Was bleibt, sind wir. - Danielle Ahrens - E-Book

Was bleibt, sind wir. E-Book

Danielle Ahrens

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Beschreibung

"Was bleibt sind wir" ist eine warmherzige, tiefgründige und humorvolle Liebeskomödie über neurodiverse Beziehungen, mentale Gesundheit und das stille Glück im Alltagschaos. Simone lebt mit ADHS und Depressionen – ihr Mann Lars mit Asperger. Zwischen Familienwahnsinn, Therapie, tierischer Liebe und Tüten voller Selbstzweifel sucht sie ihren eigenen Weg. In 24 Therapiesitzungen mit dem empathisch-ironischen Björn beginnt Simone, sich selbst neu zu begegnen. Mit einem verlorenen Hund, einer besten Freundin mit Burnout, fragwürdigen Eltern und einem Ehemann, der Gefühle lieber durch Gleispläne ausdrückt, entwickelt sich ein Roman, der ehrlich und komisch zugleich ist – über das Leben zwischen Normalität und Neurodivergenz. Für alle, die sich manchmal falsch fühlen – und doch genau richtig sind.

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Seitenzahl: 82

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Was bleibt, sind wir.

24 Akte einer platonischen Liebe

Für „Björn“

der mir zugehört hat,

ohne zu urteilen.

Der mir beigebracht hat,

meine Gedanken nicht mehr zu bekämpfen,

sondern zu betrachten.

Der mit wenigen Worten

mehr in Bewegung gesetzt hat

als ich je für möglich hielt.

Danke.

Für die Menschlichkeit.

Für den Raum.

Für das „Schön, dass Sie da sind.“

Titel des Buches: Was bleibt, sind wir. 24 Akte einer platonischen Liebe

Autorin: Danielle Ahrens

Herausgegeben von: epubli

Auflage 2025

Inhalt

Akt 1 – Warum sind Sie hier?

Der Typ mit den Flausen

Akt 2 – Ich bin müde, nicht faul

Donnerstag, Woche 3

*

Heulen auf Gleis 3

Akt 3 – Der Sockenwurf

*

Nähe mit Abstand

Akt 4 – Ich bin doch die Erwachsene

Donnerstag

Blüten im Supermarkt

Akt 5 – Und dann kam Flocke

Die Sache mit dem Wasserkocher

Akt 6 – Zwischen Wurstwasser und Welpenkacke

Das neue Ich steht im Flur

Von Listen und Leben

Akt 7 – Was sollen denn die Nachbarn denken

Einmal Reißleine, bitte

Das mit dem Gespräch

Reiß dich zusammen (Deluxe Edition)

Akt 8 – Donnerstag ist kein Tag für Veränderung

Und plötzlich tanzen wir

Akt 9 – Die Frau, die tanzt

Die Sache mit dem Herz

Akt 10 – Die Ferndiagnose

Dienst nach Vorschrift

Der Spülmaschinenkrieg

*

Navigationssysteme

*

Essen auf dem Sofa

Akt 11 – Donnerstags um halb neun

IKEA im Kopf

Kira ruft an

Akt 12 – Die Nacht gehört uns

*

Von Lasagne, Listen und Lars

Akt 13 – Diagnose auf Distanz

Die Bank der Freiheit

Donnerstags um halb zehn

Akt 14 – Wenn Worte fehlen

Stillleben mit Keksdose

Akt 15 – Die Dinge, die keiner sieht

Herz auf Autopilot

Das mit dem Käse

Akt 16 – Die Eisenbahn in seinem Kopf

*

Der Apfelkuchen

Akt 17 – Die Trauer, die bleibt

*

Der Typ mit den Flausen

*

Kira ruft an

Akt 18 – Fell, Flausen, Felsen in der Brandung

Einfach weg sein

Frag Lars

In der Schleife

Wein mit Isabell

Akt 19 – Kontrollverlust

Besuch bei Elfi und Gerd

Akt 20 – Nähe

Schussel mit System

Akt 21 – Alles auf Anfang

Rückblende in der Küche

Der Zettel im Jackenärmel

Akt 22 – Ich und die anderen

Überlebt

Akt 23 – Das Lied

Alles wie Kraut und Rüben

Übergang

Akt 24 – Lottes Blick

Chips im Sonnenuntergang

Die erste Leinwand

*

Grugapark

Delfine

24 Akte einer platonischen Liebe

Epilog – Und trotzdem wir

Danksagung

Was bleibt, sind wir

Akt 1 – Warum sind Sie hier?Ich war zu früh.Zwölf Minuten. Das wusste ich genau, weil ich seit elf Minuten auf mein Handy starrte und den Countdown beobachtete, wie eine Abfahrtstafel vor einem zu langsamen Zug. Draußen hatte es gerade aufgehört zu regnen. Meine Jacke war klamm, meine Gedanken laut. Mein linker Fuß schlief ein. Ich versuchte, still zu sitzen, um nicht aufzufallen – dabei war niemand da, bei dem ich auffallen konnte.Björn war noch nicht da. Oder vielleicht war er da und beobachtete mich gerade durch die milchige Scheibe in der Tür. Vielleicht beurteilte er meine Haltung. Meine Tasche. Meinen zu kurzen Pony.Dann öffnete sich die Tür.'Simone?'Ich nickte.'Kommen Sie rein.'Seine Stimme war warm. Nichts Besonderes eigentlich. Aber sie klang nicht so, als würde er gleich die Uhr stoppen, um mich dann zu analysieren. Eher wie jemand, der schon wusste, dass ich gleich alles falsch machen würde – und es trotzdem aushalten konnte.Der Raum war gemütlich. Nicht wie beim Zahnarzt. Eher wie ein sehr geordnetes Wohnzimmer. Ich setzte mich auf das kleinere Sofa. Das war offenbar ein Fehler.Björn reichte mir ein Glas Wasser. Ich nahm es. Hielt es fest.'Warum sind Sie hier, Simone?'Ich wollte etwas sagen. Ich hatte mir extra Sätze überlegt. Aber mein Hals war trocken, mein Kopf leer. Ich schluckte. Ich versuchte zu lächeln. Dann kam nur ein Flüstern:'Ich weiß es nicht.'Tränen stiegen in mir auf. Ich hatte nicht geplant zu weinen. Nicht in der ersten Stunde. Nicht vor ihm. Aber mein Körper war anderer Meinung. Es brach einfach alles aus mir heraus. Wortlos. Haltlos. Ich fühlte mich erbärmlich.Er ließ mich. Sagte nichts. Reichte mir ein Taschentuch. Ich murmelte etwas wie: 'Es ist doch nur ein Luxusproblem. Mir geht’s doch eigentlich gut. Andere haben es viel schlimmer.'Da hob er zum ersten Mal die Augenbraue. 'Das ist ein interessanter Gedanke. Aber ganz ehrlich? Wenn es Ihnen gut ginge, wären Sie nicht hier.'Ich nickte. Irgendwie erleichtert.Dann erzählte ich. Von meinem Job, der keiner mehr war. Vom neuen Job, der sich wie ein Rückschritt anfühlte. Vom Gefühl, allen hinterherzurennen. Der Familie, den Ansprüchen, mir selbst.'Ich kann nicht mehr alles gleichzeitig halten', flüsterte ich. 'Und wenn ich eins loslasse, fällt alles auseinander.'Er schrieb nichts auf. Er hörte einfach nur zu.Als ich nach draußen ging, regnete es wieder. Aber diesmal machte es nichts.

*

Der Typ mit den Flausen

Donnerstagabend. Ich komme von der ersten Therapiestunde zurück, setze mich schweigend an den Küchentisch und kaue auf einem halbkalten Toast. Lars liest die Gebrauchsanleitung für unseren neuen Luftreiniger. Er hat einen Marker in der Hand. Orange.

„Und?“, fragt er, ohne aufzusehen.

Ich nicke.

„War gut“, sage ich.

„Und? Hat er dich direkt geheilt?“, fragt Lars, diesmal mit einem schmalen Grinsen. Es ist sein Versuch, Humor zu zeigen. Manchmal gelingt es. Manchmal eher so mittel.

Ich sehe ihn an. Seine Brille ist beschlagen. Wahrscheinlich, weil er gerade den Filterwechsel beschrieben hat.

„Er hat gesagt, ich soll mal mehr auf mich achten.“

„Aha.“

„Und, dass ich aufhören soll, mich für alles verantwortlich zu fühlen.“

„Das sag ich dir seit acht Jahren.“

„Ja, aber er meint es mit therapeutischem Hintergrund.“

Lars sagt nichts mehr. Ich weiß, dass er denkt. Dass er sich fragt, ob dieser Typ mir jetzt jede Woche neue Ideen in den Kopf pflanzt. Als ob ich nicht schon genug Ideen hätte.

„Er hat auch gesagt, ich soll mal wieder was Kreatives machen. Malen oder so.“

Jetzt schaut Lars auf. „Was, wie in der Grundschule?“

„Ja. Nur mit mehr Emotion.“

Er legt den Marker beiseite.

„Du weißt, dass du Farben nach Gefühl auswählst, und ich dann zwei Stunden lang versuche, rauszufinden, ob das eine Form oder ein Notruf ist?“

Ich lache. Laut. Und es fühlt sich gut an.

Till kommt in die Küche gestampft, barfuß, mit einem Playmobil-Feuerwehrmann in der Hand.

„Mama, warum warst du beim Arzt? Bist du krank?“

Ich zögere.

„Ein bisschen“, sage ich. „Im Kopf.“

Till nickt. „So wie Papa, wenn er Modellbau macht?“

Ich lache wieder. Noch lauter.

Und Lars? Lars dreht den Luftreiniger auf Stufe drei.

Akt 2 – Ich bin müde, nicht faulBjörn reichte mir ein Glas Wasser. Ich hatte nicht darum gebeten, aber es stand plötzlich vor mir. Als hätte er geahnt, dass mein Hals schon wieder kratzte, obwohl ich gar nicht gesprochen hatte.'Wie war die Woche?', fragte er.Ich kicherte. 'Das klingt wie beim Smalltalk. Wollen Sie wirklich wissen, wie sie war?''Nur wenn Sie mir nicht erzählen, dass es ein Luxusproblem ist.'Touché.Ich lehnte mich zurück. 'Ich bin müde. Nicht nur körperlich. Auch so müde vom Mühegeben. Ich habe das Gefühl, ich laufe mit Anlauf gegen eine Wand. Jeden Tag.'Er nickte. 'ADHS kann sich genau so anfühlen. Alles ist zu viel – aber gleichzeitig hat man Angst, nichts zu tun.'Ich sah ihn an. 'Glauben Sie, ich hab das?'Er zuckte mit den Schultern. 'Ich diagnostiziere nicht nach zwei Sitzungen. Aber es gibt Muster. Und Sie beschreiben viele davon. Die Reizüberflutung. Die emotionale Erschöpfung. Der ständige innere Antreiber.'Ich spürte, wie mein Herz schneller schlug. Einerseits fühlte ich mich ertappt. Andererseits… war es auch eine Erleichterung. Vielleicht war ich gar nicht faul. Oder undiszipliniert. Vielleicht war ich einfach… erschöpft.'Ich kann nicht mal abschalten, wenn ich alleine bin', sagte ich. 'Mein Kopf macht keine Pause. Ich kann nicht mal ein Buch lesen, ohne fünfmal vom Sofa aufzustehen.''Und was machen Sie dann?''Was suchen. Oder was putzen. Oder googeln, ob man mit acht Jahren schon Legasthenie haben kann.'Er lachte. 'Und dann landen Sie bei einem Artikel über Wale in der Ostsee?''Exakt!'Wir lachten beide. Zum ersten Mal war der Raum leicht.Dann wurde ich still. 'Ich habe das Gefühl, ich funktioniere nur noch. Aber ich lebe nicht.'Er nickte. 'Was wäre denn „leben“ für Sie?'Ich schloss die Augen. 'Einmal morgens aufwachen und nicht sofort an die To-do-Liste denken. Einmal nach Hause kommen und nicht das Gefühl haben, versagt zu haben. Einmal nicht schreien, wenn Till sein Brot falsch herum schmiert.'Er schrieb etwas auf. Dann sah er mich an. 'Ich glaube, wir finden da was. Aber es wird dauern.'Ich nickte. Und zum ersten Mal war das okay für mich.

*

Donnerstag, Woche 3Es war wieder Donnerstag. Der Tag, an dem ich nicht arbeitete, aber so tat, als wäre Therapie ein vollwertiger Job. Ich zog mich an wie für ein Bewerbungsgespräch, fuhr zu früh los und parkte absichtlich ein Stück weiter weg – um Zeit zu haben, in mich zu gehen. Oder zumindest die Fassade zu glätten.Lars fragte nicht viel. Nur: 'Geht’s wieder dahin?'Ich nickte. Er zuckte mit den Schultern. 'Naja. Solange du dich besser fühlst.'Ich fühlte mich nicht besser. Ich fühlte mich durchleuchtet.Denn seit ich zu Björn ging, dachte ich nach. Und das mochte Lars gar nicht. Veränderungen irritierten ihn. Und ich war plötzlich voller Ideen. Ich wollte tanzen gehen. Oder malen. Oder einfach einen Abend auf dem Sofa liegen, ohne dass jemand mich fragte, wo die Fernbedienung sei.Und das alles nur wegen einem Typen, der mit mir redete wie ein Mensch.Lars war skeptisch. 'Der redet dir Sachen ein.'Ich sagte nichts.Denn vielleicht tat er genau das – aber es waren Sachen, die ich zum ersten Mal wirklich hören wollte.

*

Heulen auf Gleis 3