Unnützes Medizinwissen - Jürgen Brater - E-Book + Hörbuch

Unnützes Medizinwissen E-Book und Hörbuch

Jürgen Brater

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Beschreibung

Seltene Krankheiten, medizinische Pioniere und Spitzenleistungen unseres Körpers Dieses Buch wird Sie mit medizinischen Fakten überraschen, von denen Sie noch nie gehört haben. Es berichtet von spleenigen Halbgöttern in Weiß, von Krankheiten, die kaum ein Arzt kennt, von unglaublichen Rekorden und skurrilen Forschungen. Erfahren Sie, welche Schönheits-OPs bei uns am beliebtesten sind, wie die Größe des Gehirns mit der Intelligenz zusammenhängt oder wie man im Nordosten Brasiliens Kopfschmerzen therapiert. Lesen Sie von den skurrilen Anfängen der Medizin, als man hochgiftiges Blei oder Leichenteile als Medikamente einsetzte. Staunen Sie über die unglaublichen Höchstleistungen unseres Körpers, über seltsame Beschwerden, kuriose Patienten und Sternstunden der medizinischen Forschung. Egal wie gut vorgebildet Sie sind – dieses Buch wird Ihr medizinisches Wissen bereichern.

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Seitenzahl: 117

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Zeit:3 Std. 16 min

Sprecher:Michael Seiberl

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Dr. med. Jürgen Brater

UNNÜTZES MEDIZINWISSEN

Dr. med. Jürgen Brater

UNNÜTZES MEDIZINWISSEN

Fakten und Geschichten, die selbst den Arzt verblüffen

Originalausgabe

3. Auflage 2024

2021 © 2021 by Yes Publishing – Pascale Breitenstein & Oliver Kuhn GbR

Türkenstraße 89, 80799 München

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlaggestaltung: Ivan Kurylenko (hortasar covers)

Layout und Satz: Müjde Puzziferri, MP Medien, München

ISBN Print 978-3-96905-047-7

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96905-048-4

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96905-049-1

INHALT

Ein Segen, dass wir heute leben: Aus der Geschichte der Medizin

»Arm dran war, wer in die Hände der Ärzte fiel«

Universelles Heilmittel der frühen Ärzte: der Aderlass

Mit Toten heilen

Von den eigenen Ärzten vergiftet: Ludwig van Beethoven

Ärzte sind auch nur Menschen: Kurioses und Unterhaltsames über die Götter in Weiß

Nomen est omen

Teurer Rat

Überdosis

Konsequent

Alles Unsinn

Alles schon da gewesen

Frosch im Magen

Ursache und Wirkung

Spitzzüngige Prüfer

Kleiner Unterschied

Hauptsache unverständlich: Medizinische Fachterminologie

Medizinische Zungenbrecher

Jede Menge -logien

Fachmedizinisch für Angeber

Verwirrende Abkürzungen

Brücken für medizinische Esel

Allerlei Manien

Wovor man alles Angst haben kann

Doch es gibt auch das Gegenteil …

Vornehm ausgedrückt

Überall Häute und Felle

Medizinische Mythologie

Worüber man sich kaum einmal Gedanken macht: Fakten, Fakten, Fakten

Hätten Sie gewusst …?

Sind Sie Linkshänder?

Wissenswertes über Pupse

Ebenso klebrig wie spannend: Sperma

Hocheffektive Transporter in gewaltigen Mengen: rote Blutkörperchen

Bemerkenswertes und Kurioses über den Schlaf

Schneller, größer, weiter: Allerlei Rekorde

Vierfacher Geburtstag

Gebärmaschinen

Potenzwunder bricht eigenen Rekord

Körperliche Höchstleistungen

Kindlicher Gigant

Mehr als 500 Zähne

Breiiger Rekord

Worauf kein Arzt auf Anhieb kommt: Außergewöhnliche Krankheiten

Kuriose Syndrome

Ein Orgasmus nach dem anderen

Brauerei im Darm

Pinkelakrobaten

Paracelsus hat doch recht

Wenn es aus der Scheide brummt

»Pfui, du stinkst nach Fisch«

Blau wie ein Schlumpf

Ruhe, verdammt noch mal!

Zahlen, Zahlen, Zahlen: Erstaunliche Statistiken

Ruhepuls von Leistungssportlern

Liste der Länder nach Ärztedichte

Die häufigsten Schönheitsoperationen bei deutschen Frauen

Die häufigsten Schönheitsoperationen bei deutschen Männern

Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche in den einzelnen Bundesländern

Häufigkeit von Kaiserschnitt-Geburten in den EU-Ländern

Durchschnittliche Zahl der Schweißdrüsen bei Menschen verschiedener Bevölkerungsgruppen

Magenverweildauer verschiedener Lebensmittel

Häufigkeit der Blutgruppe B bei verschiedenen Völkern

Ohrenschmalz bei Menschen unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen

Dr. Zufall: Wenn das Glück seine Hand im Spiel hat

Im richtigen Moment der zündende Gedanke

Conrad Röntgen und seine Strahlen

Alexander Fleming und die verdorbenen Bakterienkulturen

Sandoz und die Revolution im Dreck

Pfizer und die unerwartete Härte

Wer will das wissen? Skurrile Forschung

Der Ig-Nobelpreis für Medizin

Was Wissenschaftler so alles herausfinden

Die Bristol-Stuhlformenskala

Lachen ist gesund: Heitere Medizin

Medizin aus kindlicher Sicht

Fachärzte

Ohrlos

Der Allerwerteste von A bis Z

Medizinische Aphorismen

»Gute Besserung!«

Wo ist der Vater?

Was Sie schon immer wissen wollten: Fragen und Antworten

Können wir im Kopfstand schlucken?

Fehlt Frauen eine Rippe?

Ist Nasenpopel essen ungesund?

Warum halten wir beim Pinkeln die Luft an?

Warum läuft es uns kalt den Rücken, aber niemals den Bauch hinunter?

Warum gestikulieren wir beim Telefonieren?

Warum können manche Menschen mit den Ohren wackeln?

Warum werden rote Haare im Alter nicht grau?

Warum können wir beim Joggen lesen?

Wer hätte das gedacht? Verblüffendes und Staunenswertes

Raucher sind billiger

Warum wir immer wissen, wo uns der Kopf steht

Schlafmangel macht dick

Besser riechen durch Schnüffeln

Heiß oder kalt – das kann man hören

Mit dem einen sieht man besser

Das Mädchen, das ein Junge war

Anrührende Lustkiller

Es werden immer weniger

Schwangere Männer

Braucht man nicht

Andere Länder, andere Sitten: Medizin exotisch

Da lebt man doch gerne in Deutschland

Brasilianische Therapien

Gehört nun mal zum Leben: Der Tod

Wer stirbt wie?

Drei Arten, das Zeitliche zu segnen

Jeder, wie er’s verdient

Ein Segen, dass wir heute leben

AUS DER GESCHICHTE DER MEDIZIN

»Die größte Behinderung des Lebens liegt darin, ständig auf die Gesundheit zu achten.«

Platon(griechischer Philosoph, 428–348 v. Chr.)

»ARM DRAN WAR, WER IN DIE HÄNDE DER ÄRZTE FIEL«

So fasst der Medizinhistoriker Heinrich Schipperges in seinem Buch Die Kranken im Mittelalter die Medizin bis etwa um das Jahr 1400 zusammen – und aus heutiger Sicht besteht kein Zweifel daran, dass er eher unter- als übertrieben hat. Was die frühen Ärzte mit ihren Patienten anstellten, wie sie sie traktierten und was sie ihnen einverleibten, hatte in der Regel weitaus mehr mit Aberglaube, Mystik und obskuren Ritualen zu tun als mit halbwegs seriöser Medizin. Wie ihre antiken Vorgänger waren sie nach wie vor der festen Überzeugung, Krankheiten seien das Ergebnis schlechter Körperflüssigkeiten, etwa des trockenen oder feuchten phlegma sowie schleimiger Absonderungen, der sogenannten livores – unter diesem Begriff versteht man heute Leichenflecken. Aber auch ungeeignete Kleidung, falsche Nahrung, üble Ausdünstungen, ja sogar zu feuchte oder trockene Atemluft galten als mögliche Krankheitsauslöser. Speziell durch das Einatmen »verdorbener Luft«, so glaubte man, werde das Blut mit »erhitzter Fäule entzündet und verdorben«.

Gegen Potenzstörungen verordneten die Ärzte betroffenen Männern selbstgebraute Liebestränke aus Taubenherz, Sperlingsleber und den Geschlechtsorganen von Schwalben. Auch getrocknete Würmer, Quecksilber, Rattenschwänze, ja sogar das Haar von Gehenkten oder das Gehirn ungetaufter Säuglinge sollten, zu einem Elixier vermischt, impotenten Patienten zu mehr Standfestigkeit verhelfen.

Gichtkranken empfahlen die ominösen Mediziner, einen Ameisenhaufen samt Bewohnern mehrere Stunden in Wasser zu kochen und anschließend in dem Sud zu baden. Haarausfall behandelten sie, indem sie das Fett eines Bären mit etwas Weizenund Dinkelstrohasche verrieben und auf den kahlen Stellen auftrugen.

Überaus beliebt und bei fast allen Krankheiten als entscheidende Säule der Therapie angesehen war der Aderlass. Damit sollten die verdorbenen Säfte aus dem Körper des Kranken abfließen, »auf dass das Blut dadurch gereinigt werde«.

Für etliche besonders häufige Leiden gab es selbst ernannte Experten. So hatten sich etwa die »Starschneider« darauf spezialisiert, dem grauen Star, sprich der Linsentrübung im Auge, zu Leibe zu rücken. Dazu durchstachen sie die Hornhaut, löffelten die trübe Linse heraus und pressten die Gewebereste einfach ins Augeninnere hinein. Das taten sie, ebenso wie die »Bruch- und Hodenschneider«, auf Marktständen unter den Blicken einer sensationslüsternen Menge.

Ab dem späten 12. Jahrhundert breitete sich dann allmählich das Medizinwissen der Araber mit exakteren anatomischen und pathologischen Kenntnissen in den Ausbildungsstätten der mittelalterlichen Ärzte aus. So gab etwa der arabische Wundarzt Abulcasis, Verfasser eines mehrbändigen Werkes über die chirurgia, präzise Anleitungen zur operativen Entfernung einer Krebsgeschwulst. Demnach sollte der Tumorkranke zuerst »zur Ader gelassen« und dabei »von seiner schwarzen Galle mehrfach gereinigt« werden. Anschließend sollte der Chirurg rings um den Tumor einen tiefen Schnitt anlegen und diesen mithilfe vorher hineingeschlagener Haken mitsamt der umgebenden Haut kraftvoll herausreißen.

Mit der Zeit wurde das medizinische Wissen umfassender, Diagnose und Therapie basierten zunehmend auf seriösen wissenschaftlichen Erkenntnissen, die Behandlungserfolge stiegen. Vor allem die Chirurgie machte erstaunliche Fortschritte. So kannten die spätmittelalterlichen Operateure bereits wirksame Verfahren zur Blutstillung, und mithilfe opiumgetränkter Schwämme ermöglichten sie es ihren bedauernswerten Opfern, die schmerzhaften Prozeduren halbwegs erträglich zu überstehen. Dabei verwendeten sie bereits Zangen, Sonden, Messer, Brennkegel, Schnapper und Spekula; Instrumente also, wie sie bis ins 18. Jahrhundert hinein die operative Praxis begleiteten. Offene Wunden vernähten sie mit Hanf, Haaren oder Tiersehnen und bedienten sich bei Darmnähten häufig einer aus Indien stammenden, reichlich kuriosen Technik, bei der sie schwarze Ameisen dazu brachten, sich mit ihren Zangen in den Schnittstellen zu verbeißen. Waren die Darmränder auf diese Weise stabil miteinander verbunden, wurden die kleinen Tierchen geköpft und die Eingeweide in die Bauchhöhle zurückgestopft.

Egal, ob reich oder arm, ob adeliges Klosterfräulein oder nobler Ritter, von altersbedingten Gebrechen blieb schon damals niemand verschont, und die mittelalterlichen Ärzte waren dagegen nach wie vor so gut wie machtlos. »Das Haupt schwindelt«, heißt es dazu in einer Augsburger Handschrift, »das Hirn sinkt, das Gedächtnis entgeht, das Herz siecht, die Brust krachet, die Länge beugt sich, die Größe schwindet, die Stärke krankt, das Antlitz dunkelt, der Atem schmeckt, die Augen rinnen, die Nase träuft, die Zähn erfaulen, die Ohren schwellen, die Zung stammlet, die Händ erzittern, die Füße sifflen, und der Alte erzürnet bald.«

Oder wie Paracelsus es treffend formulierte: »Der Mensch ist von vornherein zum Umfallen geboren.«

UNIVERSELLES HEILMITTEL DER FRÜHEN ÄRZTE: DER ADERLASS

Der Aderlass, das wiederholte Ableiten größerer Mengen Blut aus dem Körper, galt bei Ärzten neben der Anwendung von Brech- und Abführmitteln nicht weniger als 2000 Jahre lang als das universelle Allheilmittel schlechthin, mit dem sie alle möglichen Krankheiten und Unpässlichkeiten behandelten. Schon der berühmte griechische Arzt Hippokrates (ca. 460–370 v. Chr.) praktizierte die Methode, überzeugt davon, durch den gezielten Blutverlust die Selbstheilungskräfte des Körpers anzuregen und irgendwelche ominösen Giftstoffe auszuleiten. Bis ins 18. Jahrhundert hinein begründete man die angebliche Wirksamkeit des Aderlasses mit der antiken und an sich längst überholten Vier-Säfte-Lehre, wonach bei einem Kranken das Gleichgewicht der Körpersäfte Blut, Schleim sowie gelbe und schwarze Galle gestört war. Zu einer gewissen Ehrenrettung der Mediziner muss allerdings angemerkt werden, dass diese noch keine Ahnung von einem geschlossenen Blutkreislauf hatten. Spätestens jedoch, als der britische Mediziner William Harvey im 17. Jahrhundert entdeckte, dass das Blut in einem geschlossenen Gefäßsystem immerzu im Kreis herum fließt, hätte mit dem Unfug eigentlich Schluss sein müssen. Denn seit damals stand ja fest, dass sich »schlechtes Blut« nicht irgendwo im Körper staute und dort vergammelte. Doch so schnell gibt man Gewohntes und seit ewigen Zeiten Praktiziertes eben nicht auf.

Aus heutiger Sicht scheint es reichlich kurios, wie Ärzte auf die Idee kommen konnten, einem todkranken Menschen auch noch literweise Blut abzuzapfen. Und man kann getrost davon ausgehen, dass sie damit so manchem ihrer Patienten den Rest gaben und ihn vom Leben in den Tod beförderten. Prominentestes Beispiel ist vielleicht George Washington, der erste US-amerikanische Präsident, dem seine Ärzte wegen einer Kehlkopfinfektion rund 1,5 Liter Blut abnahmen. Das hätte schon ein gesunder Mensch kaum unbeschadet überstanden, Washington starb daran.

Der Ordnung halber sei erwähnt, dass der Aderlass auch in unserer modernen Zeit noch nicht ausgestorben ist. Bei einigen seltenen Blutkrankheiten wie der Hämochromatose (Störung des Eisenstoffwechsels) oder der Polycythaemia vera (massive Vermehrung der roten Blutkörperchen, sodass das Blut immer mehr eindickt) wird er heute noch angewandt. Aber selbst für diese Einsatzzwecke ist die wissenschaftliche Studienlage eher bescheiden.

MIT TOTEN HEILEN

Man mag es kaum glauben, aber noch bis zum Ende des 18. Jahrhunderts galten speziell zubereitete Teile toter Menschen als überaus wirksame Arzneimittel. So empfahl etwa der deutsche Pharmakologe Johann Schröder zur Behandlung diverser Krankheiten den »frischen Kadaver« eines 24-jährigen Mannes, der wegen eines Delikts »gehängt, gerädert oder geköpft« werden sollte, »in kleine Stücke zu zerschneiden, mit Myrrhe und ein wenig Aloe zu besprengen, ihn einige Tage in Weingeist einzuweichen und schließlich bei heiterem Wetter an der trockenen Luft hängen zu lassen«. Danach sei das Fleisch mit Geräuchertem vergleichbar, es rieche angenehm und könne daher bedenkenlos konsumiert werden.

Derlei »Arzneimittelzubereitungen« waren speziell im 16. und 17. Jahrhundert fast genauso gebräuchlich wie Medikamente, die aus diversen Pflanzenteilen gewonnen wurden, und man konnte sie in jeder Apotheke kaufen. Das allerdings nur, wenn es nicht gerade mal wieder Lieferengpässe gab, denn zur Herstellung der diversen Präparate war man auf möglichst frische Leichen angewiesen, und die stammten in der Regel von Hingerichteten, aber auch von Bettlern und Aussätzigen, die nicht immer in ausreichender Menge zur Verfügung standen.

Die Zerstückelung von Leichen, die unter anderem von dem bereits erwähnten Arzt Paracelsus vehement befürwortet wurde, war bis in die höchsten Schichten der Gesellschaft gang und gäbe. So zahlte etwa der britische König Karl II. für eine »Rezeptur zur Verflüssigung menschlichen Gehirns« die gewaltige Summe von 60 000 Pfund und trank später fast täglich von der so gewonnenen Brühe, die unter der Bezeichnung »Des Königs Tropfen« in die Medizingeschichte eingegangen ist. Und aus Dänemark ist bekannt, dass sich dort Epileptiker, »die Tasse in der Hand«, um das Schafott drängten, um, wie es in einem zeitgenössischen Dokument heißt, »das aus dem noch zitternden Körper quellende Blut hinunterzustürzen«. Aus menschlichen Leichen gewonnenes Fett galt als probates Mittel gegen Rheuma und Arthritis, eine ominöse »Leichenpaste« half angeblich vorzüglich gegen Quetschungen, und Mönche kochten aus dem Blut von Verstorbenen sogar eine Art Marmelade, um so die dem menschlichen Organismus innewohnende »Lebenskraft« zu konservieren. Dahinter steckte die Überzeugung, allen Kreaturen sei eine bestimmte Daseinszeit gleichsam vorbestimmt und man könne deshalb bei solchen, die vor Erreichen des ihnen zugedachten Alters starben, den verbleibenden Rest auf andere Menschen übertragen. So erklärt sich auch die besondere Vorliebe für Leichen von Verbrechern, die bereits in jungen Jahren exekutiert worden waren.

Das Ganze ging so bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, als sich die Aufklärung und damit ein mehr vom Verstand geprägtes Verhältnis zu Mensch und Natur ausbreitete. Plötzlich galt der im Namen der Medizin verübte Kannibalismus als Aberglaube und nicht mehr zeitgemäß. So schrieb etwa der englische Arzt William Black im Jahr 1782, er begrüße den Niedergang »widerlicher und bedeutungsloser Arzneien wie pulverisierter Totenschädel« ganz außerordentlich. Derlei Mittel sowie »ein Mischmasch anderen Unflats« seien Gott sei Dank aus den Apotheken verschwunden. Dabei ist es – zumindest in den westlichen Industrienationen – zum Glück bis heute geblieben.

VON DEN EIGENEN ÄRZTEN VERGIFTET: LUDWIG VAN BEETHOVEN

Fragt man jemanden, woran Beethoven gelitten hat, kommt mit Sicherheit zuallererst dessen allgemein bekannte Taubheit zur Sprache. Was ja auch nicht verwundert. Denn zumindest für den musikalischen Laien ist ganz und gar unvorstellbar, wie er geniale Sinfonien und Instrumentalkonzerte komponieren konnte, bei denen er das hochkomplexe Zusammenspiel der einzelnen Instrumente nur in Gedanken »hören« konnte.

Doch dass Beethoven bereits im Alter von 56 Jahren das Zeitliche gesegnet hat, lag natürlich nicht an seinem mangelnden Hörvermögen. Da kommen schon eher Infektionskrankheiten wie Pocken – seine Gesichtsmaske zeigt deutlich typische Narben –, Typhus und Masern in Betracht, an denen er im Lauf des Lebens litt. Aber die waren nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen ebenso wenig die Todesursache wie ein schwerer Sturz auf den Kopf, rheumatische Beschwerden, häufiges Nasenbluten oder wiederkehrende Unterleibskrämpfe, von denen Beethovens Arzt in seinen Krankenunterlagen berichtet. Wahrscheinlicher ist da schon, dass eine alkoholbedingte Leberzirrhose seiner angeschlagenen Gesundheit den Rest gegeben hat. Denn Bier, Wein und sicher auch Hochprozentiges konsumierte der Spross einer Alkoholikerfamilie nachweislich in großen Mengen. Schon im zarten Alter von elf Jahren hielt er sich gern und häufig im Wirtshaus auf, einem Ort, dem er bis zu seinem Tod die Treue hielt. Es gibt sogar nicht wenige Experten, die den exzessiven Alkoholkonsum für seine Schwerhörigkeit verantwortlich machen.