Two Faces - Herzenssplitter - Tabea S. Mainberg - E-Book
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Two Faces - Herzenssplitter E-Book

Tabea S. Mainberg

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Beschreibung

Lieben heißt manchmal kämpfen und das Herz zerspringt in viele Splitter. Die Grenzen zwischen Gut und Böse verwischen. Hoffnung und Zweifel, Vertrauen und Enttäuschung. Spannend und hochemotional offenbaren sich die »Two Faces«.  Gegen alle Widerstände sind Billy und Samuel bereit, an ihrer erkämpften Beziehung festzuhalten. Ihre Liebe steht jedoch unter keinem guten Stern. Insbesondere Billy weht ein eiskalter Wind der Ablehnung entgegen. Ihr gegensätzlicher Alltag entwickelt sich zur Falle, da die ehrgeizige Kommissarin in eine höchst brisante Ermittlung um die Loverboys eingebunden wird, die sie an ihre Grenzen bringt. Aus Vertrauen wird Skepsis, die durch das Auftauchen von Soraya befeuert wird. Ist der sexy Bad Boy, der sich bislang das genommen hat, was er begehrte, bereit für den schwierigen Neuanfang? Gelingt Billy die Gratwanderung zwischen Liebe und ihrem Job?   Ein romantischer Thriller rund um Billys und Samuels Ringen, die wahre Identität sowie die große Liebe zu finden. »Two Faces - Herzenssplitter« ist der zweite Teil einer Trilogie. Die anderen Bände der Reihe, »Two Faces - Verbotenes Verlangen« und »Two Faces - Makel der Schönheit« erscheinen  ebenfalls bei Piper Spannungsvoll. 

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Inhalt

Cover & Impressum

Umbruch

Die Stunde null

Kühles Lüftchen

Wer wir sind, wer wir waren

Die Arroganz der Schönheit

Andeutungen

Steinige Rückkehr

Bewährungsprobe

Kriegstreiber

Siebenstern

Charmant gefährlich

Vergangenheit 2.0

Klartext

Mosaiksteinchen

Mars und Venus

Verpatzt

Für die Katz…

Traurige(s) Herz(en)

Häme

Filmriss

Supergirls don’t cry

Verbündete im Geiste

Zuspitzung

Den Weg ebnen

Lüge oder Wahrheit?

Zwiegespräch

Ziel erreicht?

Dumm gelaufen…

Verschwunden

Ausflug Widerwillen

Die Sache mit dem Vertrauen

Herzenssplitter

Umbruch

Samuel

Das Leben hält so manche Überraschungen bereit – bisher war ich davon ausgegangen, dass mich nichts mehr verblüffte. Mein bisheriger Lebenslauf hatte sich stets turbulent gestaltet. Das führte ich auf das eigene Elternhaus und der daraus resultierenden Erwartungshaltung, meinen bis vor kurzem regen Verkehr im Blue66 und einem ausschweifenden Lebensstil zurück. Ich hatte den Ruf eines Mannes, der sich ausnahmslos das nahm, was er wollte. Unverbindlicher Sex mit den heißesten Frauen, rauschende Parties, luxuriöse Trips, Sportwagen, die den Wert eines Einfamilienhauses im Umland Frankfurts kosteten.

Durch die illegalen Machenschaften meines Vaters wurde ich ebenfalls mit Leuten aus dem Milieu konfrontiert. Der einzelne Mandant, der sich den Dienstleistungen des Konsortiums des Ethan Grafenberg bediente, stellte weniger den kriminellen Anteil, viel mehr die Hintermänner, die sich ungern in die Suppe spucken ließen. Nicht einmal die Tatsache, dass diese Machenschaften eines Tages aufgeflogen waren, überraschte mich mehr. Geschweige denn der Medienrummel. Im Fokus der Berichterstattung über Steueroasen stand mein Vater, und somit zwangsweise auch ich.

Vollkommen unerwartet hatte mich hingegen die Naturgewalt Billy Winkler getroffen.

Es ist bereits ein abenteuerlicheres Problem, wenn Vater und Sohn ein und dieselbe Frau begehren. Eine, die seit dem Tod meiner Mutter sein Herz berührte, in die er sich verliebt hatte, nicht wissend, wer hinter Cecilia Ballier steckte. Auch ich hatte keine Ahnung, dass die reizvolle Blondine, die sich als Modebloggerin ausgab, nicht die war, für die wir sie alle hielten. Sexy, charmant, intelligent, jedoch eine verdeckte Ermittlerin, die die Machenschaften der Steuermafia aufklären und meinen Vater überführen sollte.

Im Großen und Ganzen betrachtet endete das Szenario unschön.

Für mich stellte es dennoch die schönste Überraschung dar. Dass ausgerechnet ich mich in Kriminalhauptkommissarin Billy Winkler verliebte und dass sich aus dem verbotenen Verlangen eine Beziehung entwickelte, ähnelte eher an eine Daily Soap. Wenn ich die gemeinsame Silvesternacht Revue passieren ließ, die einsam gelegene Berghütte, das Feuerwerk, kam bei mir der Verdacht auf, widererwartend ein romantisches Gen in mir zu tragen.

Gern erinnerte ich mich an diese sternenklare und eiskalte Nacht. Im Tal feuerten die Menschen ihr Neujahrsfeuerwerk ab und wir konnten die Ausläufer der bunten und glitzernden Sternenschweife sehen. Dick eingepackt standen Billy und ich vor der Hütte und begrüßten das neue Jahr. Fackeln erhellten den Eingangsbereich der eingeschneiten Blockhütte.

»Haben wir nicht alle zwei Gesichter?«, sinnierte ich. »Eine Tatsache, die vermutlich niemanden wirklich bewusst ist.«

Aus der Hütte hallten sanfte Klänge zu uns. Eine Mischung aus orchestralem Sound, der an sakrale Mönchsgesänge erinnerte. Ein atmosphärischer Chormix, der exakt in unsere Gefühlswelt passte und uns in diese Nacht tief eintauchen ließ.

»Das vergangene Jahr hatte es in sich«, murmelte Billy und lehnte sich an mich. »Fast mein komplettes Leben wurde umgemodelt.« Ich verstärkte meine Umarmung. »Nie und nimmer habe ich einen solchen romantischen Ausklang erwartet. Es ist wie in einem Märchenfilm.«

»Es hat sich in der Tat vieles verändert, mit dem ich niemals gerechnet habe.« Die Nachdenklichkeit in meiner Stimme konnte ich nicht verbergen. »Ereignisse, die auf den ersten Anschein hin übel und katastrophal erschienen, entpuppten sich unverhofft positiv.«

»Wenn ich mir überlege, wie sich die Vorgänge miteinander verwoben haben, absolut verrückt.« Sie wiegte den Kopf hin und her.

»Bist du erleichtert, dass du endlich die Todesumstände deiner Freundin Kessy aufgedeckt hast?«

»Ja, es war ein wunder Punkt, der mich mein gesamtes Leben begleitet hat«, flüsterte sie ergriffen.

»Ich bleibe auch bei meinem Entschluss«, unterstrich ich mein brisantes Vorhaben.

»Anitas Eltern aufzusuchen?« Ich nickte. »Das beweist Mut und Stärke.« In ihrer Stimme schwang Bewunderung mit.

»Das habe ich von dir übernommen.« Ich machte eine Pause. »Sie werden mich hassen.«

Sie drehte sich um, sodass wir uns ansehen konnten. Ihre Nase und ihre Wangen hatten sich durch Kälte gerötet. Oder lag es an ihrer aufgewühlten Verfassung?

»Einerseits sicherlich, auf der anderen Seite erhalten sie endlich Gewissheit.«

Ihre Augen spiegelten wie die meinen unser neu gefundenes Glück, das uns die Kraft gab, unlösbar geglaubte Dramen zu bewältigen.

»Ohne dein Auftauchen im Blue ständen wir heute Nacht nicht hier, da ich ein Feigling war«, fasste ich die Situation in einem Satz zusammen.

»Nun, da widerspreche ich nicht.« Sie knuffte mich in die Seite.

»Ich hatte einfach genug von den ganzen Affären, bei denen es sich immerzu um Sex drehte. Jede Frau haben zu können, mit ihnen zu spielen, hat für mich jeglichen Reiz verloren. Es hat mich alles nur noch angekotzt.« Es fiel mir nicht schwer, ihr gegenüber offen über meine Gefühle zu sprechen.

»Ich weiß«, flüsterte sie und presste sich fester an mich, so als wolle sie in mich hineinkriechen. »Obwohl ich voller Zweifel war.« Spontan drückte ich ihr einen Kuss auf die Lippen. »Meine Ehe war seit Langem vorbei, dennoch habe ich an der praktischen Gewohnheit festgehalten.«

»Gewohnheiten lassen uns träge werden. Aber wie heißt es? Stillstand ist eine Art Rückschritt.«

»Der verdeckte Einsatz hat mir erstmals gezeigt, dass ich aus mir als Frau etwas machen kann. Das hat mich wahnsinnig aufgewühlt.«

»Du bist wunderschön, Billy Winkler!« Ich nahm ihr Gesicht in meine Hände. »Ein wundervoller Mensch, den man einfach lieben muss. Du hast das Leben aus einer Perspektive betrachtet, die mir so nie bewusst war.«

»Vielleicht sollte alles so sein und der rote Faden des Schicksals hat uns zusammengeführt.«

»Poetisch, kitschig, schön.« Es entlockte mir ein Lächeln und einen glücklichen Seufzer, da ich wusste, dass es aus tiefstem Herzen kam.

»Es ist ein Geschenk«, fuhr sie fort. »Eines der märchenhaftesten Weihnachtsgeschenke.«

Letzte Abende zeichnen sich oft durch eine unterschwellige Melancholie aus. Die gepackten Koffer standen in Sichtweite, da wir am nächsten Vormittag die Skihütte verließen und abreisten. Wenig später saßen wir auf dem Sofa, der lodernde Kamin verbreitete eine angenehme Wärme. Billy hatte sich an mich gekuschelt und ich fühlte ihr Herz schlagen. Unablässig fuhr ich zärtlich mit meinen Fingern durch ihre Haare. Es waren minimale Gesten, die ich für mich neu entdeckte.

Bis auf das Knistern und Knacken des brennenden Holzes herrschte Stille.

»Küss mich, du kannst das so gut.« Sie kicherte.

»Aber sicher«, raunte ich und strich mit der Zunge über ihre sinnlichen Lippen, die mich aufgrund des wundervoll geschwungenen Lippenherzes zum Schwärmen brachten. Mit einem hingebungsvollen Seufzer folgte sie dem Spiel der Verführung. »Warum schaffe ich es nicht, dich einfach zu küssen, ohne dass ich schon wieder total geil auf dich werde?«

»Upps!« Ihre Finger streichelten die Beule, die sich in meiner Hose abzeichnete. »Das muss an der Umgebung liegen.«

»Oder eventuell an dir.«

»Ich kann gar nicht mit ansehen, wie du leidest.«

»Was schlagen Sie an Therapiemaßnahmen vor?«, scherzte ich.

Sie legte die Stirn in Falten, bis sie mir ein diebisches Lächeln schenkte. So ungern sie sich an ihre Zeit als Cecilia zurückerinnerte, umso mehr fesselten Billy kleine Rollenspiele. »Tja, bei dem Krankheitsbild rate ich dem Patienten eine Langzeitbehandlung.«

»Oh, so ernst?« Mit einem leidvollen Gesichtsausdruck untermauerte ich die Worte. »Ich bin übrigens privat versichert, sofern das hilft.«

»Warum sagen Sie das denn nicht gleich? Das ändert alles.«

»Behandlung durch die Chefärztin persönlich?«

»Selbstredend, für den gutzahlenden Patienten sind mir keine Kosten und Mühen zu viel.«

Mit einer fließenden Bewegung setzte sie sich auf meine Oberschenkel. Ihre langen Haare fielen seidig glänzend über ihre Schultern, wie eh und je begeisterten mich ihre ausdrucksstarken Augen und ich liebte ihren sinnlichen Mund. Ich hatte nie eine Frau gesehen, die ein solch ausgeprägtes Lippenherz besaß. Ein Kussmund, dem ich nur selten widerstand.

»Wir beginnen mit einer speziellen Aufwärmphase.« Ihre Hände wanderten unter mein Shirt. »Ich liebe deine Muskeln.« Ihre Fingernägel strichen stimulierend über den Bauch bis hin zum Hals. »Schockbehandlungen sind nur für Kassenpatienten.«

»Ah, zum Glück.« Mit geschlossenen Augen genoss ich ihre Liebkosungen.

»Der visuelle Teil der Behandlung ist inklusive.« Im Nu hatte ich ihren Pullover über den Kopf gestreift. Zum Vorschein kamen ihre wohlgeformten Brüste. Erneut krallten sich ihre Nägel in die Haut, dabei bewegte sie ihr Becken. »Mobilisationsübungen lösen Verspannungen.«

»Nun, wenn ich das Ergebnis befühle, dann ist das alles andere als entspannt.«

Es war wieder einer der Momente, in denen die Zärtlichkeit von rauschender Lust abgelöst wurde. Diese Anziehungskraft, das Verlangen, Billy zu spüren, wie ich in ihre feuchte Vagina eindrang, langsam und genießerisch jeden Millimeter auskostend.

Ficken, um ein körperliches Bedürfnis zu befriedigen, den Druck loszuwerden, hatte ich konsumiert wie Fast Food. Um bei der Metapher zu bleiben, genoss ich den Sex mit Billy wie ein exquisites Fünf-Gänge-Menü. Echtes, verzehrendes Begehren, der Wunsch, ihren sinnlichen Körper zu erforschen, ihre Atmung zu hören, zu fühlen, wie sich unsere Muskeln anspannten… Sogar der heranrollende Höhepunkt, der uns gleichermaßen erschütterte, war aufregend und ungewohnt.

»Es ist so wahnsinnig schön mit dir«, murmelte sie, als wir erhitzt auf dem Sofa lagen. »Bleib noch ein bisschen in mir.«

»Diese Intimität nach dem Sex war für mich früher nicht denkbar.« Sie saß auf mir, hatte ihren Oberkörper vorgebeugt, ihre Arme um meinen Hals geschlungen und wir nahmen unsere schnell pochenden Herzen wahr. Ihre Gesichtszüge wirkten entspannt. Im Vergleich zum Ende des letzten Jahres sprühte sie vor Lebensfreude.

»Das ist wundervoll, dass du das sagst. Ich liebe es, dich solange wie möglich in mir zu spüren.« Ihre Stimme zitterte und ihre Fingerspitzen strichen über meinen Nacken, so, als brauchte sie jeden Berührungspunkt. »Das ist ein emotionales Feuerwerk, das darf niemals aufhören.«

»Das wird es auch nicht.« Zärtlich streichelte ich ihren Rücken.

»Ich will nicht zurück in den Alltag.« Es hörte sich traurig an, voller Bedauern. So, als würde jedes Wort die Blase unserer unbeschwerten Zeit zum Platzen bringen.

»Kleines, dann nimm dir eine Auszeit.«

Verwundert hob sie den Kopf. »Wie stellst du dir das vor? Ich habe einen Job, Verpflichtungen und all das, was normale Menschen eben so haben.«

»Was meinst du mit normalen Menschen?«, fragte ich belustigt.

»Blöde Formulierung… solche wie ich, die kein Vermögen auf der Bank haben, sondern auf ihr monatliches Einkommen angewiesen sind.« Sie rutschte seitlich neben mich und legte ihren Kopf auf meinen Brustkorb.

»Ich meine es ernst«, unterstrich ich die Idee und wurde hippelig bei dem Gedanken, was wir alles gemeinsam unternehmen könnten. »Nimm dir unbezahlten Urlaub und wir verlängern die Liebesreise.«

 

Letztendlich stimmte sie zu und wir nahmen uns die Zeit, die wir brauchten, um unsere Gefühle zu festigen. Zwar setzten wir uns nicht mit der Alltagsroutine auseinander, sondern erlebten eine rosarote Wölkchenzeit, in der wir vierundzwanzig Stunden zusammen waren. Das schaffen nicht alle Paare, wir schon. Aufgrund von Billys Anregungen genoss ich eine völlig neue Art des Reisens. Nicht nur auf einer Jacht cruisen und Partys feiern, stattdessen eine Mischung aus Rundreise, Aktivurlaub und Relaxen. Leider ging auch die aufregendste Traumreise zu Ende und ich spürte, wie sehr es sie aufwühlte.

»Ich habe Angst vor dem Alltag!« Sie saß an dem letzten Abend im Schneidersitz auf unserem Bett des Luxusresorts. Zwei Wochen auf den Malediven, die wir genutzt hatten, um zu schnorcheln und die einzigartige Inselgruppe zu genießen.

»Wer weiß, was mich erwartet.«

»Was soll dich erwarten, was du nicht schaffst?« Ich wusste, dass sie sich riesige Sorgen machte. Die Trennung von ihrem Mann und wie sich der geplante Hausverkauf entwickelte, all das belastete sie. »Es steht so viel an, was zu regeln ist.« Sie seufzte. »Und dann… das mit uns.«

Die Stunde null

Billy

Es ist ein komisches Gefühl, wenn fremde Menschen durch dein Zuhause stolzieren, alles unter die Lupe nehmen und dabei jedes Detail kritisch hinterfragen. Das ist jedoch das übliche Prozedere beim Hausverkauf. Mein Noch-Ehemann Markus und ich hatten uns darauf geeinigt, eine Maklerfirma mit der Abwicklung zu betreuen. So kam es, dass ich an einem Donnerstag Mitte März hinter einem interessierten Pärchen und der Maklerin hinterherstolzierte, unsicher, ob ich die Marke Eigenbau als schick anpreisen oder von den vielen Schönheitsfehlern ablenken wollte.

Mit dem Auflösen des Haushaltes gab es genug zu stemmen, denn die Befürchtungen bestätigten sich, dass Markus, als Jäger und Sammler, den Keller mit unnötigem Zeug vollgestopft hatte. Glücklicherweise musste ich mit ihm nicht mehr diskutieren, was zum Sperrmüll kam. Mit einem Schmunzeln erinnerte ich mich, dass wir damals, beim Auszug aus der alten Wohnung, um jedes Teil gerungen hatten. Es ist seltsam, wie man Ereignisse mit Abstand bewertet, denn in jenen Tagen ging es mir auf die Nerven.

Noch heute sah er sich als passionierter Bastler und als Schreiner war er felsenfest davon überzeugt, alles zu benötigen. Ein renovierungsbedürftiges Häuschen wie unseres sei wie eine Schachtel Pralinen, von der man nicht mit Sicherheit wisse, was einen erwarte, so sein unschlagbares Argument. Deswegen rettete er einen großen Karton mit alten PC-Kabeln, uralten Steckverbindungen ohne USB-Anschluss, ein Sammelsurium von Glühlampen, Reste der Arbeitsplatte der Einbauküche und vieles mehr vor dem Müll. Mit dem Verbot der klassischen Glühbirne sah er sich bestätigt, aufgebraucht hatte er den Vorrat dennoch nicht. Aus dem Grund überließ ich ihm das unerforschte Gebiet namens Keller, sollte sich seine neue Freundin damit herumschlagen.

»So hier die Küche«, pries die Maklerin an.

Hinter ihrem Rücken zog ich die Stirn in Falten, denn ich war davon überzeugt, dass die Kaufinteressenten es auch ohne Aufklärung erkannten.

»Bleibt die Einbauküche vorhanden?«, erkundigte sich die Frau, sah zunächst die Immobilientante an und die wiederum wandte sich mit einem fragenden Blick an mich.

»Alles eine Verhandlungssache.« Ehrlich gesagt war es mir egal, aber ich hatte gelernt, dass die Formulierung wahre Wunder bewirkte. »Ist nicht mehr die Neuste, dennoch sind die Elektrogeräte in einem einwandfreien Zustand«, übernahm ich die Rolle, die ich der Maklerin zuschrieb. Superlative gehörten ebenfalls zum Sprachgebrauch eines erfolgreichen Immobilienverkaufs.

Die drei setzten ihren Rundgang ohne mich fort und ich betrachtete den Raum, der jegliche persönliche Note eingebüßt hatte. Dort, wo sich einst die Küchenuhr befunden hatte, zeichnete sich ein heller Kreis ab. Die Frühlingssonne offenbarte auf unschöne Weise, die verschmutzen Fensterscheiben und einige Löcher in der Wand erinnerten an ein Regal. Das Meiste von meinen Habseligkeiten war bereits in den Umzugskartons im ehemaligen Wohnzimmer verstaut. Ein Blick in die Schränke bestätigte mir, dass Markus sämtliche Kochutensilien für sich vereinnahmt hatte, obwohl wir es anders besprochen hatten. Auch der Keramikbräter meiner Großmutter hatte den Weg in seine Kartons gefunden. Sollte er mit den Kochtöpfen, Pfannen und Backformen glücklich werden.

Obwohl ich mich nach eigenen Worten in der Stunde null bewegte, alles auf einen Neustart programmierte, überkam mich Wehmut. Ein Gefühl, das ich mir zugestand. Mit den ausgeräumten Zimmern wurde mir deutlich bewusst, dass das, was sich im letzten Jahr zugetragen hatte, das bisherige Leben der Billy Winkler von Grund auf veränderte.

Im Flur hing nach wie vor der Spiegel und ich warf einen flüchtigen Blick hinein. Nicht nur die Lebenslage hatte sich gewandelt, nein, auch ich kam mir ein bisschen wie neugeboren vor. Die unscheinbare Polizistin, ein Modemuffel, der vorzugsweise Schlappershirts trug, hatte sich zu einer modebewussten Frau entwickelt. Mit der Undercoveridentität der Cecilia Ballier war die unsagbare Wandlung ins Rollen gekommen.

Unvermittelt spielte mein Handy den Song von Ellie Goulding – Love Me Like You Do. Ein wohltuendes Kribbeln stellte sich ein und mein Herz hüpfte freudig. Wie unzählige Romantikerinnen hatte auch ich, dem Mann, den ich liebte, ein Lied mit einer besonderen Erinnerung als Klingelton zugeordnet. Das Bild, das gleichzeitig auf dem Display erschien, unterstrich die Empfindung. Ohne Übertreibung war ich mit dem heißsten Kerl Frankfurts liiert. Das war für mich ein echtes Wunder, dass ausgerechnet mir einer, der ein ausschweifendes Jetset leben führte, seine Liebe schenkte.

Mit einem Lächeln wischte ich über die Oberfläche.

»Na, wie läuft es?«, meldete sich Samuel. Es klingt verrückt, sogar seine dunkle, raue Stimme liebte ich.

»Hey«, hauchte ich ins Telefon. »Es findet gerade eine Besichtigung statt, Genaues erfahre ich später.«

»Du weißt, was ich dir angeboten habe.«

»Das möchte ich nicht«, wehrte ich sofort ab.

»Warum nicht? Es ist ein Darlehen und wenn du das Haus verkauft hast, gleichen wir den Betrag aus.« Ich wollte unbedingt einen Schlussstrich ziehen, jedoch ohne seine Hilfe. »Du zahlst deinen Ex aus und ich kümmere mich um den Hausverkauf.«

»Das ist lieb, aber es fühlt sich falsch an. Ich will das alleine schaffen.«

»Du Dickkopf«, erwiderte er amüsiert. »Gewöhne dich dran, dass du dir über die Finanzen keinerlei Sorgen mehr machen musst.«

»Ja schon.« Eine Tatsache, die mir weiterhin befremdlich vorkam. In den letzten Jahren hatten Markus und ich aufgrund der Renovierung jeden Euro zwei Mal herumgedreht, da die Pralinenschachtel etliche ungenießbare Sorten enthielt. Obwohl ich als Kriminalhauptkommissarin nicht schlecht verdiente und mein Ex als Schreiner über ein ordentliches Einkommen verfügte, waren wir monetär stets am Limit gewesen.

»Kleines, das Angebot steht«, unterstrich er seinen Vorschlag zum x-ten Male.

»Ich wohne doch schon kostenlos bei dir, bis ich eine Wohnung gefunden habe.« Das finanzielle Ungleichgewicht störte mich immens. Lag es an den Menschen, mit denen ich mich umgab? Kratzte es an meinem Selbstwertgefühl?

»Warum ich anrufe… wir sind eingeladen.« Mir stockte der Atem. »Es ist langsam an der Zeit, dass du mich begleitest.«

»Äh, wie? So urplötzlich?« Ein Magengrummeln stellte sich ein. Obwohl ich wusste, dass der Tag kam, hätte ich es gern hinausgezögert.

»Es ist eine kleine Runde, die Leute kennst du bislang nicht.« Mir fiel ein Stein vom Herzen. Alten Bekannten von Cecilia zu begegnen, löste ein beklemmendes Gefühl aus. Ich wollte mir gar nicht erst ausmalen, was passierte, sofern ich auf Ethan traf. So wie ich ihn einschätzte, würde er mich ignorieren. Beruflich versuchte ich ebenso, die Auswertungen der beschlagnahmten Unterlagen an meine Kollegen abzugeben, da es mit unzähligen Befragungen einherging. Ich wollte nicht mehr daran erinnert werden, wozu mich der Undercovereinsatz getrieben hatte.

Langfristig und besonders auf privater Ebene ließ es sich nicht verhindern, dass wir aufeinandertrafen. Samuel und ich mieden das Thema; mit seinem Vater geschlafen zu haben, war mir äußerst unangenehm. Ich hatte Ethan durch mein Verhalten dazu emotional gedemütigt und dafür gesorgt, dass er in den Knast kam. Da konnte ich mir kein herzliches Abendessen im Familienkreise vorstellen.

Samuel hingegen hatte sich mit der Tatsache arrangiert. Männlicher Pragmatismus? Ich ahnte jedoch, dass die Festnahme nur die Spitze des Eisberges darstellte. Mit der damit einhergehenden Welle von Razzien und Zerschlagungen von Firmenkonstrukten hatte ich mir keine Freunde gemacht. Wir Polizisten mutierten zwangsläufig zu Hassobjekten. Früher hatte ich nie darüber nachgedacht, da keinerlei Berührungspunkte zu den vermeintlichen Tätern existierten. Es war meine Aufgabe Straftaten aufzuklären, Kriminelle zu überführen. Doch zu dem Neubeginn gehörte auch, dass ich diese außergewöhnliche Konstellation akzeptierte.

Unterm Strich gab es tausend Baustellen, die mit dem von mir ausgesuchten Neustart einhergingen. Meiner Mutter hatte ich in groben Zügen die Zusammenhänge erläutert. Erwartungsgemäß schlug sie die Hände über dem Kopf zusammen. Bei dem Satz Kind wie kannst du nur… beschloss ich, zunächst die privaten Veränderungen nicht mehr mit ihr zu teilen.

»He, was ist?« Samuels Stimme hatte einen besorgten Klang angenommen. Dafür liebte ich ihn, er spürte immer, wenn ich in sorgenvolle Gedanken abdriftete. »Du gehörst zu mir und das ist, was zählt.«

»Du bist derart einfühlsam, dass ich Angst bekomme«, erwiderte ich schmunzelnd. »Danke, dass du immer genau ahnst, was in mir vorgeht.«

»Magic! So was kommt vor, insofern Gefühle im Spiel sind.«

»Oh, da habe ich ja Glück gehabt.« Dass wir uns foppten, gehörte mittlerweile dazu. Das lockerte die Stimmung auf, sobald mich die Bedenken quälten.

»Ja, das trifft es am ehesten.«

»Okay, ich ziehe mir das Glückspilzmäntelchen über.«

»Das was?« Ich konnte das Fragezeichen in seinem Gesicht förmlich vor mir sehen.

»Der Pilz mit den roten Punkten… das Kindergedicht oder Lied, so genau weiß ich das auch nicht.« Samuel lachte und seine herzerfrischende Art vertrieb wieder einmal meine Sorgen. »Ich bin gegen sechs Uhr bei dir«, rang ich mich durch, die Einladung wahrzunehmen.

»He, Kleines, mach dir nicht so viele Gedanken.«

»Nein, mache ich nicht.« Gelegentliche Notlügen erlaubte ich mir. »Ich werde mich tapfer aufs Schlachtfeld begeben.«

»Ich bin dein Schutzschild.«

»Ja, das weiß ich und du hast recht, dass wir das angehen.«

»In zwei Wochen kehrst du zurück in den Job und bis dahin nutzen wir das aus.« Ich rümpfte die Nase. Es klang nicht nur nach einer Einladung, sondern nach einer ganzen Reihe davon.

Wir beendeten das Gespräch und ich lehnte mich an die Wand, schloss die Augen und eine Welle von inniger Zuneigung durchflutete meinen Körper. Immer wieder dachte ich mit einem beschleunigten Pulsschlag an die Silvesternacht, und dass Samuel trotz aller Widerstände um mich gekämpft hatte. Das wundervolle Gefühl von Samuels Lippen bei dem Debütkuss, wie ich es scherzhaft nannte, durchlebte ich zum hundertsten Male. Wie zärtlich unsere Zungenspitzen miteinander spielten, wir in dem Augenblick miteinander verschmolzen. Unweigerlich sprangen mich die Bilder und die Emotionen vom ersten Sex an. Einfühlsam, leidenschaftlich, schweißtreibend und ein Orgasmus, der an ewig Vermisstes anknüpfte. Sofort prickelte es zwischen meinen Schenkeln. Ich atmete tief durch und besann mich darauf, dass ein fremdes Paar durch das Haus marschierte. Um die aufkommende Erregung loszuwerden, befahl ich meinen Gedanken, umgehend auf Pragmatismus umzustellen, und hoffte, dass es meinen Körper erreichte.

Da ich es hasste, sinnlos herumzustehen, fegte ich das Wohnzimmer, während ich den Schritten im oberen Stock lauschte. Leer geräumte Zimmer offenbarten Wollmäuse, Krümel, alles, was sich jahrelang erfolgreich hinter Schränken und unter Möbeln verkroch. Aber auch lang Verschollenes kam zum Vorschein wie ein Silberohrring. Die halbherzige Suche nach dem winzigen Schmuckstück war bisher erfolglos verlaufen. Da ich, abgesehen von meinem Hochzeitsschmuck, nur ein einziges Paar besaß, hatte ich ab dem Tag keinen Ohrschmuck mehr getragen.

Aus dem Obergeschoß drang ein leises Gespräch und ich versuchte herauszuhören, ob das Ehepaar näheres Interesse am Kauf äußerte. Mein Blick wanderte dabei auf die Terrasse und den im Winterschlaf liegenden Garten. Ein Seufzer entglitt mir, da Markus erst mit den Gartenarbeiten losgelegt hatte, als wir am Ende unserer Ehe angelangt waren. Er begründete es mit Ablenkung – das Verlegen von Gehwegplatten und Rollrasen hatte ihn jedoch nicht davon abgehalten, sich eine Neue zu suchen. Sein Einsatz, Terrasse und Grundstück einigermaßen herzurichten, zahlte sich allerdings aus, da der vorherige Zustand eher abschreckend für Kaufinteressenten gewirkt hätte.

»Wir werden es uns überlegen und melden uns«, hörte ich die Stimme des Mannes. »Es gefällt uns ganz gut, nicht wahr?« Er wandte sich zu seiner Frau, die weniger überzeugt schien. Die Nase rümpfend betrachtete sie die Treppe nach oben, als würde diese jeden Moment zusammenkrachen. Ein schlechtes Omen, da aus Erfahrungswerten der Maklerin die Gattin die Entscheidung traf. Dann folgte die obligatorische Frage. »Ist denn was am Preis zu machen?«

»Alles Verhandlungssache«, kam mir die Immobilienmaklerin zuvor und sah mich auffordernd an.

»Ja, bestimmt.« Theoretisch ja, praktisch ausgeschlossen, da der Kaufpreis gerade so die Hypothek ablöste und die Vorstellung ein flaues Gefühl im Magen auslöste, sollte ein Restdarlehen bestehen bleiben. Aber ich hatte in meinem Undercovereinsatz gelernt, Unwahrheiten glaubhaft zu kommunizieren. Kleine Lügen gehörten zum Alltag.

Die Maklerin begleitete die Interessenten hinaus und kehrte nach wenigen Minuten zurück.

»Was haben Sie für ein Gefühl?«, fragte ich hoffnungsvoll.

»Tendenz geht in die Richtung einer Absage.« Sie zuckte mit den Schultern und ich ließ die Mundwinkel hängen. »Sie sollten schnellsten das Objekt leerräumen und gründlich säubern. Es wirkt durch das Durcheinander nicht sehr einladend.«

»Ja, ich werde meinem Ex erneut sagen, dass er seine Sachen schnellstmöglich abholt.« Es ärgerte mich, da Markus wie eh und je alles nur halbherzig erledigte.

»Sie haben eine Menge selbst gemacht, das sieht man«, fuhr die Dame unbeirrt zu.

»Na ja, so schlimm ist es wirklich nicht«, verteidigte ich mein ehemaliges Zuhause. Sie zog eine Augenbraue hoch und ich grinste verlegen. Möglicherweise fiel mir Selfmade à la Markus Winkler gar nicht mehr auf, da ich jahrelang damit gelebt hatte. Am liebsten hätte ich geantwortet: Immerhin ist das Parkett verlegt und es gibt Türzargen!

»Welchen Spielraum haben Sie bei dem Kaufpreis?« Da kam sie, die befürchtete Frage der Maklerin.

Ich stützte mich auf dem Besenstil ab, setzte ein nachdenkliches Gesicht auf, so, als kalkuliere ich den Preisnachlass. »Wenig, wenn ich ehrlich bin.«

»Für viele unserer Kunden ist das ein Problem, da sie zwangsläufig umfangreiche Renovierungsarbeiten vornehmen müssen. Ebenso Sanitärarbeiten, die Heizung ist auch am gesetzlichen Verfallsdatum angekommen.« Die vermeintlichen Mängel las sie von einem Zettel ab, den sie aus der Verkaufsmappe zog und kräuselte dabei ihr kleines Näschen, auf dessen Spitze ein rotes Pickelchen zu sehen war. Vielleicht lag darin der wahre Grund für ihre Zickigkeit.

Bevor sie weiter das Häuschen madig redete, grätschte ich genervt dazwischen. »Das ist ein altes Gebäude, da gibt es Renovierungsbedarf, das wissen die Kaufinteressenten und was das Bad angeht, das ist neu.« Ja, selbst gefliest, aber trotzdem schön, fügte ich in Gedanken hinzu.

»Wie dem auch sei, Sie melden sich, wenn Sie alles herausgeräumt haben.«

»Ich kann Ihnen heute den Schlüssel geben, die Fahrerei ist nervig.«

»Ganz ehrlich, Frau Winkler…« Das verhieß nichts Gutes. »Ich setze die Besichtigungen aus, bis das Haus leer ist.«

»Oh.« Das Entsetzen war auf meinem Gesicht zu erkennen, da die Konsequenz eine weitere Verzögerung mit sich brachte. »Ja, verstehe, ich veranlasse das«, erwiderte ich kleinlaut.

Wir verabschiedeten uns und ich entschloss mich, sofort mit Markus zu sprechen.

 

Kaum hatte ich die Tür hinter der Maklerin ins Schloss fallen lassen, fischte ich aus meiner Kate Spade Handtasche mein Smartphone heraus, das ich nach dem Anruf mit Samuel dort verstaut hatte.

Mit fahrigen Bewegungen tippte ich auf dem Telefon herum, drückte seine Nummer und hoffte inständig, dass er im Moment nicht bei einem Geburtsvorbereitungskurs hockte und gemeinsames Hecheln übte. Ich verstand nicht, dass er nicht aus eigenem Interesse mithalf, unsere Angelegenheiten schnellstmöglich zu regeln. Bei der Einreichung der Scheidung war er flink wie ein Wiesel gewesen, um den Wust an Bürokratie für eine Vaterschaftsanerkennung zu vermeiden. Das würde nämlich auf ihn zukommen, sofern er nicht mit der Mutter seines Kindes verheiratet war. Ich brauchte ein ebenso starkes Druckmittel, um ihn beim Entrümpeln Beine zu machen.

Glücklicherweise nahm er das Gespräch an, sodass ich mir Luft machte.

»Räum endlich mal deinen Scheiß aus dem Haus«, blaffte ich ihn statt einer Begrüßung an.

»Dir auch einen schönen guten Tag, Frau Winkler.« Seine gelassene, nahezu gechillte Stimme reizte mich zusätzlich.

»Ja, hallo«, knurrte ich und begann, durch die halb leeren Zimmer zu wandern. »Die Maklerin wird die Besichtigungen aussetzen, bis der Keller sowie das Obergeschoss leer geräumt sind und alles geputzt wurde.«

»Sybille…« Seit wir uns getrennt hatten, nannte er mich so, obwohl er wusste, dass ich es hasste. »Die nächsten Tage bestelle ich einen Container.«

»Ich hatte einen Umzugswagen vermutet.« Den spitzen Kommentar konnte ich nicht unterdrücken.

»Sehr witzig. Verlass dich drauf, ich kümmere mich darum.« Er räusperte sich, so als zweifle er selbst daran.

»Ich habe lediglich einige persönliche Sachen, die ebenfalls noch eingelagert werden, und dann bin ich durch.«

»Geht also alles seinen Gang.« Ich rümpfte die Nase. »Die Papiere hast du bekommen?« Sei mal ein bisschen freundlicher zu mir… sonst viel Spaß in der Welt der deutschen Bürokratie. Diese Gehässigkeit stand ich mir insgeheim zu.

»Mhhmm.« Früher war mir gar nicht aufgefallen, wie egoistisch er handelte. Oder war es ein neuer Charakterzug?

»Gut, erledige das bitte umgehend.«

Ich atmete tief durch, um ihn nicht anzuschnauzen. »Sobald der Container voll ist, unterschreibe ich den Wisch«, unterstrich ich die Dringlichkeit und meine vermeintliche Macht. »Also es liegt bei dir.«

Er unterbrach mich. »Du, ich muss Schluss machen, wir sind auf dem Sprung, um einen Kinderwagen zu kaufen.« Er ging vollends in der Vaterrolle auf. Markus wünschte sich bereits seit einigen Jahren ein Kind, ich hingegen wollte stets warten, um beruflich weiter voranzukommen. Das hatte zwischen uns ebenfalls zu Diskussionen geführt. »Tschüss.«

Weg war er.

Ich ließ das Telefon sinken und sah mich abermals um. Die Dämmerung hatte eingesetzt und ich schaltete das Licht ein. Für die Wohnzimmerlampen gab es keinerlei Verwendung mehr. Um bei den Hausbesichtigungen, die oftmals gegen Abend stattfanden, nicht im Dunklen zu tappen, montierten wir sie allerdings nicht ab. Die gestapelten Umzugskartons an der linken Wohnzimmerwand mussten in den angemieteten Container eines Self-Storages gebracht werden, die auf der rechten Seite gedachte ich mitzunehmen. Ich zögerte jedoch, da das Platzangebot in Samuels Loft eher gering war. So schleppte ich zunächst die zur Einlagerung bestimmten Kartons hinaus und hievte sie in den Kofferraum des SUV, den mir Samuel zur Verfügung gestellt hatte. Dabei kreisten meine Gedanken wieder einmal um die nahe Vergangenheit und meine gescheiterte Ehe. Die Antworten auf die Fragen blieben Spekulation.

Sofern wir eine Familie gegründet hätten, wie wäre wohl mein Lebensweg verlaufen? Mütter arbeiteten nicht als verdeckte Ermittlerinnen. Da gerade meine Undercoverzeit mein Leben 2.0 ausgelöst hatte, hätte sich für mich als Mutter von Markus’ Kindern nichts Gravierendes verändert. Dass Samuel und ich uns in meinem alten Leben begegnet wären, schloss ich aus. Falls doch, wären wir uns aus dem Weg gegangen. Ein Snob wie er, ein echtes Fluchtmotiv für mich. So wie er sich seinerzeit verhielt, hätte er mich sowieso niemals wahrgenommen, schon gar nicht, wenn ich einen Kinderwagen durch die Gegend geschoben hätte, ein besabbertes Tuch über der Schulter. So viele hätte, wäre, wenn und falls.

Die Stunde null, ein Ergebnis unvorhersehbarer Entwicklungen, die mich in eine wildfremde Existenz katapultierten. Trotz der emotionalen Verstrickungen mochte ich die Veränderungen, die ich gerade an mir erlebte.

Kühles Lüftchen

Billy

Wie der überwiegende Teil der Frauen gehörte ich mittlerweile zu den schärfsten Kritikern der eigenen Person in puncto Optik, Gewicht und der schrecklichen Frage der passenden Garderobe. Durch meine Interimslösung, bei Samuel einzuziehen, lebte ich erneut aus Kartons, beziehungsweise Koffern. Nach der Zeit als Cecilia hatte ich begonnen, mich modischer zu kleiden. Mangels finanzieller Möglichkeiten reichte es nicht an die Eleganz sowie den Markenstatus heran, doch der beste Mann auf der Welt hatte nicht locker gelassen, meine Garderobe um ein Vielfaches zu erweitern. Ich sah ein, dass ich in dem Fall keine andere Wahl hatte, um in dem neuen Leben Fuß zu fassen. Eine Gesellschaft der Oberflächlichkeiten, sehen und gesehen werden, all das kannte ich bereits. Es fühlte sich weiterhin verrückt an, dass ich als Billy ähnliche Sachen durchlebte wie Cecilia.

Glücklicherweise bot der begehbare Kleiderschrank Platz, um die neuerstandenen Stücke von den teuersten Markendesignern sorgfältig aufzuhängen. Mir hätte das Herz geblutet, da die Kleidungsstücke für mich einem wahren Schatz gleichkamen. Zudem bot der Schrank mir immer wieder die Möglichkeit, durch die schiere Auswahl zu stöbern. Normalerweise machte mir das Zusammenstellen und Austesten von Outfits Spaß, auch ein Überbleibsel meiner Blogger-Zeit, heute zitterten mir jedoch die Finger.

Was würden Samuels Bekannte von mir erwarten? Was in aller Welt sollte ich anziehen? Meine Nervosität steigerte sich, je näher der Termin heranrückte. Letztendlich entschied ich mich für eine Skinnyjeans und einen simplen Longsleeve, der von einem angesagten Modemacher stammte, und nur aus diesem Grund einen dreistelligen Betrag kostete. Die schwarze Lederjacke aus dem feinsten und weichesten Leder, liebte ich heiß und innig – die musste ich auf jeden Fall tragen. Ein Paar Sneaker und so sah ich mich gewappnet, nicht overdressed aber sexy genug aufzutreten. Letztendlich kam es meinem alten Look nah. Okay, das Outfit unterstrich die Figur, worauf ich früher nie geachtet hatte, und hinterließ den gewollt kostspieligen Eindruck. Im direkten Umfeld der Grafenbergs hatte ich niemals jemanden mit No-Name-Kleidungsstücken gesehen.

Da die Unruhe fahrige Bewegungen auslöste, musste ich drei Mal den Lidstrich abwischen, nur um die nächste unsaubere Linie zu ziehen. Beim Lippenstift durchlitt ich ein ähnliches Szenario. Kritisch betrachtete ich mein Spiegelbild und schnitt Grimassen, um mich abzulenken.

»Guten Abend, wunderschöne Frau.«

Erschrocken fuhr ich herum, da ich Samuel nicht hatte eintreten hören. Er schlenderte auf mich zu und gab mir einen Kuss zur Begrüßung. Wie sooft, wenn ich ihn nach ein paar Stunden wiedersah, kribbelte es vor Freude. Bei seinem sexy Erscheinungsbild geriet ich immerzu ins Schwärmen. Die locker sitzende schwarze Jeans sowie ein gleichfarbiges Hemd, das er lässig über der Hose trug, standen ihm fantastisch und ließen den schlichten Look perfekt wirken. Sein entwaffnendes Lächeln, die dunkelblonden Haare, ich schmolz dahin.

»Wie findest du mein Outfit?«, fragte ich skeptisch. »Als mein Leben noch aus Hoodies und Levis bestand, war so was viel leichter.«

»Du siehst super aus.« Er betrachtete mich und grinste.

»Ja, ja klar. Ich könnte auch eine Einkaufstüte über den Kopf stülpen und es gefiele dir«, frotzelte ich.

»Wenn sie von Chanel ist, warum nicht?«

»Blödmann.« Spaßhaft boxte ich ihn gegen die Schulter.

»Du musst nicht nervös sein, es wird dich keiner fressen.«

»Mhhmm, trotzdem.« Besorgt wuschelte ich mir noch einmal durch die blonden Haare, um sie aufzulockern. Derweil beobachtete mich Samuel belustigt, wie ich die Lippen aufeinanderpresste, um den aufgetragenen hellroten Lippenstift zu optimieren. Penibel korrigierte ich mit spitzen Fingern die Farbe in den Mundwinkeln. »Was?«

»Nichts, es ist augenscheinlich eine gängige Prozedur beim Schminken.«

»Möglich…«, grummelte ich. Dass mich seine Bemerkung verunsicherte, erwähnte ich nicht. Wie vielen Beautys hatte er hier im Badezimmer schon zugesehen? Zumindest hatte ich keine Überbleibsel von Verflossenen gefunden. »Also im Grunde kann ich mir die Mühe sparen, wenn du das eh gleich runterküsst.« Dabei warf ich ihm einen ironischen Blick zu. Hingegen meiner Worte wiederholte ich den Vorgang erneut und prüfte, ob sich Farbreste auf den Zähnen abgesetzt hatten, was ebenso katastrophal wäre wie die falsche Kleiderwahl. Das sollte er verstehen…

»Bist du fertig? Dann können wir los.« Ich nickte und platzierte demonstrativ meinen Make-up-Beutel auf der Anrichte. Revier markiert. Meins. »Auf geht’s, ich bin hungrig.«

 

Wir riefen uns ein Taxi, meine Anspannung wuchs ins Unermessliche. Tausend Gedanken rauschten mir durch Kopf. »Wohin fahren wir?«

In dem Moment hielt der Wagen vor dem Backsteingebäude, in dem Samuels Loft ansässig war, und wir stiegen ein.

»Guten Abend, einmal zum DAX bitte.«

Ich starrte ihn an, während der Fahrer sogleich beschleunigte und sich in den Feierabendverkehr einfädelte. Das war nicht sein Ernst, oder? Das Lokal war der Ort unseres erstens Zusammentreffens, als ich versuchte, mit seinem Vater Kontakt zu knüpfen. Das schreit nach schlechtem Omen!

Samuel nahm meine Hand, als er meine Unsicherheit spürte. »Ich habe das Restaurant nicht ausgesucht…«

»Ist er auch da?«, flüsterte ich und presste die Lippen aufeinander. Ich hatte schlagartig das Gefühl, ich erstickte und öffnete das Fenster einen Spalt. Die kühle Abendluft rief lediglich eine Gänsehaut hervor.

»Nein, er ist nur noch selten da. Es hat sich viel verändert.«

Ein wenig ärgerte ich mich darüber, dass Samuel sich nicht für eine andere Location eingesetzt hatte, auch wenn er von dem Essen begeistert war. In Frankfurt gab es schließlich unzählige Alternativen. Aus der Handtasche kramte ich ein Taschentuch, um meine mittlerweile schweißgebadeten Hände trocken zu tupfen. Die Fahrt verlief schweigsam und ich sah gedankenverloren aus dem Fenster. Ein wenig fühlte ich mich wie auf dem Weg zu meiner gesellschaftlichen Hinrichtung.

»So, wir sind da, die Herrschaften.« Das Taxi hielt direkt vor dem Eingang und ich zuckte zusammen. »Das macht dreißig Euro.«

Samuel reichte ihm einen Schein. »Geben Sie mir auf fünfunddreißig heraus und eine Quittung bitte.«

Ich schloss für einen Wimpernschlag die Augen.

»Kleines, aussteigen, auf in den Kampf.«

»Du bist unmöglich.« Mit weichen Knien kletterte ich ins Freie und war froh, keine High Heels zu tragen, da ich vor Nervosität bei jedem Schritt gestolpert oder gleich hingefallen wäre.

Samuel griff nach meiner Hand, zog mich an sich und wir sahen uns einen Moment in die Augen. »Du bist eine traumhafte, kluge Frau und wir werden das gemeinsam durchziehen.«

»Ja!« Ich straffte meinen Körper, hob den Kopf an, richtete den Blick geradeaus – bisher hatten wir alles andere auch bewältigt. Hand in Hand betraten wir das Restaurant.

Die Empfangsdame begrüßte uns freundlich. »Herr Grafenberg, wie schön, die anderen Herrschaften sind bereits eingetroffen.« Sie machte eine Kopfbewegung in die ungefähre Richtung des Tisches.

»Vielen Dank, ich sehe meine Leute.« Und zu mir gewandt flüsterte er: »Ich liebe dich.«

Unauffällig musterte ich die Location, ob mir bekannte Gesichter auffielen, während wir uns zwischen den Tischreihen hindurchschlängelten. Samuel grüßte nach meinem Dafürhalten sämtliche Gäste und es kam mir vor, als richteten sich alle Augenpaare auf die Frau, die sich einen der begehrtesten Männer der Stadt geangelt hatte. Besonders, da Samuel meine Hand keine Sekunde lang losließ.

Jäh jagte mir ein Schrecken durch die Glieder. Ich hatte vergessen zu fragen, was seine Freunde über mich wussten. Hatten sie Kenntnis von unserer Vorgeschichte? Wie idiotisch von mir, dass ich derart unvorbereitet auf diese Leute traf. Was sollte ich sagen, sofern sie mich über seinen Vater ausfragten? Eine Berufskrankheit, im Vorfeld gut informiert zu sein, nahm mir dies doch die Panik. Sobald ich einschätzen konnte, wie meine Gegenüber tickten, kamen mir passende Antworten und ausweichende Floskeln in den Sinn. Allerdings, wenn ich Verhöre problemlos meistere, beruhigte ich mich, sollten Samuels Freunde ebenfalls keine zu große Herausforderung darstellen.

Wir steuerten auf eine rechteckige Tafel zu, an dem sich bereits die Bekannten niedergelassen hatten und sich angeregt unterhielten. Neben dem Tisch entdeckte ich zwei Weinkühler, so wie es sich für das DAX gehörte, mit drei Rotweinflaschen und vier Flaschen Mineralwasser, von denen ich wusste, dass eine um die zehn Euro kostete. Unvorstellbar, wenn ich daran dachte, dass es sicherlich vergleichbar schmackhaftes Wasser im Supermarkt für weniger als fünfzig Cent zu kaufen gab. Der Gesamteindruck bestätigte mir, dass es in dieser Runde lediglich teuer sein musste.

Mit einem lauten Hallo wurde Samuel von allen Seiten begrüßt. Die Männer umarmten sich freundschaftlich. Unauffällig huschte mein Blick über maßgeschneiderte Sakkos, Designeruhren und die Klunker, die in manchen Ohren funkelten.

»Alter, dass du dir mal wieder Zeit nimmst«, polterte ein großer Kerl mit einer Körperstatur eines Boxers. »Aber ich kann dich verstehen.« Er warf mir einen freundlichen Blick zu und zwinkerte. »Eine Schande, dass uns der liebe Samuel deine Existenz vorenthalten hat.« Er reichte mir die Hand. »Bastian.«

»Cec… äh, Billy.« Die Röte schoss mir in Anbetracht des Beinahe-GAUS ins Gesicht. »Freut mich.«

Wir setzten uns an die linke Seite und die anderen rückten ein wenig enger zusammen. Obwohl die Gespräche im Großen und Ganzen fortgesetzt wurden, beäugten sie mich. Die Anordnung des Tisches erlaubte es nicht, jeden persönlich zu begrüßen. Unabhängig von der aus meiner Sicht problematischen Ausgangslage, fühlte ich mich als Neuling in einer Gruppe grundsätzlich unbehaglich. Spontan erinnerte ich mich an den ersten Tag in der Soko, die Skepsis in den Augen der Kollegen, hatte mich zutiefst verunsichert. Mit einem mittlerweile geübten Lächeln begegnete ich der Runde und suchte nach ähnlichen Mimiken.

»Wir kürzen das einfach mal ab.« Samuel legte den Arm um meine Schultern. »Darf ich euch Billy vorstellen?« Er sah mich liebevoll und stolz an. Er ahnte nicht mal im Ansatz, wie viel mir sein Verhalten bedeutete. »Billy, das ist der Haufen, mit dem ich mich umgebe, wenn ich mal Zeit habe.«

»Hallo!« Um die Begrüßung zu unterstreichen, klopfte ich mit der Faust auf den Tisch und es wurde zurückgegrüßt. Endlich nahmen wir Platz und ich wischte mir die verschwitzten Handflächen an den Oberschenkeln ab.

»Wie geht es dir?«, flüsterte er mir zu. »Wie gesagt, es sind sowas wie Freunde.«

»Wissen die denn von unserer Vorgeschichte?« Ein Punkt, der mir auf der Seele brannte.

»Nein, wieso sollten sie?« Er klang überrascht.

»Na ja, weil es deine Freunde sind und solch gravierende Ereignisse teilt man in der Regel mit besagten.« Sofort flackerte der Gedanke auf, dass er unsere Liebe verheimlichte. Markus’ Untreue war wie der Biss in den Apfel der Erkenntnis gewesen, der mich aus dem Paradies verjagte. Seitdem beschwor ich überall und ständig Anzeichen für einen Vertrauensbruch hervor.

»Wenn ich eines gelernt habe, dann, dass du in einem Umfeld der Eitelkeiten niemandem trauen darfst.« Seine Miene verdüsterte sich. »Es sind Menschen, mit denen man sich aufgrund des Geldes, der gesellschaftlichen Vorteile, des Gesehenwerdens zusammentut.«

»Mhhmm.« Eine ungewöhnliche Darstellung, ich rümpfte die Nase. Dass die Küsschen-links-Küsschen-rechts-Population eine durchaus seltsame Definition von Freundschaft hatte, war mir bereits mehrfach aufgestoßen. Bei einem ernsthaften Problem würden sie wohl alle das Weite suchen.

»Es sind Stammgäste aus dem Blue sowie Kunden des Cateringservice«, fuhr er fort und flüsterte mir die Namen der Anwesenden zu. Es war mir jedoch zu viel Input und ich befürchtete, achtzig Prozent wieder zu vergessen oder falsch zuzuordnen. Der Typ, den Samuel mir mit Johannes vorstellte, war mir sofort unsympathisch. Er saß mir schräg gegenüber. »Wir kennen uns aus der Schulzeit und er ist Jurist.«

»Dachte ich mir.« Ich verdrehte die Augen. »Ich mag ihn nicht.«

»Sagen wir mal so, er ist speziell.« Er warf ihm einen flüchtigen Blick zu. »Wir haben uns in der Vergangenheit eher wenig gesehen, da er bis vor Kurzem in der Schweiz gelebt hat.«

»Ist er verheiratet?« Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass ein Unsympath wie er, eine Frau abbekam, gar Gefühle zeigte. Seine Ausstrahlung strotzte vor Egoismus.

»Eine On-Off-Beziehung, man weiß nie, welcher Status gerade angesagt ist.«

»Das dachte ich mir, so…« Zum wiederholten Mal wurden wir unterbrochen, da Samuel ständig in die Gespräche hinein gezogen wurde.

»Kleines, einen Augenblick…« Er wandte sich ab.

In einem Stadium, in dem man zum ersten Mal zu einer solchen Runde stößt, ist man, bis auf den Partner, auf sich alleingestellt. Mir erging es nicht anders und so ließ ich schweigend meinen Blick umherschweifen. Eine mit wuchtigen Schmuckstücken behangene Schwarzhaarige erweckte meine Aufmerksamkeit. Das Lächeln war aufgesetzt und sie wirkte nicht, als freue sie sich übermäßig, mich kennenzulernen. Wusste sie etwas? Oder lag es an der Tatsache, dass ich mit Samuel zusammen war? Oder lag es schlichtweg an meiner verdammten Unsicherheit? Vielleicht war gar nicht ich der Grund für ihren versteinerten Gesichtsausdruck.