Unsere heimischen Göttinnen neu entdecken - Joanne Foucher - E-Book

Unsere heimischen Göttinnen neu entdecken E-Book

Joanne Foucher

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  • Herausgeber: Neue Erde
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2020
Beschreibung

Göttinnen überall auf der Welt sind Emanationen der einen Großen Göttin. Gestalt, Charakter und Eigenschaften formen sich nach der jeweiligen Kultur, die wiederum geprägt ist vom Land. In unserem deutschsprachigen Raum ist die alte naturverbundene Religiosität und damit die Große Mutter verschüttet, Göttinnen aus anderen Weltgegenden sind uns oft viel vertrauter. Joanne Foucher begibt sich auf die Suche nach den bei uns wohnenden Göttinnen und bringt sie uns in diesem Buch sehr nah. Dieses Buch ist eine Symbiose aus wissenschaftlicher Recherche und den Erfahrungen aus annähernd fünfundzwanzig Jahren gelebter Spiritualität. Es ist kein akademisches Buch in dem Sinne, dass sie eine wissenschaftliche These belegen will. Denn die Göttin ist keine These, sondern lebendig und kraftvoll. In diesem Buch tritt sie uns im Jahresrad in ihren Erscheinungen als Greisin, Mädchen, Liebende und Mutter entgegen, als Mutter der Elemente und zuletzt als Große Mutter. Zu jeder dieser Erscheinungen gibt es Namen und Überlieferungen, die in diesem Land wurzeln. Joanne Foucher erzählt von diesen Traditionen und gibt uns zu jedem der acht Jahreskreisfeste kurze, inspirierende Anregungen für die eigene spirituelle Praxis.

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Seitenzahl: 228

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Joanne Foucher

Unsere heimischen

Göttinnen

neu entdecken

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1. Auflage 2020

Joanne Foucher

Unsere heimischen Göttinnen neu entdecken

© Joanne Foucher/Neue Erde GmbH 2020

Alle Rechte vorbehalten.

Titelseite:

Illustrationen: Meraylah Allwood, www.meraylah.co.uk

Gestaltung: Dragon Design, GB

Satz und Gestaltung:

Dragon Design, GB

Gesetzt aus der ITC Galliard

eISBN 978-3-89060-344-5

ISBN 978-3-89060-767-2

Neue Erde GmbH

Cecilienstr. 29 · 66111 Saarbrücken

Deutschland · Planet Erde

www.neue-erde.de

Inhalt

Einleitung – Was für eine Göttin ist das?

Das Jahresrad der Göttin – zum Aufbau dieses Buches

Die Greisin

Matrona – Göttin der Transformation · Hel – Die Göttin der Unterwelt · Baba Yaga – Die Initiatorin · Die Hexe und die Weise Alte · Rückkehr in den Schoß der Göttin · Die Tore zwischen den Welten · Die Greisin verehren

Die Mutter der Luft

Perchta · Ana – Die Todesgöttin · Luft – das Element der Spiritualität und der Vision · Vogelfrau, Steinfrau · Mütternacht · Rauhnächte · Die Mutter der Luft verehren

Die Mädchengöttin

Idun · Skadi · Brigida · Die dreifache Flamme · Die heilige Brigida · Das Innere Mädchen · Imbolcbräuche · Die Tiere der Mädchengöttin · Die Mädchengöttin verehren

Die Mutter des Feuers

Sonnengöttin Sunna, Sól · Liuba · Ostara – Grüne Göttin der Fruchtbarkeit · Artio – Die Bärengöttin · Die Tiere der Feuergöttin · Das Feuer des Geistes · Das innere Feuer · Gleichgewicht zur Tagundnachtgleiche · Orte der Mutter des Feuers · Der Kraftstab der Mutter des Feuers · Die Mutter des Feuers verehren

Die Liebende Göttin

Freya – Die Liebende Göttin · Ziva · Die Loreley · Epona · Der Venusberg: Initiation in die Liebe · Göttin der Sexualität · Göttin der Magie · Mondmysterien · Die lebendige Liebende Göttin · Die Tiere der Liebenden Göttin · Die Liebende Göttin verehren

Die Mutter des Wassers

Meeresgöttin Ran – Göttin der Salzwasser · Sirona – Göttin des Heilwassers · Die Flussgöttinnen und der Wasserdrache · Göttin des Süßwassers · Das Meer und seine Bedeutung für Frauen · Gewässer, die Tore zur Anderswelt · Göttin der Emotionen und Intuition · Rahannas Kelch · Die Mutter des Wassers verehren

Die Große Mutter

Caiva – Die Mutter · Sif – Göttin des Korns · Rosmerta – Mutter der Fülle · Frigg und Fulla · Lohra – Die Gehörnte Göttin · Kuhmütter · Geburt und Mutterschaft/Elternschaft · Die lebendige Muttergöttin · Die Muttergöttin verehren

Die Mutter der Erde

Gefion · Nerthus/Hertha – Fülle und Frieden der Erdmutter · Mokosch – Die Sinnlichkeit der Erde · Tamfana – Göttin der Ernte und der Manifestation · Tempel der Erde · Die Mutter der Erde verehren

Die Göttin im Zentrum

Holles heilige Bäume · Die heiligen Orte Holles · Holles Tiere · Holle im Jahreskreis · Holle verehren

Mit der Göttin leben

Für Holle

Literatur

Endnoten

Einleitung – Was für eine Göttin ist das?

Die Göttin ist lebendig und kraftvoll. Als ich im Alter von dreizehn Jahren zum ersten Mal Marion Zimmer Bradleys Die Nebel von Avalon gelesen habe, war mir klar, womit ich mein Leben verbringen wollte: Ich wollte Priesterin von Avalon werden, Teil einer Schwesternschaft sein und der Göttin dienen. Ich glaube, dass ich bereits damals irgendwo im Roman gelesen habe, dass die Göttin Tausend Namen und Tausend Gesichter hat. Das habe ich tief in meinem Herzen sofort verstanden. Und ich wollte mehr herausfinden.

Im südlichen Niedersachsen, wo ich aufgewachsen bin, fiel es mir zunächst schwer, die Göttin zu spüren. Das fiel mir leichter in Ländern und Regionen, deren Göttinnen noch nicht ganz so weit in den Nebeln verschwunden waren. Ich verbrachte meine Ferien jedes Jahr bei meinen Großeltern in der Bretagne und suchte die Göttin in der Landschaft, in den Steinreihen von Carnac, im Meer, in den Legenden der Bretagne und ihrer traditionellen Musik. Nach dem Abi ging ich für ein Jahr nach Irland, um mehr über die inselkeltischen Göttinnen zu erfahren. Meine Lehrerin Kathy Jones sagte uns ganz am Anfang meiner Priesterinnenausbildung in Avalon folgenden Satz: »Niemand braucht eine Priesterinnenausbildung. Geht hinaus auf das Land, dort werdet ihr alles lernen.« Ich lernte in Irland wie in der Bretagne, die Göttinnen im Land zu finden, aber auch durch die Begegnung mit anderen Menschen, die die Göttin verehren. In Irland hörte ich zum ersten Mal von der Glastonbury Goddess Conference, und da ich um die Verbindung von Avalon mit Glastonbury wusste, war der Wunsch geboren, dort hinzufahren. Aber das sollte noch ein paar Jahre dauern.

Wieder in Deutschland wollte ich herausfinden, welche Göttinnen in dem Land, in dem ich lebte, verehrt worden waren. Bedingt durch mein Elternhaus und mein Umfeld, wurde ich dabei zunächst maßgeblich von meinem Kopf gelenkt. So ist die Archäologie ein wesentliches Werkzeug für mich, mehr über die Göttin herauszufinden. Die paläolithischen (altsteinzeitlichen) Figurinen lehren uns, dass in allen Kulturen auf der ganzen Welt am Anfang der Religion die Göttin steht. Sie durchdringt mit ihrer schöpferischen und transformierenden Kraft alles. Später in der Kulturgeschichte wird sie aufgespalten in Abertausende Göttinnen und erhält viele unterschiedliche Namen.

Später werden Götter erfunden, zunächst ihre Söhne, dann ihre Gefährten; auf sie werden Kräfte übertragen, die anfangs ihr zugehörig waren. Zur Zeit der Griechen und Römer ist die ursprünglich mächtige und souveräne Göttin bereits herabgewürdigt: zu Töchtern und Ehefrauen männlicher Götter, die als wichtiger und stärker gelten. Mit dem Monotheismus von Judentum, Christentum und Islam ist die Göttin beinahe gänzlich verschwunden. Spuren finden sich durchaus noch in Shekinah, Sophia, Lilith oder Maria, doch die Kraft der Großen Göttin ist beschränkt und verformt.1

Vor allem aufgrund der genauen Überlieferungen des römischen Pantheons neigen wir dazu zu fragen: »Von was ist dies die Göttin?«, wenn uns Göttinnen aus anderen Kulturen begegnen, etwa dem indischen, keltischen oder nordischen Pantheon. Wir fragen: »Was ist ihre Zuständigkeit?« Im römischen Pantheon war das sauber sortiert; bei den keltischen und nordischen Göttinnen ist es so jedoch nicht möglich.

Diese Göttinnen sind uns neben archäologischen Funden und Befunden durch Schriftquellen überliefert, in denen vielfach bereits christlicher Einfluss deutlich wird.2 Dennoch zeigt sich in diesen Überlieferungen eine facettenreiche Komplexität der Göttinnen, gepaart mit teils sehr alten Motiven, die uns ganz alte Vorstellungen der Großen Göttin zeigen, die bis in diese späten Aufzeichnungen überlebt haben.

Jede Göttin, die uns begegnet, ist im Grunde ein Aspekt der Großen Göttin. Wenn ich in diesem Buch von der Göttin spreche, so meine ich damit keineswegs eine Reduzierung, sondern vielmehr alle Göttinnen der ganzen Welt insgesamt und damit die Große Göttin in ihrer Gesamtheit, die mehr ist als die Summe ihrer Teile.

Als erstes studierte ich also Archäologie und Vergleichende Religionswissenschaften und machte meinen Magister an der Uni Bonn. Gleichzeitig versuchte ich, mich der Göttin auf andere Weise zu nähern; ich fuhr nach Glastonbury, Stonehenge und Avebury und zu anderen vorgeschichtliche Kraftplätzen im In- und Ausland – und 2004 schließlich zum ersten Mal zur Goddess Conference. Ich wusste inzwischen, dass es dort eine Ausbildung zur Priesterin von Avalon gab; so war es meine Absicht, mir diese Priesterinnen anzusehen und zu entscheiden, ob das mein Weg war. Tatsächlich begann ich im selben Jahr mit der Ausbildung, pilgerte die nächsten drei Jahre regelmäßig nach Glastonbury und weihte mich 2007 der Lady von Avalon als ihre Priesterin.3

Diese Ausbildung hat mir großartige Werkzeuge in die Hand gegeben, und es öffnen sich immer neue Wege, neue Werkzeuge, um zu erfahren, wer die Große Göttin ist: Körperarbeit, Tanz, mein eigener Körper, Kunst, meine Kreativität und – immer wieder und immer noch – ihr Land, ihre Elemente und die Begegnung und der Austausch mit anderen Menschen.

All diese Werkzeuge haben mir geholfen, hier in Deutschland die Göttin zu finden, ihr zu begegnen und sie zu erfahren.

Dieses Buch stellt die Symbiose dar aus meiner wissenschaftlichen Recherche und den Erfahrungen aus annähernd fünfundzwanzig Jahren gelebter Spiritualität. Es ist kein akademisches Buch in dem Sinne, dass ich eine wissenschaftliche These belegen will. Denn die Göttin ist keine These, sondern lebendig, kraftvoll. Aus der Geschichte und Vorgeschichte lernen wir nicht, wer sie ist und wie wir sie zu verehren haben, sondern blicken durch ein kleines Fenster auf einen kleinen Ausschnitt, wie sie zu einer bestimmten Zeit von einer bestimmten Gruppe von Menschen gesehen und verehrt wurde. Der Blick durch dieses Fenster kann uns inspirieren. So finden sich in diesem Buch nur hier und da Fußnoten; der größte Teil ergab sich aus meiner persönlichen Erfahrung, wie sich die Göttin mir zeigt. Es gibt kein Dogma. Jemand anderem zeigt sie sich ganz sicher anders; das ist ihre Natur. Es gibt kein Richtig oder Falsch, denn sie ist nicht starr und festgelegt.

Eine Vorstellung, die viele Verehrerinnen und Verehrer der Göttin teilen, ist die, dass die Welt der Göttin zyklisch ist und die Göttin sich im Jahresrad wandelt. Das Jahresrad der Göttin gibt dem Leben und der praktischen Göttinnenverehrung Struktur. Ich habe daher für die Priesterinnenausbildung, die ich unterrichte, ein Göttinnenrad geschaffen, das auf dem Jahresrad von Avalon4 aufbaut. Es ist keine einfache Übertragung, sondern wurde speziell für Deutschland entwickelt. Den acht Archetypen, die die Göttin im Laufe eines Zyklus’ durchlebt, sind die Jahreskreisfeste zugeordnet, denen wiederum Himmelsrichtungen, Farben, Tiere und Gegenstände zugeteilt sind. Und obwohl es, wie ich oben ausgeführt habe, nicht möglich ist und am Wesen der Göttin vorbeigeht, die überlieferten Göttinnen auf einen Aspekt herunterzubrechen, habe ich die historischen Namen dennoch einem Archetypus zugeordnet, wenn sich die entsprechende Göttin mir so mitgeteilt hat. Das soll nicht so verstanden werden, als sei diese bestimmte Göttin nur für diesen einen Teil »zuständig«, sondern eher, dass sie auf diesem Rad gerade diese bestimmte Energie hält. Dieses Buch ist die Momentaufnahme meines persönlichen Verständnisses der Göttinnen und spiegelt wider, wie sie sich mir bis jetzt gezeigt haben.

Eines sei klargestellt: Dieses Buch will keine »völkischen« oder nationalistischen Ideologien teilen oder verbreiten, auch wenn ich Wörter benutze wie »unser Göttinnenerbe«. Als Mensch mit doppelter Staatsbürgerschaft ist mir persönlich der Gedanke, die eigene oder andere Nationalität zu idealisieren oder zu übersteigern, völlig fremd. Außerdem bin ich Archäologin, und damit ist mir vollkommen klar, dass all unsere Ländergrenzen und Nationen modern sind, von Menschen gemacht, willkürlich und nie von Dauer. Kulturen entstehen und vergehen. In meinen Augen ist es völlig unsinnig, sich um solche künstlichen Konstrukte zu streiten.

Die Göttin lehrt uns, dass sich alles wandelt. Das einzige, was fortbesteht, ist das Land selbst. Aber selbst das ändert sich, es dauert nur viel länger. Das Land selbst ist es, das die Göttinnen und Götter hervorbringt.

Ich habe deshalb auf meinem Göttinnenrad keine Göttinnen, die etwa von den Römern importiert worden sind. ArchäologInnen haben hier bei uns zwar Heiligtümer ausgegraben, die römischen, griechischen oder ägyptischen Göttinnen geweiht waren, aber mich hat immer mehr interessiert, was davor war, denn die Namen und Formen, die die Menschen den Göttinnen hier gegeben haben, hat das Land hervorgebracht, das Klima, die Landschaften und die Lebensweise der Menschen in dem Gebiet, das heute geographisch Deutschland ist und sicher auch die Nachbarregionen umfasst.

Sehr vereinfacht gesagt, haben wir drei große Gruppen: im Norden die nordischen und germanischen Göttinnen, im Westen und Süden die keltischen und im Osten und Nordosten die slawischen. Viele HeidInnen kennen sich unglaublich gut mit ägyptischen, griechischen oder indischen Göttinnen aus, auch die inselkeltischen Göttinnen und Götter sind sehr beliebt. Aber ich bin immer wieder überrascht, wie wenig verbreitet das Wissen um unser eigenes Göttinnenerbe ist. Dieses Buch soll dazu beitragen, unsere eigene reiche Göttinnenkultur wiederzuentdecken. Es richtet sich an Frauen und Männer. Sprache formt die Realität, und unsere Sprache hat in den letzten Jahrtausenden sehr die Männer bestärkt und Frauen nachgeordnet. Um in dieser Hinsicht wieder ein wenig Harmonie zu gewinnen, benutze ich gern eine weibliche Sprache. Göttin beinhaltet Gott, Priesterin schließt Priester mit ein, Verehrerin beinhaltet Verehrer und so weiter. Der Einfachheit halber lasse ich das Binnen-I oft auch weg, aber alle Männer sind von Herzen eingeladen, sich angesprochen und mit eingeschlossen zu fühlen.

In der Göttinnenverehrung gilt der weibliche Körper als heilig; Frauen werden geschätzt, gestärkt und gewürdigt, aber nie auf Kosten der Männer. Genauso wenig wie der politische Feminismus Männern irgendetwas nehmen will, wollen Göttinnenverehrerinnen Männer unterdrücken. Die meisten lieben und verehren den Gott, der der geliebte Sohn und Gefährte der Göttin ist, und viele Anhängerinnen der Großen Göttin sind auch Priesterinnen des Gottes. Aber wir sind frei zu entscheiden, ob wir diese Verehrung praktizieren wollen oder nicht. Wie gesagt, es gibt kein Dogma. Und in diesem Buch liegt der Fokus auf der Göttin.

Das Wort Priesterin ist ein Wort, auf das die Menschen oft mit Ablehnung reagieren. Viele Menschen haben Erfahrungen mit dogmatischen, hierarchischen, strafenden Religionsführern gemacht. »Ich brauche keine Priesterin, die mir sagt, wie meine Beziehung zu meiner Göttin auszusehen hat.«

Für andere klingt es nach Hybris und Arroganz. »Wofür hält die sich, dass sie sich Priesterin nennt?«

Fast immer wird ein Machtgefälle, eine Hierarchie verstanden. Wann immer mir mit Aggression begegnet wird, weil ich mich Priesterin nenne, weiß ich, dass es Projektionen sind. Denn die Menschen, die mich dafür kritisieren, sind Fremde, die mich persönlich noch nicht kennengelernt haben. Ich liebe das Wort Priesterin und halte es für wichtig, dass wir es von den Projektionen befreien und uns zurückerobern. Für mich ist Priesterin kein Titel, den ich mir überziehe und dann stolz herumtrage wie ein Schmuckstück, das mich von anderen abhebt oder mich über andere stellt – im Gegenteil: Priesterin zu sein hat ganz viel mit Demut zu tun. Eine wahre Priesterin dient der Göttin, aber vor allem auch den Menschen. Es hat mit Hingabe zu tun, mit Mut und harter Arbeit: dein Leben ganz und gar auf die Göttin auszurichten, kontinuierlich an dir zu arbeiten, keine Ausreden mehr zu finden, sondern vollkommen die Verantwortung anzunehmen, der beste Mensch zu sein, der du sein kannst, mit all den Talenten und Anlagen, die die Göttin dir gegeben hat. Priesterinnen sind keine perfekten oder besseren Menschen. Aber was beinahe alle Priesterinnen miteinander verbindet, ist die tiefe, tiefe Liebe zur Göttin. Darum beschreiten wir diesen Weg.

In der Ausbildung gebe ich mein Verständnis von den Göttinnen weiter, davon, was es heißt, den Weg der Priesterin zu gehen. Ich vermittle mein Göttinnenweltbild an meine SchülerInnen, um einen Rahmen zu schaffen, in welchem wir gemeinsam arbeiten können, ein Werkzeug und Hilfsmittel auf dem eigenen Weg. Ich lade euch alle ein, sich intensiv mit den Göttinnen zu befassen, die Göttin zu suchen und sich ihr zu öffnen, um das eigene Verständnis zu vertiefen. Sicherlich zeigt sich die Göttin dir in der einen oder anderen Hinsicht anders als mir. Das bedeutet nicht, dass eine Version stimmt und die andere falsch sein muss oder dass eine besser ist als die andere. Eine großartige Lehre, wiederum von ganz am Anfang meiner Suche nach der Göttin, wird in »Die Nebel von Avalon« von Morgaine ausgesprochen: »Es gibt mehr als eine Wahrheit.«

Möge dieses Buch dir dienlich sein und auf deinem Weg eine Inspiration.

Blessed Be.

Das Jahresrad der Göttin – zum Aufbau dieses Buches

In der Natur wandelt sich alles mit den Jahreszeiten. So wie sich das Gesicht der Erde ändert, wandelt sich die Energie der Göttin im Jahreskreis, und sie kann in verschiedenen archetypischen Erscheinungsformen erfahren werden. Das Jahresrad, das ich entwickelt habe, bildet – dem Jahreskreis entsprechend – die sich wandelnden Aspekte der Göttin ab. Auf diesem Göttinnenrad ist unser Buch aufgebaut.

Das Rad hat acht Speichen und in seiner Mitte die Nabe. Die acht Speichen entsprechen den acht archetypischen Gestalten der Göttin, die sie im Laufe eines Jahres annimmt und die jeweils zu einem der acht Jahreskreisfeste besonders deutlich hervortreten. Dabei zeigt sich die Göttin zu den Sonnenfesten, den Tagundnachtgleichen und den Sonnenwenden, als archetypische Göttin der Elemente – Luft, Feuer, Wasser und Erde – und zu den anderen Festen Samhain, Imbolc, Beltane und Lammas als Archetypus einer Lebensphase – als Greisin, Mädchen, Liebende oder Mutter. Der Einfachheit halber werden für die Jahreskreisfeste vielfach feste Kalenderdaten angesetzt:

31. Okt./01. Nov.

Samhain

Fest der Greisin

20./21. Dez.

Wintersonnenwende

Fest der Mutter der Luft

01./02. Febr.

Imbolc

Fest der Mädchengöttin

20./21. März

Frühlingstagundnachtgleiche

Fest der Mutter der Luft

30. April/01. Mai

Beltane

Fest der Liebenden

20./21. Juni

Sommersonnenwende

Fest der Mutter des Wassers

01./02. August

Lammas

Fest der Muttergöttin

20./21. Sept.

Herbsttagundnachtgleiche

Fest der Mutter der Erde

Wenn wir uns bei der Berechnung der Termine dieser Feste streng nach den astronomischen Ereignissen richten, ändert sich das Datum jedes Jahr. Die Sonnenfeste bewegen sich um die oben genannten Daten herum, die anderen Feste werden oft als Mondfeste bezeichnet, und dementsprechend kann man sich für die Terminbestimmung nach den Mondphasen richten: Samhain wird dann Ende Oktober/Anfang November zum Schwarzmond gefeiert, Imbolc bei zunehmendem Mond Ende Januar/Anfang Februar, Beltane zum Vollmond Ende April/Anfang Mai und Lammas bei abnehmendem Mond Ende Juli/Anfang August. Mir persönlich kommt das etwas arg konstruiert vor, und ich kenne keine historischen Belege dafür, dass vorchristliche Gesellschaften sich für die Terminierung tatsächlich so streng an die Mondphase gehalten haben. Das heißt aber nicht, dass wir heute nicht die Freiheit haben, die Termine so zu legen. Viele befreundete Heiden berichten mir, dass sie die Energien des spezifischen Archetyps zu der jeweiligen Mondphase am stärksten erleben. Es gibt allerdings gute Gründe dafür, die Feste an den fixen Kalenderdaten zu feiern: zum Beispiel Vereinfachung und Wiederholung sowie bessere Planbarkeit, wenn die Feste jedes Jahr auf dasselbe Datum fallen, oder auch die Tatsache, dass man sich die gesetzlichen Feiertage am 1. Mai und je nach Region 31.10. (protestantische Bundesländer) oder 1. November (katholische Bundesländer) zunutze machen kann. Der Einfachheit halber verwende ich in diesem Buch die fixen Kalenderdaten eines Festes. In der Praxis muss aber jeder für sich selbst herausfinden, welche Termine sich persönlich richtig anfühlen.

Da sich die Göttin im Jahresrad unablässig wandelt, ist die Energie einer archetypischen Göttin nicht nur an ihrem Festtag spürbar, sondern über ihre gesamte Zeit. Jede Göttin hat im Jahresrad ihre eigene Phase, die – grob gesagt – um die sechs Wochen dauert. Einige Wochen vor und nach Samhain spüren wir die Greisin; dann dreht sich das Rad weiter, und die Energie wandelt sich. Einige Tage oder Wochen vor der Wintersonnenwende fühlt es sich nicht mehr nach der Greisin an, und wir wissen: Die Mutter der Luft ist da.

Im Zentrum, in der Nabe des Rades, befindet sich die Große Göttin, die alle Archetypen umfasst und enthält; sie ist alle zugleich und noch viel mehr.

Jeder Radspeiche sind verschiedene Göttinnen zugeordnet, die auf diesem deutschen Göttinnenrad die entsprechende archetypische Energie halten. Über manche dieser Göttinnen ist recht wenig bekannt, von anderen sehr viel überliefert. Bei einigen zeigt sich, dass sie in einem anderen geographischen Raum im Zentrum stehen würden. So wäre z.B. Freya auf einem skandinavischen Göttinnenrad in der Mitte zu finden; auf dem deutschen Göttinnenrad hält sie, gemeinsam mit anderen Göttinnen, die Energie der Liebenden. Jeder archetypischen Göttin ist in diesem Buch ein Kapitel gewidmet. Dabei beginne ich, dem keltischen Weltbild gemäß – dass alles mit der Dunkelheit beginnt – mit der Greisin zu Samhain.

Die acht archetypischen Göttinnen sind:

Matrona – Greisin

Perchta – Mutter der Luft

Idun – Mädchengöttin

Ostara – Mutter des Feuers

Loreley – Liebende

Ran – Mutter des Wassers

Caiva – Muttergöttin

Gefionn – Mutter der Erde

Die Große Göttin im Zentrum hier in Deutschland ist Holle, der ein eigenes Kapitel gewidmet ist. Jedem Archetypus ist eine Himmelsrichtung zugeordnet sowie verschiedene Farben, Tiere, Symbole und andere Entsprechungen, die ich in den einzelnen Kapiteln ausführlich erläutere. Einen ersten Eindruck verschafft die folgende Graphik:

Das Rad der Göttin

Bei der Zuordnung der Himmelsrichtungen zu den Elementen weist das Göttinnenrad Gemeinsamkeiten unter anderem mit dem Medizinrad der nordamerikanischen Indianer auf, unterscheidet sich aber von anderen Jahresrädern, die etwa aus dem Wicca oder Reclaiming bekannt sind. Die Luft befindet sich im Norden, das Feuer im Osten, das Wasser im Süden und die Erde im Westen. Dies ist kein Zufall. In den zahlreichen überlieferten Geschichten über Holle findet sich immer wieder, dass der Übergang von der »Liebenden« zur »Mutter« durch Wasser stattfindet: Holle hütet die ungeborenen Seelen am Grunde ihres Sees, Frauen, die schwanger werden wollen, tauchen zu bestimmten Zeiten in ihre Gewässer ein und so weiter. Das Wasser befindet sich also zwischen Beltane und Lammas. Dadurch sind auch die Positionen der anderen Elemente klar, denn in Übereinstimmung mit der Energie, die im Göttinnenrad im Uhrzeigersinn fließt, sind die Elemente so angeordnet, dass sie an Dichte zunehmen. Auf diese Weise können wir die Göttinnenenergie schöpferisch nutzen. Wir öffnen das Rad, das heißt, wir laden die Göttinnen des Jahresrades mit dem Uhrzeigersinn ein, wenn wir etwas erschaffen, aufbauen, manifestieren wollen. Auch wenn wir das Rad schließen, verabschieden wir uns in dieser Richtung von den Göttinnen, um weiterhin im Einklang mit der Energie in der Welt zu schwingen. Allerdings können wir gegen den Uhrzeigersinn mit den Göttinnen arbeiten, wenn wir etwas auflösen oder bannen wollen.

Es lohnt sich auch, einen Blick auf die Beziehungen der Göttinnen zu richten, die sich auf dem Jahresrad gegenüberliegen: Mädchen und Mutter, Liebende und Greisin. Diese ergänzen sich oft, beeinflussen sich gegenseitig oder können auch als Aspekte voneinander erfahren werden, die man gar nicht von einander trennen kann.

Viel Spaß beim Einlassen und Erfahren!

DIE GREISIN

Wenn die Tage kürzer und dunkler werden und die Natur sich zurückzieht, nimmt die Göttin ihre Gestalt als Greisin an. Ihr Fest ist Samhain, der Winteranfang im Jahreskreis. Bei den Kelten nehmen die Dinge in der Dunkelheit ihren Anfang: der Tag beginnt mit dem Abend, das Jahr mit dem Winter und das Leben mit dem Tod. Daher beginnt die Priesterinnenausbildung jährlich in der Zeit von Samhain, und entsprechend beginne ich auch die Beschreibung des Göttinnenrades mit der Göttin in ihrem Greisin-Aspekt zu Samhain.

Die Göttin in der Gestalt der Greisin hat auf dem Jahresrad mehrere Namen: sie ist Matrona, die Verwandlerin, im Nordwesten. Sie wandelt sich von der Greisin zum Mädchen zur Mutter zur Greisin – ohne Unterlass. Sie verkörpert die Spirale des Lebens, das zyklische Weltbild der Göttin: Alles was stirbt, wird aus ihrem Schoß wiedergeboren. Sie ist Hel, die Göttin der Unterwelt, Todesgöttin und Königin des Schattenreiches unserer Seelen. Sie ist Baba Yaga, die Initiatorin, Aufgabenstellerin und Schenkerin von Gaben, deren Herausforderungen uns zu unserer wahren Kraft führen.

Da der Tag mit der Nacht beginnt,5 beginnt das Fest Samhain mit der Abenddämmerung des 31. Oktobers und endet am Abend des 1. November. Die Göttin wandelt sich zur Alten, die die Dunkelheit bringt und deren graue Haarsträhnen als Nebelschwaden über dem Land hängen. Ihre Tiere sind der Kranich, die Krähe und die Wildsau, aber auch der Schmetterling. Ihre Farbe ist schwarz. Ihr Symbol ist der Kessel, die abnehmende Mondin, die Sense und die Sichel.

Die Greisin ist die alte Frau, die das Leben gesehen und ihre Erfahrungen gemacht hat – und die Todesbotin. Die Eibe, die oft auf Friedhöfen gepflanzt ist, ist ihr Baum. Wenn die Bäume ihre Blätter abwerfen und kahl und schwarz in graue, regnerische Novemberhimmel ragen, kehren wir uns nach innen und gedenken unserer Ahninnen. Wir lassen die Dinge sterben, die unserem Leben nicht mehr dienlich sind, und säen die Saat unserer Absichten für das neue Jahr. Bei den Kelten stand der Tod nicht am Ende: unvermeidlich, bedrohlich und schreckenerregend. Vielmehr war er der Beginn eines neuen Kreislaufs, untrennbar mit dem Leben verwoben und das Leben mit ihm. Die Greisin schenkt uns den Tod und die Wiedergeburt, das Sprengen der Ketten und die Transformation.

Matrona

Göttin der Transformation

Matrona ist uns heute durch römische Inschriften und Weihesteine aus der südlichen Germania Inferior6 bekannt. Dort werden drei Frauen nebeneinander sitzend abgebildet, die in ihren Schößen mit Obst und Brot gefüllte Körbe halten. Die beiden Äußeren tragen Hauben, groß und rund wie der volle Mond, während die Frau in der Mitte mit offenem glatten Haar dargestellt wird. Es gibt keinerlei erhaltene Schriftquellen.

Matrona wird auf den Weihesteinen in ihrer Erscheinung als Greisin-Mädchen-Mutter abgebildet. Dies verraten uns die Hauben, die, der germanischen Tracht der Ubierinnen entsprechend, nur von verheirateten Frauen getragen wurden. Dies bedeutet, dass in der Mitte eine junge Frau sitzt. Allgemein interpretieren Archäologen diese drei Frauen als eine Dreiergruppe von Muttergöttinnen, die Drei Matronen. Tatsächlich zeigt sich hier jedoch die Große Göttin in ihren drei Aspekten selbst.

Weihestein mit Gaben für Matrona auf der Görresburg oberhalb von Nettersheim, Nordrhein-Westfalen

Wir haben es hier also mit einer Göttin zu tun, deren Machtwirken alle Lebensbereiche durchdringt, die in drei Erscheinungsformen abgebildet ist und die sich ewig wandelt. Die vollen Körbe betonen ihren fruchtbaren Schoß. In den Körben finden sich Äpfel und Birnen. Äpfel stehen für die Unsterblichkeit, die der ewige Kreislauf der Göttin – von Leben, Tod und Wiedergeburt – schenkt. Die Birne bildet in ihrer Form die Gebärmutter ab, in der das neue Leben entsteht. Beide Früchte sind somit weibliche Ursymbole, die Leben, Sterben und Wiedergeburt versinnbildlichen. In den Schoß der Göttin kehrt alles zurück, was stirbt, und aus ihrem Schoß werden wir wiedergeboren. Darum wird Matrona auf dem deutschen Jahresrad der Göttin vor allem im Nordwesten in ihrem Aspekt als Greisin, als Todesbotin und Verwandlerin, verehrt.

Die drei Gesichter Matronas (auf einem Weihestein auf der Görresburg)

Hel

Die Göttin der Unterwelt

Die Göttin der Unterwelt ist Hel. Ihre eine Körperhälfte ist weiß, die andere schwarz. Sie reitet auf einem Pferd oder fährt in einem Wagen über das Land und sammelt die Toten ein. Hel, oder Helja, ist die Göttin, der wir am Ende unseres Lebens alle begegnen. Ihr Name bedeutet bergend.8 Wer einmal in ihr Reich Niflheim eingegangen ist, kann dieses nicht wieder verlassen.9 Niflheim ist eines von mehreren Jenseitsreichen der nordischen Mythologie, die alle mehr oder weniger auf eine bestimmte Gruppe von Menschen eingestellt sind.10 Das Totenreich Heljas allerdings steht allen offen, die an Alter oder Krankheit sterben. Sie ist der Inbegriff der Totengöttin, die uns alle am Ende in ihre leuchtende Dunkelheit in Empfang nimmt und dem Sterben den Schrecken nimmt.

Hel hat, wie wir alle, zwei Seiten, die sie deutlich zeigt.11 Sie ist gleichzeitig erschreckend und wohlmeinend – der Tod ist nicht immer schrecklich. Hel lehrt uns, unsere eigenen zwei Seiten anzunehmen. Oft lernen wir in unserem Leben, eine Hälfte von uns abzulehnen – bestimmte Dinge, die wir fühlen oder die wir getan haben. Wenn wir das tun, können wir seelische Krankheiten entwickeln, und dann müssen wir die Reise nach Niflheim antreten. Auch Schlimmes, das uns widerfährt, und woran wir keine Schuld tragen, kann ein Auslöser für einen Sturz in die Unterwelt sein. Dann ist Niflheim der Inbegriff der trostlosen Totenwelt.

Der Name bedeutet Nebelheim, und man gelangt über den Hellweg dorthin. Niflheim liegt unter den Wurzeln der Weltesche Yggdrasil, in dessen Mitte sich der Brunnen Hwergelmir, das bedeutet rauschender Kessel oder alter Kessel, befindet. Aus diesem Brunnen ergießen sich zwölf eisige Flüsse, von denen Gell