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Schieben – Drücken – Greifen
Ein strukturierter Überblick über die Tuina-Therapie von heute – mit zahlreichen Behandlungsvorschlägen.
Im Mittelpunkt dieses ansprechend bebilderten Buches steht die Praxis der Behandlung. Sie lernen, welche Technik bei bestimmten Krankheitsbildern Anwendung findet. Zudem bietet es Ihnen konkrete Behandlungsempfehlungen für alle Konstitutionstypen und Körperregionen.
Schritt für Schritt können Sie die Handtechniken anhand der Fotos nachvollziehen. Pfeile in den Abbildungen unterstützen Sie bei der korrekten Bewegungsausführung. Somit ist dieses Buch auch für Anfänger geeignet.
Tuina-Techniken praxisorientiert mit konkreten Handlungsanleitungen!
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 294
Christiane Tetling
2. unveränderte Auflage
316 Abbildungen
Für Lisa und Thomas
Seit vielen Jahren arbeite ich in meiner eigenen therapeutischen Praxis mit dem Schwerpunkt Tuina sowie in der Ausbildung von Tuina-Therapeuten. In jedem Tuina-Ausbildungsjahrgang stellt sich die Frage der begleitenden Praxis- und Unterrichtsliteratur. Diese ist nicht immer leicht zu beantworten, da es viele Bücher mit unterschiedlichem inhaltlichem und didaktischem Umfang gibt.
Ich freue mich daher sehr über die Möglichkeit, in Zusammenarbeit mit dem Haug Verlag ein Buch zur Unterrichts- und Praxisbegleitung für alle Tuina-Interessierten vorlegen zu können. Dieses Buch kann eine fundierte Ausbildung an einem Ausbildungsinstitut nicht ersetzen. Die Handtechniken, insbesondere die Manipulation und Traktionstechniken, müssen unter fachkundiger Anleitung trainiert werden. Das Buch ist als Unterrichtsbegleitung und Nachschlagewerk für die therapeutische Tätigkeit am Patienten in der Praxis gedacht.
Es gibt viele Tuina-Techniken und Anwendungskombinationen. In diesem Buch sind die Techniken zusammengetragen, die ich im Verlauf meiner Tuina-Praxis vermittelt bekommen habe und die in meiner therapeutischen Tätigkeit wirksam zur Anwendung kommen.
Ich danke allen meinen Lehrern, insbesondere meinen chinesischen Lehrern, die mir sehr viel aus ihrem breiten Erfahrungsschatz mitgegeben haben. Sie haben mir Einblicke in die Möglichkeiten der Behandlung mit Tuina gewährt, die nicht alltäglich sind und über die wissenschaftlich nachweisbare Wirkung von Tuina hinausgehen.
Auch meinen Schülern und Schülerinnen spreche ich Dank aus, die im Verlauf der letzten Jahre durch ihre Fragestellungen viele Überlegungen für eine gute didaktische Umsetzung im Unterricht in Gang gesetzt haben. Meinen Patienten möchte ich ebenso danken. Sie haben einen großen Anteil an meiner heutigen praktischen Erfahrung mit Tuina, die ich versucht habe, in dieses Buch miteinfließen zu lassen.
Ich danke dem Fotomodell Viktoria und dem Fotografen Thomas Möller für den Einsatz und die Geduld beim Erstellen der Fotos.
Ein sehr herzlicher Dank für die umfassende Unterstützung, Begleitung und Entlastung während der Zeit des Schreibens gilt meinem Mann Thomas.
Abschließend danke ich sehr Frau Monika Grübener, Frau Ulrike Marquardt und Frau Elisabeth Schäffner, die dieses Projekt von Verlagsseite betreut haben. Die Zusammenarbeit war mir eine große Freude.
Dortmund, im März 2015 Christiane Tetling
Titelei
Widmung
Vorwort
Teil I Tuina im Überblick
1 Einführung und Geschichte
1.1 Geschichtlicher Überblick
1.2 Bedeutung der TCM und Tuina in China
1.3 Tuina und westliche manuelle Therapie
1.3.1 Wirkung von Tuina nach den Lehren der TCM
1.3.2 Wirkung von Tuina aus Sicht der westlichen Medizin
1.4 Kompetenz eines Tuina-Therapeuten
1.4.1 Selbstkompetenz und Sozialkompetenz
1.4.2 Fach- und Methodenkompetenz
1.5 Tuina in Kombination mit anderen Verfahren
1.5.1 Gua Sha – Schaben
1.5.2 Ba Guan – Schröpfen
1.5.3 Moxibustion
1.5.4 Chinesische Phytotherapie
2 Wirkung und Behandlungsprinzipien
2.1 Grundbegriffe
2.1.1 Yin und Yang
2.1.2 Die Substanzen (Säfte)
2.1.3 Pathogene Faktoren
2.2 Zwei Hauptbehandlungsprinzipien in der Tuina-Therapie
2.3 Ba Gang
2.4 Acht Behandlungsprinzipien Ba Fa in der Tuina
2.4.1 Bu Fa – Tonisieren und Stützen
2.4.2 Wen Fa – Wärmen, Dynamisieren
2.4.3 Tong Fa – Lösen von Qi- und Xue-Blockaden
2.4.4 Xie Fa – Ausleiten, Sedieren, Zerstreuen
2.4.5 San Fa – Abführen, Zerstreuen, Auflösen
2.4.6 Han Fa – Schweiß treiben, Ausleiten
2.4.7 He Fa – Harmonisieren
2.4.8 Qing Fa – Kühlen, Ableiten, Klären
2.5 Behandlungsvorbereitungen
2.5.1 Behandlungsvorbereitung für den Patienten
2.5.2 Behandlungsvorbereitungen für den Therapeuten
2.6 Allgemeine Indikationen für eine Tuina-Behandlung
2.6.1 Orthopädische Krankheitsbilder
2.6.2 Neurologische Krankheitsbilder
2.6.3 Krankheitsbilder der Inneren Medizin
2.6.4 Gynäkologische Erkrankungen
2.7 Bedingte und absolute Kontraindikationen in der Behandlung mit Tuina
2.8 Reaktionen auf die Tuina-Behandlung
2.9 Das Leitbahnsystem Jing Luo in der Tuina
2.10 Tendinomuskuläre Leitbahnen (TML)
2.10.1 Pathologie der einzelnen TML
2.11 Außerordentliche Gefäße
2.11.1 Konzeptionsgefäß (Ren Mai)
2.11.2 Lenkergefäß (Du Mai)
2.11.3 Durchdringungsgefäß (Chong Mai)
2.11.4 Gürtelgefäß (Dai Mai)
2.12 Die subkutanen Regionen
3 Anamnese und Befunderstellung
3.1 Diagnostik nach TCM
3.2 Inspektion nach TCM
3.3 Zungeninspektion
3.3.1 Topografie der Zunge
3.4 Pulsdiagnose
3.4.1 Organzuordnung zur Pulsposition
3.5 Diagnose durch Hören und Riechen
3.5.1 Stimme und Atmung
3.5.2 Gerüche
3.6 Inspektion und Palpation nach TCM
3.6.1 Inspektion nach TCM
3.6.2 Palpation nach TCM
3.7 Diagnose durch Inspektion und Palpation des Bewegungsapparates
3.7.1 Inspektion des Bewegungsapparates
3.7.2 Inspektion der Extremitäten
3.7.3 Inspektion der Muskulatur
3.7.4 Funktionsprüfung der Gelenke
3.8 Spezifische Untersuchungsmethoden
3.8.1 Körperliche Untersuchung
3.8.2 Untersuchung der Muskulatur
3.8.3 Untersuchung auf Gangstörungen
3.8.4 Untersuchung der Wirbelsäule und des Beckens
3.8.5 Funktionsprüfungen zur Beweglichkeit
3.8.6 Untersuchung des Schultergelenks
3.8.7 Untersuchung des Ellenbogengelenks
3.8.8 Untersuchung der Hand/Finger
3.8.9 Untersuchung des Hüftgelenks
3.8.10 Untersuchung des Kniegelenks
3.8.11 Untersuchung des Sprunggelenks und Fußes
3.8.12 Untersuchung des Kopfes
3.8.13 Untersuchung der Reflexe
3.8.14 Untersuchung der einzelnen Spinalnerven
Teil II Einführung in die Tuina-Techniken
4 Tuina-Techniken
4.1 Übersicht Tuina-Techniken
4.2 Tuina-Techniken im Einzelnen
4.2.1 Allgemeine Techniken
4.2.2 Perkussionstechniken
4.2.3 Mobilisationstechniken
4.2.4 Behandlung mit den Füßen
4.3 Allgemeine Mobilisationstechniken, Traktionstechniken
4.3.1 Blockierungen
4.3.2 Allgemeine Traktionstechniken
4.4 Spezielle Behandlungstechniken für einzelne Körperregionen
4.4.1 HWS-Techniken
4.4.2 BWS-Techniken
4.4.3 LWS-Techniken
4.4.4 Mobilisation des Iliosakralgelenks (ISG)
4.4.5 Techniken zur Behandlung der oberen Extremität
4.4.6 Techniken für die Gelenke an Hand und Fuß
4.4.7 Techniken zur Mobilisation der Hand- und Fingergelenke
4.4.8 Techniken zur Behandlung der unteren Extremität
4.4.9 Ganzkörpertechniken
4.5 Erstellen einer Behandlungsstrategie
4.5.1 Leitfaden für die Vorgehensweise
4.5.2 Anschlusstermin
5 Erstellen einer individuellen Tuina-Behandlungsabfolge
5.1 Phasen der Behandlung
5.2 Entwicklung einer Behandlungsstrategie
5.2.1 Praktisches Beispiel einer Behandlungsstrategie: Patientin mit Schmerzen und Bewegungseinschränkungen
5.2.2 Körperliche Untersuchung
5.2.3 Westliche und TCM-Diagnose
5.2.4 Behandlungsablauf
5.2.5 Allgemeine Funktionsanalyse
5.2.6 Abfolge auf einen Blick
6 Konstitutionstypen
6.1 Yang-Typ
6.2 Yin-Typ
6.3 Chinesische Konstitutionstypen
6.3.1 Konstitution Holz
6.3.2 Konstitution Feuer
6.3.3 Konstitution Erde
6.3.4 Konstitution Metall
6.3.5 Konstitution Wasser
6.4 Konstitutionelle Massage
6.4.1 Allgemeine Behandlung bei Qi-Schwäche
6.4.2 Leber-Qi-Stagnation (Gan Qi Yu Jie)
6.4.3 Milz-Qi-Mangel
6.4.4 Nieren-Yang-Mangel
6.4.5 Nieren-Yin-Mangel
6.4.6 Blut-Stase durch Schwäche
7 Standard-Behandlungsmodule der einzelnen Körperareale
7.1 Grundbehandlung Kopf
7.2 Grundbehandlung Gesicht
7.3 Grundbehandlung Nacken
7.4 Grundbehandlung Thorax
7.5 Grundbehandlung Bauch
7.6 Grundbehandlung Arme
7.7 Grundbehandlung Rücken
7.8 Grundbehandlung Beine
7.9 Grundbehandlung Fuß
7.10 Ganzkörpermassage
Teil III Prävention und Indikationen
8 Definition und Übungsanleitungen
8.1 Definition nach der TCM
8.2 Übungsanleitungen
8.2.1 Pflege des Qi
8.2.2 Qi-Gong-Zustand
8.2.3 Kraft der Gedanken und Vorstellungen
8.2.4 Präventive Behandlungen für den Patienten
8.2.5 Ganzkörperbehandlung mit Tuina zum Abbau von Stress
9 Krankheitsbilder
9.1 Schmerz aus Sicht der TCM
9.1.1 Pathologie
9.1.2 Allgemeine Schmerzcharakterbeschreibung
9.1.3 Schmerzanamnese
9.2 Allgemeine Ursachen für die Erkrankungen des Bewegungsapparates aus Sicht der TCM
9.2.1 Klimatische Faktoren
9.2.2 Emotionale Faktoren
9.2.3 Örtlicher Qi-Mangel
9.3 Häufige Erkrankungen des Bewegungsapparates
9.3.1 Myogelosen
9.3.2 Halswirbelsäulensyndrom
9.3.3 HWS-Syndrom durch Qi- und Blut-Stagnation
9.3.4 Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD)
9.3.5 Läsionen der Schulter
9.3.6 Impingement-Syndrom (Engpass-Syndrom)
9.3.7 Frozen Shoulder
9.3.8 Epicondylitis humeri
9.3.9 Karpaltunnelsyndrom (KTS/CTS)
9.3.10 Ischialgie/Lumbalgie, lumbales Schmerzsyndrom
9.3.11 Funktionelle IGS-Blockade
9.3.12 Mausarm (RSI)
9.3.13 Arthrose (Arthrosis deformans)
9.3.14 Achillodynie
9.3.15 Rheumatischer Formenkreis
9.4 Neurologische Erkrankungen
9.4.1 Idiopathische Fazialisparese
9.4.2 Migräne
9.4.3 Kopfschmerz Typ Wind-Kälte
9.4.4 Kopfschmerz Typ Milz-Schwäche
9.4.5 Schmerzen im gesamten Kopfbereich
9.5 Gynäkologische Erkrankungen
9.5.1 Dysmenorrhö
9.5.2 Klimakterische Beschwerden
9.6 HNO-Erkrankungen
9.6.1 Allergische Rhinitis
9.6.2 Grippaler Infekt
9.6.3 Asthma bronchiale
9.7 Innere Erkrankungen
9.7.1 Obstipation
9.7.2 Diarrhö
9.7.3 Hypertonie
9.7.4 Hypotonie
9.7.5 Adipositas
9.7.6 Erektile Dysfunktion
9.7.7 Konzentrationsschwäche
9.7.8 Schlafstörungen
9.8 Traumatologie
9.8.1 Traumata
9.8.2 Verletzung von Gelenken
9.8.3 Narbenbehandlung
9.8.4 Morbus Sudeck
10 Rezepte für Öle und Kräuterzubereitungen
10.1 Öle/Trägeröle
10.1.1 Rezeptur für eine Trägerölmischung
10.1.2 Öl-Rezepturen zur Anwendung in der Tuina
10.2 Säfte
10.2.1 Ingwersaft
10.2.2 Weitere Säfte zur lokalen Anwendung
10.3 Puder
10.4 Alkoholische Zubereitungen
10.5 Kräuterpflaster
10.5.1 Patentrezeptur „Die Da Zhen Tong Gao“ (Brown-Pflaster)
10.5.2 Patentrezeptur Yunnan Baiyao
10.6 Symphytum officinalis (Beinwell)
10.7 Ergänzende bewährte Kräuterrezeptur
Teil IV Berufskunde
11 Therapie mit Tuina
11.1 Abrechnung
11.2 Patientendatenbogen
Teil V Anhang
12 Übersicht der Leitsymptome
13 Tuina-Techniken in alphabetischer Reihenfolge
14 Literatur
15 Adressen
15.1 Deutschland
15.2 Schweiz
15.3 Österreich
Autorenvorstellung
Anschriften
Sachverzeichnis
Impressum/Access Code
1 Einführung und Geschichte
2 Wirkung und Behandlungsprinzipien
3 Anamnese und Befunderstellung
Tuina, in antiken Schriften auch als „An Mo“, „An Qiao“ oder „Qiao Mo“ bezeichnet, ist ein sehr altes Therapieverfahren und hat eine über 2000 Jahre alte Geschichte. Die ersten Massagetechniken wurden von den damals lebenden Menschen intuitiv und instinktmäßig als Selbstbehandlung ausgeführt.
Eine schmerzende, geschwollene Stelle am Körper wurde gedrückt, zusammengepresst, geknetet, gerieben, gezwickt. Missempfindungen, Schmerzen und Schwellungen ließen dadurch nach. So wurden die ersten Manipulationen und Lokalisationen am Körper erst intuitiv vorgenommen. Die damaligen Heilkundigen Chinas fanden heraus, dass gezielte Stimulationen lokaler Punkte eine Wirkung auf den Körper erzielten. Es wurden Verbindungen dieser oberflächlichen Punkte untereinander gefunden, die dann als Leitbahnen (Meridiane) bezeichnet wurden. Auch im Inneren des Körpers verbinden diese Bahnen alle Organe und Körperteile wie ein Netzwerk miteinander. In diesen Bahnen zirkuliert nach den Lehren der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) das Qi und in Abhängigkeit davon auch das Blut (Xue). Diese beiden Anteile werden bei der Behandlung stimuliert, und dadurch der Stoffwechsel und die Durchblutung beeinflusst und eine heilende Wirkung auf den Körper erzielt. Diese Erfahrungen wurden später dann in eine Ordnung gebracht, systematisch verarbeitet, erfasst und dokumentiert.
Aus dieser Erfahrung entwickelte sich über Jahrhunderte die bis heute bestehende Tuina. Zur Zeit des Gelben Kaisers Huang di Nei Jing wurden im „Klassiker zur Inneren Medizin“▶ [18]alle wichtigen Indikationen, klinischen Anwendungen und Behandlungstechniken beschrieben. Dort heißt es: „Daoyin Übungen und manuelle Therapien stammen aus der Mitte Chinas, Krankheiten aus diesem Teil Chinas sollen mit manueller Therapie, Einrenken und Tuina und Massage behandelt werden.“ Im Kapitel über das Regulieren der Leitbahnen steht geschrieben: „Beginnt mit Massage und akupunktiert dann, um den Fluss von Qi und Blut zu intensivieren“.
Die ersten chinesischen Schriften, welche die Behandlungen von Krankheiten mit Tuina dokumentieren, stammen aus dem 11. Jahrhundert v. Chr. Viele Schriften zu diesem Thema sind im Verlauf der Jahrhunderte jedoch verloren gegangen.
In der Sui-Dynastie (581–618 n. Chr.) wurde Tuina ein unabhängiger Studienbereich. In der Tang-Dynastie gab es im Kaiserlichen Krankenhaus in den klinischen Abteilungen bereits Ärzte für Tuina und Massage. In Büchern dieser Zeit sind Massagen, Körper- und Atemübungen als Therapieanwendungen dokumentiert.
Es gibt viele Varianten und Ausführungsarten der Tuina-Techniken, viele dieser Techniken wurden den jeweiligen Generationen in der Familientradition weitergegeben. In der Ming-Dynastie wurde der Begriff Tuina in der Literatur aufgezeichnet. „Tui Na“ entstand aus einer bildhaften Beschreibung wesentlicher Behandlungstechniken, wie Tui (Schieben) und Na (Greifen, Nehmen, Anheben).
Tuina als Therapieverfahren ist eingebettet in ein ca. 3000 Jahre altes Medizinsystem, erste Hinweise für den Gebrauch einzelner TCM-Methoden gehen zurück bis in die Steinzeit. Dieses Medizinsystem basiert auf den Lehren und der Philosophie der TCM.
Die Tuina-Therapie ist neben Phytotherapie, Akupunktur, Diätetik und Qi Gong eines der fünf Heilverfahren in der TCM.
Die heutige Tuina-Therapie umfasst
die muskuläre Massage,
chiropraktische Manipulationen,
aktive und passive Gelenkmobilisation,
die Akupressur entlang der Leitbahnen und deren Punkten sowie
die Einreibungen mit Kräutern, Kräuterauflagen und Kräuterpflaster (Kap. ▶ 10).
Kinder-Tuina
Eine eigene Form ist das Kinder-Tuina (Xiaoer). Diese spezielle Form der Tuina-Massage beinhaltet die TCM-Diagnose, Handtechniken und die Akupunkturpunkte, die der kindlichen Entwicklung in der Anatomie und Pathologie entsprechen. Kinder werden in der TCM energetisch, körperlich und funktionell als nicht ausgereift gesehen und bedürfen deshalb einer speziellen Behandlung. Zitat aus dem Klassiker des Gelben Kaisers zur Inneren Medizin, Buch Lingshu▶ [18]: „Das Fleisch ist bei Kindern zerbrechlich, das Qi schwach, das Blut kärglich.“
Die Tuina-Techniken werden sanfter ausgeführt. Die gesamte Behandlungszeit ist kürzer. Deshalb wird Kinder-Tuina als eigenständige Therapieform betrachtet und bedarf einer eigenständigen Ausbildung. Medizingeschichtlich wird diese Form der Massage in der Ming-Dynastie erstmalig schriftlich erfasst. In dieser Zeit nimmt die Kinder-Tuina eine eigenständige Entwicklung.
Die Kinder-Tuina wird meist in der Altersspanne von 0–12 Jahren, je nach Entwicklung des Kindes, angewandt. Die Massage wirkt nicht nur heilend, sie wird auch präventiv eingesetzt. Sie soll die geistige und körperliche Entwicklung des Kindes fördern und unterstützen. Die Behandlung mit Kinder-Tuina erfolgt bei Verdauungsstörungen, Infektanfälligkeit, Fieber, Gedeihstörungen und Schlafstörungen.
Tuina wird heute weltweit gelehrt und praktiziert. Die Ausbildung ist in vielen Ländern jedoch nicht so klar geregelt wie in China. In Europa ist die Ausbildung zum Tuina-Therapeuten in der Regel nicht universitär und nicht so umfangreich wie in China. Tuina hat in Europa bisher auch nicht den gleichen therapeutischen Stellenwert und die Akzeptanz wie die Akupunktur und die Phytotherapie. Eine positive Veränderung ist jedoch zu beobachten.
Die Bezeichnung „Tuina-Therapeut“ ist in Deutschland nicht geschützt.
Über viele Jahrhunderte wurden die Kenntnisse über TCM und Tuina von Heilkundigen an ihre Schüler weitergegeben und erst später an professionellen Schulen und medizinischen Universitäten gelehrt. Heute gibt es jedoch kaum noch Lehrmeister, die ihr Wissen direkt an ihre Schüler vermitteln. In der Volksheilkunde verbreiteten sich in den chinesischen Familien einfache Kenntnisse dieser Massage zur Prävention und Selbstbehandlung.
Nachdem sich die Republik China immer mehr den Einflüssen westlicher Ideologien öffnete, erlebte die TCM um 1929 beinahe den Niedergang. Protesten des Volkes und praktizierender Ärzte ist es zu verdanken, dass sie nicht gänzlich verboten wurde.
Nach der Machtübernahme durch die Kommunisten im Jahr 1949 forderte Mao Ze-dong die besten chinesischen Ärzte auf, Bücher zu schreiben und das Wissen über die TCM mit der westlichen Medizin zu ergänzen, zu erforschen und zu modernisieren. Diese Wiederbelebung unter westlichem Einfluss, geprägt von deren neuen Erkenntnissen und Ideen, entsprach nicht mehr dem ursprünglichen und traditionellen Konzept, und es entstand der neue Begriff der „Chinesischen Medizin“.
Zu Anfang der proletarischen Kulturrevolution im Jahr 1966 erlitt die Chinesische Medizin einen weiteren Schlag. Aberglaube und Feudalismus sollten für immer aus der Gesellschaft verschwinden, und dies betraf auch die von Mao Ze-dong institutionalisierte Chinesische Medizin. An TCM-Ausbildungsstätten wurde nicht mehr unterrichtet, die meisten Bücher über die TCM vernichtet. Die chinesischen Ärzte und Gelehrten wurden zu harter Landarbeit geschickt, was die meisten von ihnen nicht überlebt haben.
Durch die sich in der Folge anbahnende Gesundheitskrise, die medizinische Unterversorgung der Bevölkerung und die Erkenntnis, dass es an ausgebildeten Ärzten mangelte, wurden kommunismustreue Frauen und Männer in Schnellkursen in TCM ausgebildet und als „Barfuß-Ärzte“ aufs Land geschickt, um dort einen Teil der medizinischen Versorgung zu gewährleisten.
Nach der Kulturrevolution in den 1970er-Jahren wurden Universitäten wieder eröffnet und in den 80er-Jahren wurde die Drei-Pfade-Politik eingeführt: die TCM, die westliche Medizin und eine Kombination der beiden. Alle drei Richtungen werden bis heute weiterentwickelt und praktiziert. Seit 1979 ist die Ausbildung zum Tuina-Therapeuten an Universitäten staatlich geregelt. Die Ausbildung umfasst ca. fünf Jahre Studium. Seitdem nimmt diese Behandlungsform wieder an Bedeutung zu. Im modernen China ist die TCM stark mit der westlichen Medizin verbunden.
In vielen Krankenhäusern der Volksrepublik China gibt es TCM-/Tuina-Abteilungen.
Die Tuina-Therapie unterscheidet sich erst in der tieferen Betrachtung von der westlichen Behandlungsweise. Im Vordergrund steht – objektiv betrachtet – wie in der wissenschaftlichen Medizin und der westlichen Massagepraxis die äußerliche Behandlung des Bewegungsapparates.
Der Mensch wird in der TCM jedoch unter ganzheitlichen und energetischen Gesichtspunkten betrachtet. Das Bestreben eines TCM-Therapeuten ist es, den Körper wieder in Einklang, in Harmonie zu bringen, damit die Energie in Beziehung zur Natur wieder frei fließen kann. Körper, Geist und Seele und der energetische Zustand eines Menschen sind eine untrennbare Einheit. Diese Einheit wird auch in der Diagnostik und Therapie nicht getrennt. Die Behandlung erfolgt durch die Therapie in den Leitbahnen und Akupunkturpunkten.
Der wesentliche Unterschied ist, dass in der Tuina-Therapie die Arbeit mit dem Qi im Vordergrund steht. Die Therapiestrategie ist ganzheitlich orientiert und erfordert immer die Diagnostik nach der TCM. Die Pflege des eigenen Qi ist für den TCM-Therapeuten für seine tägliche Arbeit unerlässlich.
Mein chinesischer Tuina-Lehrer führt nur zwei bis drei Tuina-Behandlungen am Tag durch. Als Qi-Gong-Meister verbringt er dann die verbliebene Tageszeit mit muskulaturstärkenden Körperübungen, Meditation, Qi Gong, also mit der Pflege des eigenen Qi.
Merke
Die Wirkung der Tuina aus Sicht eines chinesischen Tuina-Therapeuten und Qi-Gong-Meisters: „Ist der Therapeut entspannt, entspannt sich auch der Patient!“
Die Arbeit mit dem Qi unterscheidet Tuina von den westlichen manuellen Therapien.
Der Therapeut nimmt Qi in seinen Körper auf. Er gibt in der Behandlung Qi über seine Finger, Hände und Handflächen ab, der Patient nimmt Qi auf.
„Durch die Vigilanz des Therapeuten verbindet sich das Qi der mechanischen Bewegung mit seinem inneren Qi. Der Therapeut gibt Qi, der Patient nimmt Qi. Das innere Qi des Therapeuten trifft in der Therapie auf das inneren Qi des Patienten, eine Verbindung entsteht, Qi kann fließen. Eine Wirkung entsteht. Der Patient empfindet Wärme, ein Fließen, ein Kribbeln oder Vibration. Ein Therapeut muss kontinuierlich sein inneres und äußeres Qi pflegen.“ (Quelle: Unterrichtsmitschrift eines Tuina-Seminars)
Regulation von Yin und Yang
Fluss von Qi und Blut beleben, fördern und normalisieren
Ausleiten, Klären, Auflösen von pathogenen Faktoren
Regulation von Qi und Blut
Harmonisierung des Yin und Yang
Harmonisieren und Stärken des Wei Qi
Harmonisieren und Stärken des Ying Qi
Stärkung und Harmonisierung der Funktionen der Zang Fu
Stärkung und Wiederherstellung der Gelenkfunktionen
Erhalten, Tonisieren, Stärken und Fördern des Qi und Blutes, Yin und Yang
Harmonisierung des Shen
Kapillaren in der Haut werden erweitert, und die Mikrozirkulation sowie der Gewebestoffwechsel werden angeregt.
Der Lymphfluss wird gesteigert.
Die muskuläre Leistung wird verbessert.
Die Sauerstoffversorgung im gesamten Körper wird gesteigert.
Die Ausschüttung von Endorphinen wird gesteigert, diese haben eine analgetische Wirkung und stärken das Immunsystem.
Das vegetative Nervensystem wird reguliert.
Sympathikus und Parasympathikus werden positiv beeinflusst.
Der Stoffwechsel wird angeregt.
Steigerung der Flexibilität, Förderung der Elastizität von Sehnen, Bändern und Gelenken
Korrektur von segmentalen Dysfunktionen
Anregung und Steigerung der Immunfunktion
Stressreduktion und psychische Entspannung
Wirkung durch den kutiviszeralen Reflexbogen
Die Arbeit mit Tuina erfordert – wie in allen medizinisch verantwortungsvollen Berufen – grundlegende Kompetenzen auf der fachlichen, sozialen und der Persönlichkeitsebene. Eine fundierte und ausreichend lange Ausbildung ist für die Ausübung der Tuina-Therapie wichtig. Der Behandlungserfolg am Patienten ist abhängig von der Erstellung einer genauen Diagnose, der daraus entwickelten Behandlungsstrategie und einer korrekten Ausführung der Handtechniken. Das Erlernen dieser Techniken erfordert ein intensives Training. Es ist immer wieder zu beobachten, dass Therapeuten eine Wochenendschulung Tuina besuchen und sich anschließend Tuina-Therapeut nennen, was dieser effektiven Therapieform nicht gerecht wird.
Ein Tuina-Therapeut sollte Selbstkompetenz und soziale Kompetenz mitbringen.
Selbstkompetenz:
eine gute körperliche und mentale Konstitution
eine positive Haltung zu Grundwerten und ethische Prinzipien, Selbstkenntnis
achtsamer Umgang mit der eigenen Person
angemessene Selbsteinschätzung und Selbstwahrnehmung
Soziale Kompetenz:
Kontaktfähigkeit
Kommunikationsfähigkeit
Ausdrucksvermögen
Kooperationsfähigkeit
Einfühlungsvermögen
Fähigkeiten oder zu erlernende Kompetenzen in diesem Bereich sind:
gute Kenntnisse der Anatomie, Biochemie und der physiologischen Körperfunktionen
gute Kenntnisse der Pathologie und Dysfunktion des menschlichen Körpers
gute Kenntnisse der Prinzipien der westlichen wissenschaftlichen Medizin
die Befähigung, behandlungsrelevante Befunde und Laborberichte zu interpretieren
die Fähigkeit, eine umfassende Diagnose zu stellen sowie relevante Zeichen und Symptome zu erkennen
Kenntnisse der Philosophie und Prinzipien der TCM
Entwicklung spezifischer Behandlungspläne auf der Grundlage der Diagnose des einzelnen Patienten
Verständnis der Indikationen und Kontraindikationen
den Gesundheitszustand des Patienten unter der Tuina-Behandlung zu überwachen und Behandlungsstrategien zu ändern
eine fundierte theoretische und praktische Ausbildung in Tuina
in Deutschland Erwerb der Heilerlaubnis als Arzt oder Heilpraktiker
Die jeweils aktuellen gesetzlichen Regelungen in den andern Ländern sollten bei den zuständigen Berufsverbänden erfragt werden.
Tuina ist mit allen Methoden der TCM kombinierbar. In der Praxis bewährt es sich, Tuina mit Gua Sha, der Schröpftherapie, der Moxatherapie, der chinesischen Phytotherapie (intern und extern) zu verbinden, um einen optimalen Therapieerfolg zu erzielen. Auch die Akupunktur und die Ohrakupunktur bieten gute Ergänzungsmöglichkeiten.
Grundsätzlich ist auch eine Kombination mit anderen naturheilkundlichen Therapien und Therapien der wissenschaftlichen Medizin möglich. Es ist hier individuell zu entscheiden, in welchem Umfang eine kombinierte Behandlung für den Patienten therapeutisch sinnvoll ist.
Gua (Schaben) – Sha (Reaktion der Haut). Gua Sha ist eine Reiztherapie.
Die pathogenen Faktoren – die Indikationsstellung ergibt sich aus der Diagnose nach der TCM – sollen nach außen ausgeleitet werden.
Die Haut wird mit einem geeigneten Öl, Johanniskrautöl oder Sesamöl eingerieben (Kap. ▶ 10.1.2). Die Behandlung erfolgt dann durch wiederholtes Schaben mit einem geeigneten Gegenstand (es gibt spezielle Schaber) entlang der Leitbahnen, paravertebral oder direkt an betroffenen Arealen. Es entstehen gewünschte Rötungen, Petechien und das Areal wird hyperämisiert.
Das Schaben über die Haut führt zu folgenden Wirkmustern:
durchblutungsverbessernd
entspannend
schmerzlindernd
Stoffwechselaktivierung
Harmonisierung des Qi-Flusses
Anregung der Hautausscheidung
Anregung der Hautfunktion
Ableiten von Toxinen über die Haut
unspezifische Immunstimulierung
Die Anregung der inneren Organe erfolgt über
Akupunkturpunkte,
Reflexzonen und
kutiviszerale Reflexbogen.
Blockaden und Stagnation von Qi und Blut werden aufgelöst, die Oberfläche von pathogenen klimatischen Faktoren befreit, blockierte Leitbahnen durchgängig gemacht, Fülle wird beseitigt.
Kontraindikationen für Gua Sha:
Blutungsneigung
Störungen der Blutgerinnung
frische Verletzungen
Hautläsionen
entzündliche Hauterkrankungen
Varizen
Das Schröpfen ist ebenso wie das Schaben eine Form der Reiztherapie. Die Behandlung erfolgt durch den erzeugten Unterdruck in sogenannten Schröpfköpfen ( ▶ Abb. 1.1). Die Schröpfgläser werden vor dem Aufsetzen auf die Haut erwärmt, um ein Vakuum zu erzeugen. Hierdurch entsteht die therapeutische Saugwirkung. Die Indikationsstellung ergibt sich aus der Diagnose nach der TCM.
Es gibt zwei Formen des Schröpfens, das trockene und das blutige Schröpfen. Welche Form verwendet wird, ist abhängig davon, ob in der zu behandelnden Körperregion eine Fülle-Symptomatik oder eine Leere-Symptomatik diagnostiziert wurde.
Das Schröpfen führt zu folgenden Wirkmustern:
durchblutungsverbessernd
entspannend
schmerzlindernd
Stoffwechselaktivierung
Harmonisierung des Qi-Flusses
Ableiten von Toxinen über die Haut
Immunstimulierung
Die Anregung der inneren Organe erfolgt über
Reflexzonen,
Rücken-Shu-Punkte und
kutiviszerale Reflexbogen.
Blockaden und Stagnation von Qi und Blut werden aufgelöst, blockierte Leitbahnen durchgängig gemacht, Fülle wird beseitigt.
In der Tuina findet die Schröpfbehandlung als Begleittherapie Einsatz bei folgenden Indikationen:
muskuläre Verspannungen
Schmerzen allgemein
Schmerzen des Rückens
Schmerzen der Schulter
Migräne
Spannungskopfschmerz
Erkältungskrankheiten
Trockenes Schröpfen bei Leere-Symptomatik. Hier wird mit einer Flamme im Schröpfglas der vorhandene Sauerstoff im Glas verbrannt und das Glas auf die behandelnde Stelle aufgesetzt. Es wird ein Vakuum erzeugt, ein Unterdruck bleibt erhalten, die Haut wird in den Schröpfkopf hineingesogen. Dadurch kann es zur Ausbildung eines gewünschten Hämatoms kommen.
Blutiges Schröpfen bei Fülle-Symptomatik. Das zu behandelnde Areal wird mit einer Lanzette eingeritzt und das Schröpfglas aufgesetzt. Das Blut aus dem Gewebe kann abfließen. Dies führt zu einer Entlastung des Areals.
Diagnostisch kann man die lokale Temperatur der geschröpften Stelle nutzen. Eine lokale Kälte weist auf einen Leere-Zustand hin. Eine Überwärmung weist auf eine Fülle hin.
Kontraindikationen sind:
Blutungsneigungen
Störungen der Blutgerinnung
frische Verletzungen
Hautläsionen
entzündliche Hauterkrankungen
Varizen
Infektionserkrankungen
Schwangerschaft
Sonderformen des Schröpfens. Neben diesen Verfahren werden noch Sonderformen des Schröpfens durchgeführt. Die Schröpfkopfmassage speziell bei muskulären Verspannungen, beginnenden Erkältungserkrankungen, im Verlauf der Blasen-Leitbahn zur Stimulation der Rücken-Shu-Punkte. – Ein Schröpfkopf wird über ein eingeöltes Hautareal gezogen. Die Haut wird hyperämisiert, gewünschte Petechien und Hämatome können entstehen.
Eine weitere Sonderform ist das Aufsetzen der Schröpfköpfe direkt über genadelte Akupunkturpunkte. Dies dient der Reizverstärkung der Akupunktur.
Abb. 1.1 Schröpfen.
(Quelle: © K.Oborny/Thieme)
Bei der Moxibustion werden Akupunkturpunkte und Areale der Haut mit Hitze stimuliert. Die Hitze wird durch das Abbrennen von getrocknetem Moxakraut erzeugt ( ▶ Abb. 1.2).
Die Wärme dringt über die Akupunkturpunkte in den Körper ein. Auf diese Weise werden Feuchtigkeit und Kälte vertrieben und das Qi bewegt.
In der Tuina findet die Moxibustion als Begleittherapie Einsatz bei folgenden Indikationen:
chronischer Bronchitis
chronischem Asthma
depressiven Verstimmungen
Schwächezuständen nach chronischen Erkrankungen
chronischer Diarrhö
Erschöpfungsreaktionen
Es gibt verschiedene Formen der Moxibustion.
Indirekte Moxibustion. Das Moxakraut wird ohne direkte Berührung mit dem Körper abgebrannt. Eine ca. 2–3 mm dicke Scheibe frische Ingwerwurzel wird auf den Akupunkturpunkt gelegt. Ein ca. 1 cm großer Moxakegel wird angezündet und verglimmt, so wird dem Körper eine Wärmeenergie zugeführt.
Eine Variante ist das Abglimmen des Moxakrautes im Bauchnabel. Der Bauchnabel wird mit Salz gefüllt und dann eine 5 mm dicke Scheibe vorher perforierter Ingwerwurzel auf das Salz aufgelegt. Ein Moxakegel wird aufgesetzt und angezündet. Eine neue Scheibe wird vorbereitet und ausgetauscht, wenn das Kraut verglommen ist. Der Körper wird durch die Wärme energetisiert.
Die ganze Anwendung sollte 20–30 Minuten dauern.
Moxibustion mit einer Moxastange. Moxastangen sind in dünnes Papier gerolltes Moxakraut oder Moxakohle, sogenannte Moxazigarren. Diese werden nahe über einen Akupunkturpunkt (ca. 0,5–1 cm) gehalten. Wird ein deutliches Hitzegefühl verspürt, geht man etwas zurück (ca. 3–4 cm). Nach kurzer Zeit wird die glühende Moxazigarre wieder zur Haut geführt. Diesen Vorgang wiederholt man mehrfach pro Punkt, oder es wird die „Vogelpicktechnik“ angewendet: Die Moxazigarre wird rhythmisch wie ein pickender Vogelschnabel über die zu behandelnde Stelle oder den zu behandelnden Akupunkturpunkt bewegt.
Selbstbehandlung des Patienten mit Moxibustion. Die Methode mit der Moxibustion mit Moxazigarren kann zur Selbstbehandlung eingesetzt werden. Der Patient wird über die Methode und deren Wirkungsweise aufgeklärt. Der Therapeut leitet den Patienten genau an. Die Behandlung kann dann vom Patienten zu Hause selbstständig durchgeführt werden.
Die direkte Moxibustion. Diese wird in der Regel außerhalb Chinas nicht verwendet. Ein kleiner Moxakegel wird direkt auf der Haut angezündet. Das langsam glimmende Moxa erhitzt die Haut. Es können Verbrennungen entstehen.
Abb. 1.2 Moxibustion.
(Quelle: © K.Oborny/Thieme)
TDP-Lampe oder Moxalampe
Ein wesentlicher Teil dieses Apparates ist eine spezielle, patentierte „Energieplatte“. Auf dieser Platte sind in drei Schichten bestimmte Spurenelemente und Mineralien, aufgebracht. Die Mischung dieser Elemente entspricht der durchschnittlichen chemischen Zusammensetzung des menschlichen Körpers.
Die Platte wird durch eine Heizspirale erwärmt. Die Strahlung entspricht dem Spektrum der Infrarotwellen, das vom menschlichen Körper sehr gut aufgenommen werden kann. Die aufgenommene Energie/Wärme fördert die Mikrozirkulation und den Metabolismus (Stoffwechsel), stärkt das Immunsystem und erzielt kurz- und langfristige Schmerzentlastung.
Da diese Heilmethode vor allem auf der Selbstregulierung des Körpers beruht, hat sie bei richtiger Anwendung keine Nebenwirkungen.
Dieses Gerät kann vor oder nach einer Tuina-Behandlung eingesetzt werden. Bei chronischen Erkrankungen kann der Patient das Gerät auch regelmäßig zu Hause einsetzen.
In der chinesischen Kräutermedizin werden Pflanzenteile wie Wurzeln, Rinden, Blüten, Blätter und Samen, aber auch Mineralien und Tierprodukte verwendet, um Kräuterrezepturen (Kap. ▶ 10) zu erstellen ( ▶ Abb. 1.3).
Eine Rezeptur wird aus mehreren Kräutern zusammengestellt, wobei sich diese in ihrer Wirkung ergänzen und unterstützen bzw. unerwünschte Wirkungen auffangen. Jeder Patient erhält ein individuell auf ihn und seinen Krankheitszustand abgestimmtes Rezept.
Die Einnahme kann von einer Woche bis zu mehreren Monaten – abhängig von der Schwere und Dauer der Erkrankung – erfolgen. Der Patient wird dabei regelmäßig untersucht, um sicherzustellen, dass die gewählte Rezeptur wirksam bleibt. Die Zusammenstellung der Rezeptur wird dem Gesundungsprozess regelmäßig angepasst.
Traditionell werden chinesische Arzneimittel in Form von Dekokten verabreicht, das bedeutet, die gemischten Kräuter werden in Wasser 20 Minuten oder länger abgekocht und das Konzentrat getrunken. Weitere Verarbeitungsformen sind Extrakte, Granulate, Pulver, Pillen, Kapseln, Tropfen und Tinkturen.
Zur äußeren Anwendung werden die Kräuter als Salbe, Massageöle, Kräuterpasten, Kräuterpflaster, Auflagen, Wickel, als Umschlag oder Sitzbad aufbereitet. Die Zubereitungen finden in der Tuina häufig Anwendung (Kap. ▶ 10).
Abb. 1.3 Kräuter der TCM.
(Thieme Verlagsgruppe)
Für das Verständnis der TCM-Diagnostik und die Entwicklung einer Behandlungsstrategie sind grundlegende Kenntnisse der TCM-Theorie notwendig.
Im Folgenden werden die Grundlagen der TCM-Theorie in einer Übersicht zusammengefasst.
Der Schlüssel zum Verständnis der chinesischen Philosophie ist die Betrachtung von Yin und Yang.
Abb. 2.1 Das alte chinesische Zeichen für Yin und Yang.
(Quelle: ©koya979 / stock.adobe.com)
Das alte chinesische Zeichen symbolisiert das sich stetig verändernde Gleichgewicht von Yin und Yang ( ▶ Abb. 2.1). Diese beiden Kräfte bilden ein dynamisches Gegensatzpaar, das allem Leben zugrunde liegt, wie Tag und Nacht, Ein- und Ausatmen, Aktivität und Ruhe. In diesem Spannungsfeld der Pole entsteht die Lebensenergie Qi. Aus dieser Vorstellung des sich immer wieder neu formenden Gleichgewichts entwickelte sich die Betrachtung, wie Krankheiten, Disharmonien entstehen und Gesundheit erhalten wird. Yin und Yang sind nicht voneinander trennbar, sie vergleichen sich, sie ergänzen sich, jeder beinhaltet einen Teil des anderen.
Auch im Zang-Fu-Organsystem sind Yin und Yang nicht voneinander trennbar. Jedes Yin-Organ hat einen Yang-Organ-Partner. Die Dysfunktion eines Organs wirkt sich auf die Funktionen des Partnerorgans aus und kann Disharmonien verursachen.
In der Chinesischen Medizin werden die Organe des menschlichen Körpers nach Yin (Nährstoffe oder Energie speichernde Organe – Speicherorgane) und Yang (Hohlorgane, die eine Verbindung nach außen herstellen können) eingeteilt ( ▶ Tab. 2.1 ). Die 11 Hauptorgane sind Leber – Gan, Gallenblase – Dan, Herz – Xin, Dünndarm – Xiao Chang, Dreifacher Erwärmer – San Jiao, Milz/Pankreas – Pi, Magen – Wie, Lunge – Fei, Dickdarm – Da Chan, Niere – Shen und Blase – Pang Guang.
Tab. 2.1
Betrachtung von Yin und Yang.
Yin – Wasser
Yang – Feuer
Yin – Speicherorgane
Yang – Hohlorgane
weiblich
passiv
links
Mond
Nacht
von oben nach unten (Hagel, Regen, Schnee)
Stehen und Sitzen
Bauch
Innenseite
Fuß
Winter
männlich
rechts
Sonne Hitze
Tag
Himmel
von unten nach oben (wie Feuer abbrennt)
aktiv
Bewegung, Laufen
Rücken
Außenseite
Kopf
Sommer
Leber
Niere
Lunge
Herz
Milz/Pankreas
Perikard
Galle
Blase
Dickdarm
Dünndarm
Magen
San Jiao – 3-Erwärmer
Qi ist eine feinstoffliche, nichtmaterielle Substanz. Qi fließt im ganzen Körper, es ist die Grundlage aller Substanzen. Jeder Funktionskreis hat seine spezielle Form von Qi bzw. seine eigene Aufgabe, das durch Nahrung oder Atmung gewonnene Qi für den Körper verfügbar machen zu können. Qi wärmt den Körper und die Extremitäten, schützt vor Kälte, Hitze, Feuchtigkeit.
Qi kontrolliert die Bewegungen des Körpers und des Geistes, nährt und wandelt um.
Qi-Mangel – Qi Xu. Vitalitätsverlust, Müdigkeit, Immunschwäche, Leistungsschwäche, Kurzatmigkeit, leise Stimme
Zunge: aufgedunsen, blass
Puls: schwach
Qi-Stagnation – Qi Zhi (Stagnation der Qi-Zirkulation). Schmerzen mit dumpfem Charakter, Schmerzverstärkung durch Druck, Kopfschmerzen
Zunge: bläuliche Verfärbung
Puls: gespannt
Rebellierendes Qi – Qi Ni (Richtungsänderung des normalen Qi-Flusses). Übelkeit, Erbrechen, Schluckauf, Husten, Asthma
Xue ist der dichte, materielle Aspekt des Qi, es hat die Aufgabe, die verschiedenen Gewebe des Körpers, insbesondere die Augen, die Haut und die Haare, Muskeln und Sehnen zu ernähren und zu befeuchten. Es wird auch als der Ruheort des Geistes – Shen betrachtet.
Xue wird meistens mit „Blut“ übersetzt, jedoch stimmt unsere Definition von Blut nicht genau mit der chinesischen Idee von Xue überein.
Xue-Mangel – Xue Xu. blasses, stumpfes Gesicht, blasse Schleimhäute, Anämie, Schlaflosigkeit, Müdigkeit, Sehstörungen, psychische Störungen
Zunge: blass, dünn
Puls: fein, rau
Xue-Stagnation – Xue Yu. Schmerzen, hell, stechend, genau lokalisierbar, Hautverfärbungen an der betroffenen Stelle
Zunge: rot, bläulich rot
Puls: gespannt
Jing (Essenz) ist die energetische Basis des Menschen, der Ursprung des Körpers, die Grundlage des körperlichen Wachstums und der geistigen Entwicklung. Es zeigt sich in der Konstitution. Jing bildet die Grundlage für Körpersäfte, Wachstum und Fortpflanzung.
Jing hat einen vorgeburtlichen ererbten Teil (durch die Eltern mitgegebenen) und einen nachgeburtlichen, erworbenen Anteil (abhängig von der Nahrungs- und Flüssigkeitsverarbeitung des Körpers). Jing wird in den Nieren gespeichert.
In der Chinesischen Medizin wird ein großes Augenmerk auf den Erhalt und den schonenden Umgang mit dem Jing gelegt.
schlechte Konstitution
Missbildungen
Sterilität
vorzeitiges Altern
Shen (Geist) ist die nichtmaterielle Substanz, die unser Bewusstsein, unsere Persönlichkeit und unsere geistige Kraft bestimmt. Shen hat einen engen Bezug zum Herzen, zum Jing, Xue und Qi. Daraus wird deutlich, dass in der Chinesischen Medizin Körper, Geist und Seele eine untrennbare Einheit bilden. Shen zeigt sich in der Ausstrahlung im wachen, klaren Blick eines Menschen.
Schlaflosigkeit
Unruhe
psychische Störungen
Das Wei Qi ist der Schutz der Körperoberfläche. Es zirkuliert außerhalb der Leitbahnen zwischen Haut und Muskulatur und hat die Aufgabe, den Körper vor Angriffen äußerer pathogener Faktoren und Krankheiten zu schützen.
gestörtes Immunsystem
Kälteempfindlichkeit
In der Chinesischen Medizin geht man davon aus, dass das Zusammenwirken verschiedener Faktoren Krankheiten auslösen kann. Diese werden als pathogen Faktoren bezeichnet und werden unterschieden in:
äußere pathogene Faktoren
innere pathogene Faktoren
neutrale pathogene Faktoren
Wind
Kälte
Hitze bzw. Sommerhitze
Feuchtigkeit
Trockenheit
Äußere pathogene Faktoren ( ▶ Tab. 2.2 ) dringen in der Regel in den Körper über Haut, Mund oder Nase ein. Der Begriff „äußerer pathogener Faktor“ steht sowohl für den Befall von außen als auch für die Lokalisation der Symptome und deren Natur. Eine Erkrankung von außen kann aus zwei Gründen eintreten:
Der pathogene Faktor ist stärker als das gesunde „Wei-Qi“.
Das Wei-Qi ist zu schwach, um den pathogenen Faktor abzuwehren.
Charakteristisch sind das plötzliche Einsetzen der Symptome und der schnelle Wechsel der Lokalisation. Es wird unterschieden zwischen dem inneren und äußeren Wind.
Allgemeine Symptome:
schnelle Entstehung der Symptome, wechselnde Symptomatik und Lokalisation
Abneigung gegen Zugluft (Wind)
Fieber mit Schüttelfrost
Schwitzen
Hüsteln, rauer Hals, verstopfte Nase
Zittern, Krämpfe, Steifheit
wandernde Gelenkschmerzen
Juckreiz
Zittern der Augenmuskulatur
Tics, Spasmen, Kontrakturen
Opisthotonus, Apoplex, Taubheit der Glieder, Schwindel
Bewusstseinsverlust
Fieber mit Exanthemen
Typische Erkrankungen bei äußerem Wind sind
Bi-Syndrome
Schmerzerkrankungen des Bewegungsapparates und
Erkältungserkrankungen.
Erkrankungen des inneren Windes sind
Leber-Disharmonien mit neurologischer Symptomatik.
Kälte besitzt Yin-Charakter, zieht zusammen und friert jede Aktivität ein und schädigt dadurch das Yang.
Allgemeine Symptome:
Abneigung gegen Kälte, Verlangen nach Wärme
starke, lokalisierte Schmerzen, „beißt sich rein“
wässrige, klare und viele Absonderungen
Kontraktionen
befällt insbesondere die Extremitäten, Gelenke und den Unteren Erwärmer
Typische Erkrankungen:
Bi-Syndrome
Erkältungserkrankungen
Hitze hat Yang-Charakter und schädigt deshalb das Yin. Hitze steigt nach oben, ist heiß, dynamisch und immateriell. Sie trocknet, verbrennt Flüssigkeit.
Schlüsselsymptome:
dynamisches Geschehen (unruhig, schnelle und kräftige Bewegungen)
Röte, Hitze, Trockenheit
verminderte Ausscheidung
Schlaflosigkeit, Shen, Benommenheit
Durst
Yin-Verbrauch (Zunge, Stuhl, Gefäße)
Sommerhitze. Sommerhitze hat ebenfalls Yang-Charakter und schädigt das Yin. Sommerhitze tritt meist in der entsprechenden Jahreszeit auf und ist eine Sonderform des pathogenen Faktors, die direkt den Funktionskreis Perikard angreift. Symptome sind
exzessives Schwitzen, plötzliches hohes Fieber,
Durst,
verwaschene Sprache, evtl. Bewusstlosigkeit, Delirium und
Erbrechen, Durchfall.
Feuer. Die Steigerung von Hitze, die sogenannte toxische Hitze, geht schnell in die Tiefe.
Feuchtigkeit besitzt Yin-Charakter und schädigt somit das Yang. Feuchtigkeit ist schwer, träge und tendiert nach unten (blockiert das Yang).