UND DANN KAM TETRIS - Christian Gehlen - E-Book

UND DANN KAM TETRIS E-Book

Christian Gehlen

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Beschreibung

Nintendo hat heute einen weltweiten Bekanntheitsgrad. Als das Unternehmen in den 1980er Jahren den amerikanischen Videospielmarkt in den Fokus nahm, fanden sie eine zusammengebrochene Branche vor, die sich in den Jahren zuvor selbst zerstört hatte. Genau diesen Zustand konnte Nintendo für sich nutzen, um einen durchschlagenden Erfolg zu erringen. Dies machte die Marke Nintendo erst zu der Marke, die wir heute kennen. Ein Erfolg, der Anfang der 1990er Jahre in einem elektronischen Spiel mündete. "Tetris" "Tetris" etablierte sich quer durch alle Altersklassen und machte das Videospiel zur gesellschaftlichen anerkannten Freizeitbeschäftigung. Die Geschichte wie Nintendo zu "Tetris" kam und "Tetris" auf den Game Boy, ist spannend wie ein Krimi. Das Buch begibt sich auf eine Zeitreise in die Anfänge und Erfolgsgeschichten einer Branche.

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UND DANN KAM TETRIS

CHRISTIAN GEHLEN

UND

DANN

KAM

TETRIS

Wie Nintendo innerhalb eines Jahrzehnts den Videospielmarkt eroberte

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.ddb.de abrufbar

Alle Rechte vorbehalten.

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Freigrenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar.

Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

1. Auflage, Mai 2016

© 2016 beim CSW-Verlag,

Hauffstraße 10, 71364 Winnenden

www.csw-verlag.com

Lektorat: Fabian Löchinger

Covergrafik: 123rf.de

Layout und Satz: www.ttz-concept.de

Schriften: Thesis von LucasFonts, Franklin Gothic von

Morris Fuller Benton

ISBN 978-3-941287-74-7

eISBN 978-3-941287-76-1

Man hört nicht auf zu spielen, weil man alt wird, man wird alt, weil man aufhört zu spielen.

INHALT

AUFSTIEG

FALL

DER DRACHE KOMMT

DER AFFE

IN DIE LÜCKE

SUCHT

TETRIS

KUNST

LITERATUR

AUFSTIEG

1969 heuerte bei der Firma Ampex in Kalifornien, die gemeinhin als Erfinder des Videorekorders gilt, ein junger Mann namens Nolan Bushnell für ein Jahressalär von zehntausend Dollar an, der ein Jahr zuvor seinen Universitätsabschluss in Elektrotechnik gemacht hatte. Während seiner Studienzeit hatte sich dieser Nolan Bushnell immer wieder in den Computerraum seiner Hochschule in Utah geschlichen und befasste sich ausführlich mit dem dort vorhandenen PDP-1. Auf diesem ungefähr hundertzwanzigtausend Dollar teuren Großrechner spielte er mit Vorliebe Spacewar!, das 1962 von Steve Russell und seinem Tech Model Railroad Club entwickelt worden war. Sein Studium hatte sich Bushnell teilweise durch einen Aushilfsjob in einem Vergnügungspark finanziert, wo er die Aufsicht über ein paar kleine Buden hatte, in denen sich die Besucher für fünfundzwanzig Cent wiegen lassen oder mit Bällen auf leere Flaschen werfen konnten.

Er bemerkte, dass die Menschen bereitwillig für irgendeine Art von Rückmeldung Geld ausgeben, und sei es nur das eigene Gewicht. Würden sie dann nicht auch bereit sein, für das Spielen eines Computerspiels Geld auszugeben?

Bushnell machte sich daran, Spacewar! von der PDP-1 unabhängig zu machen und wollte ein Spiel erschaffen, dass jedem zugänglich wäre. Von der PDP-1 existierten fünfzig Geräte an amerikanischen Universitäten, als Computerprogramm würde sein Spacewar! niemanden erreichen. Also strickte er eine Version aus integrierten Schaltkreisen.

Seine zweijährige Tochter Britta schmiss er aus ihrem Kinderzimmer, sie musste ins Wohnzimmer umziehen, und verbrachte die Feierabende in der in Brittas Zimmer provisorisch eingerichteten Werkstatt. Er wollte ein Spacewar! erschaffen, das gegen Bezahlung auf einer Fernsehbildröhre lief. Er wollte einen Spielautomaten erschaffen.

„Ich hatte nur meine Hände und einen Lötkolben“, sagte er später einmal.

Als Angestellter von Ampex war er in der glücklichen Lage, die für sein Projekt benötigten Teile kostenfrei zu bekommen. Das Unternehmen überließ seinen Mitarbeitern die Elektroteile, die diese für private Hobbys benötigten. Solange es nicht exzessiv wurde, duldete die Firma dies. Es handelte sich bei den meisten Bauteilen ohnehin nur um Objekte mit einem Wert von fünfzehn oder zwanzig Cent.

Anfang 1971 hatte Bushnell es geschafft. Er nannte sein Spacewar! Computer Space und war von seinem Werk vollauf überzeugt. So überzeugt, dass er seinen Job bei Ampex hinschmiss und seinen Lebensunterhalt mit den Lizenzeinnahmen des Spiels verdienen wollte. Er fertigte einen ersten lauffähigen Prototyp aus der Spielplatine, einem alten Schwarzweißfernseher und einem alten Farbeimer an, der als Auffangbehälter für die Münzen dienen sollte. Damit ging er dann auf die Suche nach einem Investor, der die Automaten produzieren konnte.

Er nahm das erstbeste Angebot an, das er bekam. Ein Spielautomatenhersteller namens Bill Nutting kaufte Bushnells Projekt. Da Nutting aber keinerlei Erfahrung mit dem Bau von Spielautomaten hatte, stellte er Bushnell kurzerhand als leitenden Ingenieur gleich mit ein.

Ein erster Testlauf in einer Bar namens Dutch Goose auf dem Campus der Stanford University verlief wenig zufrieden stellend. Computer Space zog nicht viele Spieler an, was sicherlich auch an der komplexen Steuerung lag. Es gab seitenweise Instruktionen, wie der Spieler Schiffe steuert oder Manöver wie einen Sprung in den Hyperspace ausführt.

Dennoch produzierte Nutting eineinhalbtausend Computer Space-Automaten. Bushnell selbst demonstrierte das Spiel 1971 auf der Music Operators Association Convention den versammelten Distributoren.

Eddie Adlum, Herausgeber des Replay Magazine, erinnert sich: „Ich war damals Reporter für Cash Box und lief immer wieder quer durch die Messehallen, bis ich in einen großen Kerl namens Nolan Bushnell rannte, der für eine Firma namens Nutting Associates tätig war. Er kam mit einem Automaten namens Computer Space, der in ein bizarr geformtes Fiberglas-Gehäuse gepackt war. Es sah merkwürdig aus, gespielt habe ich es aber nie.“

Nutting schaffte es nicht, alle eintausendfünfhundert Computer Space-Automaten zu verkaufen und stellte die Produktion schon nach der ersten Charge ein.

Bushnells Spiel war zu visionär, die Leute wussten nicht, was sie damit anzufangen hatten. Geld einwerfen zum Fernsehen? Und wenn es einer durchschaut hatte, hieß es nach dem ersten Treffer Game Over und der Münzschlitz musste wieder gefüttert werden.

Computer Space wurde ein Flop.

Nutting warf Bushnell vor, dass sein Spiel viel zu kompliziert sei, dieser wiederum fauchte zurück, dass Nutting eine indiskutable Marketingstrategie fahren würde. Bushnell beendete die Zusammenarbeit und erkannte: Computer Space war wirklich zu kompliziert.

„Im Dutch Goose lief es wirklich gut, Computer Space zog den Gästen die Vierteldollarmünzen regelrecht aus der Tasche“, erinnert er sich. „Allerdings hätte es in einer Arbeiterkneipe überhaupt keine Beachtung gefunden. Das Dutch Goose war eine Studentenbar, und nicht jeder hatte Lust, eine Anleitung vom Umfang einer halben Enzyklopädie zu lesen, um einen Spielautomaten zu verstehen.“

Die Menschen mussten das Spiel sofort verstehen, intuitiv spielen können. Eine Hemmschwelle aufgrund des Verständnisses des Spielprinzips dürfe es nicht geben.

Nutting war mittlerweile pleite, also musste Bushnell sich etwas anderes einfallen lassen, um seine Ideen umsetzen zu können.

Als er am 27. Juni 1972 Atari gründete, war er siebenundzwanzig Jahre jung. Gemeinsam mit Ted Dabney, einem ehemaligen Arbeitskollegen von Ampex, investierten beide jeweils zweihundertfünfzig Dollar in die Gründung einer Firma, die eigentlich Syzygy heißen sollte. Als er aber bemerkte, dass es bereits einen Kerzenproduzenten aus Mendocino dieses Namens gab, wählte Bushnell das japanische Wort für Schachmatt aus dem japanischen Brettspiel Go: Atari.

Der erste Vollzeit-Arbeitnehmerin in der Firmengeschichte Ataris war die damals siebzehnjährige Babysitterin von Bushnells Töchtern, Cynthia Villanueva. Bushnell heuerte sie als Sekretärin an und betreute sie mit dem Telefondienst. Die Anrufer sollten den Eindruck bekommen, dass Atari eine etablierte Firma war und kein vor wenigen Wochen gegründetes Unternehmen mit mehr Eigentümern als Angestellten. Das sah in der Praxis so aus, dass Cynthia einen Anruf entgegennahm und auf die Warteschleife legte. Dann rief sie durch das gesamte Büro „Es ist für dich, Nolan!“, woraufhin dieser noch eine Weile extra damit wartete, den Anruf entgegenzunehmen, um den Eindruck eines schwer beschäftigten Mannes zu vermitteln.

Villanueva wurde bei Atari schnell zum Mädchen für alles. Sie blieb insgesamt über zehn Jahre bei Atari, sogar länger als Nolan Bushnell.

Dieser stellte nach Cynthia einen ehemaligen Arbeitskollegen von Ampex ein, Al Alcorn. Für ein Monatsgehalt von eintausend Dollar wurde dieser zum Vizepräsidenten Ataris.

„Vizepräsident für Forschung und Entwicklung, Vizepräsident für Konstruktion, Vizepräsident für welchen Titel auch immer“, lachte Alcorn einmal darüber.

Alcorn sollte für Atari ein Spiel entwickeln, das simpel und fesselnd genug war, um die Menschen an Videospiele heranzuführen.

„Ich wollte Al erstmal etwas Einfaches zum Training schreiben lassen, also meinte ich zu ihm, er sollte doch einfach etwas mit einem Ball und zwei Schlägern programmieren“, so Bushnell.

Er sollte aber nicht merken, dass es sich um eine Übung handelte. „Nolan erzählte mir, es handele sich um eine Auftragsarbeit für General Electric“, berichtet Alcorn. „Das war schlichtweg gelogen. Er wollte mich an das Programmieren von Spielen heranführen. Erfolgreich werden wollte er aber mit einem Spiel, das noch komplexer war als Computer Space, nicht mit einem, das weitaus simpler war.“

Dieses als Fingerübung gedachte Videospiel hörte auf den Namen Pong.

Dabei war diese Spielidee aber keineswegs neu, schon gar nicht entsprang sie originär den kreativen Gedanken eines Al Alcorn. Vielmehr geht das Grundkonzept von Pong auf den amerikanischen Wissenschaftler William Higinbotham zurück, der 1958 am Brookhaven National Laboratory tätig war. Dort stand ein Tag der offenen Tür bevor, um der Bevölkerung die Arbeit und Technologien des Instituts näher zu bringen. Higinbotham nahm ein Oszilloskop und schrieb einen Schaltplan für eine Art elektrisches Tennis. Da es keine Rechen- oder Speicherkapazitäten für eine Computerintelligenz gab, ließ Higinbotham beide symbolischen Tennisschläger durch Eingabegeräte steuern. Den entsprechenden Analogcomputer schuf er in drei Wochen, rechtzeitig zum Tag der Offenen Tür war sein Projekt fertig: Tennis For Two. Auf dieser Veranstaltung spielte auch David Ahl eine Runde von Higinbothams Spiel. Als er Jahre später Publizist des US-Spielemagazins Creative Computing wurde, rief er Higinbotham zum Erfinder des Videospiels aus.

Der Forscher selbst sah in seinem Werk kaum mehr als einen Spaß.

„Für unsere wissenschaftliche Arbeit war es unwichtig“, sagte er.

Acht Patente meldete Higinbotham in seinem Leben an, Tennis For Two nicht.

Alcorn griff unbewusst Tennis For Two auf, erweiterte es aber um simple, aber effektive Kniffe: Die Schläger teilte er in je acht Segmente ein, von denen der Ball jeweils in einem anderen Winkel abprallte. Zusätzlich konnte er auch an der Spielfeldumrandung abprallen. Zuletzt ließ Alcorn den Ball nach einer bestimmten Anzahl Schlägerkontakten schneller fliegen. In einem war sich der Pong-Automat seinem Urahn aus den Fünfzigern aber ähnlich: Er konnte nur mit zwei Spielern gespielt werden, einen computergesteuerten Gegner gab es zunächst nicht.

Als das Spiel fertig war, besorgte er sich für fünfundsiebzig Dollar einen einfachen Schwarzweißfernseher und schraubte diesen in ein etwa hundertzwanzig Zentimeter großes Gehäuse, das in etwa wie ein Briefkasten aussah. Dann verlötete er die Technik komplett selbst per Hand. Insgesamt arbeitete er drei Monate lang an diesem Prototyp.

Bushnell und Dabney waren überrascht vom Ergebnis: Aus einer vermeintlichen Fingerübung war ein eigenständiges Spiel geworden. Bushnell benannte den Automaten nach dem Geräusch, das der Ball beim Auftreffen auf einen Schläger erzeugte – Pong.

Nun ging es an die Vermarktung. Ursprünglich bestand Bushnells Geschäftsidee darin, Ataris Produkte in Lizenz an andere Unternehmen zu verkaufen. Es gab einen Kontrakt mit Bally, für die Atari ein Rennspiel programmieren sollte, allerdings lag der Liefertermin noch in weiter Ferne. Für eine junge Firma wie Atari war der Vertrag mit Bally schon ein großer Erfolg, denn Bally galt seit den 1960er Jahren als Marktführer für Glücksspiel- und Flipperautomaten. Zahlreiche Firmen wie Midway Manufacturing (später Bally Midway) und das deutsche Unternehmen Guenther Wulff Apparatebau (später Bally Wulff) wurden in dieser Dekade akquiriert, um Ballys Marktführerschaft auszubauen.

Bushnell hatte nun Alcorns Pong-Spiel vorliegen und zögerte nicht, es Bally anzubieten. Sollten diese es anstelle des Rennspiels annehmen, hätte Atari seine vertraglichen Verpflichtungen schon weit vor dem vereinbarten Termin erfüllen können. Und tatsächlich: Bally signalisierte Interesse, wollte aber einen Modus für einen Spieler eingebaut haben.

Im September 1972 schleppten Bushnell und Alcorn den Pong-Automaten in Andy Capp’s Tavern, einer Billardkneipe, die in späteren Silicon Valley-Anekdoten höchstens noch von der legendären Garage übertroffen wird, in der Steve Wozniak und Steve Jobs werkelten. Sie hatten Monate zuvor bereits einen Computer Space-Automaten ins Automatenzimmer der Bar gestellt, nun stand direkt daneben Alcorns Pong-Prototyp. Der erste Videospielautomat mit außen angebrachter Münzbox war startklar.

Sie setzten sich mit ein paar Bier an einen Tisch und warteten ab, wie das Gerät in der ersten Nacht angenommen wurde. Zwei junge Männer betraten den Raum, einer schlenderte zum Computer Space-Automaten, der andere suchte den Pong-Automaten auf. Zunächst beäugte er den Automaten recht skeptisch, an dem die kurze, aber prägnante Spielanleitung aufgedruckt war: Avoid missing ball – nicht den Ball verfehlen. Der Kneipengast rief seinen Kumpel vom Computer Space-Automaten herbei und beide versuchten sich an Pong. Bis sie das Spielprinzip innehatten, waren schon acht Vierteldollarstücke Lehrgeld in die Münzbox gewandert. Interessierte Zuschauer scharten sich um das Gerät.

Was dann passierte, hat es mittlerweile zu einer Art urbanen Legende gebracht. Immer wieder liest man die Geschichte, dass Alcorn zwei Tage nach der Installation des Pong-Automaten einen verärgerten Anruf vom Kneipenwirt Bill Gattis erhielt, in dem dieser sich lautstark beschwerte, dass die neue Wundermaschine schon defekt sei. Und angeblich wäre Al Alcorn dann hinausgefahren zu Andy Capp’s Tavern und hätte gesehen, dass der Automat mit Münzen voll gestopft war und deswegen den Geist aufgegeben hatte.

Die Realität war, wie so oft, ein wenig anders.

Zwei Wochen später erhielt Alcorn tatsächlich einen Anruf: Gattis war allerdings nicht aufgebracht, sondern betont freundlich.

„Al, das ist verrückt“, berichtete er.

„Heute Morgen habe ich die Bar aufgesperrt, und zwei, drei Leute warteten schon vor der Tür, um rein zu kommen. Sie gingen rein und begannen sofort, an deiner Maschine zu spielen. Sie haben nichts getrunken, nichts gekauft. So was habe ich noch nie gesehen.“

Alcorn machte sich auf den Weg und stellte erstaunt fest: Die Münzbox war randvoll und übergelaufen. Eine Küchenkasserolle wurde eingebaut, die über tausendzweihundert Vierteldollarmünzen fasste. Die war sogar innerhalb einer Woche voll.

Bei Atari war man verzückt: Während die Flipperautomaten im Capp’s wöchentlich kaum mehr als vierzig Dollar einbrachten, setzte der simple Pong-Automat also nahezu dreihundert Dollar pro Woche um.

Bushnell wollte den nächsten Schritt machen und den Automaten selbst in Serie produzieren. Allerdings gab es ein Problem: Wenige Tage bevor Alcorn mit Gattis telefonierte, hatte sich Bushnell auf den Weg nach Chicago gemacht, um mit Bally-Midway weiter über Pong zu verhandeln. Als er zurückkehrte, traf ihn die Nachricht vom Erfolg des Testautomaten mit voller Wucht. Er musste also die laufenden Verhandlungen irgendwie abbrechen, wenn er Pong selbst in Serie herstellen wollte.

Also ging er hin und erzählte den Verantwortlichen bei Bally, dass Midway kein Interesse mehr an Pong habe. Daraufhin brach Bally die Verhandlungen ab. Im Anschluss ging Bushnell zu Midway und berichtete diesen, dass Bally Pong abgelehnt hatte. Also lehnte auch Midway ab. Bushnell hatte beide Seiten gegeneinander ausgespielt und so nun freie Bahn für eine eigene Fertigung von Pong.

Mit einigen Beraterjobs legte er etwas Geld zur Seite und kam schließlich auch zu einem Kredit über fünfzigtausend Dollar, den ihm Wells Fargo gewährte. Er richtete ein Fließband in einer aufgegebenen Rollschuhbahn ein und heuerte eine langhaarige Meute von Bastlern an. Diese Leute gabelte man im örtlichen Arbeitsamt auf, Drogensüchtige, Mitglieder von Motorradgangs, Hehler. Arbeiter, die ein gerade mal symbolisches Gehalt von 1,75 Dollar pro Stunde bezogen. Sie waren unter anderem damit beschäftigt, Motorola-Fernseher zu zerlegen, um die Bildschirme für die Pong-Automaten nutzen zu können. Monitore gab es damals noch nicht, und so wanderten Plastikgehäuse, Tuner und Fernbedienung der Billig-Fernsehgeräte in den Schrott.

Bushnell schaffte es, die gesamte Tagesproduktion, etwa zehn Geräte, an Advance Automatic Sales in San Francisco zu verkaufen, die sich auf den Vertrieb von Jukeboxen spezialisiert hatten. Portale Automatic aus Los Angeles kaufte weitere zehn Stück. Der Erfolg des Automaten aus Andy Capp’s Tavern sprach sich langsam herum.

Die Produktion eines Gerätes kostete Atari knapp vierhundert Dollar, verkauft wurden die Geräte für das Dreifache. Pong verkaufte sich immer besser, zeitweilig arbeiteten die Angestellten in Schichten von sechzehn Stunden. Bushnell stellte irgendwann jeden ein, der zufällig in der Tür stand.

Mittelfristig musste Atari sich vergrößern, wofür man frisches Kapital brauchte.

Die Vielzahl potenzieller Investoren traute diesem Videospiel-Braten nicht. Zu unbekannt war die Technik, zu skeptisch waren die Geldgeber. Als sich trotzdem ein paar Interessierte in die Produktionshalle von Atari begaben, um sich einmal anzuschauen, wie die Firma überhaupt agierte, machten alle wieder auf dem Absatz kehrt: Eine wilde, ungezügelte Horde Mitarbeiter arbeitete dann, wenn es ihnen passte – wenn überhaupt. Man trug zerfetze T-Shirts und dreckige Turnschuhe – wenn überhaupt. Biker, Junkies und Hippies – sogar Bushnell selbst waren seine Mitarbeiter unheimlich.

Steve Jobs, damals Angestellter bei Atari, erinnert sich: „Es roch überall nach Marihuana. Der ganze Raum stank danach, sogar die Klimaanlage war komplett zugenebelt. Bei manchen Leuten konnte man vor lauter Bart das Gesicht nicht mehr erkennen.“

Und da Ataris Arbeiter aus einem gewissen Milieu stammten, war es auch nicht weiter verwunderlich, dass ständig Fernsehgeräte und elektronische Bauteile aus der Halle verschwanden und beim nächsten Pfandhaus landeten. Als der Diebstahl ungeahnte Ausmaße angenommen hatte, blieb Bushnell nichts anderes übrig, als eine Reihe seiner Angestellten zu feuern. So bekam Atari zumindest dieses Problem in den Griff, aber nach Marihuana stank die Produktionshalle noch immer. Im Sommer 1977 heuerte Roger Hector bei Atari an, um die Fließbandarbeiter bei der Einhaltung der Liefertermine für die Sommerferien zu unterstützen.

„Es war bestürzend“, erinnert er sich. „Wenn ich aufs Klo ging, war der Boden voll mit gebrauchten Heroinspritzen.“

Ted Dabney verlor die Nerven. Als auch nach Monaten immer noch kein williger Investor in Sicht war (irgendwann kamen auch Gerüchte auf, dass Atari mit der Mafia verstrickt war), gab er auf und verkaufte auf Bushnells Druck seinen Firmenanteil an ihn.

Der schaffte es kurze Zeit später aber dann tatsächlich, Don Valentine von Atari zu überzeugen. Der Risikofinanzier und Gründer von Sequoia Capital galt bereits damals als einer der instinktsichersten Investoren in ganz Silicon Valley. Auch er hatte erfahren, dass Pong zu einem der profitabelsten Münzspielautomaten der Geschichte avancierte. Ein Automat brachte seinem Besitzer im Schnitt über zweihundert Dollar pro Woche ein. Andere Automatenspiele schafften gerade mal ein Viertel davon.

Steve Bristow war damals damit beauftragt, die Spielhallen abzufahren, in denen die Pong-Automaten standen, die in Ataris Besitz waren. Er hatte den Job, die Münzbehälter zu leeren und das Geld in die Firmenzentrale zu bringen.

„Ich fuhr immer mit meiner Ehefrau diese Touren“, erzählte er. „Irgendwann haben wir eine kleine Axt mitgenommen. Wir bekamen ja keine Erlaubnis für den Besitz einer Schusswaffe und fuhren schließlich ständig mit hunderten von Dollars durch die Gegend.“

Kurz danach wurde Bristow neben Al Alcorn leitender Ingenieur in der Konstruktionsabteilung.

Mit Valentines dringend benötigter Finanzspritze konnte Atari wie gewünscht die Expansion vorantreiben. Dabei bediente sich Bushnell auch allerhand betriebspsychologischer Tricks. Es gab einen firmeninternen Fond für ungewollte Schwangerschaften und für Kautionszahlungen, falls Mitarbeiter im Gefängnis gelandet waren. Das karge Stundengehalt wurde mit Bonuszahlungen aufgewertet, Angestellte durften gratis an den Automaten spielen. Das Durchschnittsalter der Belegschaft war lächerlich niedrig.

„Wir waren Twens, meine Vizepräsidenten und ich“, erklärt Bushnell. „Viele unserer Angestellten waren sogar noch Teenager.“

Die Treffen des Vorstands liefen nicht weniger unkonventionell ab. Hinter seinem Haus hatte Bushnell einen Whirlpool bauen lassen, in dem sich der Vorstand gerne das heiße Wasser um die Nase blubbern ließ und dabei die wichtigsten Themen aus der Firma diskutierte. Gerüchten zufolge ist bei diesen Treffen in der Badewanne auch massenhaft Alkohol genossen und reichlich mit Drogen experimentiert worden, was Bushnell aber nie bestätigen wollte. Überliefert ist nur eine Anekdote, nach der Bushnell während eines solchen Treffens im Büro anrief und nach Frau „wer auch immer“ verlangte, die ihm dringend benötigte Unterlagen bringen sollte. Als eine Angestellte mit den Dokumenten bei Bushnell eintraf, fand sie den gesamten Unternehmensvorstand ausgelassen feiernd in einem Whirlpool im Garten vor. „Work smart, party hard“ galt damals als Unternehmensphilosophie.