Über die Arten und Unarten des Älterwerdens - Elke Bilger - E-Book

Über die Arten und Unarten des Älterwerdens E-Book

Elke Bilger

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Beschreibung

Was Sie in diesem Buch erwartet: Tiefe Einblicke, Erkenntnisse sowie Perspektiven und Ideen, um den eigenen Alterungsprozess zu meistern und zu verlangsamen! Älter werden wir alle von ganz alleine. Meistens zumindest. Wir halten es oft für Schicksal, oder gar eine genetische Gegebenheit, dass manche Menschen noch mit 90 Jahren oder älter einen Marathon laufen, während andere, deutlich jüngere Mitmenschen den Tag - benebelt von unzähligen Medikamenten - im Rollstuhl vor sich hinfristen. Dem ist mitnichten so, es gibt jede Menge Hoffnung. Dieses Buch soll Ihnen Mut machen, ab jetzt neue Wege einzuschlagen, indem Sie lernen Ihren Körper und das Älterwerden zu verstehen und sich von falschen Glaubenssätzen zu befreien. Durch diesen Neustart erlauben Sie sich die Zügel selbst in die Hand zu nehmen um wieder vital und gesund zu werden und es auch zu bleiben. Mit diesem Buch möchte ich auf die vielen Arten, und eben auch Unarten des Älterwerdens aufmerksam machen. Ich möchte aufräumen mit den vielen Irrtümern über das Älterwerden. Sie werden verstehen, wieviel vermeidbarer Unsinn sich rund um dieses Thema in allen Köpfen festgebrannt hat. Die Folgen davon sind auf persönlicher, sozialer und finanzieller Ebene geradezu eine Katastrophe. In über 2 Jahrzehnten Arbeit als Physiotherapeutin habe ich viele Erfahrungen mit unseren älteren Generationen sammeln können. Meine Eindrücke und meine Ideen teile ich aus vollem Herzen hier mit Ihnen. Denn nach dieser langen Zeit bin ich überzeugt davon, dass das Altern kein Prozess ist, den wir unaufgeklärt seinen Lauf lassen sollten. Lesen Sie selbst, wie Sie mit Leichtigkeit ein neues Verständnis für dieses oft so schwere Thema entwickeln können.

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Seitenzahl: 214

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Elke Bilger

Über die Arten und Unarten des Älterwerdens

Aufgeklärt altern

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1 Wie mich das Leben für dieses Buch beschrieb und

wofür ich das Buch schreibe

Kapitel 2 Das Märchen vom Verschleiß

Kapitel 3 Verantwortung übernehmen: für jetzt und für später

Kapitel 4 Vorbilder statt Horrorbilder

Kapitel 5 Bewegung ist also wichtig! Warum gleich nochmal?

Kapitel 6 Das Märchen von der Lebenserwartung

Kapitel 7 Vitalstoffe- Oder: ein kleiner Ausflug in die Ernährung

Kapitel 8 Detox- Entgiften ist die halbe Miete

Kapitel 9 Medikamente: Fluch oder Segen

Kapitel 10 Tipps für begleitende Personen

Kapitel 11 Sinnvolles und umsetzbares Training

Kapitel 12 Wehren Sie sich – Sie haben ein Recht darauf

Impressum

Kapitel 1 Wie mich das Leben für dieses Buch beschrieb und

wofür ich das Buch schreibe

Kapitel 1

Wie mich das Leben für dieses Buch beschrieb

und wofür ich das Buch schreibe

Ich wurde 1971 als zweite Tochter sehr junger Eltern in Rottweil geboren und wuchs in Hamburg auf. In unserer Familie waren einige Generationen sehr, sehr jung bei der Familiengründung. Das ist für Eltern sicher oft kompliziert, aber eigentlich eine tolle Sache für die Kinder. Denn ich kannte dadurch nicht nur meine Großeltern sehr gut, sondern auch 2 meiner Urgroßeltern lebten noch. Meine letzte Urgroßmutter starb, als ich 19 Jahre alt war. Ich habe sie also mit dem klaren Geist einer jungen, erwachsenen Frau miterleben dürfen und sie sehr gut in Erinnerung behalten. Heutzutage sehe ich mit Stolz darauf zurück, in einer Mehrgenerationenfamilie groß geworden zu sein und den integrierten Umgang aller Generationen noch in einem verhältnismäßig guten Licht erlebt zu haben. Natürlich zeichnete sich auch damals schon der Trend ab, den wir heutzutage als normal erleben: die Spaltung der Familien, die zur Folge hat, dass die älteren Familienmitglieder in Pflegeheime gebracht werden, wenn sie sich nicht mehr ganz alleine versorgen können und der zunehmende, oft frühe „Verfall“ im Alter.

Welche der folgenden Ereignisse daran beteiligt waren, dass mir das Thema des Alterns so sehr am Herzen liegt, kann ich nur noch schwer aussortieren. Es floss alles irgendwie ganz automatisch zusammen. Ich erinnere mich noch gut, dass ich mich als 6-jährige „anders“ fühlte, als die anderen Kinder sich scheinbar fühlten. Ich dachte nicht sehr häufig über die normalen Dinge einer Kinderwelt nach. So fragte ich mich oft, wer Gott wirklich ist, fragte nach den Grenzen des Universums. Ich wollte wissen, wo die Sterne wirklich aufhören und was danach käme. Und natürlich grübelte ich lange darüber nach, wo ich wohl hergekommen sein könnte. Ich erinnere mich, dass ich mit meinen zarten 6 Jahren eines Tages ein wenig erschrocken dachte, dass ich doch eigentlich eine alte Frau bin, die in so einem kleinen Körper gelandet ist und dass mein Leben bald schon wieder vorbei sein wird, weil alles immer so schnell geht. Ich wusste mit 6 Jahren auch, dass ich eines Tages nach Amerika gehen würde. Zu den Cowboys und den Pferden wollte ich. Ich hörte mit 6 Jahren sonntags die 2-stündige Sendung für Countrymusik im Radio an, liebte Karl May und andere Westernfilme. Ich hörte auch gerne Oldies, liebte alte Filme und starrte mit großer Faszination auf die TV-Bilder von den Reportagen des 2. Weltkrieges. Ich fühlte mich näher an der Vergangenheit, als in der Gegenwart. Und vor der Zukunft hatte ich immer ein wenig Angst. Wenn dann mal das Kind in mir auflebte, blieben meistens die Puppen in der Ecke liegen und ich spielte lieber Fußball mit den Jungs der Nachbarschaft, ging zum Reiten, kletterte auf Bäumen rum, spielte Zirkus, oder Cowboy und Indianer. Mit 7 Jahren entdeckten meine Schwester und ich einen Ponyhof ganz in unserer Nähe. Zum Leidwesen unsere Mutter brachten wir ab diesem Moment, so oft wir konnten, den Dreck und den Duft dieser tollen Pferdewelt mit nach Hause. Ich fühle mich noch heute am wohlsten, wenn der Staub und Duft meiner 2 Pferde an mir klebt, denn jede Zeit mit ihnen bereinigt gleichzeitig mein Herz. Pferde haben die einzigartige Gabe, den Menschen mit einem freudvollen Schnauben jede Menge Dreck an Shirt und Hose zu prusten und gleichzeitig verschwindet, wie von magischer Hand gezaubert, der „Dreck“, der grade noch im Kopf und Herzen hing. Herrlich.

Mit 21 Jahren erfüllte ich mir meinen amerikanischen Traum und habe dort von 1993 bis 1999 gelebt. Das war eine turbulente Zeit, mit vielen verschiedenen Jobs und Erfahrungen, die ich nicht missen möchte. Auch, wenn diese Jahre nicht grade die leichtesten Jahre meines Lebens waren.

Eines Tages bot sich mir dort die Gelegenheit, eine Ausbildung zur Altenpflegerin in einem Altersheim zu machen, ohne die Schulkosten dafür tragen zu müssen. Ich reagierte sofort auf diese Stellenanzeige und erklärte mich bereit, noch am nächsten Tag anzufangen. Die nette Dame am Telefon sagte mir, ich solle mir das gut überlegen und ich würde erst mal eine Woche mitlaufen müssen, damit ich mir sicher sein könne, dass ich diesen Job wirklich möchte und man mich hierfür auch als geeignet sehe. Ich war allerdings mehr als optimistisch und trat die Probewoche gleich am nächsten Tag schon an. Ich blieb genau einen Tag lang. Dann wollte ich nie wieder dorthin. Ich war von meinem guten Glauben an derartige „Versorgungsstätten“ abgefallen. Es lag allerdings nicht an den strengen Gerüchen nach Desinfektionsmitteln und Urin, auch nicht an den Menschen, denen das Essen manchmal mehr aus dem Mund lief, als dass sie es hätten schlucken können. Es lag genauso wenig an den teils verwirrten und ängstlichen Augen, die mich anstarrten, oder an den kleinen, aggressiven Ausbrüchen mancher Bewohner. Es lag schlicht und einfach an der Grobheit der Pflegerin, mit der ich an diesem besagten Tag mitlaufen musste. Sie behandelte dort alle gleich. Und zwar gleichermaßen gleichgültig. Meist übte sie ihre Aufgaben nach Vorschrift aus, aber die Einwohner wurden wie Nummern abgearbeitet. Erbetenes Wasser brachte sie oft erst Stunden später, mit der Begründung, wo wir denn hinkämen, wenn man ihnen allen ständig sofort was zu trinken brächte. Dann müssten wir auch alle sehr oft zur Toilette bringen, und dafür gäbe es keine Zeit. Auf einem Gang trafen wir eine Frau, die, sich am Geländer festhaltend, spazieren ging. Die Pflegerin heulte auf wie eine Sirene, stürzte auf die Frau zu und herrschte sie an, was sie da treiben würde. Sie solle sich sofort wieder in den Rollstuhl setzten und endlich Ruhe geben. Sie sah mich an und sagte, dass wenn hier alle rumliefen, wie sie wollten, wäre Chaos. Sie brächen sich gar noch die Haxen und würden nur noch mehr Arbeit machen. Am Ende des Tages sah sie mich an und fragte sehr abschätzend „Und du glaubst, das ist was für dich hier?“ Ich sagte ihr, wie unschön ich es fand, wie hier gearbeitet wird und sie sagte in einem trockenen Ton - ich werde es nie vergessen: „Schätzchen, wir waren alle mal so jung und optimistisch wie du. Das wird dir hier schon noch vergehen. “Ich ging. Und kam nie wieder. Ich wollte ganz sicher nicht so werden wie sie. Auch wollte ich nicht jeden Tag weinen für die Menschen, die das ertragen mussten. Dazu hatte ich mit meinen damals zarten 23 Jahren noch nicht die Kraft und ich fühlte mich machtlos.

Die Jahre und Jobs kamen und gingen. Mein letzter Job bei einer amerikanischen Fluggesellschaft brachte mich letzten Endes zurück nach Deutschland, in eine Reservierungszentrale in Frankfurt. Als diese nach London verlegt wurde, trennten sich unsere die Wege, da ich mir ein Leben in England nicht vorstellen konnte.

2001 beschloss ich mit meinen jungen dreißig Jahren dann nochmals zur Schule zu gehen, um Physiotherapeutin zu werden. Die erwählte Schule lag in der Oberpfalz in Bayern. Die Voraussetzung hierfür war ein Vorpraktikum in einer Krankengymnastikpraxis oder einem Reha-Zentrum. Passend zu diesem Buchthema, aber eher durch Zufall entstanden, absolvierte ich dieses Praktikum in einer geriatrischen Rehabilitationsklinik. Geriatrie bedeutet Altersheilkunde. Auch in den folgenden Berufsjahren in Deutschland hatte ich das große Glück, viele Senioren in der Praxis, zu Hause und in diversen Pflegeheimen betreuen zu dürfen. Das habe ich auch wirklich gerne gemacht. Während es vielen Kollegen nahezu davor graute in die Heime zu gehen, liebte ich es sogar und so bekam ich in den Heimen viele Patienten.

Ich bin schon damit aufgewachsen, „alte“ Menschen als angenehme und spannende Gesprächspartner zu empfinden. In meiner Familie und in unserem Bekanntenkreis gab es, wie schon gesagt, viele ältere Menschen, die mich sehr faszinierten. Sie erschienen mir immer klüger und hatten eine beruhigende, tröstende Wirkung auf mich.

Zwischen meinem 14. und 17. Lebensjahr besuchte ich zweimal wöchentlich eine gute Bekannte unserer Familie, eine über 70-jährige Dame, die ich für mich in dieser Zeit fast als beste Freundin empfand. Sie war nicht nur meine beste Ratgeberin und mit ihrer herzlichen Art in der Lage, mein damals schlechtes Selbstbewusstsein zu verbessern, sie faszinierte mich auch wegen ihrer jugendlichen und sportlichen Art. Sie hatte als Kriegsopfer viel durchgemacht. Ihr Mann verstarb früh, sie zog ihre Kinder alleine groß und sie wurde von einem starken Rheuma geplagt. Trotzdem erledigte sie alles mit ihrem Fahrrad, versorgte einen großen Garten und weigerte sich, den negativen Dingen in ihrem Leben gar zu viel Raum zu geben. Sie hatte immer ein strahlendes Lächeln für ihre Besucher (sie war sehr beliebt und erhielt natürlich noch viel mehr, als nur meinen Besuch) und die wöchentlichen Besuche verbrachten wir mit meinem Pflegehund bei Kaffee und Keksen mit lebhaften Gesprächen zusammen. Sie verstarb einige Jahre später undramatisch und plötzlich. Ich lebte zu diesem Zeitpunkt schon eine Weile nicht mehr in Hamburg und hatte vorher leider nur noch selten Kontakt mit ihr. Sie wissen, wie das ist, wenn man in seinem jugendlichen Wahnsinn denkt, es gäbe keine Eile. So schnell läuft ja keiner weg, denkt man sich leichtfertig. Ein großer Irrtum. Ich habe es sehr bereut, dass ich ihr nicht noch einmal sagen konnte, wie viel sie mir bedeutet und gegeben hat. Ich glaube, oder hoffe aber, sie wusste es.

Ebenso liebte ich es, wenn ich meine weit entfernt lebenden Großeltern (väterlicherseits) besuchen konnte. Es mag vielen Menschen seltsam erscheinen, aber ich liebte den Geruch in ihrem Haus. Es roch nach alten Büchern, Holz, Ölheizung, Speik Seife und irgendwie nach alten „Abenteuern“.

Ich liebte es, mit den runzeligen und kriegsverletzten Händen meines Großvaters zu spielen und seinen Geschichten zuzuhören. Ihm wurde durch eine Granate im 2. Weltkrieg der kleine Finger abgeschossen und der Daumen blieb für immer gekrümmt. Er hielt geduldig still, wenn ich seine grauen, aber vollen Haare kämmen wollte und er erzählte seine Geschichten, so oft ich sie zu hören verlangte. Ich liebte diese grauen Haare meiner Großeltern, auch wenn sie immer etwas „alt“ rochen. Aber sie waren sooo weich. Und ja, ich liebte den langsam aus der Mode kommenden Haferbrei, den meine Großmutter uns mit der frischen Milch vom Bauernhof zubereitete. Ich liebte es, ihr dabei zuzusehen, wie sie den Teig für den Apfelkuchen mit der Hand verrührte, während sie den vorhandenen elektrischen Mixer einfach links liegen ließ. Der macht den Teig so komisch und dann wird der Kuchen nichts, sagte sie oft. Es ginge eh viel schneller mit der Hand, meinte sie.

Die „Alten“ machten einfach alles anders, als meine Eltern. Und das war spannend für mich. Wenn ich dann nachts von meinen Großeltern ins Bett gebracht wurde und unter einer von diesen gigantischen Federbettdecken lag - Sie wissen schon, diejenigen, die so voll mit Federn gestopft waren, dass man das Fußende nicht mehr sehen konnte-, dann war das die Vollendung eines schönen Tages. Ohne Fernsehen, ohne Playstation, ohne Drama. Ich fühlte mich geliebt und beschützt. Was gibt es Schöneres für ein Kind?

Mein Großvater starb überraschend, als ich 20 Jahre alt war. Meine Großmutter starb 10 Jahre später, von denen sie 9 Jahre im Altersheim war. Glücklich war sie dort sicher nicht.

Meine Oma und meinen Opa mütterlicherseits besuchten wir dann auch dort, sie lebten nahe beieinander in Süddeutschland. Auch hier liebte ich die Urlaube sehr, aber es war anders. Meine Oma und mein Opa waren viel jünger als meine Großeltern väterlicherseits und schon sehr modern. Im Vergleich zu unserem Zuhause war hier der Unterschied nicht ganz so groß. Es war auch schön, aber eben fast normal, bei ihnen zu sein. Meine Mutter kochte ähnlich, wie meine Oma und die modernen Küchengeräte durften hier nicht fehlen. Glücklich war ich, wenn meine Oma mit uns in ihrem DAF Auto Ausflüge in die Stadt machte. Wenige Menschen hatten dieses Auto und meine Oma hatte durchaus einen flotten Fahrstil. Sie fuhr sehr gerne Auto und sagte immer, da fühle sie sich frei. Ich wollte auch dann mit, wenn sie nur schnell losfuhr, um uns bei der besten Bäckerei die Frühstücksbrezeln zu holen. Ich fand es als Kind eher doof in Hamburg aufzuwachsen. In Omas Auto durch meine Geburtsstadt zu düsen gab mir ein gewisses Heimatgefühl und ich konnte es gar nicht genug auskosten, wenn ich dort war. Oma und Opa gehörten für mich erst später mental in die wirkliche „Großeltern Welt“, nämlich dann, als sie in den Ruhestand gingen. Da war ich schon erwachsen. Sie starben lange Zeit danach. Beide sehr kurz nacheinander im Jahre 2014. Ich durfte meine Großeltern somit noch sehr lange in meinem Leben haben.

Das Älterwerden, aber auch das Sterben, beschäftigte mich also durchaus schon sehr früh. Ich fand es irgendwie auch schon immer seltsam, warum manche alten Menschen noch so jung waren, und manche jungen Menschen schon so alt wirkten. Wären es einfach nur die Jahre, die ins Land streichen, dann müssten wir ja alle mehr oder weniger gleich altern. Warum nur ist das also oft so unterschiedlich?

Meine Familie, meine Patienten und die Besuche in den Pflegeheimen gaben mir später reichlich Gelegenheit zum Studieren, was denn da so passiert beim Älterwerden. Und warum sich die Menschen hierbei sehr verschieden entwickeln. Nur leider entwickeln sich sehr viele Menschen allzu oft nicht zum Guten. Es war anfangs sehr erschreckend für mich, Menschen dabei zuzusehen, wie sie regelrecht verfallen. Denn, wie die meisten Menschen, sah ich mich dieser Sache gegenüber erst mal hilflos ausgeliefert, hielt ich es doch zumindest früher einfach für Schicksal, wie sich ein Mensch im Alter entwickelte. Aber das scharfe Beobachten dieser Vorgänge und das dadurch erworbene Verständnis über das Altern nahmen mir später einen großen Teil der eigenen Angst vor dem Älterwerden, denn ich begriff folgendes mit der Zeit: Älter werden wir alle – aber das „wie“, das liegt zu einem viel größeren Teil in unserer eigenen Hand, als wir es glauben. Es sind eben bei weitem nicht nur das Schicksal und ein paar „schlechte oder gute“ Gene, die diesen Werdegang bestimmen. Keiner von uns geht unvoreingenommen durch die verschiedenen Lebensabschnitte und mit Sicherheit gibt keiner von uns gerne die ungebremste Kraft der Jugend ab. Da dürfen wir uns nichts vormachen. Aber wie bei allem liegen auch hier zwischen Himmel und Erde viele Möglichkeiten. Es hat sich in unseren Köpfen so eingebrannt, dass wir viel Schlechtes und kaum Beeinflussbares im Alter einfach als normal hinnehmen müssen. Man hört es ja schließlich von allen Seiten. Die Medizin bestätigt es auch nur zu gerne: Alt werden heißt nichts Gutes, da kommt dann der Verschleiß und man quält sich ächzend und krachend noch 20, 30 oder 40 Jahre aus dem Bett, bis man dann endgültig an dieses gefesselt ist und brav auf das Ende wartet.

Viele meiner folgenden Aussagen in diesem Buch werden durchaus nicht in der Öffentlichkeit anerkannt, und sicher nicht von allen befürwortet. Aber ich denke, am Ende werden Sie meine Gedankengänge nachvollziehen können. Sie werden verstehen, warum ich mich den vielen Klischees des Alters nicht mehr anschließen kann. Ich weiß, dass wir noch so viel mehr aus uns herausholen können und wahrhaft das Beste aus unserem persönlichen Leben und unseren wundervollen Körpern machen können. Deshalb ist es mir ein großes Bedürfnis, dieses hilflose „So ist es halt, wenn man alt wird“ aus den Köpfen der Menschen zu verbannen und wieder Platz für das Wissen um ein vitaleres, freudvolleres und unabhängigeres Leben zu schaffen.

Ich wünsche mir, dass ich mit diesem Buch helfen kann einen vernünftigen Weg und einen besseren Umgang mit dem Älterwerden zu finden. Es ist schließlich eine sehr wichtige, nein, sogar höchst wichtige Angelegenheit, wie es uns geht, wenn wir dann mal „alt“ sind. Denn eins gilt sicher für alle Menschen: auch im hohen Alter haben wir noch Gefühle, Gedanken, Ansprüche, Wünsche und berechtigte Bedürfnisse. Und wir haben weiterhin die gleichen Rechte, diese Bedürfnisse leben zu können.

Ob Sie es glauben, oder nicht: genau diese Dinge, also der Status „Mensch-Sein“, werden den älteren Menschen oft schon sehr früh abgesprochen. Spätestens dann, wenn normale Alltagsdinge nicht mehr alleine erledigen werden können und eine Pflege-bedürftigkeit eintritt. Beobachten Sie doch einmal die Pflegekräfte, Angehörige und auch sich selber im Umgang mit Senioren. Sie werden feststellen, dass man mit älteren Menschen schon fast kindlich umgeht. Es wird lauter gesprochen, unabhängig vom Hörvermögen, es wird sich unnötig oft wiederholt und man traut diesen Menschen oft kein klares Verständnis oder keine normale Gefühlswelt mehr zu.

Alleine das größte Tabuthema des Alters, des Bedürfnis nach Liebe, Zuneigung und Sexualität, spricht hier Bände für sich. Ich konnte mich nur wundern darüber, wie viele meiner Kollegen oder Kolleginnen völlig aufgelöst waren, wenn ein Senior mal ihre Hand ergriff, oder sogar mal eine Umarmung oder ein Wangenküsschen wollte. Natürlich musste ich auch schon dem einen oder anderen Mittachtziger Patienten zeigen, dass es Grenzen der Körperlichkeit zu den Pflegekräften und Therapeuten gibt. Schlimmer, als der Versuch von Patienten etwas von der Wärme und Nähe zu erhaschen, die ihnen schon so lange fehlt, fand ich allerdings die Reaktion vieler Mitarbeiter/innen, diese Sehnsucht als absurd oder restlos unangebracht zu betrachten und diesen Menschen mit Härte und Unverständnis zu begegnen. Ich fragte mich dann oft, ab welchem Alter man denn generell „den Schalter“ für diese Bedürfnisse ausmachen solle. Was ist hier angebracht? Siebzig Jahre? Achtzig? Oder darf es dann auch Hundert sein? Manchmal haben wir das große Glück, Paare zu sehen, die auch noch mit 90 oder mehr händchenhaltend am Tisch sitzen. Ein wunderbares Geschenk. Finden Sie nicht? Wundervoll ist es auch, wenn sich zwei Menschen auf die letzten Jahre noch mal frisch verlieben und dieses Glück erfahren dürfen. Wer sind wir denn, die Liebe und die Nähe nur für uns „jungen Dinger“ zu beanspruchen und anderen Menschen für diese Grundbedürfnisse eine künstliche Altersgrenze aufzusetzen?

Ein erstaunlich großer Teil der Menschheit scheint sich dem „normalen“ Bild des Altseins nun leider eben mit allem drumherum anzupassen, ergeben in dem Irrglauben, es müsse wohl so sein. Es muss eben nicht so sein. Ich möchte Sie nochmals herzlich einladen, dieses wichtige Thema neu zu betrachten, um dann mit neuer Energie neue Wege zu betreten. Wenn Sie schon, sagen wir zu den „Gereifteren“ gehören: Es ist nie wirklich zu spät, etwas zu verändern und damit etwas zu verbessern. Neue Zellen kommen und alte Zellen gehen. Jeden Tag. Bis hin zum Tod. Zellen entwickeln sich schlicht und einfach mit der Beanspruchung und der Versorgung ihres Körpers. Oder aber sie „verkümmern“ mit deren Vernachlässigung. Das werde ich in diesem Buch noch näher erklären. Legen Sie also ruhig los! Egal, wo Sie stehen und wie Sie sich fühlen. Es gibt Menschen, die kaum noch mit dem großen Zeh wackeln konnten und dann mit Fürsorge und Liebe wieder auf beide Beine kamen.

Sollten Sie sich, wie viele Menschen, noch für viel zu jung halten, um sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen, seien Sie sich gewiss: Der Tag X wird kommen, an dem Sie sich überrascht über das Geburtsjahr auf ihrem Ausweis wundern und sich dann schnell um die Seniorenrabatte bemühen, die man ab einem gewissen Alter erhält. Das ist dann ja auch noch der erfreuliche Part. Aber genau dieses Thema erscheint vielen Menschen oft in so weiter Ferne, dass der Weg zum Erhalt der „Jugendlichkeit“ fast schon trotzig ignoriert wird. Natürlich werden zunehmend mehr sogenannte Anti-Aging Cremes aus der Werbung von sowohl Frauen, als auch von Männern gekauft und die Botox-Salons boomen. Aber das sind einfach nur ein paar Kaschierungsversuche, die sich auf weitere Klischees stützen. Denn eines wird durch die dauernde Werbebeschallung klargestellt: Wer Falten hat, verliert. Das Aussehen halten wir für einen der wichtigsten Faktoren als Beweis für unsere ewige Jugend. Der Markt hierfür ist unendlich groß und es wird sehr viel Geld ausgegeben, um optisch nicht gealtert zu wirken. Deutlich weniger wird aber Wert auf einen sportlichen und gesunden Körper gelegt. Dass Jugend, so wie Schönheit, von innen kommen und es der ganze Körper ist, der in vielerlei Hinsicht gepflegt werden möchte, ignorieren wir geradezu königlich. Es ist natürlich ein ganz anderer Aufwand, sich sportlich zu bewegen und sich um gesundes Essen zu bemühen, als sich ab und an einzucremen und eine angebliche Superpower Tablette mit Antioxidantien zu schlucken. Bei dem Wort Antioxidantien bekomme ich immer das komische Gefühl, wir reden von rostigen Autos und es stellt sich mir die Frage, warum wir überhaupt so viel „Anti-Malirgendwaszeug“ brauchen. Vielleicht brauchen wir einfach wieder mehr „pro“, statt „anti“ auf dieser Welt?

An dieser Stelle bitte ich Sie einfach zutiefst zu erkennen, dass es Ihr eigener, persönlicher und einmaliger Körper ist, um den es sich in Ihrem Leben dreht. Ihr eigentlich bester Freund. Vom Tage Ihrer Geburt, bis zum letzten Atemzug. Mit einem so tollen Potential, von dem Sie vielleicht gar nicht zu träumen wagten, hat er es einfach verdient, dieses Potential voll und ganz zu er-leben.

Für Sie selbst, und für eine schönere Welt, wünsche ich mir, dass Sie die Chance nutzen, sich mit Freude und Gesundheit in Richtung Lebensabend zu bewegen. Hierfür benötigen wir „nur“ die stetige, liebevolle Zuwendung für unseren Körper und unseren Geist.

Und glauben Sie mir noch eines: Die Panikwelle, die sich nach langer, körperlicher Vernachlässigung dann mit 50, 60, 70 kurz noch bei vielen Menschen entwickelt, mit einem letzten Aufbäumen zum Yoga gerannt wird und noch teurere Cremes gekauft werden, um der Falten Herr zu werden, bevor sich dann doch dem „so ist es nun mal im Alter“ Irrglauben ergeben wird, wird nicht ausreichen, um das Ruder herumzureißen. Am besten, Sie legen alle Grundsteine für ein aktives und gesundes Leben so früh wie möglich. Dann fühlen Sie sich noch lange fit und werden auch so aussehen! Es ist viel einfacher sich fit und aktiv zu halten, als Sie denken!

Nach bald 20 Jahren des Beginns meiner Zeit in der Physiotherapie, zahllosen Erlebnissen und Gesprächen, komme ich zu dem Schluss, dass fast immer dieselben Faktoren eine Rolle spielen, wie die Menschen gealtert sind. Außerdem haben die meisten Menschen, mit denen ich gearbeitet habe, genau die gleichen Sorgen und Fragen zu diesem Thema. Wie oft mir diese Fragen gestellt und mir diese Sorgen mitgeteilt wurden, kann ich Ihnen nicht mehr aufzählen. Irgendwann entstand in mir dadurch die Idee, meine Gedanken und Erfahrungen lesbar, und somit hoffentlich hilfreich, für ganz viel Menschen zu machen.

Ich verzichte wie besagt auf den Stil eines wissenschaftlichen Sachbuches. Ich möchte, dass Sie die natürlichen und menschlichen Prozesse dieses Themas kennen lernen. Sie werden die „Logik der Natur“ auch ohne Studium verstehen. Ich bitte Sie nur um eines: Lassen Sie sich erst einmal unvoreingenommen auf meine Worte ein. Wenn Sie darüber nachgedacht, die eine oder andere Aussage für sich geprüft oder ausprobiert haben, können Sie mein Büchlein immer noch verstauben lassen, wenn Sie es nicht für wahr befinden.

Ich hoffe auch, dass unsere gesamte Gesellschaft wieder zurückfindet zu den Wegen, würdevoll zu Altern und auch im hohen Alter noch mit Freude alle Beteiligten dieser Welt zu bereichern! Verwechseln Sie diese Wege aber bitte nicht mit dem Boom, mit vollgestopften Bäuchen und einer deftigen Ladung an toxischen Medikamenten im Gepäck es auf der einen oder anderen Kreuzfahrt noch mal so richtig krachen zu lassen. Das hört sich natürlich verlockend an. Aber es wird Sie wieder einholen, wenn Sie ihren Körper dauerhaft schlecht behandeln. Die Kreuzfahrt, oder andere schöne Urlaube, werden Sie nur dann wahrhaft genießen, wenn ihr Körper diese Urlaube auch spielend leicht und voller Energie mit macht.

Das allgemein moderne gewordene Verhalten, alles bis zum Anschlag zu „genießen“, wenn man doch eh nicht ewig lebt, enthält durchaus einen bedeutenden Rechenfehler: Sie wissen nämlich nicht, wann Sie sterben. Und was Sie in der Zeit noch alles erleben werden oder durchmachen müssen. Ich persönlich sehe die unzähligen Operationen und Medikamente, die heute ab Fünfzig aufwärts für normal gehalten werden, und die Jahre im Rollstuhl nicht als Genuss an. Sie sind sicher um ein Vielfaches besser gewappnet, wenn Sie einen gesunden Körper und einen gesunden Geist als Verbündete bis zum Schluss haben.

Leider stimmt es übrigens, was viele gesundheitsbewusste Menschen schon in den letzten Jahrzehnten bemängelt haben: wir pflegen unsere Autos, Handys und Häuser besser, als unsere Körper. Das ist wirklich unglaublich und auch einfach absurd. Und dann bezeichnen wir uns stolz als sehr zivilisiert. All diese materiellen Dinge lassen sich ersetzen. Der eigene Körper und der Geist hingegen nicht.

Trotzdem scheinen wir unserem Körper weniger Wert beizumessen, sonst würden wir ihn so gut pflegen und polieren wie unsere Autos und Häuser.

Das ist natürlich keine unverständliche Entwicklung, wurde uns doch immer vermittelt, dass wir erst dann einen Wert haben, wenn wir uns einen schönen Schlitten, große Fernseher und das Eigenheim angeschafft haben. Der Wohlstandsbauch war einst auch mal ein Zeichen von Erfolg. Jetzt wird er zwar nicht mehr gar so stolz hervorgestreckt, aber er wird höchstens von ein paar Ärzten bemängelt, wenn die Blutwerte dann schon sehr bedenklich geworden sind.

Nun, wir können das alles ja im Hier und Jetzt ändern. Nichts ist in Stein gemeißelt und wir haben stets die Wahl, wie wir unser Leben gestalten und welche Fürsorge wir unserem Körper und unserem Geist geben.

Nur Mut! Sie werden es geradezu lieben, Ihr eigenes, volles Potential zu entfalten.

Kapitel 2 Das Märchen vom Verschleiß

Kapitel 2

Das Märchen vom Verschleiß