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Chaos im Kopf. Stille im Herzen. Und mittendrin die Liebe. Simone hat ADHS und Depressionen. Lars hat Asperger. Seit zwanzig Jahren sind sie ein Paar – zwischen Listen, Schweigen, Lachanfällen und Tassenbergen. Ihr Alltag besteht aus Spülmaschinenkrisen, Elternbesuchen, Therapiesitzungen und der ständigen Frage, wie man zusammenbleibt, wenn man sich immer wieder verpasst. Zum Glück gibt es Till, zehn Jahre alt, weise über sein Alter hinaus – und Lotte, die treueste Tierschutzhündin der Welt. Und dann ist da noch Marc, Lars' Bruder, der bald nach Südfrankreich aussteigen will. Während Simone versucht, zwischen innerem Durcheinander und äußerem Erwartungsdruck nicht den Humor zu verlieren, entdeckt sie: Liebe ist kein Zustand. Liebe ist eine Entscheidung. Jeden Tag neu. "Und trotzdem wir" ist ein warmherziger, schreiend komischer Roman über neurodiverse Beziehungen, das ganz normale Familienchaos – und die kleinen Momente, in denen alles plötzlich Sinn ergibt.
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Seitenzahl: 126
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Und trotzdem wir
Leben mit Liebe, Listen und Lotte
Für alle, die anders sind.Und für die, die sie trotzdem lieben.Für die, die morgens schon müde sindund trotzdem aufstehen.Für die, die Listen schreibenund dann den Stift verlieren.Für die, die sich täglich neu sortierenund dabei ihr Herz nicht verlieren.
Für Lars. Für Lotte. Fürs Leben.
Inhalt
Kapitel 1 – Willkommenschaos mit Keks
Kapitel 2 – Zwischen Lotte, Listen und Lautstärke
Kapitel 3 – Der Notar, das Croissant und die Puppenwand
Kapitel 4 – Gassi mit Gott und der Welt
Kapitel 5 – Pflanze kaputt, Gefühl gerettet
Kapitel 6 – Ouzo, Kuchen und das Flüstern der Tagesschau
Kapitel 7 – Löwental, Luft und Lagerfeuerfantasien
Kapitel 8 – Porzellanlächeln und Puppenpanik
Kapitel 9 – Zwischen Kuchen und Klarheit
Kapitel 10 – Rotwein auf der Parkbank
Kapitel 11 – Gesprächsfetzen mit Schleppleine
Kapitel 12 – Manolo bellt nicht
Kapitel 13 – Donnerstags bei Björn
Kapitel 14 – Navigationssysteme und Nervenzusammenbrüche
Kapitel 15 – Schleusenmomente
Kapitel 16 – Alte Freundschaft, neue Geschichten
Kapitel 17 – Westie-Wirrwarr und Wahrheitssplitter
Kapitel 18 – Das Picknick und der falsche Käse
Kapitel 19 – Besuch bei den Puppen
Kapitel 20 – Zwischen Zigarettenrauch und Lavendelträumen
Kapitel 21 – Donnerstag bei Björn
Kapitel 22 – Rotwein auf der Parkbank
Kapitel 23 – Im Volkswald verloren
Kapitel 24 – Flugzeuge im Bauch
Kapitel 25 – Puppen, Pasta und Panik
Kapitel 26 – Chips, Chaos und das Universum
Kapitel 27 – Daniel, das Phantom
Kapitel 28 – Teresa, Tofu und tiefer Fall
Kapitel 29 – Marc und die Melone
Kapitel 30 – Isabell und die Parkbank
Kapitel 31 – Heike, Hunde und halbe Sätze
Kapitel 32 – Till, Max und das Mathe-Massaker
Kapitel 33 – Claudia, Kaffee und kluge Fragen
Kapitel 34 – Gerd, Elfi und das Fernbedienungsdrama
Kapitel 35 – Parkbank mit Isabell
Kapitel 36 – Die Sache mit der Zahnpasta
Kapitel 37 – Balkonbesuch mit Bulli-Überraschung
Kapitel 38 – Nachtwald und Rotweinbeichte
Kapitel 39 – Pflanze kaputt, Herz heil
Kapitel 40 – Wiese der Wahrheiten
Kapitel 41 – Die Sache mit der Spülmaschine
Kapitel 42 – Die Sache mit dem Handbuch
Kapitel 43 – Supermarktsymphonie
Kapitel 44 – Popcorn und Paardialoge
Kapitel 45 – Sonntagsfrühstück bei Elfi und Gerd
Kapitel 46 – Zwischen Bäumen und Bekenntnissen
Kapitel 47 – Der Gartenmoment
Kapitel 48 – Der Elternabend
Kapitel 49 – Teresa und der gute Kaffee
Kapitel 50 – Ein Sonntag bei Elfi und Gerd
Kapitel 51 – Zwischen Wäschebergen und Wahrheit
Kapitel 52 – Das Wetter in meinem Kopf
Kapitel 53 – Was du nicht sagst
Kapitel 54 – Die Sache mit der Schaukel
Kapitel 55 – Das Echo
Kapitel 56 – Der Knoten
Kapitel 57 – Der stille Knall
Kapitel 58 – Der Kühlschrank und andere Geheimverstecke
Kapitel 59 - Mein innerer Eisbär war’s
Kapitel 60 - Still, gut und da.
Kapitel 61 – Vanlife-Visionen
Kapitel 62 – Flipchart und Farbpalette
Kapitel 63 – Das Einhorn-Eklat
Kapitel 64 – Der Kühlschrank und das Portemonnaie
Kapitel 65 – Post aus Südfrankreich
Kapitel 66 – Drei auf der Isenburg
Kapitel 67 – Parkbank und Rotwein
Kapitel 68 – Unausgesprochen
Kapitel 69 – Kartoffel trifft Kunst
Kapitel 70 – Teresa, Tee und zehn Jahre später
Kapitel 71 – Elternabend im Quadrat
Kapitel 72 – Superkräfte
Kapitel 73 – Unter Hundefreunden
Kapitel 74 – Der Zettel an der Brotdose
Kapitel 75 – Zwischen Trödel und Tränen
Kapitel 76 – Ein Satz von Kira
Kapitel 77 – Zwischen Rotwein und Realität
Kapitel 78 – Die große Spülmaschinenfrage
Kapitel 79 – Zwischen den Welten
Kapitel 80 – In all den Zwischenräumen
Epilog
Danksagung
Nachwort der Autorin
Zum Schluss…
Titel des Buches: Und trotzdem wir. Leben mit Liebe, Listen und Lotte
Autorin: Danielle Ahrens
Herausgegeben von: epubli
Auflage 2025
Und trotzdem wir
Es war Sonntag. Es war zu spät. Und es war wie immer.
„Wir sind zu spät“, sagte Lars.
Ich blickte auf die Uhr. 17:42 Uhr. Genau zwölf Minuten hinter dem Zeitplan, den meine Eltern nie offiziell aufgestellt, aber innerlich festbetoniert hatten.
„Das ist okay“, sagte ich, während ich versuchte, den veganen Apfelkuchen samt Plastikhaube, Lottes Leine, Till und meine Jacke gleichzeitig zu koordinieren. „Deine Mutter wäre jetzt noch beim Staubwischen.“
„Es geht um deine Eltern“, entgegnete Lars sachlich.
„Ach so. Dann ist es in Ordnung, wenn wir zu früh sind. Oder zu spät. Oder gleichzeitig.“
Lars sagte nichts. Was bei ihm bedeutete: Ich hatte recht, aber er war damit nicht einverstanden. Neurodiverse Kommunikation in Reinkultur. Ich war das bunte Karussell, er die Gerade.
Lotte sprang aufgeregt um uns herum, wedelte mit dem Schwanz, schleckte mir über die Knie. Unsere Tierschutzhündin – ein Mix aus Straßenüberleben und Sofasucht. Seit sie bei uns war, hatte sie jeden stillen Moment mit einem Seufzer kommentiert.
„Mama, darf ich den Wal mitnehmen?“
Till stand im Flur, den blauen Lego-Wal in der Hand, sein Gesicht voller Neugier. Zehn Jahre alt, sensibel, klug, mit einem Hang zu Meeresbiologie und Familienanalysen.
„Nur, wenn du nicht versuchst, ihn im Waschbecken schwimmen zu lassen.“
„Ich kann nichts versprechen.“
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Wir wohnen in Essen-Bredeney, in einer Altbauwohnung mit knarzenden Dielen und Blick auf viel Himmel. Wenn ich zur Ruhe kommen will, gehe ich mit Lotte den Wanderweg rund um den Baldeneysee entlang. Lars dagegen beruhigt sich mit Tabellen. Und Till? Der taucht in Walbücher ab.
Als wir schließlich bei meinen Eltern in Heidhausen ankamen – 17:59 Uhr, also offiziell „verspätet“ laut Gerds innerem Atomzeitgefühl – stand Elfi schon in der Tür. Im Bademantel. Mit Lippenstift. Und einem Ouzo.
„Kinder! Kommt rein, der Kartoffelsalat ist schon warm.“
„Salat ist kalt, Mama.“
„Nicht, wenn er mit Liebe gemacht ist.“
Elfi – meine Mutter – war eine Mischung aus Ruhrpott-Matriarchin und improvisierter Feelgood-Köchin. Sie glaubte an Kuchen als Kommunikationsmittel und an Ketten mit Tierkreiszeichen.
„Simone, Schatz, dein Lieblingskuchen! Mit echten Streuseln. Keine Bio-Matsche.“
Ich nickte dankbar. Lotte zog an der Leine, Till flitzte mit seinem Wal durch den Flur. Lars blieb stehen, als müsste er die Raumtemperatur analysieren.
„Es riecht nach Lavendel und Wurst“, sagte er.
„Danke, mein Lieber.“ Elfi strahlte. „Ich hab extra geputzt.“
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Am Tisch lief wie immer der Fernseher – diesmal ein Quiz über nordische Seen. Gerd, mein Vater, kaute bedächtig und murmelte: „Vänernsee. 153 Meter. Skandinavien hat Tiefe.“
„Papa, wir sind hier.“
„Ich weiß.“
Er lächelte.
Lars sortierte die Besteckreihen. Ich schaufelte Kuchen in mich hinein, als könnte er emotionale Lücken füllen. Till erklärte währenddessen, dass der Bodensee eigentlich unfair tief sei, weil er zur Schweiz gehöre. Gerd klopfte zustimmend auf den Tisch.
Lotte hatte unterdessen ihre große Stunde: Sie zog plötzlich eine Socke unter dem Tisch hervor – zerkaut, stolz präsentiert. Gerd verschluckte fast den Ouzo.
„Das ist... charmant“, sagte Lars.
„Das ist unser Leben“, murmelte ich.
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„Sag mal“, begann Elfi, „ist Lars eigentlich immer noch so still oder nur, wenn ihr hier seid?“
Lars hob den Blick. „Ich denke noch.“
„Worüber?“
„Ob ich den Fernseher ignorieren kann.“
„Ach so.“ Sie schenkte nach. „Ouzo, Schatz?“
„Nur einen kleinen.“
„Wie immer. Nur zum Heimfahren reicht’s.“
„Mama…“
„Ich sag ja nur.“
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Wir aßen zu dritt, Lars trank Tee, Lotte sabberte unter dem Tisch. Und ich spürte etwas, das ich selten zuließ: einen Moment des Angekommenseins. Zwischen Fernseher, Kartoffelsalat und falsch herum liegendem Besteck.
„Weißt du noch, Simone“, begann Elfi, „als du als Kind mal mit einem Ziegelstein geschlafen hast, weil du gesagt hast, er wäre dein Haustier?“
„Der hieß Otto“, sagte ich.
Till prustete los. Lars notierte es im Kopf. Ich sah’s in seinen Augen.
Und genau da – zwischen Lachen und Lauschen – fiel mir auf: Vielleicht war das hier nicht perfekt. Nicht heil. Nicht logisch.
Aber es war… wir.
Und das war genug. Für heute.
Montagmorgen. Oder wie Lars es nannte: „Fehlstart mit System“. Die Kaffeemaschine zischte, als wolle sie sich beschweren. Lotte bellte in Richtung der Haustür – entweder stand jemand davor, oder ein Blatt hatte sich bewegt.
Ich tastete im Halbschlaf nach meinem Handy, während Lars mit Stirnlampe den Frühstückstisch deckte.
„Warum das Licht?“ murmelte ich.
„Energieeffizienz. Nur fokussiertes Licht.“
Ich schielte auf die Uhr. 06:43 Uhr. Unser Wecker war kein Ton, sondern Till, der um Punkt sieben seine Delfindokumentation anwarf. Es war sein innerer Rhythmus – und unsere tägliche Symphonie aus Flipperspielen, Brotdosenstress und „Wo ist mein Mathebuch?!“
Ich stand auf, stolperte über Lottes quietschende Giraffe, öffnete das Fenster. Ein kühler Luftzug, und irgendwo in der Ferne hörte man die Bahn in Essen-Werden vorbeifahren. Unser Viertel in Bredeney schlief noch. Nur wir nicht.
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„Was steht heute auf deiner Liste?“ fragte ich Lars.
Er hob eine Augenbraue. Dann holte er seelenruhig eine laminierte A4-Seite hervor. Spalten, Unterspalten, Kontrollkästchen.
„Frühstück. Spülmaschine. Mails. 9:00 Projektbesprechung. 9:30 Kaffeepause. 9:45 Rückmeldung an Frank.“
„Du planst Pausen ein?“
„Ich bin kein Barbar.“
Ich lachte. „Ich liebe dich dafür.“
Lars sagte nichts, aber seine Hand strich im Vorbeigehen über meinen Rücken.
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Till kam in die Küche gestürmt. „Mama! Lotte hat in mein Schuhregal gespuckt!“
„Das ist biologisch nicht möglich“, sagte Lars.
„Es riecht aber so!“
Ich seufzte. Lotte saß unschuldig unterm Tisch, als hätte sie gerade den Nobelpreis für Gehorsamkeit gewonnen. Ihre Ohren zuckten. Ihre Rute wedelte. Und in ihrem Maul: Tills linker Turnschuh.
„Da ist mein Schuh! Danke, Lotte.“
Ich schickte Till los zur Schule, fuhr mir durch die Haare, zog die Kaffeemaschine nochmal auf null und sah Lars an.
„Heute ist Montag.“
„Das stimmt.“
„Wir schaffen das.“
„Wie immer.“
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Später, beim Spaziergang mit Lotte durch den Volkswald in Heidhausen, traf ich Heike. Sie hatte wie immer ihren Westie Albert dabei und trug die pinke Mütze, die ihr Gesicht aussehen ließ wie eine explodierte Zuckerwatte.
„Simone! Wie schön, ich dachte schon, du wärst mit dem Zirkus durchgebrannt.“
„Nur fast. Wie geht’s Albert?“
„Besser als mir. Ich hab wieder was mit der Hüfte. Und mit der Heizung. Und mit dem Herz. Aber sonst: wunderbar.“
Unsere Gespräche waren wie Pingpong mit drei Bällen. Themen sprangen, Lacher platzten, Gedanken liefen ineinander über. Ich liebte diese Gassirunden – nicht, weil sie sinnvoll waren, sondern weil sie echt waren.
Albert schnupperte an Lottes Nase. Die beiden verstanden sich blind. So wie wir.
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Wieder zu Hause, ließ ich mich aufs Sofa fallen. Lotte legte den Kopf auf meinen Schoß. In solchen Momenten spürte ich, wie sehr dieser Hund mein Nervensystem verstand. Oder vielleicht auch einfach: mitregulierte.
Ich nahm das Handy in die Hand. Drei Nachrichten von Marc.
> „Ich hab den Termin beim Notar gemacht.“
> „Könntest du mitkommen?“
> „Ich hab Schiss, Simone.“
Ich starrte auf den Bildschirm. Mein großer Schwager – der Mann, der Kneipen als Wohnzimmer betrachtete – hatte Angst.
Ich tippte zurück:
> „Klar. Ich bin dabei. Aber ich will ein Croissant danach.“
Und dann legte ich das Handy weg, strich Lotte durchs Fell und flüsterte: „Und trotzdem wir.“
„Wie viel Uhr?“
„13:47“, sagte Lars, ohne aufzusehen.
„Wir wollten doch um 14 Uhr los!“
„Ich weiß. Wir haben noch 13 Minuten.“
„Und du sitzt hier… und machst Sudokus?“
„Nein. Ich schreibe eine Mail an Frank. Sudoku ist für den Abend reserviert.“
Ich stand im Flur, suchte meine Tasche, meine Würde und die Unterlagen für Marcs Notartermin. Die Hündin war längst startklar. Lotte saß mit angewinkelten Ohren neben der Tür, wie ein Zen-Meister, der auf Erleuchtung wartete. Oder wenigstens auf den ersten Schritt Richtung Auto.
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Marc hatte uns gebeten, ihn zum Notar zu begleiten. Er würde sein Elternhaus verkaufen – das Haus, in dem Lars und er aufgewachsen waren. Und das bedeutete: Sigrids Puppen mussten raus.
Schon auf der Hinfahrt schwieg Lars länger als sonst. Nicht sein wohltuendes Stille-Schweigen, sondern das dichte Asperger-Schweigen. Ich wusste, dass ihn der Gedanke an den Abschied innerlich beschäftigte – aber Worte waren nicht sein bevorzugtes Werkzeug.
„Was geht dir durch den Kopf?“ fragte ich irgendwann.
„Ich frage mich, wie viele Puppen exakt auf einem Billy-Regalboden Platz haben.“
Ich nickte. „Das ist… eine berechtigte Frage.“
„Und wie man sie ohne Staubverlust verpackt. Sigrid hatte eine Systematik. Ich fürchte, sie ist verloren.“
Ich lachte leise.
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Vor dem Notariat stand Marc. Lederjacke, Zigarette, unsicherer Blick.
„Du bist gekommen“, sagte er zu mir, nicht zu Lars.
„Ich hab’s versprochen.“
„Und das Croissant?“
„Kommt danach. Vielleicht auch zwei.“
Der Termin selbst war so unspektakulär wie herzschwer. Ein paar Unterschriften, ein paar Papiere. Marc zündete sich danach sofort die nächste Zigarette an.
„War schlimmer als meine Scheidung.“
„Hast du die überhaupt richtig verarbeitet?“ fragte ich.
„Scheidung? Die hab ich weggesoffen.“
„Und den Hausverkauf?“
„Vielleicht back ich Kuchen.“
Ich grinste.
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Anschließend saßen wir am alten Wasserbahnhof in Mülheim. Die Sonne brach durch eine Wolkendecke, die wie ein grauer Teppich über dem Fluss lag.
„Ich fahre wirklich“, sagte Marc. „In zwei Monaten.“
„Südfrankreich?“
Er nickte.
„Und was machst du mit dem ganzen… Zeug?“
„Einlagern. Verschenken. Wegschmeißen. Jonas nimmt ein paar Sachen mit.“
Ich sah ihn scharf an. „Jonas?“
„Ach, nichts Ernstes. Der Bulli ist einfach groß genug für zwei.“
„Aber…?“
„Keine Fragen, Simone. Lass es einfach so stehen.“
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Abends fuhren wir zu Benno und Sigrid. Als wir ins Wohnzimmer traten, glitzerten uns hundert Puppenaugen entgegen. Die Regale standen noch. Nur ein leerer Platz in der Mitte – wo früher Sigrids Liebling stand.
„Sie ist in der Reinigung“, sagte Sigrid.
Ich nickte. „Natürlich.“
Till schob sich hinter mich. „Ich will hier nicht schlafen.“
„Musst du auch nicht.“
Benno bot mir Kaffee an. „Mit oder ohne entkoffeiniertem Koffein?“
„Was auch immer das ist – ohne, bitte.“
Lars sagte kein Wort. Aber seine Hand lag kurz auf meinem Knie.
Und ich dachte: Vielleicht ist das unsere Version von Liebe.
Und trotzdem wir.
„Albert hat heute Morgen wieder auf den Toaster gebellt.“
Heike sagte das, als wäre es die natürlichste Sache der Welt.
Ich zog die Augenbrauen hoch. „Wieso?“
„Er hat sich im Chrom gespiegelt. Er denkt, da wohnt ein zweiter Hund. Ein eingebildeter, versteht sich.“
Lotte und Albert schnüffelten derweil an derselben Grasstelle, als hätten sie ein geheimes Abkommen. Wir liefen unsere übliche Runde durch den Bredeneyer Wald. Die Bäume warfen lange Schatten, die Nachmittagssonne hatte goldene Kanten.
„Weißt du, was ich manchmal denke?“ Heike ließ sich auf keinen Gesprächszweig festnageln. „Ich denke, mein Thermomix hasst mich.“
„Ich dachte, du liebst ihn.“
„Tu ich. Aber er ist passiv-aggressiv. Immer wenn ich Reis machen will, schäumt er über. Das ist doch ein Zeichen.“
Ich lachte. Laut. Es war genau das, was ich brauchte.
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Heike war meine Nachbarin, Gassi-Partnerin und wahlweise auch Seelenklempnerin. Unsere Gespräche sprangen schneller als mein ADHS-Gehirn – und das war beruhigend. Sie schien mein Tempo zu verstehen.
„Simone, hast du jemals darüber nachgedacht, was wäre, wenn dein Hund ein früherer Mönch war?“
„Äh… nein?“
„Albert hat diese Aura. So ein inneres Glockenläuten. Vielleicht meditiert er heimlich.“
Ich schmunzelte. „Lotte meditiert auch. Meistens neben dem Napf. In Trance.“
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Wir kamen an der kleinen Wiese beim alten Rathaus vorbei. Die Hunde tobten durchs Gras, Lotte mit ihrer typischen Spiraltechnik, Albert in senkrechten Hüpfern.
„Und, wie geht’s euch sonst?“ fragte Heike.