu festigen und unsere Herrschaft auszuweiten auf die Länder jenseits der Meere.
Niemand war da, der diesen Traum wieder erweckte, der das Volk der Dorer einte. Niemand - außer mir, der ich doch nur einer der Könige war, Herrscher über Ithaka, die kleine Insel im Meer, das zum Sonnenuntergang hin lag. Ein unbedeutendes Felseneiland, nur geeignet für die Ziegenherden an den steilen Hängen, für ein paar Olivenhaine und einen schmalen Streifen Ackerland an den Küsten. Ja, die anderen Könige ließen es mich spüren, daß ich nur wenige Männer stellen konnte, falls es zum Krieg kam, auch wenn sie wenig Interesse zeigten an dieser Insel.
Aber es war dieser Traum, der auf seinen Vollstrecker wartete, der zwar nicht die Macht, jedoch den Willen hatte, die Dorer zu einen, der das große Ziel hatte, zu einem neuen Herakles zu werden. Der unbeirrbar daran glaubte, aus dem Traum die Wirklichkeit zu machen, mit alle der List, die mir ein gütiges Schicksal - oder meinetwegen auch einer der olympischen Götter - in die Wiege gelegt hat.
Ja, man nennt mich gerne den Listenreichen, und das mit Recht. Und List gebot es mir auch, anderen, mächtigeren den Vortritt zu lassen, wenn es um Ehre und Befehlsgewalt ging. Aber ich werde sie beraten, lenken und führen, solange, bis der Traum wahr werden würde. Dann, erst dann, wird auch die Macht in meinen Händen ruhen, wird der Sohn des Laërtes, der König von Ithaka, Herr über alle Dorer sein.
Es waren schwierige Zeiten damals, das ist wohl wahr. Mykenes Reichtum war in ständiger Gefahr, und damit auch sein Ansehen, sein Einfluß auf die Nachbarstaaten, seine heimliche Führungsrolle unter den Poleis der Argolis. Dafür gab es mancherlei Gründe. Am wenigstens war es die zunehmende Rolle Spartas, zumindest, solange mein Bruder Menelaos dort herrschte. Bei aller geschwisterlichen Liebe: der Junge war schon immer ein wenig begriffsstutzig, und wie oft hatte er den Rat seines Bruders erbeten. Natürlich konnte er dies als König von Sparta nicht mehr, jedenfalls nicht vor Augen und Ohren anderer. Aber es gab immer noch verschwiegene Boten, die versiegelte Täfelchen hin und her trugen, angeblich vertrauliche Informationen über gemeinsame Projekte. Und letztlich war es dieser Schriftverkehr ja auch.
Doch anderes war weitaus bedrohlicher: die weltweite Wirtschaftskrise, die sich anbahnte und die kaum ohne Auseinandersetzungen der damals bedeutsamen Mächte zu lösen war. Jahrhundertlang gab es Handelsbeziehungen in die Levante und nach Ägypten, gute Geschäfte, von denen beide Partner profitierten. Der Gottkönig am Nil war angewiesen auf mancherlei hochwertige Produkte, die allein in unseren Städten hergestellt wurden und deren Fertigung hier als Staatsgeheimnis gehütet wurde. Andererseits lieferte die Nilschwemme reiche Ernten, und weil die Böden in unseren kleinen Ebenen oft ausgelaugt waren und sich nur langsam erholten in der Brache, konnten wir so ausreichend Getreide zukaufen, für beide Seiten also gewinnträchtig und auch notwendig.
Das gleiche gilt für unseren Handel mit Ebla, diesem Wirtschaftszentrum am Rande der syrischen Wüste, denn dort trafen sich die Karawanenwege aus den Reichen an Euphrat und Tigris mit der Straße ans Meer und damit auch über das Wasser hin zu unseren Städten. Was Ebla uns bot, war nicht nur das kostbare Lapislazuli aus den Bergen am Oberlauf des Euphrat, sondern auch Edelhölzer vom Libanon, denn Eichenholz aus unseren Wäldern war längst rar geworden und wurde für den Schiffbau dringend benötigt.
Jetzt aber drohten diese Beziehungen zu versiegen, denn Barbarenvölker hatten die gesamte Küste vom Nil bis zum Orontes besetzt, an Handel waren sie nicht interessiert, im Gegenteil, sie zerstörten nicht nur Ebla, sondern auch die Hafenstädte an der Levante. Die Folge war, daß die Warenströme sich neue Wege suchten, und die führten durch das Reich der Hatti ans Schwarze Meer. Dorthin also segelten nun unsere Schiffe, und dazu mußten sie die schmale Verbindung zwischen beiden Meeren durchqueren.
Aber an dieser Meerenge lag eine Stadt, gewaltig befestigt und angeblich uneinnehmbar: Troja. Und die Troer kontrollierten nun den gesamten Handel zwischen den dorischen und achäischen Poleis und dem Orient. Sie hatten die umliegenden Fürstentümer unterworfen und tributpflichtig gemacht, alle anderen Handelswege damit in ihre Gewalt gebracht und saßen nun wie die Spinne im Netz, in dem sich jede Karawane, jede Galeere und jeder Handelsreisende verfing: Wie der dreiköpfige Cerberus am Tor zur Unterwelt, so bewachten die Trojanischen Kontrolleure die Dardanellen. Und sie allein konnten festlegen, wieviel Zoll zu entrichten war für die Durchfahrt, welche Waren in Troja zu verbleiben hatten, um von dort zu hohen Preisen den Griechen angeboten zu werden.
Troja war es also, das unseren Handel und damit auch unsere Wirtschaft bestimmte, das eine neue Form von Herrschaft über die Völker ausübte, ohne Waffengewalt, allein durch seine strategische Lage am Nadelöhr des Welthandels. Troja bestimmte, welche Rohstoffe den Städten zur Verfügung standen, welche Güter auf den Tischen der Krämer lagen, welche Ressourcen verknappt oder auch im Überangebot dort jeweils vorhanden waren.
Vergeblich habe ich meinen Bruder Menelaos zu überreden versucht, gemeinsam mit den Städten der Argolis eine Strategie zu entwickeln, um Troja zum Einlenken zu zwingen. Aber in Sparta lebte man eben spartanisch, war kaum so auf den Handel angewiesen wie etwa Mykene, aber auch Argos und Tyrins. Dabei brauchen seine Truppen ebenso wie andere Kupfer vom Sinai und Zinn aus den Gebirgen am Euphrat, um daraus ihre berühmten Waffen zu schmieden. Doch noch ist der Mangel dort nicht groß genug, um ihren starrköpfigen König zu überzeugen. Dabei gibt es nur eine Lösung: die Aufrüstung unserer Truppen, um Troja Paroli zu bieten mit Waffengewalt. Und es gibt nur ein Ziel: Troja muß brennen! Wenn nicht schon heute, dann eben morgen muß Trojas Vorherrschaft gebrochen werden, muß diese Stadt vernichtet, müssen ihre Mauern geschleift werden. Ja, Troja muß brennen.
Als unsere Vorfahren hier, an dieser Engstelle zwischen den Meeren, eine erste, wohl noch hölzerne Burg errichteten, waren sie kaum etwas anderes als Piraten, Wegelagerer des Meeres. Es war ja auch verlockend, den Durchreisenden an dieser Stelle allen Besitz zu rauben, und nicht nur das: am besten auch ihr Leben, damit Troja irgendwelchen Rachezügen entgeht. Doch bald merkten sie: ein toter Händler bringt keine neuen Waren heran, und die Gerüchte über solche Massaker vergraulen nur zunehmend alle weiteren Reisenden.
Also verlegte man sich darauf, höflich um eine Abgabe zu bitten, schließlich bewache man ja diese Meerenge und halte räuberisches Gesindel fern. Das schien einzuleuchten, zumal alle anderen Wege über Land äußerst beschwerlich waren und auch nicht ohne die ständige Gefahr, ausgeraubt zu werden. So zahlte man willig ein wenig Zoll und zog seiner Wege - besser gesagt: segelte weiter. Und es stellte sich heraus: Geringe Abgaben in größerer Menge bringen mehr ein als die hohen Gebühren, die sich nur wenige leisten können.
Für Generationen war das ein Geschäftsmodell, das Troja reich und reicher werden ließ, ohne daß jemand daran Anstoß nahm. Und die kleinen Fürsten im Umland, die die Erträge ihrer Untertanen in unserer volkreichen Stadt gut und günstig verkaufen konnten, hatten ebenfalls nichts dagegen, dem Herrscher Trojas einen Tribut zu entrichten, gleichsam als eine Steuer für den Mehrwert, der durch den Verkauf zustande kam. Und bald kamen sie auch der Forderung nach, Kriegsmannschaften zu stellen, wenn Troja andere Nachbarn zu unterwerfen plante.
Inzwischen hat unsere Stadt eine Größe erreicht, wie sie sonst nur an Euphrat und Tigris oder am Nil zu finden ist. Und dieses Häusermeer wird seit langem schon umschlossen von einer gewaltigen Ringmauer, von vorspringenden Türmen und mehrfach gesicherten Toren, was Troja den Ruf einbrachte, uneinnehmbar zu sein.
Unter meiner Herrschaft jedoch geschah etwas, was unsere Politik grundlegend änderte: Plötzlich war den Griechen drüben auf der anderen Seite des Meeres der direkte Seeweg hinüber zu den früheren Handelsmetropolen genommen, denn die Küsten dort waren Feindesland geworden. Ein gütiges Geschenk der troischen Götter, denen wir stets die Treue gehalten haben. Nun war der Seeweg durch die Dardanellen zur Hauptroute geworden für den großen Handel, und nun konnte Troja seine Vorteile nutzen. Als König sah ich es als meine Pflicht an, meine Stadt noch größer, reicher und mächtiger zu machen.
Meine Wirtschaftsfachleute erarbeiteten auf meinen Befehl hin lange Listen von Waren, die hier die Meerenge passierten, und sie erforschten, welche davon jeweils wichtig waren für die Empfänger. So konnten wir hier die Zölle anheben und dort wieder senken, konnten gelegentlich Produkte von der Passage ganz ausschließen, konnten manche Händler zwingen, ihre Waren auf unseren Märkten zu verkaufen, statt sie verzollt wieder mitzunehmen. Und damit schufen wir für uns das Monopol für den Weiterverkauf. Bislang haben wir alle Protestnoten der vielen Könige der Dorer und Achäer freundlich beantwortet und ansonsten ignoriert. Was hatten sie schon aufzubieten, um uns zu einer Änderung unserer Politik zu zwingen? Nichts! Wenn wir ihnen hier und da entgegenkamen, geschah das nur im eigenen Interesse, damit die Abnehmer dieser Waren nicht vollends zahlungsunfähig wurden.
Trotz allem - es war mein Ältester, Kronprinz Hektor, ein mir ebenbürtiger, weitschauender junger Mann, der mich bewog, auch unsere Streitmacht zu festigen und zu vergrößern. Ein neuer, militärischer Geist herrscht nun in Troja, und unsere Föderalstaaten wurden verpflichtet, größere Kontingente auszuheben und zu unserer Verfügung zu halten. Irgendwann, das stand zu befürchten, würden die Griechen dort drüben einen Angriff planen. Fürchten mußte Troja sie nicht, aber es ist dennoch gut, auf alle Möglichkeiten vorbereitet zu sein. So lagern große Vorräte in den Scheunen innerhalb der Stadt, neue, tiefere Brunnen wurden gegraben, die Mauern noch einmal verstärkt und erhöht, die Balken in den Toren verdoppelt. Ja, Troja ist bereit, seine neue Stellung zu verteidigen. Und Troja wird aus einem solchen Kampf nur gestärkt hervorgehen.
Es ist zweifellos richtig: ich bin schön. Eine außergewöhnliche, eine vollkommene Schönheit, so sagten sie alle. Ein Geschenk der Götter. Ein Geschenk? Wie oft schon habe ich dieses Geschenk verwünscht! Ein Fluch der Götter ist es viel eher - für mich.
Ich gestehe: Anfangs hat es mir geschmeichelt, wenn mich bewundernde Blicke verfolgten, wenn die Männer sich nach mir umdrehten, um mir nachzuschauen. Und ich habe auch die neidischen Blicke der anderen Mädchen genossen, wenn sie mich anstarrten wie ein Abbild der Aphrodite. Doch bald schon begann ich, in ihren Augen auch den Haß zu erkennen, mit dem sie mich betrachteten, mich, die Vollkommene, die konkurrenzlose Schönheit, die unvergleichliche Helena, die sie ihre Unvollkommenheit spüren ließ mit jedem Schritt, mit jeder sanften Biegung ihres Körpers, jedem Schwung ihrer Hüften, mit jedem Lächeln, das sie anderen schenkte. Und sie haben ja recht: Ich bin anders als sie, fehlerlos, makellos.
Was sie nicht wissen, nicht wissen sollen, daß dies keine Gunst, sondern ein Fluch der Götter ist, so sein zu müssen wie ich. Auf unzählige Vasen haben sie mich gemalt oder geritzt, das Profil meines Kopfes, meine schlanke Gestalt. Und so mancher reiche Greis hat bei einem Künstler seiner Wahl eine Statue nach meinem Bilde bestellt, hüllenlos und mit unverkennbar erotischer Haltung, um sie heimlich anzubeten auf seinem Hausaltar, unter der Vorgabe, doch nur Aphrodite zu huldigen.