Turbulenzen - Sepp Moser - E-Book

Turbulenzen E-Book

Sepp Moser

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Beschreibung

Seit der Mirage-Affäre 1964 ist keine Flugzeugbeschaffung in der Schweiz ohne kleine oder grössere Nebengeräusche über die Bühne gegangen. Kampfjets sind Aushängeschilder und Spielzeuge der Mächtigen. Kein Wunder, dass bei Beschaffungsgeschäften immer lobbyiert, geschmiert und vertuscht wird. Und dass in der Regel mehr über die technischen Finessen eines Flugzeugs als über sicherheitspolitische Konzepte diskutiert wird. Sepp Moser ist in sein Archiv gestiegen und schöpft aus dem reichen Fundus der letzten mehr als fünfzig Jahre. Er erzählt nicht nur die Geschichten von gescheiterten und erfolgreichen Beschaffungen. Er berichtet auch aus erster Hand von umstrittenen Praktiken des Flugzeuggeschäfts am Beispiel der Pilatus- Werke: vom Skandal um den Turbo-Porter in Laos 1969 bis zur heutigen, gesetzeskonformen Strategie der Firma. Damit entsteht eine leicht lesbare, informative und unterhaltsame Erzählung, die Licht ins Dunkel der Geschäfte rund um die Militäraviatik in den letzten Jahrzehnten wirft.

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Prolog

Einleitung

Schweizer Kampfflugzeuge: Beschaffungsprobleme ohne Ende

Leidensweg Mirage

Nächster Akt des Trauerspiels: Corsair

Hunter: Lieber Oldtimer als gar nichts

Tiger: Neuanfang mit Misstönen

Hawk als Basis für den Neubeginn

Beinahe gestolpert: F/A-18

Die Gripen-Pleite von 2013/14

Turbo-Porter: Friedenspolitik und das reale Leben

Rauschgiftkurier in Zentralamerika …

… und Kriegsmission im Dschungel Südostasiens

Bauunternehmung hilft dem Geheimdienst

Geheimdienst wird Flugunternehmer

Letzte Hoffnung Amazonas

Bürokratie erzwingt das Porter-Ende

Schulflugzeuge mit Biss

PC-7: Erfolgsmodell mit Fehlstart

PC-9: Trainer der Oberklasse

PC-7 Mk II: Mehr Sicherheit fürs kleine Budget

PC-21: Das virtuelle Kampfflugzeug

«Kosmetik-Operationen» im Stillen

UNO und EU entscheiden für die Schweiz

Geschäfte mit Sprengkraft: Wie man Flugzeuge verkauft

Burma: Banknoten und ein Segelflugzeug

Mexiko: Der Fluch amerikanischer Autos

Intermezzo: Ein peinliches Dilemma

Bolivien: High Noon in Santa Cruz de la Sierra

Tipp von der Konkurrenz

Showdown im Hotelflur

Irak gegen Iran: Heimlicher Deal des Bundesrates?

Brasilien: Ein neuer Konkurrent am Himmel

PC-12: Kommandoeinsätze im Wüstensand

Kriegsgewinnler in Afrika

Waffen, Munition und Schrottflieger

Exkurs: Österreich oder Sorgen mit dem Vertreter

Zivile Höhenflüge

Das neue Kampfflugzeug

Im ersten Anlauf gescheitert

Neue Idee: Rahmenkredit als Experiment

Big Brother ist startbereit

Wie komplex darf es sein?

Sind wir auf dem richtigen Kurs?

Anhang

Typenbeschreibungen

Pilatus-Flugzeuge im Militäreinsatz Anfang 2020

Wir befinden uns im Jahre 2020 nach Christus. Ganz Westeuropa ist vom Bestreben beseelt, seine nationalen Luftwaffen wirksam, kostengünstig und zuverlässig mit kampfstarken Flugzeugen auszustatten … Ganz Europa? Nein! Ein von unbeugsamen Helvetiern bevölkertes Ländchen besteht darauf, alles anders zu machen als alle anderen. Es bestimmt zuerst den Geldbetrag, den es auszugeben gedenkt, und kauft dann Flugzeuge jenes Typs, der zu seinen Preisvorstellungen passt. Ob es auch die richtigen sind, ist sekundär. Willkommen in Helvetistan!

(Frei nach Asterix und Obelix)

Einleitung

Dieses Buch erscheint aus Anlass einer ganz besonderen schweizerischen Volksabstimmung. Es geht um die Frage, ob das Land für den Betrag von 6 Milliarden Franken eine noch unbestimmte Anzahl von Kampfflugzeugen eines von vier zuvor ausgewählten Typen kaufen soll. Eigentlich sollte das Auswahlfeld fünf Typen umfassen; ausgerechnet jener mit den mutmasslich grössten Erfolgschancen wurde jedoch forfait ausgesondert, weil das Testflugzeug in der neuesten Version erst einige Wochen nach dem für die Flugerprobung gesetzten Termin verfügbar gewesen wäre (es flog dann zu vergleichbaren Tests nach Finnland).

6 Milliarden Franken entsprechen bei rund 8,5 Millionen Einwohnern der Schweiz – 706 Franken pro Einwohner, Kinder und ansässige Ausländer eingeschlossen. Geht es nach dem Willen des Schweizer Verteidigungsministeriums, soll sich der Lieferant der Flugzeuge später verpflichten, der schweizerischen Wirtschaft als Gegengeschäft im weitesten Sinne Aufträge vorerst unbestimmter Art im Umfang von 3,6 Milliarden Franken (60 Prozent des Auftragsvolumens) zuzuhalten.

Dass das Land moderne Kampfflugzeuge dringend braucht, wenn es nicht die Glaubwürdigkeit seiner Verteidigungsfähigkeit aufs Spiel setzen will, ist weitgehend unbestritten. Zu hinterfragen ist hingegen die Art der Entscheidungsfindung. Das übliche – und in den Augen der Fachleute logische – Vorgehen setzt nicht den Kaufpreis, sondern die sorgfältige Abklärung der Bedürfnisse an die erste Stelle in der Prioritätsliste. Dann erfolgt die vergleichende Prüfung der auf dem Markt erhältlichen Produkte unter Berücksichtigung von Faktoren wie Eignung für die spezifischen Bedürfnisse des Landes, erwartete Intensität des Gebrauchs, Bedienungs- und Wartungsfreundlichkeit und so weiter. Am Schluss werden von den infrage kommenden Anbietern Offerten verlangt (die sich logischerweise im Endpreis unterscheiden werden) und diese zusammen mit einer Empfehlung der Entscheidungsinstanz vorgelegt, in diesem Fall dem Parlament und bei einem Referendum dem Stimmvolk. Dieses Vorgehen ist normal; so machen es Verkehrsbetriebe, wenn sie neue Busse oder Züge brauchen, Fluggesellschaften vor dem Kauf neuer Flugzeuge sowie Spitalverwaltungen, wenn sie einen neuen Computertomografen benötigen.

In all diesen Fällen wissen am Schluss die Entscheidungsorgane, worüber sie entscheiden. Nicht jedoch die Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger im hier diskutierten Fall: Sie sollen an der Urne über einen Kredit entscheiden, ohne zu wissen, welche von vier zuvor geprüften Varianten zum Zuge kommen wird sowie ob und in welcher Form die Schweizer Wirtschaft von den vage versprochenen Kompensationsgeschäften tatsächlich wird profitieren können. Es ist ein, gelinde gesagt, eigenartiges Vorgehen. So machen es Grosseltern, wenn sie dem Enkel zwei Franken schenken, damit er am Kiosk eine Süssigkeit kaufen kann – irgendeine aus der aufliegenden Auswahl. Hauptsache, der Preis stimmt. Doch das Konstrukt ist auf transparente Art zustande gekommen und vom Parlament akzeptiert worden. Das Vorgehen ist somit, wenn nicht ethisch, so doch ohne Zweifel rechtlich legitim.

Mit diesem Buch soll das Informationsdefizit behoben und das Thema in einem grösseren Zusammenhang mit historischer Perspektive beschrieben werden. Das Geschäft mit Flugzeugen aller Art und mit Militärflugzeugen im Besonderen ist nämlich komplex, weithin undurchsichtig, manchmal «eindeutig zweideutig» und nicht immer ganz lupenrein. Und dies nicht nur in der Schweiz und nicht erst seit heute.

Besonders augenfällig ist die Problematik dann, wenn es um Kampfflugzeuge geht, also um Jäger, Aufklärer, kleinere und grössere Bomber (Erdkampfflugzeuge genannt). Im Kriegsfall sind das die «Frontsoldaten»; jeder Einsatz kann der letzte sein, und so ist es nicht verwunderlich, dass sich in diesen Flugzeugen zwecks Verbesserung der Überlebenschancen zumeist die modernste, raffinierteste und somit auch teuerste Technik befindet. Entsprechend rücksichtslos kämpfen Hersteller, Generäle, Politiker, Lobbyisten und immer auch allerlei zwielichtige Gestalten um die milliardenschweren Aufträge. Bescheidener geht es im Geschäft mit kleineren Flugzeugen zu, also zum Beispiel mit Schulflugzeugen und kleineren Transportern. Diese sind technisch einfacher als die Kampfflugzeuge und deshalb auch billiger. Aber auch sie sind im Hinblick auf die harten Einsatzbedingungen robuster gebaut als ihre zivilen Pendants – und dadurch kostspieliger als diese, will heissen: beliebt für Geschäfte am Rande oder knapp jenseits der Legalität.

Ein erster Teil des Buches wirft einen gerafften Blick zurück auf die Militärflugzeugbeschaffungen der Schweizer Armee in den letzten 60 Jahren. Ein zweiter Teil zeigt, wie das Geschäft mit kleineren und nicht derart hochgerüsteten Flugzeugen funktioniert. Am Beispiel der seit Jahrzehnten weltweit erfolgreichen Schweizer Herstellerfirma Pilatus zeigt sich die Ambivalenz dieses Geschäfts. Oft sind die potenziellen Kunden politisch umstrittene Regimes oder eher zwielichtige Händler, die verschleiern, was sie mit dem gekauften Flugzeug eigentlich bezwecken. Und in einem dritten Teil wird schliesslich der aktuelle Beschaffungsprozess eingeordnet und beleuchtet.

Schweizer Kampfflugzeuge: Beschaffungsprobleme ohne Ende

In demokratischen Staaten mit einer aktiven Diskussionskultur ist die Beschaffung eines neuen Kampfflugzeuges häufig ein kontroverses Thema. Erstens geht es um ein Kriegswerkzeug, was an sich schon die Emotionen anregt. Im Fall der Schweiz kommt dazu, dass ein grosser Teil der männlichen Bevölkerung Militärdienst leistet oder dies in jüngeren Jahren getan hat, sich somit viele Bürger als mit der Armee verbunden und dadurch zumindest teilweise sachkompetent fühlen. Zudem verleihen die Instrumente von Initiative und Referendum dem Schweizer Volk einen grossen Einfluss auf die Handlungen des Staates. All das zusammen ist in dieser Form weltweit einmalig.

Kampfflugzeuge sind technisch extrem komplex, teuer – bezüglich Entwicklung und Anschaffung ebenso wie später im Betrieb und im Unterhalt – und mit vielen technischen Risiken behaftet. Nur wenige Länder verfügen über das Knowhow sowie über die finanziellen und industriellen Voraussetzungen, um Kampfflugzeuge in Eigenregie zu bauen: die USA, Russland, Frankreich, Schweden, China, einige «Ad-hoc-Koalitionen» mehrerer europäischer Staaten und als «Grenzfälle», das heisst soweit es um technisch einfachere Modelle mit beschränkter Kampfkraft geht, Länder wie Indien, Japan, die Türkei und einige mehr. Die Schweiz hat es in den 1950er-Jahren versucht – ältere Leserinnen und Leser erinnern sich an die Typen P.16 (Flug- und Fahrzeugwerke Altenrhein) und N-20 (Eidgenössisches Flugzeugwerk F+W) –, ist aber beide Male an der Komplexität eines solchen Programms gescheitert.

Selbst grosse Industrienationen stossen mit Hightech-Kampfflugzeugen mitunter an ihre Grenzen, sowohl bezüglich der technischen Komplexität wie auch des finanziellen Aufwands. Hat dann ein neues Kampfflugzeug (oder ein anderes hochmodernes Waffensystem) einmal die Serienreife erreicht, steht das Herstellerland vor der Aufgabe, die astronomischen Entwicklungskosten wenigstens zum Teil zu amortisieren. Das funktioniert nur, wenn ausser der eigenen Luftwaffe möglichst rasch auch die Verteidigungsministerien anderer Staaten als Käufer gewonnen werden können, und zwar in erster Linie Bündnispartner – aber, wenn es sich nicht vermeiden lässt, durchaus auch potenzielle Feinde. So sind bei Erscheinen dieses Buches zum Beispiel grosse Rüstungsgeschäfte Russlands mit dem NATO-Mitglied Türkei im Gang. Es geht um Luftabwehrsysteme, sozusagen das strategische Gegengewicht für die von der Türkei zuvor gekauften US-Kampfflugzeuge. Diese Konstellation scheint unlogisch, reflektiert aber durchaus die weltpolitische Realität.

Der Vorteil von Exportgeschäften dieser Art besteht darin, dass sie die Bauserie der jeweils betreffenden Flugzeuge beziehungsweise Waffensysteme vergrössern. Dadurch verbessert sich die Routine in den Fabriken, die Zahl der Fehler (welche mühsam behoben werden müssen) nimmt ab, die von Unterlieferanten hergestellten Bauteile werden günstiger, kurz: der Aufwand beziehungsweise der Preis pro Flugzeug, Panzer oder Rakete verringert sich stetig von Serie zu Serie. In den USA, wo die Effizienz staatlich vorfinanzierter Industrieprogramme besonders präzis überwacht wird, ist dies gut zu beobachten. Das Kampfflugzeug Lockheed F-35 Lightning II – einer jener vier Typen, die für die Schweiz infrage kommen – ist seit Aufnahme der Serienproduktion im Jahre 2011 je nach Version schrittweise um bis zu 60 Prozent günstiger geworden.

Dieser Mechanismus funktioniert nur, wenn es gelingt, nach dem Erstauftrag durch das Heimatland des Herstellers weitere Bestellungen aus anderen Ländern hereinzuholen. Deshalb stehen die Hersteller aller Kampfflugzeuge (und mit ihnen die Regierungen ihrer Heimatländer, welche die Projekte mitfinanziert haben) unter einem enormen Erfolgsdruck – und im Bann der permanenten Versuchung, einem verlockenden Geschäft mit unsauberen Methoden aller Art ein wenig nachzuhelfen. Letzteres gilt selbstverständlich nicht nur für Kampfflugzeuge, die allein schon wegen der enormen Kosten immer auf irgendeine Weise vom strengen Auge des Finanzministeriums beobachtet werden, sondern ebenso für privat finanzierte Produkte. Im Kapitel über die Mutation schweizerischer Trainingsflugzeuge zu «Kampfflugzeugen des armen Mannes» (siehe Seite 39) wird darauf zurückzukommen sein. Auch in diesem Produktsegment herrscht der Zwang zum Bau – und zum Verkauf – möglichst grosser Serien.

Für kritische Bürger empfiehlt es sich also, bei Geschäften, in denen es um Militärflugzeuge im Allgemeinen oder um besonders kostspielige Kampfflugzeuge geht, genau hinzuschauen. Das war schon immer so und wird sich kaum ändern. Für die Schweiz ist die Situation, in der sie derzeit als potenzieller Flugzeugkäufer steckt, nichts Neues. Zur Erinnerung und zur Illustration des Themas lassen wir kurz die schweizerische Mirage-Affäre Revue passieren. Sie liegt fast 60 Jahre zurück, kann aber wegen ihres systemtypischen Charakters sehr wohl auch heute noch als Mahnmal dienen.

Leidensweg Mirage

Es war um 1960, die Zeit des Kalten Krieges, und die Schweiz stand vor der Herausforderung, zwischen den beiden grossen Machtblöcken – hier die von den USA angeführte NATO, dort die damalige Sowjetunion mit ihren Verbündeten im Warschauer Pakt – eine Position als militärisch glaubwürdiger und gleichzeitig neutraler Kleinstaat zu finden. Gleichzeitig stand sie ideell klar auf Seiten der Westmächte. Nach den zwei kostspieligen, aber vollständig missglückten Versuchen mit nationalen Eigenkonstruktionen (N-20 und P.16) reduzierte sich die Auswahl auf zwei bewährte Modelle aus westeuropäischen Staaten, nämlich auf den schwedischen Saab Draken (Drache) und die französische Mirage (Luftspiegelung). Die beiden Flugzeuge waren ähnlich, Frankreich jedoch politisch stärker als Schweden, sodass sich die Schweiz für 100 Mirage IIIC entschied, welche durch die Schweizer Industrie in Lizenz gebaut werden sollten. Doch die Sache lief aus dem Ruder und wurde zum Debakel.

Die Schweizer waren von der Komplexität des Programms und seiner für damalige Begriffe hochmodernen Elektronik und Waffentechnik vollständig überfordert. So bestanden sie darauf, die ursprüngliche französische Navigations- und Kampfelektronik durch ein amerikanisches Produkt zu ersetzen. Das ist an sich schon ein extrem komplexes Vorhaben, vergleichbar mit der gleichzeitigen Transplantation von Herz und Lunge durch ein Ärzteteam ohne einschlägige Erfahrung. Zur Katastrophe wurde die Sache, weil die massgebenden Personen in Politik und Luftwaffe nicht einsehen wollten, dass sie heillos überfordert waren. Nur wenige der an dem Projekt beteiligten Schweizer Offiziere und Beamten behielten einen klaren Kopf, unter ihnen ein sachkundiger Berufsoffizier namens Walter Dürig, der seine Beobachtungen als Mitglied der sogenannten Evaluationsgruppe in seinem Tagebuch festhielt. Hier ein Auszug daraus: «Die Kostenfrage war aus der Arbeit der Evaluationsgruppe ausgeklammert.» – «Bei der Eröffnung der Sitzung vom 11. Oktober 1961 forderte Charles Grossenbacher, Vertreter der KTA [heute Armasuisse, der Verf.] in der Evaluationsgruppe, wir würden hier erst hinausgehen, wenn die Typenwahl getroffen sei». [Folgt Beschreibung der Sitzung.] «Gegen zwei Uhr am frühen Donnerstagmorgen war diese für mich anstrengende Übung beendet. Gewählt war das System Taran/Falcon der Firma Hughes Aircraft Company. Erneut waren die System- und Folgekosten kein Thema. Die Vertreter der KTA erklärten, das sei ihre Sache.»

Um es kurz zu sagen: Die Mirage-Beschaffung war eine Peinlichkeit von A bis Z. Sie löste mehrere politische Skandale aus, welche beinahe zum Scheitern des ganzen Programms geführt hätten. Beinahe heisst: Die Schweizer Luftwaffe erhielt schliesslich ihre Mirages mit der amerikanischen Elektronik, aber statt wie vorgesehen 100 Stück nur deren 57, wovon 12 in einer unbewaffneten Aufklärer-Version. Und für die arg geschrumpfte Flotte zahlte die Bundeskasse nicht wie budgetiert 827,9 Millionen Franken, sondern 1185 Millionen. Unter dem Strich kostete ein Flugzeug also ziemlich genau 2,5-mal so viel wie vorgesehen, die durch die verspätete Ablieferung entstandenen Mehrkosten nicht eingerechnet. Die Lieferanten, allen voran die Flugzeugherstellerin Dassault und die US-Firma Hughes als Lieferantin der neuen Elektronik, konnten sich die Hände reiben, während in der Schweiz die Köpfe rollten, unter ihnen jener des Vorstehers des Eidgenössischen Militärdepartements.

Nächster Akt des Trauerspiels: Corsair

Der Mirage-Skandal platzte im Herbst 1964. In der Folge dauerte es ziemlich genau acht Jahre, bis sich das Drama wiederholte – zwar mit anderen Protagonisten, in einem gewandelten weltpolitischen Umfeld und auf einem fortgeschrittenen technischen Niveau, aber nach einem ähnlichen Drehbuch. Diesmal ging es nicht um ein Jagd-, sondern um ein Erdkampfflugzeug, und die Geschichte endete nicht mit einer reduzierten und überteuerten Flotte, sondern mit einem Nullentscheid – ausser Spesen nichts gewesen. Das Reizwort hiess Corsair, unter Technikern «Ling-Temco-Vought (oder kurz LTV) A-7 Corsair II».

Nach der Einführung der Mirage war die Schweizer Luftwaffe bezüglich Raumschutz, das heisst Abwehr angreifender Flugzeuge, und Aufklärung recht gut aufgestellt. Für die Bekämpfung von Erdzielen – Gebäude, Strassen und Brücken, feindliche Panzer, Fahrzeuge und so weiter – fehlten jedoch zeitgemässe Flugzeuge. Neben einigen relativ brauchbaren Hunter-Jets waren in diesem Segment nur veraltete Maschinen der Modelle de Havilland Venom (Baujahre und technischer Stand 1952–1958) und Vampire (1948–1952) vorhanden. Inzwischen hatte sich jedoch die strategische Weltlage verändert, und gemäss der 1966 an die neuen Verhältnisse angepassten Strategie der schweizerischen Landesverteidigung war nun nicht mehr der Luftkampf die primäre Aufgabe der Luftwaffe, sondern die Bekämpfung von Bodenzielen. Es bestand also ein unbestrittener und dringender Bedarf für ein leistungsfähiges Kampfflugzeug dieser Kategorie. Der Corsair II sollte das Problem lösen.